JudikaturJustiz6Ob2125/96k

6Ob2125/96k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Ehmayr, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 10.August 1995 verstorbenen Oswald Hermann G*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Irma M*****, geb. G*****, vertreten durch Dr.Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 22. Dezember 1995, GZ 3 R 367-369/95-32, womit dem Rekurs der Irma M***** gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Feldkirch je vom 18. Oktober 1995, GZ 12 A 407/95a-24, 26 und 27, nicht Folge gegeben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung:

Der am 26.4.1931 geborene Oswald Hermann G***** wurde am 14.12.1970 wegen Geistesschwäche voll entmündigt. Seit der Einführung des Sachwalterrechtes war der Bruder des Betroffenen Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten. Der Betroffene wurde von seiner Schwester Agnella S***** (geb G*****) betreut. Irma M***** ist eine weitere Schwester des Betroffenen. Dieser wollte am 2.9.1992 ein Testament zugunsten seiner Schwester Agnella S***** errichten und erschien zu diesem Zweck vor dem Bezirksgericht Feldkirch. Die zuständige Richterin verwendete bei der Protokollierung des Testamentes einen Schallträger. Auf der formularmäßigen ersten Seite des Protokolls wurde der Betroffene als erschienen angeführt. Die Seite enthält weiters folgenden Text:

"Die Abfassung des Protokolls erfolgt mittels Schallträger (§ 212a ZPO). Die Parteien sind mit der sofortigen Löschung des Tonbandes nach Übertragung unter Verzicht auf die dreitägige Widerspruchsfrist einverstanden". Unter diesen Text setzten die Richterin und offenkundig eine als Testamentszeugin beigezogene, auf der ersten Seite des Protokolls aber nicht angeführte Gerichtsbedienstete ihre Unterschriften. In der Mitte der Seite des Protokolls befindet sich die nur aus dem Vornamen bestehende Unterschrift des Betroffenen. Die Übertragung des Tonbandprotokolls vom 2.9.1992 hat folgenden Text:

"Zu Gericht kommt Oswald G*****. Betroffener im Verfahren SW 106/84 und gibt an:

Ich möchte ein Testament errichten.

Beigezogen wird die Testamentszeugin VB Martina R*****.

Oswald G***** gibt sodann zu Protokoll das

Testament

Erbe meines gesamten Vermögens sollen meine Schwester Agnella S***** sein. Sie soll gar alles bekommen, was ich habe.

Außer Agnella soll niemand etwas von meinem Vermögen erhalten.

Fertigung:

Mag. R***** eh Oswald G***** eh Martina R***** eh".

Dem Protokoll wurde ein undatiertes Attest des praktischen Arztes Dr.Wilfried M***** in G***** angeschlossen. Er bestätigt, daß der Betroffene in seiner ärztlichen Behandlung stehe. Es bestehe eine Behinderung in Form einer Trisomie 21 - Down Syndrom. Er bedürfe ständiger Betreuung, sei jedoch durchaus in der Lage, eigene Wünsche und Interessen zu äußern (zu ON 6 des Verlassenschaftsaktes = ON 126 des Sachwalteraktes Sw 106/84, nunmehr 19 P 1041/95z des Erstgerichtes).

Der Betroffene verstarb am 10.8.1995. Sein Testament vom 2.9.1992 wurde kundgemacht (ON 6). Das Erstgericht faßte am 16.10.1995 folgenden Beschluß:

"1. Die aus dem Titel des Testamentes vom 02.09.1992 abgegebene unbedingte Erbserklärung wird zu Gericht angenommen.

2. Das Erbrecht ist ausgewiesen durch die genannte letztwillige Verfügung.

3. Die Abhandlungsschrift wird verlaßgerichtlich genehmigt.

4. Das Nachlaßvermögen wird der unbedingt erbserklärten Testamentserbin ins Alleineigentum eingeantwortet.

5. Die Raiffeisenbank A***** wird angewiesen, das erbl. Girokonto Nr. 53.884, lautend auf "Irma M*****" sowie das erbl. Sparbuch Nr. 30.006.795 zu realisieren und das Realisat an die erbl. Nichte Klaudia S***** auszubezahlen, da diese berechtigt ist, über diese Guthaben entsprechend der Vollmacht vom 31.08.1995 zu verfügen.

Weiters wird die Raiffeisenbank A***** angewiesen, das erbl. Wertpapierdepot Nr. 60.000.783 auf die erbl. Schwester Agnella S***** geb. G***** umzuschreiben, da diese berechtigt ist, hierüber allein zu verfügen.

6. Die Vorarlberger L*****bank, Filiale D*****, wird angewiesen, das erbl. Sparbuch Nr. 573267314 sowie das erbl. Wertpapierdepot Nr. 473267918 auf die erbl. Schwester Agnella S***** geb. G***** umzuschreiben, da diese berechtigt ist, hierüber allein zu verfügen.

7. Die Verlaßsache wird für beendet erklärt".

Gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Feldkirch je vom 18.10.1995, ON 24, 26 und 27 (das sind jeweils Ausfertigungen der Beschlußpunkte 4. (Einantwortung), 5. und 6. (Anweisungen an die Banken) des Beschlusses ON 23 richtete sich der Rekurs der erblasserischen Schwester Irma M*****.

Diesem Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge. Es vertrat die Auffassung, daß nach § 75 Abs 1 AußStrG das Gericht die vermutlichen Erben von dem Erbfall mit der Aufforderung zu verständigen habe, die Erbserklärung beizubringen. Wegen Vorliegens eines unbedenklichen Testaments habe die testamentarische Erbfolge einzutreten. Das Erstgericht sei daher nicht verpflichtet gewesen, die voraussichtlichen gesetzlichen Erben zu verständigen oder zur Abgabe einer Erklärung aufzufordern. Über ein gerichtliches mündliches Testament sei ein Protokoll aufzunehmen und sodann versiegelt zu hinterlegen. Gemäß § 212a ZPO könne bei Absehen von der Beiziehung eines Schriftführers für die Abfassung des Verhandlungsprotokolls ein Schallträger verwendet werden. Dann sei eine Übertragung in Vollschrift anzufertigen, in welche die Partei Einsicht nehmen könne. Innerhalb von drei Tagen nach Vorliegen der Vollschrift könne die Partei Widerspruch gegen Fehler der Übertragung des Protokolls erheben. Eine Abfassung des Protokolls mittels Schallträgers sei auch bei der Erstellung eines gerichtlichen Protokolls über ein Testament zulässig. Von der Zustellung einer Abschrift an den Betroffenen habe abgesehen werden können, da dies nicht rechtzeitig beantragt worden sei.

Auch entmündigte Geisteskranke könnten in lichten Augenblicken unter Einhaltung der allgemeinen Formen oder nach Heilung noch vor Aufhebung der Entmündigung testieren. Voll Entmündigte stünden Personen gleich, denen ein Sachwalter nach § 273 Abs 3 Z 3 ABGB bestellt worden sei. Solche Personen könnten nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren. Gemäß § 569 ABGB müsse das Gericht eine angemessene Erforschung dahin vornehmen, daß die Erklärung des letzten Willens frei von Zwang, Betrug oder wesentlichem Irrtum sei und mit Überlegung geschehe. Dies stelle aber ein materielles Erfordernis jeder letztwilligen Erklärung dar. Ein seiner äußeren Form nach entsprechendes Gerichtsprotokoll liege auch dann vor, wenn sich herausstelle, daß das Testament trotz der angestellten Nachforschungen mit einem Willensmangel behaftet sei. Das Gesetz enthalte keine Vorschrift, in welcher Weise das Gericht bei der Protokollierung eines mündlichen Testamentes das festhalten müsse, was sich aus der Erforschung ergeben habe. Nach Ansicht des Rekursgerichtes genüge die Vorlage eines ärztlichen Attests. Aus dem vorgelegten Attest ergebe sich, daß der Erblasser zwar einer ständigen Betreuung bedürfe, jedoch durchaus in der Lage sei, eigene Wünsche und Interessen zu äußern.

Zu den Verfügungen des Erstgerichtes hinsichtlich der Konten und Sparbücher führte das Rekursgericht aus, es sei davon auszugehen, daß das betroffene Vermögen zum Nachlaßvermögen des Erblassers zähle.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und daß die ordentliche Revision (gemeint: der ordentliche Revisionsrekurs) nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die nur nach dem Gesetz zur Erbin berufene Schwester des Erblassers die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage, ob für ein öffentliches Testament vor Gericht, das gemäß § 569 ABGB in ein Protokoll aufgenommen werden muß, die Protokollierung mittels Schallträgers im Sinne der Vorschriften der ZPO zulässig ist, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Der Rechtsfrage kommt eine über den Anlaßfall hinausreichende Bedeutung zu. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Rekurslegitimation der nach dem Gesetz zur Erbin berufenen Schwester des Erblassers ist zu bejahen, obwohl sie bisher noch keine Erbserklärung abgegeben hat. Vor der Erbserklärung soll ein präsumtiver Erbe zwar grundsätzlich keinen Einfluß auf die Abhandlungspflege nehmen können, dies gilt aber dann nicht, wenn der berufene Erbe ein erkennbares Interesse am Erbantritt bekundet hat oder ihm durch Verfahrensfehler die Wahrnehmung seiner Rechte vereitelt wird (EFSlg 76.376, 55.420). Letzterer Fall liegt hier vor.

Weder in den materiellen Erbrechtsvorschriften des ABGB noch in den Vorschriften des außerstreitigen Verfahrens ist die Form der Protokollierung geregelt. § 569 ABGB spricht nur davon, daß die Erklärung des minderjährigen Testators vom Gericht in ein Protokoll aufgenommen werden muß. Dasjenige, was sich aus der Erforschung des freien Willens des Testators durch das Gericht ergeben hat, muß beigerückt werden. Die Erforschung der Willensfreiheit und Überlegtheit sowie das Protokollieren dieser Erforschung sind formelle Gültigkeitserfordernisse für Testamente von Minderjährigen, aber auch für die im § 568 ABGB angeführten Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt worden ist (SZ 64/111; 6 Ob 1659/95). Die Formvorschriften bei der Errichtung von Testamenten sollen dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewußt machen (Warnfunktion) und andererseits Streitigkeiten nach dem Tod des Erblassers vorbeugen (Beweisfunktion). Beiden Funktionen kann ein mündlich vor Gericht erklärtes Testament nur gerecht werden, wenn das darüber errichtete Protokoll der Anforderung entspricht, daß der Testator weiß, was er erklärt hat (erklärt haben soll) und was darüber vom Gericht festgehalten wurde. Es wurde schon (bei anderen Sachverhalten) ausgesprochen, daß die Anwendung der Protokollierungsvorschriften der ZPO (§§ 212 ff ZPO) im außerstreitigen Verfahren grundsätzlich nicht offenbar gesetzwidrig sei (1 Ob 157/64) bzw daß die Bestimmungen der ZPO anwendbar seien (2 Ob 603, 604/83). Es spricht nach Ansicht des erkennenden Senates nichts dagegen, die vom Gesetzgeber im Bereich des Zivilprozesses zugelassene Anwendung moderner Bürotechniken auch im außerstreitigen Verfahren für anwendbar zu erachten. Den erwähnten Funktionen der Formvorschrift wird auch ein vom Richter mit Schallträger aufgenommenes Protokoll gerecht. Der Richter fungiert als Urkundsperson, der die Richtigkeit der Übertragung der Schallträgeraufnahme in Vollschrift mit seiner Unterschrift zu bestätigen und die Übertragung dem Protokoll (das ist die Niederschrift darüber, daß ein Schallträger verwendet wird) als Beilage anzufügen hat (vgl zur ehemals strittigen und in SZ 59/170 entschiedenen Frage der Zulässigkeit der Protokollierung eines Vergleichs mittels Schallträgers). Das Gesetz räumt bei Protokollierungen im Zivilprozeß den Parteien verschiedene Mitwirkungs- und Kontrollrechte ein. Sie haben das Recht, während der Protokollierung auf Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten hinzuweisen; sie können nach Beendigung des Protokollierungsvorganges verlangen, daß das Tonband vorgespielt wird und danach sofort Berichtigungsanträge stellen; gegen die Ablehnung einer Berichtigung kann Widerspruch erhoben werden; gegen Fehler der Übertragung des Protokolls kann Widerspruch erhoben werden. Eine analoge Anwendung dieser sich aus den Protokollierungsvorschriften der Zivilprozeßordnung ergebenden Parteienrechte auf ein von einem Minderjährigen oder einem unter Sachwalterschaft stehenden Betroffenen mündlich vor Gericht erklärtes Testament ist jedoch entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin aus folgenden Gründen nicht geboten:

Die verfahrensrechtlichen Mitwirkungsrechte bei der Protokollierung kann ein unter Sachwalterschaft stehender Erblasser nicht selbst sondern nur unter Mitwirkung seines Sachwalters ausüben. Das bedeutet, daß der Sachwalter in jedem Fall bei der Errichtung eines Testamentes vor Gericht mitwirken müßte. Gegen diese nur aus Verfahrensvorschriften abzuleitende Rechtsfolge spricht aber der Umstand, daß aus den materiellen Rechtsbestimmungen der zentrale Grundsatz der völligen Testierfreiheit, also die unbeeinflußte, freie Willenserklärung abzuleiten ist. Der Testierwille muß im Zustand der vollen Besonnenheit, mit Überlegung und Ernst, frei von Zwang, Betrug und wesentlichem Irrtum erklärt werden (§ 565 ABGB), selbst ein Motivirrtum des Erblassers ist beachtlich (§ 572 ABGB). Auch wenn nicht unterstellt werden kann, daß Sachwalter, die der Testamentserklärung des Betroffenen beiwohnen, schon dadurch auf den Testamentswillen Einfluß nehmen, so spricht der angeführte Grundsatz der völligen Testierfreiheit dagegen, daß ein nicht voll geschäftsfähiger Erblasser von einem nach den Vorschriften der ZPO förmlich durchgeführten Protokollaufnahmeverfahren in seiner Willensäußerung abgelenkt und solcherart beeinflußt wird. Die Testierfähigkeit von Betroffenen wird schon bei Vorliegen der geistigen Fähigkeiten eines Vierzehnjährigen bejaht (Welser in Rummel ABGB2 Rz 4 zu §§ 566-569; SZ 64/111). Eine solche Person bedarf im Zivilprozeß zur Wahrnehmung ihrer Rechte (also auch derjenigen, die sich aus den Protokollierungsvorschriften ergeben) eines Vertreters. Das Verständnis von teilweise durchaus komplizierten Verfahrensvorschriften unterscheidet sich hinsichtlich der geistigen Anforderungen sehr wesentlich von der materiellen Rechtsfrage nach der Natur des Testaments und seiner Rechtsfolgen. Da das Gesetz im materiellen Recht eine beschränkte Geschäftsfähigkeit zum Testieren ohne Beiziehung eines gesetzlichen Vertreters anordnet, ist es nach Ansicht des erkennenden Senates nicht vertretbar, eine solche Beiziehung wegen formeller Protokollierungsvorschriften (die im außerstreitigen Verfahren überdies nur im Wege der Analogie Gültigkeit hätten) für erforderlich zu halten. Im außerstreitigen Verfahren gilt überdies der Grundsatz, daß das Gericht verpflichtet ist, Schäden von den Parteien fernzuhalten, die sich aus unwesentlichen Förmlichkeiten ergeben (§ 2 Abs 3 Z 10 AußStrG). Schließlich spricht auch noch der Gesichtspunkt der Vertraulichkeit für ein selbständiges Handeln des Betroffenen vor Gericht. Er soll vor dem Richter ohne Zuziehung des Sachwalters testieren können. Genauso wie ein in Langschrift abgefaßtes und vom Richter und dem betroffenen Erblasser unterfertigtes Protokoll den Gültigkeitserfordernissen entspricht, ist dies auch bei einem mittels Schallträgers aufgenommenen Protokoll zu bejahen. Richtig ist lediglich die Auffassung der Rekurswerberin, daß die Übertragung des Tonbandprotokolls vom Richter und den weiteren im § 589 ABGB genannten Personen (also eines Gerichtszeugen oder zweier anderer Zeugen) gefertigt werden muß. Entgegen den Rekursausführungen wurden diese Unterschriften nach der Aktenlage auf dem Original der Tonbandübertragung (also dem hinterlegten Testament) gesetzt. Die Fertigung ist jedenfalls auch eine Voraussetzung für die Gültigkeit des Testaments (SZ 41/4).

Das Gericht durfte das Testament des Betroffenen mittels Schallträgers aufnehmen und protokollieren.

Dem Gericht obliegt aber nicht nur die Protokollierung der Willenserklärung des Testators, sondern bei Minderjährigen und Betroffenen auch die Erforschung des freien Willens. In dieser Frage stehen die Vorinstanzen auf dem Standpunkt, daß dem Formerfordernis durch die Beilage des schon angeführten ärztlichen Attestes entsprochen worden sei. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Das nicht datierte Attest des Hausarztes des Betroffenen läßt keinen Rückschluß über seinen tatsächlichen Zustand am Tage der Testamentserrichtung zu. Es handelt sich dabei auch nicht um die Wiedergabe von Wahrnehmungen des Richters, vor dem der Testamentswille erklärt wurde. Schon aus diesem Grund liegt eine Verletzung der Formvorschriften des § 569 ABGB vor. Aufgrund der von den Vorinstanzen angenommenen Sachverhaltsgrundlage wäre die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung des Betroffenen zu verneinen. Daraus ergibt sich auch - wie schon eingangs ausgeführt - die Rekurslegitimation der nach dem Gesetz berufenen Schwester des Erblassers.

Die Sache ist allerdings aus einem bisher noch nicht beachteten Grund nicht spruchreif. Der Oberste Gerichtshof hat zur näheren Prüfung des Protokollierungsvorganges vom 2.9.1992 den Sachwalterakt beigeschafft. In diesem liegt ein Aktenvermerk der Erstrichterin vom selben Tag mit folgendem Inhalt:

"Oswald G***** hat heute über sein Ersuchen bei mir ein Testament errichtet. Er ist offensichtlich sehr nervös und redet sehr wenig. Es ist aber erkennbar, daß er weiß, daß er Geld hat, er weiß jedoch nicht, wieviel sondern kann dazu über Befragen nur angeben, daß dies die Irma (seine Schwester, die die Verwaltung des Vermögens übernommen hat) hat. Er weiß nicht genau welche Beträge er hat und wie diese angelegt sind. Dies scheint mir auch gar nicht verwunderlich, weil er hier keinen Einblick hat.

Ausdrücklich möchte ich feststellen, daß ich den Eindruck habe, daß dies wirklich Oswalds Wille ist und er dazu keineswegs von Frau S***** gedrängt wurde. Sie mischt sich überhaupt nicht ein. Aber schon bei seinem letzten Besuch hat Oswald ausdrücklich erklärt, daß er alles, was ihm der Vater "gebucht" (diesen Ausdruck verwendet Oswald für testieren und vererben) habe, und auch was er sonst habe Agnella haben soll. Oswald hat auch immer wieder betont, daß er dies möchte, weil Agnella zu ihm schaut und in pflegt etc.

Feldkirch, am 2.9.1992" (SW 104/94-125 des Bezirksgerichtes Feldkirch).

Verfügt wurde der Anschluß einer Kopie dieses Aktenvermerkes zum Testament. Aus dem Akt ist nicht ersichtlich, ob dieser Anschluß auch tatsächlich erfolgt ist. Der wiedergegebene Aktenvermerk kann als die im § 569 ABGB normierte gerichtliche Erforschung des freien Willen des Testators qualifiziert werden. Sollte der Aktenvermerk auch dem bei Gericht hinterlegten Testament angeschlossen worden sein, wäre die weitere Formvorschrift der "Beirückung" erfüllt. Dieser Sachverhalt wird im fortzusetzenden Verfahren noch zu klären sein. Das Ergebnis seiner Erhebungen wird das Erstgericht vor der neuerlichen Entscheidung den Beteiligten in Wahrung des Rechtes auf Parteiengehör mitzuteilen haben.

Dem Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen stattzugeben. Da die Verfügung über die erblasserischen Konten und Sparbücher zugunsten der Testamentserbin von der Gültigkeit des Testaments abhängen, sind diese bekämpften Verfügungen ebenfalls aufzuheben.

Rechtssätze
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