JudikaturJustiz5Ob586/81

5Ob586/81 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 1981

Kopf

SZ 54/62

Spruch

Haben die Parteien auf Rechtsmittel gegen die einverständliche Scheidung ihrer Ehe verzichtet, ohne daß der Beschluß hierüber zugestellt wurde, dann aber einen Beschluß in Rechtskraft erwachsen lassen, mit dem die Rücknahme des Antrages zur Kenntnis genommen und der Scheidungsbeschluß für wirkungslos erklärt wurde, so ist die Ehe aufrecht geblieben

OGH 28. April 1981, 5 Ob 586, 587/81 (LGZ Wien 43 R 2182, 2183/80; BG Döbling 1 Sch 109/79)

Text

Mit Beschluß vom 9. November 1979 (ON 3) sprach das Erstgericht die Scheidung der Ehe der Antragsteller Dr. Helmut und Maria P gemäß § 55 a EheG aus. Die bei der Verkundung dieses Beschlusses anwesenden Eheleute erklärten nach Rechtsbelehrung, auf Rechtsmittel zu verzichten. Die Zustellung des Scheidungsbeschlusses an die Antragsteller unterblieb. Mit dem beim Erstgericht am 14. Jänner 1980 eingebrachten Schriftsatz erklärte der Mann, den Antrag auf Ehescheidung zurückzuziehen. Am selben Tag faßte das Erstgericht den Beschluß (ON 7): "Die Rücknahme des Antrages durch den Zweitantragsteller Dr. Helmut P wird zur Kenntnis genommen. Gemäß § 224 Abs. 2 AußStrG ist daher der am 9. November 1979 ergangene Scheidungsbeschluß wirkungslos." Die Eheleute ließen den ihnen am 30. Jänner 1980 zugestellten Beschluß unangefochten und brachten in der Folge (die Frau am 19. Feber 1980 und der Mann am 6. März 1980) beim Landesgericht für ZRS Wien wechselseitig die Klage auf Scheidung ihrer Ehe gemäß § 49 EheG ein. Beide Klagen wurden vom Prozeßgericht erster Instanz mit dem Beschluß vom 26. März 1980 mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Ehe bereits auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 9. November 1979 unanfechtbar geschieden sei. Das von beiden Eheleuten angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß des Prozeßgerichtes. Die Frau stellte daraufhin zuerst am 4. August 1980 und dann noch einmal am 24. Oktober 1980 beim Erstgericht den Antrag, ihr eine mit der Rechtskraftbestätigung versehene Ausfertigung des Scheidungsbeschlusses und des aus Anlaß der Scheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleiches zuzustellen.

Beide Anträge wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß der Scheidungsbeschluß vom 9. November 1979 durch die noch vor seiner Zustellung erfolgte Zurückziehung des Antrages des Mannes wirkungslos geworden sei (ON 15 und 20). Die Frau bekämpfte beide Beschlüsse mit Rekurs. Das Gericht zweiter Instanz hub in Stattgebung des Rekurses der Frau den ersten Beschluß (ON 15) - dem Rekurs gegen den zweiten Beschluß (ON 20) erkannte es kein Rechtsschutzinteresse zu - auf und trug dem Erstgericht auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Das Erstgericht werde, damit der infolge des Rechtsmittelverzichtes der Antragsteller rechtskräftige Scheidungsbeschluß auch gegen sie Wirksamkeit erlange, den Antragstellern je eine Ausfertigung zustellen müssen und dann die Bestätigung der Rechtskraft zu erteilen haben. Gemäß § 224 Abs. 1 AußStrG sei nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eine Zurücknahme des nach § 55a EheG gestellten Begehrens auf einvernehmliche Scheidung nicht mehr möglich. Der Ausspruch des Erstgerichtes (ON 7), daß der Scheidungsbeschluß infolge Zurückziehung des Antrages durch den Ehemann wirkungslos sei, habe nur deklarative Wirkung; er sei der materiellen Rechtskraft nicht fähig.

In Befolgung des vom Rekursgericht erteilten Auftrages veranlaßte das Erstgericht die Zustellung je einer Ausfertigung des Scheidungsbeschlusses an die Eheleute.

Den vom Mann gegen den Scheidungsbeschluß (ON 3), "gegen die Zustellung dieses Beschlusses und des dazugehörigen Vergleiches bzw. die darin zum Ausdruck gelangende gerichtliche Entscheidung" eingebrachten Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz zurück. Es erachtete den Scheidungsbeschluß als formell rechtskräftig und unanfechtbar und sprach die Ansicht aus, daß die in der Durchführung der angeordneten Zustellung liegende faktische Amtshandlung keiner Anfechtung durch ein Rechtsmittel unterliege.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Mannes Folge und stellte den Beschluß des Erstrichters ON 15 wieder her; dem Rekurs des Mannes gegen den Zurückweisungsbeschluß gab er nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

I. Zum Revisionsrekurs:

Dieses Rechtsmittel ist zulässig (§ 14 Abs. 1 AußStrG) und gerechtfertigt.

Der Beschluß des Erstgerichtes, mit dem es die Zurkenntnisnahme der Zurückziehung des Scheidungsantrages durch den Mann und die Wirkungslosigkeit des Scheidungsbeschlusses vom 9. November 1979 aussprach, stellt keineswegs eine bloß rechtsbelehrende Mitteilung ohne verfahrensgestaltende Wirkung dar. Ein echtes Bedürfnis nach Rechtssicherheit spricht für die Zulässigkeit, Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit eines derartigen Ausspruches, der rechtsbekundende Wirkung hat und anfechtbar ist (vgl. Lehre und Rechtsprechung zur Klagezurückziehung: Fasching III, 149 und die dort angeführte Judikatur; JBl. 1967, 269; EvBl. 1978/103 u.a.).

Unterbleibt die Anfechtung eines solchen Beschlusses, so wird er auch im Falle seiner Fehlerhaftigkeit rechtskräftig und wirkt dann endgültig derart, als läge das Rechtsverhältnis so vor, wie es - unrichtig - bekundet wurde. Insoweit kann dem Beschluß verfahrensgestaltende Wirkung nicht abgesprochen werden. Daraus folgt aber, daß das über Antrag beider Ehegatten eingeleitete Verfahren zur einvernehmlichen Scheidung ihrer Ehe nicht mit einem rechtskräftigen Beschluß, sondern mit einer wirksamen Zurückziehung des Antrages durch den Mann als beendet anzusehen ist (in diesem Sinne anläßlich der Zurücknahme von Klage und Widerklage in einem Ehescheidungsstreitverfahren JBl. 1967, 269) Mit Recht hat deshalb - freilich nur im Ergebnis - das Erstgericht die Zustellung einer mit der Bestätigung der Rechtskraft versehenen Beschlußausfertigung verweigert.

II. Zum Rekurs:

Dieses Rechtsmittel ist zwar zulässig, aber nicht gerechtfertigt, denn das Gericht zweiter Instanz hat den Rekurs im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Soweit sich dieser nämlich gegen den Scheidungsbeschluß wandte, ging er infolge der vom Erstgericht rechtskräftig ausgesprochenen Unwirksamkeit ins Leere, soweit er sich gegen die vom Erstgericht in Befolgung der Weisung des Rekursgerichtes verfügte Zustellung richtete, betraf er nicht eine anfechtbare Gerichtsentscheidung, sondern eine unanfechtbare Vollzugshandlung.

Rechtssätze
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