JudikaturJustiz6Ob122/02p

6Ob122/02p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 26. Dezember 1998 verstorbenen Dr. Rudolf S*****, über den Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Dkfm. Martha M*****, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Jänner 2002, GZ 43 R 610/01a-84, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 22. Oktober 2001, GZ 3 A 169/00x-75, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Erblasser hinterließ drei Kinder und zwei Enkel eines vorverstorbenen Sohnes. Eine Tochter gab Erbserklärung aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlass ab. Eine weitere Erbserklärung zum gesamten Nachlass gab der Konvent der B*****, in dessen Spital sich der Erblasser wiederholt aufgehalten hatte, aufgrund einer letztwilligen Verfügung vom 9. 5. 1998 ab. Beide Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. (Die erst Beschlussfassung erster Instanz von einer weiteren Tochter abgegebene Erbserklärung wurde noch nicht zu Gericht angenommen.) Die letztwillige Verfügung war am 9. 5. 1998 im Krankenhaus des Konvents verfasst worden. Der Erblasser hatte einen Krankenpfleger, einen Arzt und den Prior des Konvents zu sich rufen lassen, um sein Testament zu machen. In Anwesenheit dieser drei Personen erklärte er, nunmehr vor ihnen testieren zu wollen, der Arzt solle alles niederschreiben. Daraufhin diktierte der Erblasser in Anwesenheit der genannten Personen den Inhalt der letztwilligen Verfügung, ließ den Arzt, nachdem dieser den Inhalt niedergeschrieben hatte, vorlesen und unterschrieb schließlich, nachdem er laut "jawohl" gesagt hatte. Er verlangte auch die Unterschriften des Arztes und des Krankenpflegers. Der Prior unterfertigte nicht. Nachträglich wurde die Unterschrift einer weiteren Spitalsangestellten, die beim Testiervorgang jedoch nicht anwesend gewesen war, hinzugefügt.

Nach Durchführung einer eidlichen Einvernahme der Beteiligten, die ergab, dass der Erblasser die am 9. 5. 1998 schriftlich niedergelegten Verfügungen getroffen hatte, der Krankenpfleger sich jedoch nicht mehr an den Wortlaut erinnern konnte, wies das Erstgericht der erblasserischen Tochter die Klägerrolle gegen den Testamentserben zu. Es liege ein formell gültiges mündliches Testament vor, gegen das auf gesetzlicher Erbfolge beruhende Ansprüche im Klageweg durchgesetzt werden müssten. Auch der Prior des Konvents sei fähiger Zeuge; ob ein die Zeugenfähigkeit begründendes Abhängigkeits- bzw Untergeordnetenverhältnis vorliege, sei erst im Rechtsstreit zu prüfen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob sich ein Testamentszeuge an den Inhalt der letztwilligen Verfügung erinnern müsse, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. In ihrem Revisionsrekurs macht die erblasserische Tochter geltend, der bei Errichtung der letztwilligen Verfügung anwesende Krankenpfleger sei als Testamentszeuge nicht geeignet. Nach seiner Aussage könne er sich an den Wortlaut des Diktats nicht erinnern, er habe sich nach eigenen Angaben "ausgeschaltet", weil es ihn nicht interessiert habe. Es sei ihm zwar klar gewesen, dass der Erblasser sein Erbe aufteilen wolle, er könne sich aber nicht daran erinnern, an wen. Im Übrigen sei auch der Prior als organmäßiger Vertreter der bedachten juristischen Person als Zeuge untauglich.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob der Revisionsrekurswerberin zu Recht nach §§ 125 ff AußStrG die Klägerrolle für den Erbrechtsstreit zugeteilt wurde. Sie beruft sich auf ihr gesetzliches Erbrecht, während die widersprechende Erbserklärung des Konvents auf einer testamentarischen Erbseinsetzung beruht. Das Testament war fremdhändig errichtet und vom Erblasser unterfertigt worden, kann jedoch mangels Einhaltung der Formvorschriften des § 579 ABGB (Unterfertigung durch drei Zeugen mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz) nur als mündliches Testament aufrechterhalten werden. Als Voraussetzung der Konversion müssen die für ein mündliches Testament erforderlichen Formvorschriften eingehalten werden (RIS-Justiz RS0012493). Dies war hier der Fall. Die Einhaltung der äußeren Form eines außergerichtlichen mündlichen Testaments ist nach ständiger Rechtsprechung schon dann anzunehmen, wenn darin dargetan ist, dass bei der letztwilligen Erklärung drei fähige, das heißt nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen im Sinn der §§ 591 ff ABGB ausgeschlossene, Zeugen gleichzeitig zugegen waren (RIS-Justiz RS0007956).

Nach Lehre und Rechtsprechung zu § 126 AußStrG ist jener Erbanwärter auf den Rechtsweg zu verweisen, der den schwächeren Titel hat. Das ist im Zweifel der gesetzliche Erbe gegenüber dem Testamentserben. Dem Testamentserben ist nur dann die Klägerrolle zuzuweisen, wenn gegen seinen Titel wegen dessen äußerer Form Bedenken bestehen (NZ 1994, 134; NZ 1996, 298; Welser in Rummel ABGB3 §§ 799, 800 Rz 25). Die Verschiebung der Parteirollen setzt daher voraus, dass objektiv begründete Bedenken dagegen bestehen, dass der Testamentserbe auch die Erbschaft erlangen wird und die größere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Testament unwirksam ist (4 Ob 52/01b; RIS-Justiz RS0008035), so etwa, weil ein Testamentszeuge nach § 594 ABGB offenbar unfähig war. Das Abhandlungsverfahren dient jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu, einen Erbrechtsstreit zu vermeiden. Es ist ihm daher verwehrt, zur Gültigkeit des Testaments Stellung zu beziehen (NZ 1996, 298; 4 Ob 52/01b; 7 Ob 60/99w). Gegen die äußere Form des hier vorliegenden außergerichtlichen mündlichen Testaments bestehen keine Bedenken, weil die im Gesetz vorgesehene äußere Form gewahrt wurde. Der Erblasser hat vor drei fähigen, gleichzeitig anwesenden Zeugen eine Erklärung abgegeben, die seinen letzten Willen darstellen kann (SZ 32/155; 7 Ob 60/99w; RIS-Justiz RS0007956; Welser in Rummel ABGB3 § 799, 800 Rz 26). Dass der eine Zeuge anlässlich seiner Einvernahme den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht wiedergeben konnte, führt nicht zu einer anderen Verteilung der Parteirollen, zumal nicht einmal die inhaltlich widersprechende Aussage von Zeugen eines mündlichen Testaments eine Verschiebung der Parteirollen rechtfertigt nicht (Welser in Rummel ABGB3 §§ 799, 800 Rz 26). Die hier von der Revisionsrekurswerberin angesprochene Frage, ob der Krankenpfleger als Zeuge den Inhalt des Testaments kannte bzw sich daran erinnerte, ist daher erst im Zusammenhang mit der Gültigkeit des mündlichen Testaments im Erbrechtsstreit zu prüfen.

Der Rechtsmittelwerberin ist auch nicht darin zu folgen, dass der Prior als Organ der bedachten juristischen Person als Testamentszeuge offenkundig untauglich war. Die Rechtsprechung behandelt die Ausschlussgründe des § 594 ABGB taxativ und verneint eine analoge Anwendung der für ein bestimmtes Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis und ein eng umrissenes Verhältnis wirtschaftlicher Abhängigkeit getroffene Unvereinbarkeitsregel auf Organe einer letztwilligen bedachten juristischen Person (SZ 52/148, RIS-Justiz RS0007929) ebenso wie auch auf den Vormund oder sonstigen gesetzlichen Vertreter des Bedachten (sofern diese Personen nicht auch in den Verwandtenkreis des § 594 ABGB fallen). Für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung besteht kein Anlass, zumal auch ein Großteil der Lehre dieser Auffassung folgt. So zählt Eccher (in Schwimann ABGB² § 594 Rz 2) zu den im Sinn des § 594 ABGB befangenen Personen nur die im Gesetz ausdrücklich taxativ aufgezählten Verwandten und Verschwägerten, nicht jedoch den Vormund des Bedachten oder das Organ einer bedachten juristischen Person. Auch Kralik (ErbR 144) vertritt zutreffend die Auffassung, Personen, die bloß Organe oder Bevollmächtigte juristischer Personen seien, könnten fähige Testamentszeugen sein, weil § 594 ABGB auch gesetzliche und gewillkürte Vertreter natürlicher Personen nicht ausschließe. Die Bestimmungen über die Zeugenfähigkeit dürfe nicht auf Organe von Aktiengesellschaften, Genossenschaften oder Vereinen ausgdehnt werden, weil deren Mitglieder nicht einmal nach den sonst strengeren Bestimmungen der §§ 32 KO und 4 AnfO zur "familia suspecta" gehörten. Lediglich Welser (in Rummel ABGB3 §§ 591 bis 596 Rz 4) bejaht - allerdings ohne weitere Argumente - eine analoge Anwendung der §§ 591 ff ABGB auf organmäßige Vertreter einer bedachten juristischen Person.

Die Zuteilung der Klägerrolle an die gesetzliche Erbin ist somit rechtlich nicht zu beanstanden. Ihrem unberechtigten Revisionsrekurs wird ein Erfolg versagt.

Rechtssätze
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