JudikaturJustiz6Ob18/16i

6Ob18/16i – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers B***** D*****, geboren am *****, Student, *****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner M***** S*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Marlene Klein, Rechtsanwältin in Wien, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 4. November 2015, GZ 23 R 358/15t 59, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 29. Juli 2015, GZ 1 Fam 15/13k 47, teilweise abgeändert und der Rekurs im Übrigen teilweise zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 392,76 EUR (darin 65,46 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

1.1. Der Antragsgegner hat seinen Revisionsrekurs entgegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 nicht im ERV eingebracht. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist als zu verbessernder Formmangel zu behandeln (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Seit der Änderung der zitierten Bestimmung durch BGBl I 2012/26 ist ein Verbesserungsverfahren grundsätzlich zwingend (RIS Justiz RS0128266).

1.2. Von einer Verbesserung war im vorliegenden Fall jedoch Abstand zu nehmen, weil der Revisionsrekurs entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig und daher zurückzuweisen ist (RIS Justiz RS0128266 [T1]).

2. Die Frage der Angemessenheit der vom Unterhaltsberechtigten in Anspruch genommenen Studiendauer kann regelmäßig nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl 2 Ob 71/06i; 3 Ob 210/07i; RIS Justiz RS0008857). Der erkennende Senat hat auch bereits ausgesprochen, dass aus der Entscheidung 6 Ob 118/14t nicht abzuleiten ist, dass jede wenn auch allenfalls nur vorübergehende oder geringfügige Unterschreitung der Durchschnittsstudien-leistung automatisch zum Entfall des Unterhaltsanspruchs führen würde (6 Ob 217/15b).

3.1. Auch die Auslegung von Vereinbarungen oder von Parteienvorbringen (vgl RIS Justiz RS0042828 [T3]; vgl auch RS0044273 [T4]) bildet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage. Wenn das Rekursgericht im vorliegenden Fall aus dem Gesamtverhalten des Antragsgegners, insbesondere der seinerzeitigen Rückziehung eines Unterhaltsenthebungsantrags, abgeleitet hat, dass der Antragsgegner dem Antragsteller damit noch eine Chance geben wolle und auf den Einwand des mangelnden Studienerfolgs zu verzichten, so ist darin keine vom Obersten Gerichtshofs im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Die Auslegung eines Unterhaltsvergleichs orientiert sich stets an den Umständen des Einzelfalls (RIS Justiz RS0113785 [T6, T7]).

3.2. Ob der Revisionsrekurswerber erst im Jänner 2015 von den mangelnden Studienerfolgen des Antragstellers erfahren hat, ist unerheblich, sind doch neue Sachanträge oder Einwendungen im Rekurs stets unzulässig (zu Unterhaltsverfahren 6 Ob 238/04z; vgl auch RIS Justiz RS0006796 [T7]).

3.3. Über diese Frage hatte das Gericht im Außerstreitverfahren zu entscheiden (vgl RIS Justiz RS0053297 [T4]). Dabei geht es nämlich um Verzicht auf den Einwand des nicht zielstrebig betriebenen Studiums, nicht auf den im Streitverfahren zu klärenden (RIS Justiz RS0034788) Verzicht auf die Rückforderung von Unterhalt.

4. Der Hinweis auf die EMRK geht ins Leere, ergibt sich doch daraus kein Recht auf einen Instanzenzug (RIS Justiz RS0043962 [T6]).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Dabei war nach der § 9 Abs 3 RATG zugrundeliegenden Wertung der Durchschnittsjahresbetrag des ausschließlich Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildenden - Unterhalts-rückstands zugrundezulegen, kann doch nur so das mit dieser Bestimmung verfolgte Anliegen einer „sozialen Deckelung“ der Bemessungsgrundlage (ErläutRV 1638 BlgNR 20. GP 21; Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 78 Rz 169) verwirklicht werden.

Rechtssätze
8
  • RS0128266OGH Rechtssatz

    03. März 2022·3 Entscheidungen

    Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden. Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.