JudikaturJustiz5Ob29/09i

5Ob29/09i – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Höllwerth, Dr. Glawischnig, Dr. Roch und Dr. Tarmann Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die beklagte Partei Christine S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen (restlich) Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 12. November 2008, GZ 54 R 151/08g 30, mit dem das Endurteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 6. Juni 2008, GZ 2 C 588/07a 26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung (nach allfälliger Verfahrensergänzung) zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vom 3. Mai 2007 Zahlung von 4.000 EUR und Räumung. Sie habe der Beklagten einen Gewerbebetrieb um 3.600 EUR monatlich verpachtet. Diese habe für März und April 2007 trotz Mahnung vom 19. April 2007 nur 1.600 EUR bezahlt. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sei deshalb die Vertragsaufhebung erklärt und mit der Klage wiederholt worden. Im Dezember 2006 sei über das Bestandobjekt kein Kaufvertrag zustande gekommen, weil der Klägerin ein Angebot eines Dritten über 700.000 EUR vorgelegen sei und die hievon verständigte Beklagte erklärt habe, diesen Preis nicht bieten zu wollen.

Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen und wendete ein, sie habe mit der Klägerin, die das Objekt aus Gründen der Spekulationsbesteuerung zunächst nicht verkaufen wollte, vereinbart, das Objekt um 6.500.000 ATS zu kaufen und mit der Klägerin einen Kaufvertrag in grundbuchsfähiger Form abschließen zu wollen, wenn der Klägerin der Verkauf aus steuerlichen Gründen möglich sei. Gleichzeitig sei ein mündlicher Mietvertrag abgeschlossen worden, um die sofortige Nutzung durch die Beklagte zu ermöglichen; dies mit der Abrede, bereits ab Nutzungsbeginn einen den ortsüblichen erheblich überschreitenden Mietzins von 3.000 EUR netto monatlich zu bezahlen und den Differenzbetrag auf den Kaufpreis anzurechnen, wobei eine ziffernmäßige Aufsplittung nicht vorgenommen worden sei. Im Dezember 2006 sei vereinbart worden, dass das Mietverhältnis im Frühjahr 2007 beendet werde und die Umsetzung des bereits bestehenden Kaufvertrags mit einem höheren Kaufpreis von 500.000 EUR stattfinde. Im März 2007 habe die Beklagte aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Kläger das Objekt um 700.000 EUR an einen Dritten veräußert habe. Der Mietvertrag sei weiter aufrecht, wegen der Veräußerung des Objekts bringe die Beklagte jedoch unter Abzug des „Kaufpreisanteils" nur mehr den bei Immobiliensachverständigen eruierten ortsüblichen Mietzins zur Anweisung, sodass kein Rückstand bestehe. Sie habe auch fristgerecht von der Ausübung des ihr eingeräumten Vorkaufsrechts Gebrauch gemacht. Am Zahlungsrückstand treffe sie kein grobes Verschulden, „da sie kraft Vereinbarung mit gutem Grund davon ausgehen konnte, ihre bisherige Zinszahlung von brutto 3.600 EUR aus dem Kaufpreis werde für das Objekt zumindest teilweise angerechnet, was erst mit Kenntnis von der Veräußerung des Objekts an den Dritten obsolet wurde".

Mit Teilurteil vom 10. Juli 2007, ON 14, verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von (2 x 551,07 EUR =) 1.102,14 EUR sA und wies das Mehrbegehren ab.

Dabei stellte es ua fest:

Die Parteien einigten sich für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. November 2005 auf eine Inbestandnahme durch die Beklagte um monatlich 3.000 EUR netto. Außer der grundsätzlichen Absprache eines späteren Verkaufs an die Beklagte gab es noch keine Einigung über sonstige Umstände des späteren Kaufvertrags, insbesondere nicht über den Preis (Differenz zwischen 650.000 bis 700.000 EUR und 500.000 EUR). Einig waren sich die Parteien allerdings, dass der monatliche Zins irgendwie auf den späteren Kaufpreis angerechnet werden sollte. Nicht besprochen war allerdings, ob diese Anrechnung ganz oder teilweise bzw zu welchem Teil erfolgen sollte.

Als ortsüblichen Gesamtzins bei Anmietung von Geschäftsräumen für ein Bestandobjekt in der Größe und Ausstattung des streitgegenständlichen Objekts legte das Erstgericht 2.151,07 EUR brutto zugrunde.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, die Beklagte habe ihr Vorkaufsrecht nicht rechtzeitig ausgeübt. Der Bestandvertrag sei als Geschäftsraummiete zu qualifizieren, sodass mit Teilurteil gemäß § 33 Abs 2 MRG über das Zahlungsbegehren zu entscheiden sei, zumal der Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit am Zinsrückstand vorzuwerfen sei. Zu einer Zinsreduktion sei sie nämlich schon deshalb berechtigt gewesen, weil der abgesprochene deutlich höhere Zins teilweise schon eine Anzahlung auf den Kaufpreis des zu erwerbenden Objekts darstellen sollte, was wegen des Verkaufs an einen Dritten nicht mehr zu realisieren sei. Ab Feststehen der Unmöglichkeit des Kaufs brauche die Beklagte nur noch den angemessenen Mietzins von 2.157,07 EUR brutto zu bezahlen, sodass die Differenz für März und April 2007 je 551,07 EUR betrage.

Dieses Teilurteil wurde der Beklagten am 17. Juli 2007 zugestellt, sie erhob dagegen kein Rechtsmittel. Bekämpft wurde es allerdings von der Klägerin, die ua die oben im Wortlaut wiedergegebene Feststellung rügte, die Qualifikation des Bestandverhältnisses als Pachtvertrag anstrebte und die sofortige Entscheidung auch über das Räumungsbegehren reklamierte.

Das Berufungsgericht änderte nach Beweiswiederholung die Feststellung zur Anrechnungsvereinbarung dahin ab, dass sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch die Beklagte von einem künftigen Erwerb des Mietobjekts durch die Beklagte ausgingen; der monatliche Mietzins sei aber ohne Anrechnung eines Teilbetrags für den Fall des künftigen Erwerbs vereinbart worden. Diese Frage sei zwischen den Parteien noch nicht geklärt gewesen und sollte erst später mit einer Kaufpreiseinigung gelöst werden. Der Qualifizierung des Bestandvertrags als Geschäftsraummiete pflichtete das Berufungsgericht bei und sah dessen Verlängerung über den 30. November 2005 hinaus als unstrittig an. Wegen der vorbehaltlosen Vereinbarung eines Mietzinses von 3.000 EUR netto monatlich bilde es ein unbeachtliches Motiv der Beklagten, eine höhere Miete in Erwartung oder zur Sicherung der Gelegenheit des Erwerbs der Liegenschaftakzeptiert zu haben. Für eine Mietzinsminderung bleibe dann aber kein Raum, wenn diese Erwartung enttäuscht worden sei. Das Ersturteil wurde daher auf Leistung von (2 x 2.000 EUR =) 4.000 EUR abgeändert. Die Berufungsentscheidung ON 23 wurde der Beklagten am 25. April 2008 zugestellt, sie blieb unbekämpft.

Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2008, ON 24, schränkte die Klägerin „infolge Zahlung vom 6.5.2008 das Zahlungsbegehren ... auf Kosten ein" und hielt das Räumungsbegehren aufrecht. Die Beklagte habe jedenfalls ein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand. Mangels Anrechnungsvereinbarung sei die einseitige Zinsreduzierung Rechthaberei. Seit Eintritt der Teilrechtskraft des Teilurteils (gemeint:) des Erstgerichts am 23. September 2008 sei der Beklagten bekannt gewesen, dass sie nicht nur 1.600 EUR sondern 2.151,07 EUR monatlich bezahlen müsse. Sie habe jedoch weder den Rückstand laut Teilurteil vom 10. Juli 2007 noch die laufenden Zahlungen an diesen Betrag angepasst, sondern weiter nur 1.600 EUR bezahlt. Erst im Mai 2008 sei der Rückstand beglichen worden.

In der Streitverhandlung vom 3. Juni 2008, ON 25, beantragte die Beklagte , das Räumungsbegehren abzuweisen, weil ein Bestandzinsrückstand nicht mehr gegeben sei. Sie habe kein grobes Verschulden am Zahlungsverzug, da noch im Berufungsverfahren erörtert worden sei, ob überhaupt ein Bestandvertrag vorliege; erst mit Vorliegen des Berufungsurteils sei für sie festgestanden, 3.600 EUR an „Pachtzins" bezahlen zu müssen. Noch während des Berufungsverfahrens habe die Klägerin der Beklagten signalisiert, das Objekt doch noch erwerben zu können. Das Beharren der Klägerin auf grobem Verschulden sei angesichts des von der Beklagten gegen die Klägerin wegen Mietzinsüberschreitung angestrengten Verfahrens sittenwidrig. Sie habe erst durch das Berufungsurteil von der Nichtanrechenbarkeit auf den Kaufpreis erfahren und habe bis dahin von einem Guthaben gegenüber der Klägerin von 35.000 EUR ausgehen können.

Mit seinem Endurteil ON 26 gab das Erstgericht dem Räumungsbegehren statt. Es stellte (ergänzend) fest:

Am 8. Mai 2007 brachte die Beklagte zu 2 C 720/07p (gemeint:) des Erstgerichts eine Klage über 77.400 EUR gegen die Klägerin mit dem Vorbringen ein, sie habe über das Objekt sowohl einen Bestandvertrag als auch einen mündlichen Kaufvertrag zum Preis von 6.500.000 ATS geschlossen und vereinbart, bereits ab Inbestandnahme einen den ortsüblichen Mietzins erheblich übersteigenden Zins zu bezahlen und den Differenzbetrag dann auf den späteren Kaufpreis anzurechnen. Das Verfahren ist seit 18. Juni 2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache unterbrochen. Schon nach dem 10. Juli 2007 gab es auch noch über das Berufungsverfahren hindurch andauernde gelegentliche Bemühungen der Beklagten, durch Unterbreitung weiterer Angebote die Liegenschaft zu erwerben. Mehr als die Ankündigung, die Klägerin werde nach „Auslaufen" des Kaufvertrags mit dem Dritten (mit 14. Mai 2008) zunächst keinen weiteren Kaufvertrag schließen, es werde als Versuch einer Einigung noch ein Gespräch geben, konnte die Beklagte aber nicht erreichen. Die Teilnahme der Beklagten an diesem Gespräch war nie vorgesehen, sie kannte auch den Termin nicht, und keiner der Teilnehmer hatte Vollmacht, für sie zu sprechen oder zu handeln. Eindeutige Aussagen, die Beklagte habe durchaus noch die Möglichkeit zum Erwerb, machte die Klägerin nicht.

Rechtlich ging das Erstgericht von grob schuldhafter Säumnis der Beklagten aus, weil wegen Nichterhebung einer Berufung klar gewesen sei, dass sie einen um 551,07 EUR höheren als den von ihr zuletzt in reduziertem Maß geleisteten Mietzins schulde. Das Teilurteil bilde einen Exekutionstitel unabhängig vom ruhenden Parallelverfahren. Mit einer Anrechnung auf den künftigen Kaufpreis könne sie seit Rechtskraft des Teilurteils nicht argumentieren, weil ohnehin nur eine tatsächlich geleistete Zahlung angerechnet werden könne.

Das Berufungsgericht gab der nur eine Rechtsrüge enthaltenden Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision wegen Einzelfallbezogenheit nicht zulässig sei. Es hielt die Begründung des Erstgerichts für zutreffend und ergänzte, die Beklagte habe sich nach Erhalt des von ihr unbekämpften Teilurteils des Erstgerichts nahezu 10 Monate lang nicht einmal um rechtskräftig festgestellte Zahlungsrückstände gekümmert; deshalb sei eine geradezu offenkundige, grobe Fahrlässigkeit zu bejahen. Eine angebliche Gegenforderung habe die Beklagte im gesamten erstinstanzlichen Verfahren weder beziffert noch eingewendet. Sie habe nur ein weiteres Verfahren vor dem Erstgericht angesprochen, ohne jedoch einen Bezug zum Anlassfall herzustellen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung des Räumungsbegehrens, hilfsweise wird Aufhebung begehrt.

Folgende Rechtsfragen werden releviert:

Die Judikatur des Obersten Gerichtshofs sei uneinheitlich zur Frage, ob ein Verhalten des Mieters, das sich auf das Vertrauen in einen anwaltlichen Rat gründe, grobes Verschulden darstellen könne;

- es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob im Anwendungsbereich des MRG das Anwachsenlassen eines Zinsrückstands ab Vorliegen eines Teilurteils bis zum Vorliegen der Berufungsentscheidung ein grobes Verschulden darstelle, wenn der Mieter für diesen Zeitraum über ein aufrechenbares Guthaben gegenüber dem Vermieter verfüge, die Berechtigung auf Rückforderung des Guthabens dem Grunde nach durch die Feststellungen des Erstgerichts gedeckt seien und wegen schlechter Vermögenslage des Vermieters die Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruchs zweifelhaft sei.

Die Klägerin tritt dem in ihrer Revisionsbeantwortung sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit als auch inhaltlich entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus nachstehenden Gründen zulässig:

Es zeigt zwar die mit zahlreichen Sachverhaltselementen spezifizierte Formulierung der zweiten Rechtsfrage, wie sehr die Beurteilung groben Verschuldens von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt und daher grundsätzlich die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen vermag (vgl RIS Justiz RS0042773). Allerdings gelingt es der Revision (ungeachtet zahlreicher unzulässiger Neuerungen), eine Überschreitung des dem Berufungsgericht bei der Beurteilung des groben Verschuldens an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses eingeräumten Beurteilungsspielraums aufzuzeigen. Die Revision, die auf die ursprünglich behauptete Ausübung eines Vorkaufsrechts nicht mehr zurückkommt, sondern allein die Annahme groben Verschuldens am Zahlungsrückstand bekämpft, erweist sich deshalb auch als berechtigt .

1. Grobes Verschulden des Mieters beim Zahlungsverzug setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn, Gleichgültigkeit oder Streitsucht verletzt (RIS Justiz RS0069304). Rechthaberei liegt vor, wenn der Mieter auf einem bei nüchterner Überlegung als unrichtig erkennbaren Standpunkt beharrt (RIS Justiz RS0069304 [T8] = RS0070327 [T3]). Toleriert werden kann im Allgemeinen nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender, nicht grob fahrlässig herbeigeführter wirtschaftlicher Schwierigkeiten; häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (RIS Justiz RS0070310). Zweifel über die wahre und vertretbare Verkennung der Rechtslage können ebenso wie auch ein Irrtum über das Vorliegen eines Zahlungsrückstands in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit begründen (RIS Justiz RS0070327 [T1]). Die Fehleinschätzung der Beweislage begründet grundsätzlich kein grobes Verschulden; ebenso wenig, wenn eine relevante Behauptung des Mieters nach Durchführung eines langwierigen Beweisverfahrens letztlich nicht als erwiesen erachtet und darüber eine Negativfeststellung getroffen wird (RIS Justiz RS0069304 [T10 und T11]). War der relativ geringe Mietzinsrückstand nicht ganz einfach zu ermitteln und waren sich selbst die Vorinstanzen in der Frage, ob überhaupt ein solcher Rückstand bestehe, nicht einig, muss nicht vom „unzweifelhaften" Bestehen eines Zinsrückstands und vom groben Verschulden ausgegangen werden (1 Ob 11/04f).

Die Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Zinses nicht vorliege, trifft den Beklagten. Er hat den ihn entschuldigenden Sachverhalt in jeder möglichen Richtung zu konkretisieren, also jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, welche rechtlich die Annahme eines groben Verschuldens auf seiner Seite ausschließen. Jeder Zweifel geht zu seinen Lasten (RIS Justiz RS0069316 [T4, T5, T6 und T10]).

2. Die Beklagte beschränkte sich in erster Instanz darauf, zum Nachweis fehlenden groben Verschuldens Folgendes vorzubringen:

a. sie habe kraft Vereinbarung mit gutem Grund davon ausgehen können, ihre bisherige Zinszahlung von brutto 3.600 EUR werde auf den Kaufpreis für das Objekt zumindest teilweise angerechnet, was erst mit Kenntnis von der Veräußerung des Objekts an den Dritten obsolet geworden sei (ON 9 S 6/7 = AS 44/45);

b. noch im Berufungsverfahren sei erörtert worden, ob überhaupt ein Bestandvertrag vorliege (ON 25 S 3 = AS 175);

c. noch während des Berufungsverfahrens habe die Klägerin der Beklagten signalisiert, das Objekt doch noch erwerben zu können (ON 25 S 3 = AS 175);

d. erst mit Vorliegen des Berufungsurteils sei für sie festgestanden, 3.600 EUR bezahlen zu müssen; sie habe erst dadurch von der Nichtanrechenbarkeit auf den Kaufpreis erfahren und habe bis dahin von einem Guthaben gegenüber der Klägerin von 35.000 EUR ausgehen können (ON 25 S 3 und 4 = AS 175 und 176);

e. das Beharren der Klägerin auf grobem Verschulden sei angesichts des von der Beklagten gegen die Klägerin wegen Mietzinsüberschreitung angestrengten Verfahrens sittenwidrig (ON 25 S 4 = AS 176).

Auf die Argumente zu a., b., und e. kommt die Beklagte in ihrer Revision gar nicht mehr zurück. Das Argument zu c. ist durch gegenteilige Feststellungen im Ersturteil widerlegt. Den Vorwurf, sie habe die (gemeint: volle) Differenz auf 3.600 EUR grob schuldhaft verspätet geleistet, haben die Vorinstanzen nicht erhoben; daher geht auch das (an sich zutreffende) Argument zu d. ins Leere, erst mit Vorliegen des Berufungsurteils sei für die Beklagte festgestanden, 3.600 EUR bezahlen zu müssen.

Zu prüfen bleibt daher nur der Einwand, die Beklagte habe erst durch das Berufungsurteil von der Nichtanrechenbarkeit auf den Kaufpreis erfahren und habe bis dahin von einem Guthaben gegenüber der Klägerin von 35.000 EUR ausgehen können. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte in der letzten Streitverhandlung nicht bloß ein weiteres Verfahren vor dem Erstgericht angesprochen, ohne einen Bezug zum Anlassfall herzustellen. Aus dem Zusammenhang der Protokollierung und der Reaktion der Klägerin lässt sich aber zwanglos entnehmen (und wurde dies offensichtlich von der Klägerin auch so verstanden), dass das behauptete Guthaben der Beklagten den Gegenstand des von ihr gegen die Klägerin angestrebten Verfahrens vor dem Erstgericht bildet; in diesem Sinn hat das Erstgericht ja auch Feststellungen getroffen.

Zusammengefasst behauptete die Beklagte somit zu ihrer Entlastung, aufgrund des Inhalts des erstinstanzlichen Teilurteils bis zu dessen Abänderung davon ausgegangen zu sein, dass ihrer damit ausgesprochenen Mietzinsschuld an die Klägerin (von 551,07 EUR monatlich ab März 2007) ein Rückforderungsanspruch von 35.000 EUR gegen die Klägerin gegenüberstehe, der aus der nachträglich obsolet gewordenen Anrechenbarkeit eines wenn auch unbestimmten Teils der bis einschließlich Februar 2007 geleisteten Mietzinse resultiert und den sie bereits eingeklagt habe.

3. Dazu steht fest, dass die Beklagte am 8. Mai 2007 zu 2 C 720/07p des Erstgerichts einen - derzeit unterbrochenen - Prozess über 77.400 EUR gegen die Klägerin mit dem Vorbringen einleitete, sie habe über das Objekt sowohl einen Bestandvertrag als auch einen mündlichen Kaufvertrag zum Preis von 6.500.000 ATS geschlossen und vereinbart, bereits ab Inbestandnahme einen den ortsüblichen Mietzins erheblich übersteigenden Zins zu bezahlen und den Differenzbetrag dann auf den späteren Kaufpreis anzurechnen. Das Erstgericht folgte dem (in beiden Verfahren vertretenen) Standpunkt der Beklagten in seinem Teilurteil jedenfalls insoweit, als es eine - wenn auch der Höhe nach unbestimmte - Anrechnungsvereinbarung und das Recht der Beklagten auf Zinsreduktion auf den angemessenen, den bezahlten allerdings übersteigenden Mietzins annahm.

4. Aus dieser erstinstanzlichen Entscheidung durfte die Beklagte als juristischer Laie durchaus ableiten, sie verfüge über einen Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin, resultierend aus der Differenz zwischen dem angemessenen und geleisteten Mietzins (3.600 EUR - 2.151,07 EUR =), nämlich 1.448,93 EUR monatlich für die 39 Monate von Dezember 2003 bis Februar 2007 (= 56.508,27 EUR). Dieser übersteigt - auch im behaupteten Ausmaß von nur 35.000 EUR - nicht nur den für März und April 2007 (nur darauf bezieht sich das Teilurteil) rechtskräftig festgestellten monatlichen Mietzinsrückstand von je 551,07 EUR, sondern auch den Gesamtrückstand für die Zeit bis zur Zustellung der Berufungsentscheidung im April 2008 von (14 Monaten x 551,07 EUR =) 7.714,98 EUR.

Die von der Beklagten - nach ihren Behauptungen - unter diesen Prämissen erkennbar getroffene Einschätzung der Rechtslage, sie könne der Mietzinsnachforderung der Klägerin ihre jedenfalls höhere Gegenforderung entgegenhalten, das heißt wohl damit aufrechnen und die Mietzinsnachforderung der Klägerin so tilgen, widerspricht zwar der Verpflichtung zur fristgerechten Erfüllung des Exekutionstitels und von vertraglichen Pflichten. Sie übersieht auch, dass das Gegenüberstehen gleichartiger Forderungen nur ein Aufrechnungsverhältnis schafft, ohne Aufrechnungshandlung aber noch nicht zur Schuldtilgung führt (RIS Justiz RS0033904, RS0033835, RS0033876, RS0021065); eine solche hat die Beklagte weder behauptet noch im Prozess erklärt. Legt man aber einen Beurteilungsmaßstab entsprechend dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners an (6 Ob 257/03t mwN), so stellt diese Rechtsmeinung der Beklagten nur eine vertretbare Verkennung der Rechtslage durch sie dar (vgl 4 Ob 535/94 [Aufrechnung mit Guthaben aus jahrelanger Überzahlung des Untermietzinses trotz vereinbarten Aufrechnungsverbots]), die mangels besonders krasser Sorglosigkeit weder den Vorwurf von Rechthaberei noch jenen der Willkür, Streitsucht, Gleichgültigkeit oder des Leichtsinns rechtfertigt. Vielmehr musste die Beklagte nicht jedenfalls von einem unzweifelhaften Bestehen eines weiter aufrechten Zinsrückstands ausgehen.

Zu berücksichtigen ist weiters die vorprozessuale Vorgangsweise der Beklagten zur Ermittlung des ihrer Meinung nach geschuldeten Mietzinses (Beiziehung eines Immobiliensachverständigen), die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen zur von der Beklagten behaupteten Anrechnungsvereinbarung und schließlich die prompte Zahlung des Gesamtrückstands unmittelbar nach Vorliegen der Berufungsentscheidung.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erweist sich dann aber das dem Mietzinsrückstand zugrunde liegende Verhalten der Beklagten nicht als grob schuldhaft, und zwar weder bezogen auf die Zeit bis zum erstinstanzlichen Teilurteil noch für die Zeit danach.

5. Bei der Beurteilung groben Verschuldens an der verspäteten Zinszahlung ist die Willensrichtung des Mieters, die zur Zahlungsverzögerung führte, entscheidend (RIS Justiz RS0069316 [T2]), wozu entsprechende Feststellungen im Rahmen des vom Mieter dazu erstatteten Vorbringens erforderlich sind. Zur behaupteten Motivation der Beklagten dafür, auch nach Vorliegen des erstinstanzlichen Teilurteils weiterhin nur 1.600 EUR an Miete zu bezahlen, haben die Vorinstanzen bisher jedoch keine Feststellungen getroffen, sodass sich die Tatsachengrundlage als ergänzungsbedürftig erweist. Das muss zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung an die erste Instanz führen. Ob das Erstgericht eine ergänzende Beweisaufnahme für erforderlich hält, bleibt seiner pflichtgemäßen Ermessensübung überlassen.

6. Selbst wenn - entsprechend der bereits vorliegenden Aussage der Beklagten - festgestellt werden sollte, dass der Grund für die weitere Säumnis der Beklagten im anwaltlichen Rat ihres Vertreters lag (was angesichts der aktenkundigen Vertretung der Beklagten im vorliegenden Verfahren den Rahmen ihres Vorbringens noch nicht sprengt), schadet ihr das nicht.

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 528/93 (= MietSlg 45.443) wurde die Auffassung vertreten, dass sich der mit der Mietzinszahlung säumige Mieter bei der Beurteilung groben Verschuldens (§ 33 Abs 2 MRG) einen rechtlich verfehlten Rat seines Rechtsanwalts zurechnen lassen müsse. Diese Ansicht widersprach der zu 1 Ob 531/91 (= JBl 1992, 42) vertretenen und wurde schließlich zu 6 Ob 257/03t (= SZ 2003/161) ausdrücklich abgelehnt. Diesen überzeugenden Argumenten schließt sich der erkennende Senat an: Es kommt für die Zurechnung des schuldhaften Verhaltens des Erfüllungsgehilfen darauf an, ob die Ersatzpflicht auch zu verneinen ist, wenn dasselbe Verhalten vom Schuldner selbst gesetzt worden wäre. Der Beurteilungsmaßstab ist dabei dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners zu entnehmen (RIS Justiz RS0022747). Selbst wenn man also den anwaltlichen Vertreter des Mieters als Erfüllungsgehilfen bei der Erfüllung der Mieterpflichten ansehen wollte, kommt es nur darauf an, ob das Verhalten des Gehilfen den Schuldner ersatzpflichtig gemacht hätte, wäre es von diesem selbst gesetzt worden (RIS Justiz RS0022747 [T1]). Es wurde bereits zu Punkt 4. dargelegt, dass eine (nicht unvertretbare) Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte als Mieterin, wie sie von ihr behauptet wurde, nicht den Vorwurf grob schuldhafter Zahlungsverzögerung rechtfertigt.

Da die Erklärung des Vermieters, den Vertrag aufzuheben, rückwirkend unwirksam wird, wenn der Mieter einen nicht durch grobes Verschulden entstandenen qualifizierten Mietzinsrückstand bis zu dem in § 33 Abs 2 MRG angeführten Zeitpunkt entrichtet (RIS Justiz RS0107946 = 1 Ob 2315/96i), müsste das Räumungsbegehren diesfalls abgewiesen werden.

7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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