JudikaturJustiz6Ob157/16f

6Ob157/16f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* F*, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Mag. C* F*, 2.) Mag. K* F*, beide vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 111.688,29 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Teilbeschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 2016, GZ 16 R 8/16p 38, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. November 2015, GZ 20 Cg 2/15h 34, teilweise aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger und sein am 11. 9. 2012 verstorbener Bruder Walter F* (in der Folge als „Bruder“ bezeichnet) waren Gesellschafter der seit 1958 bestanden habenden, beim Handelsgericht Wien zuletzt zu FN * eingetragenen und am 27. 6. 2014 infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöschten Offenen (Handels )Gesellschaft „E*.“ (in der Folge als „Gesellschaft“ bezeichnet). Mit Einantwortungsurkunde vom 31. 10. 2013 wurde den beiden Beklagten die Verlassenschaft nach dem Bruder eingeantwortet.

Das Verhältnis zwischen den Brüdern war bis zum Jahr 2001 normal. Es bestand zwar kein enger privater Kontakt, die berufliche Zusammenarbeit gestaltete sich aber normal. Das Verhältnis verschlechterte sich spätestens im Jahr 2003. Der Buchhalter äußerte einen Verdacht, dass der Bruder zu viel Geld ausgeben würde. Der Kläger sprach seinen Bruder darauf an und sagte ihm, er solle sich einschränken. Der Bruder stritt die Vorwürfe ab. Auf ein anwaltliches Schreiben reagierte er nicht.

Der Kläger klagte im Jahr 2006 seinen Bruder zu 29 Cg 63/06v des Handelsgerichts Wien (in der Folge als „Vorprozess“ bezeichnet) auf Zahlung von 40.000 EUR sA an die Gesellschaft und auf Unterlassung, über die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags hinaus Gewinnvorausbeträge zu entnehmen. Der Kläger warf dem Bruder vor, die Bilanz zu schönen, indem er private Rechnungen über das Unternehmen beglichen habe und am Jahresende in das Unternehmen eingezahlt habe. Teilweise habe er private Rechnungen nicht refundiert. Der Bruder komme Aufforderungen, sparsamer zu leben, nicht nach. Aus der Bilanz zum 31. 12. 2005 errechne sich ein Leistungsbegehren von 50.305,22 EUR, wovon vorerst nur 40.000 EUR geltend gemacht würden. Das Verfahren wurde zur Führung eines Mediationsverfahrens unterbrochen und von den Parteien nicht wieder aufgenommen. Das Mediationsverfahren führte zu keiner Lösung.

2007 beauftragte der Kläger einen Wirtschaftsprüfer, ein Gutachten zu erstatten. Dieser hatte die Gelegenheit, die gesamten Buchhaltungsunterlagen und Belege der Gesellschaft einzusehen. Der Wirtschaftsprüfer verfasste auf der Grundlage seiner Recherchen ein Schreiben an den Klagevertreter, das mit 17. 12. 2007 datiert ist und unmittelbar nach diesem Datum beim Kläger und seinem Vertreter einlangte. Darin teilte er mit, der Bruder habe bis Ende 2006 aus der Gesellschaft 76.320,83 EUR mehr als der Kläger entnommen. An Zinsen und Zinseszinsen für die Privatentnahmen schulde der Bruder der Gesellschaft weitere 65.517,85 EUR. Weiters seien für den Mietvertrag, den der Bruder mit der Gesellschaft abgeschlossen habe, insgesamt Wertsicherungsbeträge von 64.537,91 EUR nicht verrechnet worden. Es sei am Bruder gelegen, diese Wertsicherungen zu berechnen und geltend zu machen. Die privat bedingten Aufwendungen in Höhe von 25.000 EUR seien als (fiktiver) Ertrag einzustellen und der Gesellschaft zu vergüten.

Konfrontiert mit diesem Schreiben meinte der Bruder lediglich, das stimme alles nicht.

Der Klagevertreter richtete am 19. 12. 2007 ein Schreiben an den damaligen Vertreter des Bruders, in dem er die Beträge, die der Wirtschaftsprüfer festgestellt hatte, auflistete und 142.678,58 EUR vom Bruder forderte.

Ab dem Jahr 2008 befand sich die Gesellschaft in Liquidation, zum Liquidator wurde ein gesellschaftsfremder Rechtsanwalt bestellt. Die Liquidation erfolgte auf Betreiben des Klägers, weil er keinen Sinn mehr in der weiteren Zusammenarbeit mit seinem Bruder sah. Der Kläger erwartete sich von der Liquidation und der Arbeit des Liquidators, dass die Konten richtig gestellt und zumindest die in der Einschätzung des Wirtschaftsprüfers angesprochenen Punkte aufgearbeitet würden. Mitte Mai 2012 wurde die Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011 erstellt.

Der Kläger begehrte von den Beklagten als Erben nach seinem Bruder mit seiner am 12. 2. 2014 eingebrachten Klage Zahlung in Höhe des Klagebetrags, somit 111.688,29 EUR sA. Er warf dem Bruder im Wesentlichen das vor, was der Wirtschaftsprüfer in seinem Schreiben vom 17. 12. 2007 angesprochen hatte. Die Entnahmen seien rechtswidrig gewesen. Die Unterlassung der Berechnung der Wertsicherungsbeträge von 64.537,91 EUR sei rechtswidrig und schuldhaft erfolgt. Insgesamt ergäben sich daher Forderungen der Gesellschaft gegenüber der Verlassenschaft in der Höhe von 223.376,59 EUR. Der Kläger erhalte aufgrund der Malversationen des Bruders nur einen geschmälerten Anteil am Liquidationserlös, weshalb er Anspruch auf die Hälfte dieser Forderungen – den Klagebetrag – habe. Der reine Nachlass nach dem Bruder betrage rund 1.100.000 EUR. Zum Verjährungseinwand der Beklagten brachte der Kläger vor, der Schaden sei erst mit Vorlage der Schlussbilanz zum 30. 11. 2011 festgestanden. Dort habe die Höhe der durch den Bruder verursachten Schäden erstmals Berücksichtigung gefunden. Erst zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger Kenntnis von der tatsächlichen Höhe des Schadens gehabt. Die Einsicht durch den Wirtschaftsprüfer im Jahr 2007 hätte lediglich dazu geführt, dass der Kläger Kenntnis von möglichen Forderungen erlangt habe, nicht aber, in welcher Höhe sie tatsächlich bestünden. Der Kläger sei somit nicht in der Lage gewesen, die Forderungen geltend zu machen. Aus dem Gutachten des Wirtschaftsprüfer seien keine konkreten Schäden erkennbar gewesen. Der Verjährungseinwand sei schikanös.

Die Beklagten wendeten Verjährung ein. Der Kläger habe bereits mit dem Schreiben des Wirtschaftsprüfers vom 17. 12. 2007 Kenntnis von den Forderungen gegen den Bruder erlangt. Der Bruder habe Beträge nicht nur von seinem Gesellschafterkonto genommen, sondern auch hohe Einlagen gemacht, die er aus einem Privatkredit finanziert habe. Hingegen habe der Kläger durchwegs viel entnommen, weshalb sich die Privatkonten der Gesellschafter dahin entwickelt hätten, dass der Bruder ein weit höheres Guthaben auf seinem Gesellschafterkonto als der Kläger gehabt habe. Das Gesellschafterkonto des Bruders weise in der Liquidationsschlussbilanz vom 30. 11. 2011 deshalb einen Guthabensstand von 132.613,88 EUR und das des Klägers einen solchen von 63.561,78 EUR auf. Schon daraus ergebe sich, dass die Gesellschaft gegen den Bruder niemals eine Forderung wegen überhöhter Privatentnahmen gehabt habe und auch keine Zinsforderung bestehe. Da der Liquidationserlös von 146.990,65 EUR an beide Gesellschafter je zur Hälfte ausbezahlt worden sei und nicht im Verhältnis der beiden Anfangskapitalbeträge auf den Gesellschafterkonten, habe der Kläger eine Überzahlung aus der Liquidation von 24.400,66 EUR erhalten, weshalb den Beklagten ein entsprechender Ausgleichs bzw Rückzahlungsanspruch zustehe, der compensando eingewendet werde. Darüber hinaus habe der Kläger auf Kosten der Gesellschaft Privataufwendungen von 106.035,02 EUR getätigt, welcher Betrag ebenfalls compensando eingewendet werde. Hinsichtlich der Klagspunkte „Überhöhte Gewinnentnahmen“ und „Wertsicherungsbeiträge“ bestehe im Hinblick auf den Vorprozess das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit.

Das Erstgericht stellte ua den wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte rechtlich, der Kläger behaupte, sein Bruder habe durch sein Verhalten der Gesellschaft Schaden zugefügt. Gegenstand des Verfahrens seien daher grundsätzlich Schadenersatzansprüche, die der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB unterlägen. Es bestehe eine Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten, wenn Verdachtsmomente bestünden, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen könne, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten worden seien. Der Kläger habe bereits 2006 ausreichende Verdachtsmomente gehabt, dass der Bruder zum Nachteil der Gesellschaft (und damit zu seinem Nachteil) gehandelt habe, sei er doch sogar gerichtlich gegen den Bruder vorgegangen. Spätestens mit Ende des Jahres 2008, in dem ihm die beantragte Bucheinsicht gerichtlich zugesprochen worden sei, hätte der Kläger Kenntnis von den behaupteten Schäden erlangen können und wäre es an ihm gelegen, ab diesem Zeitpunkt den Klageweg zu beschreiten. Spätestens im Jahr 2008 hätte er die Möglichkeit und Verpflichtung gehabt, Nachforschungen und Konkretisierungen anzustellen. Hinsichtlich der behaupteten überhöhten Privatentnahmen des Verstorbenen und der nicht verrechneten Wertsicherungsbeiträge deckten sich die Beträge im Schreiben des Wirtschaftsprüfers vom 19. 12. 2007 und der jetzigen Klage bis in die Nach-Kommastelle. Bereits nach dem Klagevorbringen habe Ende des Jahres 2007 eine ausreichend dichte Verdachtslage bestanden, die den Kläger hätte aktiv werden lassen müssen. Die Ansprüche seien daher verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil unbekämpft die Abweisung des Klagebegehrens in Höhe von 65.027,87 EUR sA. Im Übrigen, also in Höhe von 46.660,42 EUR sA, hob es das Ersturteil auf und verwies in diesem Umfang die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Es führte rechtlich aus, der Anspruch auf Verzinsung – und zwar auch aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme – unterliege nach § 1480 ABGB der dreijährigen Verjährung. Ebenso seien die per Ende 2007 nicht entrichteten Wertsicherungsbeträge aus dem Mietverhältnis des Mitgesellschafters zur Gesellschaft zum Zeitpunkt der Erstellung der Liquidationsschlussbilanz bereits verjährt (§ 1486 Z 4 ABGB).

Der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Anspruch sei ein Ausgleichsanspruch nach § 155 Abs 4 UGB und entstehe mit der Auflösung der Gesellschaft. Seine Geltendmachung setze nicht voraus, dass die Schlussbilanz oder -rechnung vorliege und „festgestellt“ sei. Allerdings trage der Kläger die Beweislast dafür, welcher Betrag ihm zustehe. Dass Verbindlichkeiten in der Liquidationsschlussbilanz keine Berücksichtigung gefunden hätten, stehe der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs nicht entgegen, da der Schlussbilanz insoweit keine konstitutive Wirkung zukomme. Unzulässige Entnahmen verpflichteten den Gesellschafter zur Rückstellung an die Gesellschaft aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung sowie zur Leistung von Zinsen nach § 111 UGB. Der (abgesehen vom Zinsschaden bestehende) bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft unterliege der dreißigjährigen Verjährung und sei daher nach dem Klagevorbringen im Zeitpunkt der Erstellung der Liquidationsschlussbilanz noch nicht verjährt gewesen. Dies betreffe nach den bisherigen Verfahrensergebnissen die behaupteten rechtswidrigen Gewinnentnahmen in Höhe von 76.320,83 EUR und die zu entrichtenden Vorsteuern von 17.000 EUR, gesamt somit 93.320,83 EUR. Der Kläger mache davon die Hälfte (46.660,42 EUR) geltend. In diesem Umfang sei das Klagebegehren mangels Erörterung und mangels Feststellungen noch nicht spruchreif, weshalb das Ersturteil insoweit aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen gewesen sei.

Die Streitanhängigkeit des Vorprozesses stehe der Geltendmachung des hier gegenständlichen Ausgleichsanspruchs eines Gesellschafters mangels Identität der Streitgegenstände nicht entgegen.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob es der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach § 155 Abs 4 UGB entgegenstehe, dass sich aus einer bereits vorliegenden Schlussbilanz kein negativer Liquidationsanteil des Mitgesellschafters ergebe.

Gegen den Teilaufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das zur Gänze abweisende Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund mit der Maßgabe zulässig, dass es statt „§ 155 Abs 4 UGB“ „Art 7 Nr. 19 EVHGB“ zu lauten hat; er ist aber nicht berechtigt.

Die Rekurswerber bemängeln die fehlenden Feststellungen über den Inhalt der Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011; aus dieser ergebe sich, dass das Anfangskapital des Bruders höher sei als das des Klägers. Der Kläger gehe rechtsirrig von den Kapitalkontoständen der Gesellschafter Ende 2006 anstatt vom richtigen Stichtag der Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011 aus. Nach dieser Bilanz habe der Kläger keinen Anspruch. Der Kläger habe keinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch. Der Kläger habe es unterlassen, den Liquidator anzuweisen, gemäß § 155 Abs 3 UGB die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen; es lägen daher die Voraussetzungen des § 155 Abs 4 UGB nicht vor, weshalb der Kläger nach Beendigung der Liquidation keinen Anspruch mehr gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger nach dem Bruder habe. Der Streitgegenstand sei im Betrag von 50.305,22 EUR (unzulässige Entnahmen bis 31. 12. 2005) mit dem Vorprozess ident, weshalb insoweit Streitanhängigkeit vorliege. Es gelte für die von der Aufhebung betroffenen behaupteten Ansprüche die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB, die im Dezember 2007 zu laufen begonnen habe, weshalb die geltend gemachten Forderungen bei Klagseinbringung verjährt gewesen seien.

Hierzu wurde erwogen:

1. Der Feststellungsmangel betreffend die Kapitalkonten der beiden Gesellschafter in der Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011 besteht nicht: Diese Bilanz liegt als von den Beklagten vorgelegte Urkunde (Beilage ./5) im Akt; deren Echtheit wurde vom Kläger zugestanden und ihr Inhalt ist unstrittig. In diesem Fall könnten die Zahlen der genannten Bilanz auch im Revisionsverfahren zugrundegelegt werden (RIS Justiz RS0121557 [T2, T3]). Im Übrigen kommt es aus den noch darzulegenden Gründen auf den Inhalt der Bilanz nicht an.

2.1. Gemäß § 907 Abs 9 UGB ist ua § 155 Abs 1 und 4 in der Fassung des Handelsrechts Änderungsgesetzes, BGBl I Nr 120/2005, auf nach dem 31. Dezember 2006 errichtete Personengesellschaften anzuwenden, sofern unter den Gesellschaftern nichts anderes vereinbart wurde. Auf vor diesem Zeitpunkt errichtete Gesellschaften sind die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Da die Gesellschaft vor dem 31. Dezember 2006 errichtet wurde, sind statt § 155 Abs 1 und 4 UGB die Vorgängerbestimmungen, nämlich § 155 Abs 1 HGB und Art 7 Nr 19 EVHGB ( Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB 2 [2010] § 155 Rz 35; U. Torggler in Straube , UGB 4 [2011] § 155 Rz 2), anzuwenden.

Das nach Berichtigung der Schulden verbleibende Vermögen der Gesellschaft ist gemäß § 155 Abs 1 HGB von den Liquidatoren nach dem Verhältnisse der Kapitalanteile, wie sie sich auf Grund der Schlussbilanz ergeben, unter die Gesellschafter zu verteilen.

Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Gesellschaftsschulden und der Kapitalanteile der Gesellschafter nicht aus, so haben die Gesellschafter gemäß Art 7 Nr 19 EVHGB für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis aufzukommen, nach dem sie den Verlust zu tragen haben. Kann von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden, so haben die übrigen Gesellschafter den Ausfall nach dem genannten Verhältnis zu tragen.

2.2. Nach der Entscheidung 2 Ob 597/84 (= RIS Justiz RS0061916) ist bei einem Streit der Gesellschafter über die Verteilung das Vorliegen der Schlussbilanz nicht Voraussetzung der Prozessführung gegen den bestreitenden Gesellschafter. Der klagende Gesellschafter muss nur seinen Anspruch nachweisen können. Das Begehren kann dahin gehen, dass die Verteilung in bestimmter Weise zu erfolgen hat. Es ist aber auch eine Feststellungsklage zulässig.

Nach – soweit zu sehen – einhelliger Lehre in Österreich und Deutschland ist eine Neuberechnung und Ausgleichung der Kapitalanteile erforderlich, wenn Gesellschaftsschulden aus welchen Gründen auch immer in die Schlussbilanz nicht aufgenommen wurden ( U. Torggler in Straube , HGB 3 [2003] Art 7 Nr 19 EVHGB Rz 9 mwN aus der deutschen Lehre; Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB 2 [2010] § 155 Rz 31; U. Torggler in Straube , UGB 4 [2011] § 155 Rz 40; Wasserer in U. Torggler , UGB 2 [2016] § 155 Rz 9; Schilling in GroßkommHGB 3 [1970] § 155 Anm 22).

Aus § 269 Abs 4 und § 277 Abs 1 letzter Satz UGB (vgl auch RIS Justiz RS0127129 [T1a]) ergibt sich, dass der Jahresabschluss, der aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung besteht (vgl § 193 Abs 4 UGB), geändert werden kann.

2.3. Aus den zitierten Lehrmeinungen und Normen geht hervor, dass Positionen in einer erstellten Bilanz insoweit nicht verbindlich sind, als sie unter Einhaltung der für die Erstellung des Jahresabschlusses geltenden Normen (§§ 195–211 UGB) die wahren Verhältnisse unrichtig darstellen. Die vom Berufungsgericht genannte erhebliche Rechtsfrage ist daher folgendermaßen zu beantworten:

Der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach Art 7 Nr 19 EVHGB steht nicht entgegen, dass sich aus einer bereits vorliegenden Schlussbilanz kein negativer Liquidationsanteil des Mitgesellschafters ergibt.

3. Die Beklagten bringen vor, der Kläger habe es unterlassen, den Liquidator anzuweisen, gemäß § 155 Abs 3 UGB die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen; es lägen daher die Voraussetzungen des § 155 Abs 4 UGB nicht vor, weshalb der Kläger nach Beendigung der Liquidation keinen Anspruch mehr gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger nach dem Bruder habe.

Dieses erstmals im Rekurs erstattete Vorbringen verstößt – soweit es sich um ein Tatsachenvorbringen handelt – gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen sieht das Gesetz nicht vor, dass ein Ausgleichsanspruch nach Art 7 Nr 19 EVHGB dann erlischt, wenn das Verfahren nach § 155 Abs 3 HGB (= § 155 Abs 3 UGB) nicht eingehalten wurde.

4. Zur Verjährung gilt Folgendes:

Im Klagevorbringen ist von Schäden und rechtswidrigem und schuldhaften Verhalten des Bruders die Rede. Dies legt nahe, dass der Kläger primär an Schadenersatzansprüche gedacht hat. Der Kläger hat aber für sein Begehren keinen Rechtsgrund angegeben und sich umso weniger auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt.

Ist im Klagsvorbringen kein bestimmter Rechtsgrund geltend gemacht worden, dann verstößt das Gericht nicht gegen § 405 ZPO, wenn es unter den in concreto möglichen Ansprüchen die Wahl trifft (RIS Justiz RS0037610 [T27]). Im Zweifel ist die Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Frage kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (RIS Justiz RS0037610 [T36]). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hierfür angegebenen Tatsachen. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (RIS Justiz RS0037610 [T37]). Das Tatsachenvorbringen ist vom Gericht nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (RIS Justiz RS0037610 [T46]).

Das Tatsachenvorbringen des Klägers erfüllt auch die Voraussetzungen eines auf Art 7 Nr 19 EVHGB gestützten Ausgleichsanspruchs. Auch die Beklagten gehen im Rekurs davon aus, der Kläger mache einen solchen Anspruch geltend. Dieser Anspruch setzt aber kein Verschulden voraus und ist daher jedenfalls kein Schadenersatzanspruch.

Soweit zu sehen, existieren weder Rechtsprechung noch Lehrmeinungen zur Frage der Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs nach Art 7 Nr 19 EVHGB. Verwandte Ansprüche im Recht der OG (OHG) werden in der Lehre als Bereicherungsansprüche angesehen, so etwa der aus § 122 UGB resultierende Rückforderungsanspruch der Gesellschaft bei unzulässigen Entnahmen eines Gesellschafters ( Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer , Gesellschaftsrecht [2008] Rz 2/390) oder ein bei der vorläufigen Verteilung nach § 155 Abs 2 UGB bzw § 155 Abs 2 HGB entstandener Rückforderungsanspruch ( Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB 2 [2010] § 155 Rz 15; U. Torggler in Straube , UGB 4 [2011] § 155 Rz 15; Wasserer in U. Torggler , UGB 2 [2016] § 155 Rz 3; jeweils mwN; zum HGB vgl U. Torggler in Straube , HGB 3 , § 155 Rz 15 mwN).

Nach der Rechtsprechung ist der Anspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach seinem Inhalt keinem der im § 1486 ABGB aufgezählten Fälle der kurzen Verjährung, insbesondere nicht dem der Z 1, unterworfen. Er unterliegt der allgemeinen dreißigjährigen Verjährung im Sinne des § 1478 ABGB (6 Ob 585/88 = RIS Justiz RS0034421; 6 Ob 113/02i).

Diese Erwägungen treffen auch hier zu: Der Ausgleichsanspruch nach Art 7 Nr 19 EVHGB lässt sich unter keine spezielle Verjährungsnorm subsumieren. Die §§ 159 f UGB (bzw § 159 HGB) betreffen die hier nicht zu beurteilende Haftung von unbeschränkt haftenden (ausscheidenden: § 160 UGB) Gesellschaftern einer eingetragenen Personengesellschaft für Gesellschaftsschulden.

Der Ausgleichsanspruch nach Art 7 Nr 19 EVHGB verjährt daher gemäß § 1478 ABGB in 30 Jahren. Da der Ausgleichsanspruch mit der Auflösung, die hier mit der Bestellung des Liquidators im Jahr 2008 eintrat, entsteht ( U. Torggler in Straube , UGB 4 [2011] § 155 Rz 36), war er bei Klagseinbringung noch nicht verjährt.

5. Soweit die Beklagten weiterhin zu einem Teil des Klagebegehrens das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit im Hinblick auf den Vorprozess behaupten, ist darauf nicht weiter einzugehen: Dieses Prozesshindernis würde eine Nichtigkeit bewirken, die vom Berufungsgericht verneint wurde und vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden kann (RIS Justiz RS0039226 [T3, T5]; RS0042981).

6. Da somit die behaupteten Ansprüche im Umfang der Aufhebung durch das Berufungsgericht noch nicht verjährt sind, ist deren Prüfung erforderlich, weshalb sich der Aufhebungsausspruch des Berufungsgerichts als zutreffend erweist.

7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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