JudikaturJustiz6Ob114/15f

6Ob114/15f – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei F***** B*****, vertreten durch Kinberger Schuberth Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See und Mag. Andrea Lehner, Rechtsanwältin in Zell am See, wegen Feststellung (Streitwert 4.000 EUR) und Leistung (Streitwert 4.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. März 2015, GZ 53 R 259/14s 61, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 24. Juli 2014, GZ 15 C 321/10t 56, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer des land- und forstwirtschaftlich betriebenen Ho*****guts, der Beklagte Eigentümer des Ha*****guts. Mittlerweile geklärt ist im Verfahren, dass dem Kläger eine unbeschränkte Servitut dergestalt zusteht, dass er von der öffentlichen Straße aus über das Ha*****gut des Beklagten zu seinem Ho*****gut gehen, fahren und sein Vieh treiben darf.

Im mittlerweile zweiten Rechtsgang hat das Berufungsgericht das Ersturteil allerdings erneut aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen: Der Kläger ist zusätzlich zum Ho*****gut auch Eigentümer weiterer, davon getrennter Liegenschaften, und zwar zum einen der EZ ***** Grundbuch *****, Bezirksgericht Zell am See, die aus den Grundstücken ***** und ***** besteht, sowie der EZ ***** selbes Grundbuch, die aus dem Grundstück ***** besteht. Alle diese Grundstücke liegen direkt an der (öffentlichen) Landesstraße. Außerdem liegt dort auch das Grundstück *****, das zur Stammliegenschaft des Klägers, EZ ***** selbes Grundbuch, welche das Ho*****gut bildet, gehört. Schließlich ist der Kläger auch noch Eigentümer der EZ ***** Grundbuch *****, Bezirksgericht Zell am See, die von den anderen Liegenschaften noch weiter entfernt liegt. Auf dieser Liegenschaft betreibt der Kläger eine Alm. Das Berufungsgericht erachtete es für erörterungsbedürftig (das Erstgericht hatte sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt), ob auch die vom Ho*****gut entfernt liegenden Liegenschaften des Klägers ebenso herrschende Liegenschaften hinsichtlich der über das Ha*****gut führenden Dienstbarkeit sein können wie die Stammliegenschaft selbst. Der Kläger hatte dazu vorgebracht, öfters von diesen anderen sogenannten „unten liegenden Grundstücken“ und seiner Alm aus zu seiner Stammliegenschaft zu fahren und dabei genauso den Weg über das Ha*****gut des Beklagten zu benützen; gerade die gemeinsame Bewirtschaftung seiner Alm mit dem Stammhof erfordere häufige Fahrten zu seiner Stammliegenschaft, was nicht möglich wäre, wenn er für diese Fahrten zu und von seiner Stammliegenschaft nicht den über die Liegenschaft des Beklagten führenden Weg benützen könnte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und dass der Rekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, unter welchen Voraussetzungen auch andere, nicht unmittelbar mit der Stammliegenschaft verbundene Grundstücke und Einlagezahlen herrschende Grundstücke sein können und ob ein Grundstück, das erst nachträglich zur Stammliegenschaft hinzukam, herrschendes Grundstück werden könne.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es sei zunächst zu klären, wann der Kläger die „unten liegenden Grundstücke“ und die Alm erworben hatte; sollten diesbezüglich noch keine 30 Jahre abgelaufen sein, könnte keinesfalls eine Ersitzung auch zugunsten dieser Liegenschaften stattgefunden haben. Im Übrigen komme hinsichtlich dieser Liegenschaften eine Stellung als herrschende Liegenschaften nicht in Betracht, weil ansonsten eine uferlose Ausweitung von herrschenden Grundstücken drohe; immer dann, wenn der Eigentümer der herrschenden Stammliegenschaft andere entfernt liegende Grundstücke „dazukaufe“ und von diesen aus 30 Jahre lang über fremde Liegenschaften zu seiner Stammliegenschaft zufahre, könnten nämlich diese herrschende Grundstücke werden, wie weit auch immer sie von der Stammliegenschaft entfernt wären. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses müsse somit zur Stellung einer Liegenschaft als herrschende Liegenschaft eine unmittelbare, direkte Verbindung zwischen den belasteten und den herrschenden Grundstücken vorhanden sein. Einzig das „unten liegende“ Grundstück ***** könnte an der Einverleibung der Servitut „mitpartizipieren“, weil es im Grundbuch der Stammliegenschaft des Klägers zugeordnet sei; Voraussetzung sei aber auch hier, dass die Zuschreibung dieses Grundstücks vor mindestens 30 Jahren erfolgte.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht teilweise die Rechtslage verkannte; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu; weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS Justiz RS0041666). Da eine Ausnahme von diesem Grundsatz aber für weitere Rechtsmittelschriften, Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen dann gemacht wird, wenn diese am selben Tag wie der erste Schriftsatz bei Gericht einlangen (RIS Justiz RS0041666 [T6, T53]; 3 Ob 78/99p; 7 Ob 27/00x; 1 Ob 276/03z; 10 Ob 57/04m; 3 Ob 206/06z), sind hier beide (von verschiedenen rechtsfreundlichen Vertretern eingebrachten) Rekursbeantwortungen des Beklagten zu beachten.

2. Im Rekursverfahren ist an sich wie bereits eingangs erwähnt nicht (mehr) strittig, dass der Kläger als Eigentümer des Ho*****guts aufgrund einer ersessenen Dienstbarkeit von der öffentlichen Straße aus auf einem 2,7 m breiten Weg über das Ha*****gut des Beklagten unbeschränkt gehen, fahren und sein Vieh treiben darf; ebenso wenig strittig ist, dass der Kläger dies als Eigentümer der Stammliegenschaft des Ho*****guts, nämlich der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, Bezirksgericht Zell am See, tun darf. Da das Berufungsgericht allerdings von den Streitteilen im Rekursverfahren unwidersprochen die Auffassung vertreten hat, das Erstgericht habe den einzuverleibenden Umfang der Dienstbarkeit, also den gesamten Wegeverlauf, nicht vollständig und deutlich dargestellt, hat es jedenfalls bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung im stattgebenden Umfang zu bleiben.

3. Es entspricht herrschender Auffassung, dass gemäß § 3 GBG jeder Grundbuchskörper als ein Ganzes zu behandeln ist. Daraus folgt, dass auch Dienstbarkeiten nur auf dem ganzen Grundbuchskörper eingetragen werden können, nicht aber auf einzelnen Grundstücken oder Teilen davon (9 Ob 1528/95; Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht [Stand 1. 7. 2009, rdb.at] § 3 GBG Rz 14). Gemäß § 12 Abs 2 GBG ist es zwar möglich, eine Servitut dem Inhalt nach räumlich zu beschränken (RIS Justiz RS0060382), wenn sich der örtliche Verlauf der Dienstbarkeiten nur auf einzelne Grundstücke einer Liegenschaft oder auf bestimmte Grundflächen eines Grundstücks bezieht, wobei sich diese Beschränkung sowohl auf das dienende als auch auf das herrschende Gut beziehen kann (5 Ob 35/89; 1 Ob 516/96; Rassi aaO § 12 GBG Rz 62). Dabei handelt es sich allerdings nur um die Einschränkung der Servitut der Ausübung nach; die Einverleibung hat hingegen stets auf dem ganzen Grundbuchskörper und nicht auf dem räumlich begrenzten Teil zu erfolgen (5 Ob 127/92; 9 Ob 1528/95; zum herrschenden Gut insbesondere 6 Ob 591/84; vgl auch RIS Justiz RS0060181).

3.1. Das Berufungsgericht hat eine Ergänzung des Verfahrens (auch) deshalb für notwendig erachtet, weil das Erstgericht die Frage der sogenannten „unten liegenden Grundstücke“ mit den Parteien nicht erörtert habe; diese Grundstücke hätten keine gemeinsamen Grenzen mit der Liegenschaft des Beklagten, sondern könne der Servitutsweg von diesen Grundstücken aus erst nach Benutzung öffentlicher Wege erreicht werden. In einem solchen Fall könne es eine Einverleibung der Dienstbarkeit auf diesen Liegenschaften als herrschende Güter nicht geben, würde dies doch zu einer uferlosen Ausweitung von herrschenden Grundstücken führen. Dies betreffe die Liegenschaften EZ ***** und ***** sowie das Grundstück *****, welches erst später der Stammliegenschaft EZ ***** zugeschrieben worden sei. Im Übrigen seien diese Liegenschaften und Grundstücke vom Kläger angeblich erst im Jahr 1984 erworben worden, sodass insoweit die Ersitzungszeit noch gar nicht abgelaufen wäre.

3.2. Mit dieser Argumentation hat das Berufungsgericht zunächst einmal übersehen, dass sich der Beklagte in seiner Berufung gegen die Einverleibung der Dienstbarkeit auf den Liegenschaften EZ *****, der das Grundstück ***** inneliegt, und EZ ***** als herrschende Güter gar nicht gewendet hat (AS 299 unten); damit erübrigt sich für das weitere Verfahren eine Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage hinsichtlich dieser Liegenschaften.

3.3. Hinsichtlich der Liegenschaften EZ ***** und ***** wird das Erstgericht im Sinne des Auftrags des Berufungsgerichts die Frage zu klären haben, wann diese vom Kläger erworben wurden. Sollte dies innerhalb der maßgeblichen Ersitzungszeit gewesen sein, käme deren Berücksichtigung als herrschende Güter schon von vorneherein nicht in Betracht. Diese bereits vom Berufungsgericht vertretene Auffassung stellt der Kläger in seinem Rekurs auch nicht in Frage.

3.4. Sollten die Voraussetzungen einer Ersitzung hingegen auch hinsichtlich dieser Liegenschaften ( 3.3. ) gegeben sein, wäre zu berücksichtigen, dass ganz allgemein bei Realservituten eine wirtschaftliche und rechtliche Beziehung zwischen den Grundstücken notwendig ist ( Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 [Stand 1. 6. 2014, rdb.at] § 472 Rz 17). Eine Grunddienstbarkeit ist mit dem Eigentum eines Grundstücks zu dessen vorteilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft. Bei der Beurteilung des Utilitätserfordernisses ist kein strenger Maßstab anzuwenden (RIS Justiz RS0011593). Aus dem Erfordernis, dass die Dienstbarkeit dem berechtigten Grundstück einen Vorteil gewähren muss, ergibt sich, dass das berechtigte und das belastete Grundstück sich in einer solchen Lage befinden müssen, dass die Ausübung der Dienstbarkeit möglich ist; unmittelbare Nachbarschaft ist aber nicht erforderlich (2 Ob 115/12v; RIS Justiz RS0011612). Ein derartiges Nachbarschaftserfordernis wird von § 475 Abs 2 ABGB nur für Hausdienstbarkeiten aufgestellt, für Felddienstbarkeiten, zu denen auch Wegerechte gehören, hingegen abgelehnt ( Spath in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2012] § 474 Rz 3).

So hat der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 7 Ob 271/99z ausgesprochen, sowohl das Hofgrundstück als auch die betreffende Wiese beziehungweise der Obstgarten stellten in Bezug auf einen sie verbindenden Servitutsweg herrschende Grundstücke dar, wenn die zu dem bäuerlichen Anwesen gehörende Wiese beziehungsweise der Obstgarten vom Hof aus bewirtschaftet werden. Der Umfang einer ungemessenen Dienstbarkeit bemisst sich im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Ausübung nach den jeweiligen Bedürfnissen des Berechtigten (RIS Justiz RS0097856). Der Umfang einer nicht schon im Vertrag bemessenen Wegeservitut richtet sich stets nach der Kulturgattung und der Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstücks im Zeitpunkt der Bestellung beziehungsweise Ersitzung der Dienstbarkeit (RIS Justiz RS0016364).

Mit dieser Rechtsprechung steht die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach zur Begründung der Dienstbarkeit eine unmittelbare, direkte Verbindung zwischen den belasteten und den herrschenden Grundstücken vorhanden sein muss, im Widerspruch; das Berufungsgericht vermag sich hiefür auch weder auf Rechtsprechung noch auf Literaturangaben zu berufen. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Weg über das Ha*****gut des Beklagten nicht nur dem Stammhof des Klägers, sondern auch seinen „unten liegenden“ Grundstücken und der Alm in H***** etwa dermaßen dient, dass diese gemeinsam bewirtschaftet werden. Die vom Berufungsgericht befürchtete uferlose Ausweitung herrschender Grundstücke ist dabei nicht zu erwarten, ist doch für jedes einzelne herrschende Grundstück eine konkret auf dieses Grundstück bezogene Nützlichkeit der Dienstbarkeit Voraussetzung für die herrschende Stellung, hier also die behauptete gemeinsame Bewirtschaftung von Alm und Stammhof. Ist diese Voraussetzung gegeben, erscheint eine herrschende Stellung auch weiter vom Stammhof entfernter Liegenschaften unschädlich.

4. Das Erstgericht wird somit im fortzusetzenden Verfahren zum einen im Sinne des Auftrags des Berufungsgerichts den gesamten Wegeverlauf vollständig und deutlich darzustellen und zum anderen hinsichtlich der Liegenschaften EZ ***** und ***** den Zeitpunkt deren Anschaffung durch den Kläger sowie die Utilität des Wegs für die Liegenschaften festzustellen haben.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.