JudikaturJustiz6Ob196/12k

6Ob196/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr.

Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. H***** J*****, vertreten durch Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwalt in Steyr, gegen die beklagte Partei I***** W*****, vertreten durch Dr. Martin Peter Schloßgangl, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Unterlassung (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. Juli 2012, GZ 2 R 41/12f 26, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 23. Dezember 2011, GZ 4 Cg 98/10k 22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Berufungs und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger und seine Ehefrau sind Mit und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** und betreiben dort im Erdgeschoss eine Apotheke. Die Beklage und ihr Lebensgefährte sind ebenfalls Mit und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft. Die ihnen gemeinsam gehörende Wohnung liegt im obersten Stockwerk des Gebäudes und grenzt an das beschotterte Flachdach des um eine Etage niedrigeren Gebäudeteils.

Bereits beim Kauf ihrer Eigentumswohnung hatten die Beklagte und ihr Lebensgefährte die Idee, auf dem Flachdach eine Terrasse anzulegen. Zu diesem Zweck wurde ihnen von der Miteigentümergemeinschaft ein Großteil des Flachdachs vermietet. Im Sommer 2008 wurde die Dachterrasse hergestellt. Im Frühjahr 2010 begab sich der Kläger durch ein Stiegenhausfenster auf das Flachdach, um die Dachterrasse zu inspizieren. Dabei stellte er fest, dass die Terrasse wesentlich größer als vereinbart errichtet worden war. Er fertigte Lichtbilder an und setzte sich noch am selben Tag per E Mail mit der Hausverwaltung und der Beklagten in Verbindung. Er führte darin aus, dass der von ihm vorgefundene „Istzustand“ nicht der Vereinbarung bzw dem Mietvertrag entspreche und deshalb Maßnahmen einzuleiten seien.

Am Morgen des 20. 3. 2010 betrat der Kläger neuerlich das Flachdach über ein Stiegenhausfenster. Dabei fotografierte er erneut die Dachterrasse. Als er dabei gegenüber der Schlafzimmertür der Beklagten stand, wollte die Beklagte gerade nur mit einer Unterhose bekleidet auf die Terrasse hinausgehen. Als sie den Kläger mit dem Fotoapparat sah, schrie sie auf, was er denn da mache. Der Kläger antwortete, sie solle weggehen, wenn sie nicht „auf dem Foto drauf sein“ wolle. Der Lebensgefährte der Beklagten war über diesen Vorfall derart erzürnt, dass er ins Stiegenhaus ging und das offene Fenster schloss, sodass dem Kläger nicht mehr möglich war, das Flachdach zu verlassen.

Am 4. 5. 2010 brachten die Beklagte und ihr Lebensgefährte zu 10 MSch 1/10k des Bezirksgerichts Steyr einen (gegen alle übrigen Mit und Wohnungseigentümer gerichteten) Antrag auf Änderung einer Benützungsregelung gemäß § 17 Abs 2 WEG ein, der darauf abzielt, das Mietverhältnis betreffend die Dachterrasse an deren tatsächliches Flächenausmaß anzupassen. In diesem Antrag führten sie unter anderem Folgendes aus:

Der Erstantragsgegner [= Kläger] hat uns in der Folge (nach Errichtung der Dachterrasse) ersucht, ihn wegen minimaler Mängel, die angeblich beim Vitalcenter vorliegen würden, gegenüber der Firma P***** GmbH zu unterstützen. Zudem hat er mich, Erstantragstellerin [= Beklagte], mehrfach auf ein Glas Wein eingeladen, was ich jedoch abgelehnt habe. Aus diesen beiden Gründen hat der Erstantragsgegner in der Folge begonnen, uns wegen der größer gebauten Terrassenfläche Schwierigkeiten zu bereiten. …

Nunmehr ist er (der Kläger) verärgert, weil wir ihn bei den angeblichen Mängeln gegen die Firma P***** nicht unterstützen wollen. Zudem hat er auf mich, Erstantragstellerin, ein „Auge geworfen“ und ist offenbar gekränkt, weil ich seinen Einladungen nicht gefolgt bin. Der Erstantragsgegner klettert mittlerweile mehrfach in der Nacht beim Stiegenhausfenster hinaus auf das Dach und hat unter anderem am 13. 3. 2010 unsere Terrasse fotografiert. Obwohl er dieses Foto angefertigt hat, ist er am Samstag, 20. 3. 2010 um 8:00 Uhr früh wiederum auf das Dach hinausgeklettert. Ich, Erstantragstellerin, war gerade aufgestanden und befand mich halb nackt, nur mit einer Unterhose bekleidet, im Schlafzimmer, als ich feststellen musste, dass mich der Erstantragsgegner durch die Schlafzimmerterrassentüre hinein nackt fotografieren wollte. Ich fühle mich berechtigt belästigt und bedrängt vom Erstantragsgegner und hat sein Verhalten auch zu einem Polizeieinsatz geführt.

[…] Sämtliche Antragsgegner haben dem (nämlich einer Anpassung des Mietvertrags und zinses an die größere Terrassenfläche) zugestimmt, lediglich der Erstantragsgegner verweigert aus den dargelegten Gründen vehement seine Zustimmung. […] Der nunmehrige Standpunkt des Erstantragsgegners ist ein bloßer Justamentstandpunkt. […]

Bei einer Verkleinerung der Terrassenfläche auf die ursprünglich angemietete Größe wäre der Erstantragsgegner in der Lage, noch näher zu unserer Schlafzimmerterrassentüre zu gelangen, womit ich, Erstantragstellerin, noch massiver seinen Nachstellungen ausgeliefert wäre. Zudem könnte der Erstantragsgegner dann unmittelbar bei dem vor unserer Wohnungseingangstür befindlichen Stiegenhausfenster auf die Dachfläche hinausklettern. Dieses Stiegenhausfenster haben wir von außen von unserem Terrassenbereich durch eine Plombe fixiert. Der Erstantragsgegner hat offenbar gewaltsam versucht, dieses Fenster zu öffnen, und hat die Plombe beschädigt.

Die Antragsgegner haben keinen wie immer gearteten Nachteil aus der etwas größeren Dachterrassenfläche. […] Es liegen daher zahlreiche wichtige Gründe für eine Änderung der bestehenden Benützungsregelung vor. Der Standpunkt des Erstantragsgegners, der alleine diese Änderung verhindern will, ist ein Justamentstandpunkt, und würde uns eine Verpflichtung zur Entfernung des 'Überbaus' ausschließlich großen Schaden zufügen. [ ...]“

Der Antrag wurde (zum Zwecke seiner Zustellung an die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 52 Abs 2 Z 4 WEG 2002) im Stiegenhaus des Hauses S***** Straße ***** ausgehängt.

Der Kläger begehrt die Beklagte schuldig zu erkennen, ehrenrührige, ruf und kreditschädigende Behauptungen über den Kläger des Inhalts zu unterlassen, er habe auf sie „ein Auge geworfen“ und sei offenbar gekränkt, weil sie seinen Einladungen nicht gefolgt sei, er klettere mehrfach in der Nacht vom Stiegenhaus hinaus auf das Dach, er wolle sie durch die Schlafzimmertür hinein nackt fotografieren, er stelle ihr massiv nach und er versuche gewaltsam, Fenster zu öffnen. Anscheinend um einer Unterlassungsklage zuvorzukommen hätten die Beklagte und ihr Lebensgefährte einen Antrag nach § 17 Abs 2 WEG gegen die übrigen Miteigentümer eingebracht. Offenbar um ihn „als den schlechten Part hinzustellen“ und moralisch und sittlich „madig zu machen“, habe sich die Beklagte in diesem Antrag zu den klagsgegenständlichen Behauptungen verstiegen. Damit werde behauptet, dass er gleichsam ein „Spanner“ und Stalker sei, der Beklagten unsittlich nachstelle und ihrem Antrag auf Änderung der Benützungsregelung nur deshalb entgegentrete, weil er bei ihr mit widerwärtigen und geschmacklosen Annäherungen nicht zum Ziel komme. Tatsächlich habe er sich der Beklagten nie in der behaupteten Art und Weise genähert; insbesondere habe er das Flachdach nur betreten, um die Situation fotografisch zu dokumentieren.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren. Ihr Vorbringen sei weder rechtswidrig noch ehrenrührig, sondern gerechtfertigt und richtig. Aus ihrer Sicht sei ein nochmaliges Fotografieren der Terrasse am 20. 3. 2010 nicht notwendig gewesen. Da der Kläger seinen Fotoapparat auf die Schlafzimmertür gerichtet habe, sei für sie der Eindruck entstanden, er wolle sie halbnackt fotografieren. Das Vorbringen, der Kläger habe nach ihrem Eindruck „ein Auge auf sie geworfen“, stelle nur ein Werturteil im Sinne der Äußerung eines Gefühls bzw einer Empfindung dar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei traf es im Wesentlichen zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt nachstehende Feststellungen:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger gewaltsam das Fenster zu öffnen versucht hätte. Der Kläger hatte weder Interesse an der Beklagten noch war er durch ihr Verhalten ihm persönlich gegenüber gekränkt. Er kletterte auch nicht mehrfach in der Nacht vom Stiegenhaus auf das Dach hinaus, wollte die Beklagte nicht durch die Schlafzimmertür hinein nackt fotografieren und hat ihr auch nicht massiv nachgestellt.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Behauptungen im Antrag der Beklagten zu 10 MSch 1/10k des Bezirksgerichts Steyr insgesamt beleidigend und kreditschädigend seien und einer tatsächlichen Grundlage entbehrten. Für einen unbefangenen Dritten entstehe daraus der unzutreffende Eindruck, dass es sich beim Kläger um einen „Spanner“ und Stalker handle, der aus gekränkter Liebe nächtens Dächer besteige, Nacktbilder anfertigen wolle, gewaltsam werde und einen Polizeieinsatz notwendig mache. Es ändere auch nichts an dem daraus resultierenden Unterlassungsanspruch, dass die Behauptungen in einem Gerichtsverfahren aufgestellt worden seien.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab.

Zwar sei dem Kläger und dem Erstgericht darin beizupflichten, dass das im Antrag geschilderte Verhalten des Klägers nach allgemeiner Auffassung dem eines „Spanners“ (Voyeurs) und Stalkers entspreche. Allerdings würden nach ständiger Rechtsprechung in die Ehre oder den wirtschaftlichen Ruf des Prozessgegners eingreifende Parteibehauptungen im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege unabhängig von der Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit des Verfahrens als gerechtfertigt angesehen, sofern sie nicht vorsätzlich oder wider besseres Wissen erhoben würden. Im vorliegenden Fall habe der Kläger nicht einmal dezidiert behauptet, dass die beklagte Partei das inkriminierte Vorbringen im Antrag zu 10 MSch 1/10k des Bezirksgerichts Steyr wider besseres Wissen aufgestellt hätte. Derartiges ergebe sich auch nicht aus den Feststellungen des Erstgerichts.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, einzelne Schriftsatzpassagen des Klägers ließen sich als (implizite) Behauptung eines von der Beklagten vorsätzlich wider besseres Wissen erstatteten Vorbringens im MSch Verfahren auffassen. Daraus ergebe sich die prozessrechtliche Konsequenz, dass ein sekundärer Feststellungsmangel hinsichtlich der Tatfrage vorliege, ob die Beklagte um die Unwahrheit ihrer Behauptungen wusste.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass es bei der Beurteilung von Äußerungen auf ihre Tatbildlichkeit nach § 1330 ABGB insbesondere hinsichtlich ihres Bedeutungsinhalts und der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt auf den damit vermittelten Gesamteindruck für einen unbefangenen Durchschnittsleser oder Durchschnittshörer ankommt, nicht hingegen auf den subjektiven Willen des Erklärenden; eine missverständliche bzw mehrdeutige Fassung geht stets zu Lasten des Mitteilenden, indem er die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (RIS Justiz RS0031883, RS0032489, RS0031815, RS0079648).

2. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht auch in seiner Einschätzung, dass das Antragsvorbringen der Beklagten sich zwanglos dahingehend verstehen lässt, dass der Kläger (zumindest auch) deshalb mehrmals auf das Flachdach geklettert sei, um die Beklagte, die seine wiederholten Annäherungsversuche zurückgewiesen habe, in ihrem Schlafzimmer beobachten und womöglich sogar (weitgehend) unbekleidet fotografieren zu können. Ein derartiges Verhalten entspricht aber nach allgemeiner Auffassung dem eines Voyeurs und Stalkers. Damit wird dem Kläger mit den Antragsbehauptungen der Beklagten im Ergebnis vorgeworfen, sich der von ihm erfolglos umworbenen Beklagten in einer unanständigen, jedenfalls gesellschaftlich massiv missbilligten Art und Weise genähert bzw zu nähern versucht zu haben.

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung werden jedoch in die Ehre oder den wirtschaftlichen Ruf des Prozessgegners eingreifende Parteibehauptungen im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege unabhängig von der Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit des Verfahrens als gerechtfertigt angesehen, sofern sie nicht vorsätzlich wider besseres Wissen erhoben werden. Dahinter steht der Gedanke, dass das Recht, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverfolgung bzw verteidigung belastet werden dürfe, sofern kein Rechtsmissbrauch in Form einer wissentlichen Behauptung falscher Tatsachen vorliegt (RIS Justiz RS0022784, RS0105665, RS0114015; 6 Ob 40/09i; 4 Ob 46/09g uva).

3.2. Die Behauptungs und Beweislast dafür, dass eine bestimmte Prozessbehauptung in Kenntnis ihrer Unwahrheit und sohin wissentlich falsch erhoben wurde, trifft den Prozessgegner, also denjenigen, der in einem nachfolgenden Verfahren als Kläger Ansprüche nach § 1330 ABGB geltend macht. Ein bloßes „Wissen müssen“ des Behauptenden um die Unrichtigkeit reicht für den Ausschluss des Rechtfertigungsgrundes nicht aus (RIS Justiz RS0022784, RS0105665, RS0114015; 6 Ob 46/08w; 6 Ob 40/09i uva).

4.1. Das Prozessvorbringen durch einen Rechtsanwalt ist überdies in der Regel nach § 9 Abs 1 RAO gerechtfertigt. Wesentliche Voraussetzung der Rechtfertigung ist allerdings, dass die Ausübung des Rechts im Rahmen der Prozessführung nicht missbräuchlich erfolgt. Die Herabsetzung des Gegners darf nicht wider besseres Wissen erfolgen (RIS Justiz RS0114015, vgl RS0022784).

4.2. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die eigene Haftung des Rechtsanwalts, sondern die Haftung des Mandanten für von seinem Rechtsanwalt abgegebene Erklärungen. Hat ein Rechtsanwalt bei namens seines Klienten abgegebenen Erklärungen den Vollmachtsrahmen nicht überschritten, muss der Mandant für die Äußerungen seines Vertreters dann einstehen, wenn er diesen durch Übermittlung der entsprechenden Tatsachen dazu angeleitet hat. Auch alle mittelbaren Tathandlungen als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen sind von der Haftung umfasst (6 Ob 2383/96a). Hingegen kann der Mandant für in seinem Namen getätigte ehrenbeleidigende Äußerungen seines Rechtsanwalts nicht nach § 1330 ABGB verantwortlich gemacht werden, wenn die Äußerungen vollmachtslos erfolgten oder die erteilte Vollmacht überschritten wurde (6 Ob 2010/96y; 6 Ob 84/06f; RIS Justiz RS0031901).

4.3. Da der Kläger stets vorbrachte, es handle sich um Äußerungen der Beklagten, und diese niemals behauptete, ihr Rechtsvertreter hätte vollmachtslos gehandelt, ist davon auszugehen, dass die Beklagte im Sinne dieser Judikatur für die inkriminierten Äußerungen einzustehen hat.

5.1. Im vorliegenden Fall hat der Kläger bereits in seiner Replik ON 11 vorgetragen, dass die Behauptungen der Beklagten „völlig unberechtigt (seien) und nur erhoben wurden, um ihn im gerichtlichen Verfahren eines ehrenrührigen Verhaltens zu bezichtigen bzw ihn zu verunglimpfen“. In der Replik ON 19 brachte der Kläger vor, die beklagte Partei habe sowohl im Strafverfahren als auch im Zivilverfahren „bewusst wahrheitswidrig“ vorgebracht, es sei ihr „ganz offensichtlich und in Wirklichkeit immer nur darum gegangen, dem Kläger für das Außerstreitverfahren unlautere Motive zu unterstellen, um dadurch einen für sie günstigeren Prozessstandpunkt darzustellen“.

5.2. Damit hat sich der Kläger aber jedenfalls in ausreichender Deutlichkeit auf die wissentliche Unrichtigkeit des Antragsvorbringens der Beklagten gestützt.

5.3. Im Übrigen hätte das Berufungsgericht, wenn es das Vorbringen des Klägers für ergänzungsbedürftig erachtete, nicht ohne dass es dem Kläger zuvor gemäß § 182 ZPO Gelegenheit gab, sein Vorbringen zu ergänzen, die Prozessbehauptungen des Klägers als nicht ausreichend einstufen dürfen (6 Ob 172/05w; vgl RIS Justiz RS0036871, RS0036878, RS0037300). Weist das Berufungsgericht in einem derartigen Fall die Klage ohne entsprechende Erörterung ab, so liegt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor (vgl RIS Justiz RS0036355).

5.4. Damit durfte das Berufungsgericht im vorliegenden Fall aber nicht ohne tatsächliche Prüfung vom Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ausgehen. Das Berufungsgericht wird daher auf die Beweisrüge einzugehen haben. Zusätzlich ist der Sachverhalt insofern ergänzungsbedürftig, als auch zu klären sein wird, inwieweit die nach Auffassung des Erstgerichts unrichtigen Prozessbehauptungen wider besseres Wissen erhoben wurden, also ob der Beklagten oder ihrem Prozessvertreter deren Unrichtigkeit bekannt war. Diese Beurteilung hängt aber eng mit der Richtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichts zusammen, die ohnedies vom Berufungsgericht zu überprüfen sein wird, und erfordert keine zusätzlichen weitwendigen Beweisaufnahmen. Daher erschien aber eine Zurückverweisung nicht an das Erstgericht, sondern an das Berufungsgericht im Sinne einer raschen und ökonomischen Verfahrensbeendigung zweckmäßiger.

6. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die Erstattung von (nicht wissentlich unrichtigem) Prozessvorbringen nur dann nach § 1330 ABGB gerechtfertigt ist, wenn dieses Vorbringen nicht nur zeitlich aus Anlass bzw im Rahmen eines Verfahrens erstattet wird, sondern auch einen wenn auch großzügig zu beurteilenden - inhaltlichen Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand aufweist. Vorbringen, das rechtlich unerheblich ist und auch nicht zur Illustration, Ausfüllung oder Untermauerung des rechtlich relevanten Tatsachenvortrags erstattet wird, sondern lediglich dazu diente, den Kläger anzuschwärzen bzw herabzusetzen, wäre im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nicht privilegiert.

7. Damit erweist sich aber das Verfahren als ergänzungsbedürftig, sodass der Revision spruchgemäß im Sinne des Aufhebungsantrags Folge zu geben war.

8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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