JudikaturJustiz5Ob119/22v

5Ob119/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers D*, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin M*, vertreten durch Dr. Ernst Ortenburger, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 Abs 1 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. März 2022, GZ 40 R 224/21v 78, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. Juli 2021, GZ 95 Msch 15/18m 70, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Antragsteller ist Hauptmieter der (baulich verbundenen) Geschäftsräumlichkeiten Top 1 und Top 2, die Antragsgegnerin ist Vermieterin. Am 22. 2. 2007 hatte die Vermieterin dieses Geschäftslokal den beiden Rechtsvorgängern des Antragstellers als Mitmietern zum Betrieb eines Gastronomielokals mit den Namen „B*“ vermietet, die dieses dort auch betrieben haben. Ob der Antragsteller seit 1. 10. 2010 aufgrund Veräußerung dieses Unternehmens gemäß § 12a MRG als Hauptmieter in den Mietvertrag eingetreten ist oder aufgrund eines den Vormietern eingeräumten Weitergaberechts, ist strittig und Gegenstand eines Kündigungsverfahrens beim Erstgericht.

[2] Laut Mietvertrag darf der Mietgegenstand nur zum Betrieb eines Bar und Restaurantbetriebs verwendet werden. Auch nach Eintritt des Antragstellers in das Hauptmietverhältnis wird dort ein Lokal unter dem Namen „1*“ betrieben, dies aber nicht vom Antragsteller selbst, der mit Vertrag vom 1. 10. 2010 als „nunmehriger Inhaber des Gastronomiebetriebs“ dessen Sachen und Rechte an zwei natürliche Personen auf unbestimmte Zeit verpachtete. Ob es sich tatsächlich um eine Unternehmenspacht handelt, ist ebenfalls Gegenstand des Kündigungsverfahrens beim Erstgericht.

[3] Im Mietvertrag der Antragsgegnerin mit den Rechtsvorgängern des Antragstellers wurde ein Hauptmietzins von 3.700 EUR exklusive Betriebskosten und USt wertgesichert auf Basis 1/2007 vereinbart. Außerdem sieht dieser Mietvertrag folgende Vereinbarung vor:

„Ⅳ. Mietzinsevaluierungsvereinbarung

(1) Unabhängig von der Wertsicherungsvereinbarung gemäß vorstehenden Absätzen vereinbaren die Vertragspartner, dass die Vermieterin berechtigt ist, in periodischen Abständen eine Evaluierung des Mietzinses auf Angemessenheit hin vorzunehmen. Erstmals ist dies nach sieben Vertragsjahren, somit ab dem 1. 1. 2014 möglich, sodann jeweils nach weiteren zehn Jahren, wobei diese Frist mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem der aufgrund dieser Klausel erhöhte Hauptmietzins zu bezahlen ist.

(2) Dies erfolgt dergestalt, dass über Aufforderung der Vermieterin ein Sachverständiger aus dem Immobilienbereich zu bestellen ist, der die Höhe des für den Mietgegenstand dann angemessenen Mietzinses festzustellen hat. Können sich die Vertragspartner über die Person des Sachverständigen nicht einigen, ist diese vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Wien zu bestellen.

(3) Ausdrücklich vereinbart wird, dass der vom Sachverständigen als angemessen festgestellte Hauptmietzins ab dem folgenden Monatsersten als geschuldeter Hauptmietzins gilt, für den die Wertsicherungsvereinbarung gemäß vorstehenden Bestimmungen dann analog ebenso anzuwenden ist (mit jeweils neuer Ausgangsbasis).

(4) Eine Mietzinsreduktion für den Fall, dass das Gutachten einen niedrigeren Mietzins ergibt, als zu diesem Zeitpunkt bezahlt wird, wird ausdrücklich ausgeschlossen.“

[4] In Entsprechung dieser Mietzinsevaluierungsvereinbarung einigten sich die Streitteile auf die Bestellung des SV Mag. S*. Nach dessen Gutachten vom 20. 2. 2015 betrug der angemessene Hauptmietzins für das Geschäftslokal ab Juli 2014 5.884,88 EUR. Gestützt auf das Gutachten und die Mietzinsevaluierungsvereinbarung schrieb die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab Juli 2014 einen erhöhten Hauptmietzins von 5.884,88 EUR vor.

[5] Eine weitere Anhebung dieses erhöhten Hauptmietzins erfolgte am 21. 10. 2017 aufgrund der Wertsicherungsvereinbarung mit Wirkung ab Dezember 2017 auf 6.180,30 EUR.

[6] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die vom Antragsteller bestrittene Wirksamkeit dieser Hauptmietzinserhöhungen.

[7] Das Erstgericht stellte fest, dass die zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller als Hauptmieter gültige Hauptmietzinsvereinbarung zum Stichtag 1. 7. 2014 insoweit unwirksam sei, als der Hauptmietzins den Betrag von 4.640,51 EUR (netto) monatlich übersteige, sowie dass die Anhebung des Hauptmietzinses am 21. 10. 2017 durch Anwendung der Wertsicherungsvereinbarung auf 6.180,30 EUR per 1. 12. 2017 insoweit unwirksam sei, als sie den Betrag von 4.873,47 EUR übersteige, und stellte die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes durch Vorschreibung näher bezeichneter Netto Hauptmietzinse in näher bezeichneten Zeiträumen fest.

[8] Die Mietzinsevaluierungsvereinbarung sei zulässig, Bewertungsstichtag sei der 1. 7. 2014. Für vergleichbare unbefristet vermietete Objekte sei zu diesem Stichtag nur ein Netto Hauptmietzins von 4.640,51 EUR erzielbar, der als angemessen festzustellen sei. Nur auf dessen Basis sei auch die Geltendmachung der Wertsicherung laut Mietvertrag zulässig.

[9] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge, wohl aber dem Rekurs der Antragsgegnerin und wies den Sachantrag ab. Die Vereinbarung, den Hauptmietzins in periodischen Zeitabständen auf den dann angemessenen Betrag anheben zu dürfen, sei eine Mietzinsvereinbarung, die gemäß § 16 Abs 8 MRG innerhalb von drei Jahren ab ihrem Abschluss hätte gerichtlich überprüft werden können. Diese Frist sei abgelaufen. Die grundsätzliche Anhebungsmöglichkeit der Antragsgegnerin sei daher nicht mehr bekämpfbar. Das von den Mietvertragsparteien vereinbarte Prozedere sei eine Schiedsgutachtervereinbarung. Während eine Schiedsvereinbarung in wohnrechtlichen Angelegenheiten gemäß § 582 Abs 2 ZPO nicht zulässig sei, gelte dies für die Schiedsgutachtervereinbarung auch im Vollanwendungsbereich des MRG nicht. Deren Zulässigkeit habe der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 236/07f bejaht. Dem sei zu folgen, weil dem Mieter auch im Anwendungsbereich des MRG eine Dispositionsbefugnis über die Höhe des Mietzinses zukomme, ihm stehe offen einen überhöhten Mietzins nicht zu bekämpfen, in seinem Überprüfungsantrag von vornherein nur den einen bestimmten Sockelbetrag übersteigenden Mietzins zu bekämpfen oder gewisse für die Mietzinsbildung relevante Prämissen außer Streit zu stellen. Daran wäre auch das Gericht gebunden. Diese Dispositionsbefugnis lasse es auch zu, die Feststellung der Höhe des angemessenen Mietzinses einem Sachverständigen als Schiedsgutachter zu überantworten und sich dem Ergebnis des Gutachtens zu unterwerfen. Eine Überprüfungskompetenz habe das Erstgericht in Bezug auf das Gutachten zum angemessenen Hauptmietzins nur dahin, ob es qualifiziert unrichtig ist. Zu 2 Ob 236/07f sei eine 30%ige Unterschreitung des Schiedsgutachtens gegenüber dem Privatgutachten nicht als qualifizierte Unrichtigkeit angesehen worden. Der hier zu beurteilende Fall sei vergleichbar, zumal bei der Ausmittlung des nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Mietzinses ein weiter Wertungs und Ermessensspielraum bestehe.

[10] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil zur Frage, ob im Anwendungsbereich des MRG eine Schiedsgutsachtervereinbarung zur Bestimmung des angemessenen Hauptmietzinses zulässig sei, keine gesicherte Rechtsprechung vorliege.

[11] In seinem Revisionsrekurs beantragt der Antragsteller die Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses.

[12] Die Antragsgegnerin beantragt den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[13] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig, er kann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen.

Rechtliche Beurteilung

[14] 1. Dem Argument der Antragsgegnerin, der Revisionsrekurs eigne sich mangels Zweifacheinbringungsvermerk nicht zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung, das sie mit einem Verweis auf § 80 ZPO untermauert, ist zu entgegnen, dass diese Bestimmung bereits mit 30. 4. 2022 außer Kraft getreten ist (BGBl Ⅰ 61/2022).

[15] 2. Nach § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Selbst wenn das Rekursgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, dass die Anfechtung seiner Entscheidung nach diesen Grundsätzen zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage zulässig sei, ist das an den Obersten Gerichtshof gerichtete Rechtsmittel zurückzuweisen, wenn darin nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RIS Justiz RS0102059). Wenn auch § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG nur für den außerordentlichen Revisionsrekurs und § 63 Abs 1 AußStrG für den Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs die gesonderte Anführung der Gründe vorsieht, warum entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts der Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird, sind daher entsprechende Ausführungen zur Zulässigkeit auch für den zugelassenen Revisionsrekurs notwendig. Erklärt das Rekursgericht den Revisionsrekurs mit konkretisierter Begründung für zulässig, reicht es zwar, wenn der Revisionsrekurswerber dieser Begründung beitritt, er muss zur maßgeblichen Rechtsfrage aber inhaltliche Ausführungen erstatten, sich also konkret mit der Entscheidung des Rekursgerichts juristisch auseinandersetzen (vgl RS0102059 [T21]). Dem wird der Revisionsrekurs nicht ausreichend gerecht.

[16] 3. Der Antragsteller greift die Zulassungsbegründung des Rekursgerichts zwar insoweit auf, als er die Unzulässigkeit einer Schiedsgutachtervereinbarung zur bindenden Feststellung der Höhe des angemessenen Mietzinses mit der Begründung behauptet, Ansprüche aus Verträgen, die dem MRG (auch nur teilweise) unterliegen, dürften gemäß § 582 Abs 2 ZPO nicht Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein und die im § 37 Abs 1 MRG dem Außerstreitrichter zugewiesenen Angelegenheiten seien nicht schiedsfähig. Tatsachenfeststellung sei nur die Bestimmung des ortsüblichen Mietzinses, nicht die Feststellung des angemessenen Mietzinses, sodass eine Schiedsgutachtensvereinbarung zur Festsetzung des angemessenen Mietzinses durch einen Schiedsmann nicht rechtswirksam möglich sei. Mit der ausführlichen Begründung des Rekursgerichts zur Zulässigkeit einer Schiedsgutachtervereinbarung zur Feststellung eines „angemessenen“ (im Sinn von marktüblichen) Hauptmietzinses setzt sich der Revisionsrekurswerber aber nicht konkret auseinander. Auch das Rekursgericht ging ja davon aus, dass eine Schiedsvereinbarung in wohnrechtlichen Angelegenheiten gemäß § 582 Abs 2 ZPO nicht getroffen werden kann. Warum seine – auf die Entscheidung 2 Ob 236/07f gestützte – rechtliche Beurteilung zur Zulässigkeit der Schiedsgutachtervereinbarung unrichtig sein sollte, lässt sich aus den Revisionsrekursausführungen nicht ausreichend entnehmen. Dass die genannte Entscheidung „allein auf weiter Flur“ sein soll, reicht dafür nicht aus, zumal schon eine einzige, ausführlich begründete Entscheidung ohne Kritik im Schrifttum für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung reicht (RS0103384). Zu 2 Ob 236/07f sah es der Oberste Gerichtshof im Übrigen in einem vergleichbaren Fall einer Schiedsgutachtervereinbarung der Mietvertragsparteien zur Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses für ein Geschäftslokal als nicht korrekturbedürftig an, davon auszugehen, dem bestellten Schiedsgutachter sei die Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses nach dieser Gesetzesstelle übertragen worden, während die daraus resultierenden Rechtsfolgen nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht der Schiedsgutachter festzulegen habe, sondern die Parteien diese vorweg in ihrer Vereinbarung selbst geregelt haben. An der Zulässigkeit einer Schiedsgutachtervereinbarung zur Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses zweifelte der Senat dort nicht.

[17] 4.1 Auch die Beurteilung des Rekursgerichts, hier liege – ungeachtet des Umstands, dass der Begriff selbst nicht verwendet wurde – eine Schiedsgutachtervereinbarung vor, ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist die Einordnung eines konkreten Vertrags im Einzelfall zu prüfen und entzieht sich einer generellen Beurteilung (vgl RS0042936; 2 Ob 236/07f). Nach der Rechtsprechung (RS0106359 [T2]) liegt der Unterschied zwischen Schiedsverträgen und Schiedsgutachterverträgen darin, dass der Schiedsvertrag die Entscheidung eines Rechtsstreits zum Ziel hat, während die Schiedsgutachterabrede auf die Feststellung von Tatsachen, Tatbestandselementen oder auf die Ergänzung des Parteiwillens gerichtet ist. Rechtsabändernde Schiedsgutachterverträge übertragen einem Dritten die Aufgabe, ein bestehendes Schuldverhältnis veränderten Umständen anzupassen, was aber noch nicht zu einem echten Schiedsvertrag führt. Der Schiedsgutachter soll aufgrund seiner Sachkunde gewisse Unterlagen und Tatsachen beschaffen und mit bindender Wirkung für die Parteien Feststellungen gewinnen (RS0106358 [T4]). Voraussetzung ist eine Einigung der Parteien auf das Leistungsbestimmungsrecht eines Dritten (RS0106358).

[18] 4.2 Die Auslegung des Punktes Ⅴ des Mietvertrags in diesem Sinn ist nicht zu beanstanden. Der Sinn und Zweck dieses Vertragspunktes liegt nach seinem Wortlaut darin, nach bestimmten Zeiträumen (zunächst sieben, dann zehn Jahre) eine Mietzinserhöhung nach einem im Voraus festgelegten Modus zu ermöglichen, wobei ein (neutraler) Sachverständiger aus dem Immobilienbereich den „angemessenen“ Mietzins ermitteln soll, der dann ab dem folgenden Monatsersten als geschuldeter Hauptmietzins gilt. Die Auslegung des Rekursgerichts, damit sei dem Schiedsgutachter die Ermittlung der für die rechtliche Beurteilung des angemessenen Hauptmietzinses iSd § 16 Abs 1 MRG erforderlichen Grundlagen, so insbesondere des marktüblichen oder ortsüblichen Hauptmietzinses nach der Vergleichswertmethode übertragen worden, während die Rechtsfolgen daraus, nämlich die Vereinbarung eines solchen Hauptmietzinses als „angemessen“ unmittelbar aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung abzuleiten sind (vgl 2 Ob 236/07f), ist im Einzelfall nicht zu beanstanden und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[19] 5. Zur Frage der Antragspräklusion nach § 16 Abs 8 MRG meint der Revisionsrekurswerber nur, entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sei sein Überprüfungsantrag nicht präkludiert. Dass bei Mietvertragsabschluss der angemessene Mietzins im Rahmen der Evaluierung akzeptiert werde, dürfe nicht zur Folge haben, dass in der Zukunft eine Angemessenheitsprüfung der im Rahmen der Evaluierung angehobenen Mietzinse ausgeschlossen werde. Zu dieser Thematik hat das Rekursgericht den Revisionsrekurs nicht zugelassen, nähere Ausführungen, weshalb insoweit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegen soll, enthält der Revisionsrekurs nicht. Davon abgesehen verkennt der Revisionsrekurswerber, dass auch das Rekursgericht nicht davon ausging, sein Mietzinsüberprüfungsantrag in Bezug auf den auf Basis der Schiedsgutachtervereinbarung erhöhten Hauptmietzinses sei schlechthin präkludiert; dessen Überprüfung (wenn auch nur auf qualifizierte Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens) hat der Antragsteller ja erreicht. Die Beurteilung des Rekursgerichts bezog sich auf die Mietzinsvereinbarung nur insoweit, als diese im Weg einer Schiedsgutachtervereinbarung den „modus operandi“ einer solchen Erhöhung und deren Zeitpunkt konkret festlegte. Warum die Frist des § 16 Abs 8 MRG für die Geltendmachung der Unwirksamkeit dieser Vereinbarung, die ohne Zweifel als Mietzinsvereinbarung zu qualifizieren ist, nicht gelten sollte, lässt sich dem Revisionsrekurs nicht entnehmen. Warum eine Rüge der Rechtsvorgänger des Antragstellers (oder auch des Antragstellers selbst nach dessen Eintritt in den Hauptmietvertrag) betreffend den „modus operandi“ zur Festlegung des angemessenen Hauptmietzinses denkunmöglich wäre, erschließt sich dem erkennenden Senat nicht.

[20] 6. Die „qualifizierte Unrichtigkeit“ des Schiedsgutachtens kann der Antragsteller nach der Auffassung des Rekursgerichts im Mietzinsüberprüfungsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG geltend machen. Bindend wäre ein Schiedsgutachten als offenbar unbillig nämlich dann nicht, wenn es den Maßstab von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und seine Unrichtigkeit sich dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängt. Nicht jede objektive Unrichtigkeit oder Sachwidrigkeit bewirkt aber schon qualifizierte Unrichtigkeit (RS0016769 [T2]). Dass eine Abweichung von 30 % des Schiedsgutachtens im Vergleich zum Privatgutachten (noch) keine qualifizierte Unrichtigkeit bewirkt, kann sich auf die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 2 Ob 236/07f stützen, wobei aber die Frage, unter welchen Umständen von einer qualifizierten Unrichtigkeit eines konkreten Schiedsgutachtens auszugehen ist, typischerweise eine solche des Einzelfalls und daher nicht erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurswerber mit der bloßen, durch kein Judikaturzitat untermauerten Behauptung, eine qualifizierte Unrichtigkeit sei indiziert und prima facie gegeben, wenn ein Privatgutachten vom Gerichtsgutachten erheblich abweicht, nicht auf.

[21] 7.1 Erstmals im Revisionsrekurs behauptet der Revisionsrekurswerber die Nichtigkeit der Mietzinsevaluierungsvereinbarung nach dem KSchG. Dies widerspricht dem Neuerungsverbot. Da der weite Unternehmerbegriff des § 1 KSchG es mit sich bringt, dass nicht ohne weiteres feststellbar ist, ob jemand Unternehmer ist oder nicht, muss derjenige, der den Schutz des KSchG für sich in Anspruch nehmen will, behaupten und nachweisen, dass die Voraussetzungen für diesen Schutz gegeben sind, und erklären, dass er die Bestimmungen des KSchG auf ein von ihm abgeschlossenes Rechtsgeschäft angewendet haben will, sofern sich die Eigenschaft als Verbraucher nicht ganz klar aus den Umständen ergibt (RS0065264). Die vom Revisionsrekurswerber zitierte Rechtsprechung des EuGH (Rs C 497/13) bezieht sich auf Verbrauchergeschäfte im Zusammenhang mit der Verbrauchsgüterkauf RL und ist nicht einschlägig. Auch die Entscheidung 6 Ob 105/21s, die die amtswegige Prüfung missbräuchlicher Mietvertragsklauseln betraf, ging davon aus, dass diese unter Bedachtnahme auf die Dispositionsmaxime und den Grundsatz ne ultra petita ihre Grenze im Streitgegenstand zu finden habe. Der sechste Senat meinte dort, hinsichtlich der sich aus dem bisherigen Prozessstoff ergebenden möglicherweise missbräuchlichen Klauseln, die mit dem Streitgegenstand bloß zusammenhängen, bestehe zwar keine unmittelbare Entscheidungspflicht, wohl aber eine vorgelagerte Prüf und Aufklärungspflicht; erst im Anschluss an die vorzunehmenden prozessleitenden Maßnahmen lasse sich sagen, ob über die Missbräuchlichkeit dieser fraglichen Klauseln zu entscheiden ist (vgl auch RS0016435 [T16, T17]). Allerdings war dort die Anwendbarkeit des KSchG unstrittig, sodass sich für die hier zu beurteilende Frage daraus nichts Wesentliches ableiten lässt. Auch der sechste Senat meinte im Übrigen, eine amtswegige Prüfung sei nur dann erforderlich, wenn das Gericht über die dazu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfüge, nur im Fall einer anzunehmenden amtswegigen Prüfpflicht sei nicht von einer Neuerung auszugehen. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

[22] 7.2 Schon für die Unternehmereigenschaft der Antragsgegnerin gab es keine ausreichenden Hinweise im Verfahren; selbst die Behauptung im Revisionsrekurs, die Antragsgegnerin sei Fruchtgenussberechtigte an 12 Wohnungseigentumsobjekten, reicht für sich allein nicht, stellt doch die ständige Rechtsprechung (RS0065317) für die Unternehmereigenschaft eines Vermieters im Sinn des KSchG auf die Beschäftigung von dritten Personen (wie Hausbesorgern), das Vorliegen einer Mehrzahl dauernder Vertragspartner (Mehrzahl von Mietverträgen, die eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung erfordert) und Erforderlichkeit der Einschaltung von anderen Unternehmen oder Erfüllungsgehilfen sowie längerfristige Vertragsbindungen ab. Aber auch die Verbrauchereigenschaft der Rechtsvorgänger des Antragstellers bzw des Antragstellers selbst ergab sich aus den bisherigen Beweisergebnissen nicht. Die Rechtsvorgänger des Antragstellers mieteten das Geschäftslokal zum Betrieb einer Bar, die dort tatsächlich betrieben wurde. Für ein Gründungsgeschäft der damaligen Hauptmieter fehlen Anhaltspunkte im Verfahren. Der Antragsteller selbst berief sich darauf, einen Gastgewerbebetrieb gekauft und weiterverpachtet zu haben; auch dies steht in gewissem Gegensatz zur nunmehrigen Behauptung, er sei (als Rechtsanwalt) nicht in der Gastronomie unternehmerisch tätig gewesen. Für eine amtswegige Überprüfung der Mietzinsevaluierungsvereinbarung nach den Kriterien des KSchG bestand für die Vorinstanzen daher kein Anlass.

[23] 8. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[24] 9. Gemäß § 37 Abs 3 Z 17 MRG hat der Antragsteller der Antragsgegnerin die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen, in der sie auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat.

Rechtssätze
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