JudikaturJustiz4Ob79/99t

4Ob79/99t – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,867.000 S s. A. (Revisionsinteresse der klagenden Partei 720.000 S, Revisionsinteresse der beklagten Partei 600.000 S, Rekursinteresse der beklagten Partei 547.000 S), infolge der Revisionen der klagenden und der beklagten Partei sowie des Rekurses der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. November 1998, GZ 4 R 172/98p-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11. Mai 1998, GZ 11 Cg 70/97z-9, als Teil- und Zwischenurteil bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird keine Folge gegeben.

Der Revision und dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 117.517,15 S (darin 10.749,52 S USt und 53.020 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat am 1. 1. 1983 mit der FIAT-Gebietshändlerin für die Bezirke Amstetten und Melk, der Franz H***** OHG (in der Folge: Gebietshändlerin) einen Lokal(sub)händlervertrag und am 12. 1. 1983 einen Werkstättenvertrag abgeschlossen; der Lokalhändlervertrag bedurfte der Genehmigung der S***** AG, der Werkstättenvertrag einer Genehmigung der S***** GmbH. Beide erforderlichen Genehmigungen wurden erteilt. Die Beklagte ist österreichische Generalimporteurin von Fahrzeugen der Marke FIAT. Mit Schreiben vom 8. 10. 1996 kündigte sie dem Kläger im Zuge einer Neustrukturierung ihres FIAT-Vertriebsnetzes sowohl den Lokalhändlervertrag als auch den Werkstättenvertrag unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfristen zum 31. 12. 1996 auf.

Der Kläger begehrt 1,867.000 S s. A. Die Beklagte habe als Nachfolgerin der S***** GmbH mit der Aufkündigung seines Lokalhändler- und Werkstättenvertrags gegen die Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. 6. 1995 über die Anwendung von Art 85 Abs 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (in der Folge: GVO) verstoßen, die die Einhaltung einer zweijährigen Kündigungsfrist vorsehe. Dadurch sei dem Kläger für den Zeitraum 1. 1. 1997 bis 31. 10. 1998 (unter Berücksichtigung anteiliger Vertriebskosten) ein Gewinn in Höhe von 1,320.000 S entgangen, dessen Ersatz er aus dem Titel des Schadenersatzes begehre. Darüber hinaus entgehe ihm infolge des rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten überdies der ihm in analoger Anwendung des § 24 HVertrG 1993 aus dem Ersatzteilgeschäft zustehende Ausgleichsanspruch, den er bei ordnungsgemäßer Kündigung durch die Gebietshändlerin gegen diese hätte erheben können; diesen Ausgleichsanspruch mache er aufgrund der im Ersatzteilgeschäft erzielbaren Deckungsbeiträge mit 560.000 S abzüglich 25 % für die Sogwirkung der Marke FIAT abzüglich 5 % anteiliger Vertriebskosten und abzüglich 10 % Abwanderungsquote zuzüglich 20 % USt, insgesamt daher mit 547.000 S geltend.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Einbindung des Klägers in das FIAT-Vertriebsnetz sei unter Einhaltung der in den Verträgen vorgesehenen Kündigungsfristen wieder rückgängig gemacht worden. Die GVO (die nur Vereinbarungen über den Verkauf von Neufahrzeugen zum Gegenstand habe) enthalte kein zwingendes Sonderprivatrecht, auf dessen Verletzung sich der Kläger berufen könne. Art 85 Abs 1 EGV sei mangels spürbarer Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf die gekündigten Verträge überhaupt nicht anwendbar. Selbst bei Anwendbarkeit der GVO verkürzten sich die vorgesehenen Kündigungsfristen auf ein Jahr, weil es sich um die erste Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung gehandelt habe und diese Maßnahme durch Umstrukturierung des Vertriebsnetzes notwendig geworden sei. Außerdem könne der Kläger nicht gleichzeitig einen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 24 HVertrG geltend machen und daneben auf der längeren Kündigungsfrist bestehen. Die Beklagte bestritt auch die Höhe des behaupteten Gewinnentgangs, weil der Kläger weiterhin als Vermittler für den neuen Gebietshändler tätig sei und so durch die Kündigung seines Händlervertrags keinen Vermögensnachteil erlitten habe, sowie die Höhe des Ausgleichsanspruchs, der nur für werbende Tätigkeiten, also nicht für das Ersatzteilgeschäft, zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Grund der Kündigung durch die Beklagte war, daß diese im selben Verkaufsgebiet mit einem anderen Vertriebspartner einen Vertrag ausgehandelt hatte; der neue Partner hatte sich nämlich bereit gezeigt, Investitionen im Ausmaß von rund 10 bis 12 Mio S zu tätigen und verfügte auch - aus der Sicht der Beklagten - über einen besseren Standort als der Kläger. Ein Gebietshändlervertrag wurde dem Kläger nicht angeboten. Während des aufrechten Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Gebietshändlerin bestand insofern eine unmittelbare Beziehung zur Beklagten, als der Kläger die Ersatzteile direkt von der Beklagten über ein von der Beklagten empfohlenes EDV-System per Modem bezog. Dieses System ermöglichte es auch, den Lagerbestand an Ersatzteilen bei der Beklagten abzufragen. Zwischen den Streitteilen bestand eine Vertriebs- und eine Rabattvereinbarung samt Bonus; zu Beginn eines jeden Jahres legte die Beklagte fest, daß der Kläger für den Fall des Erreichens bestimmter Verkaufsziffern pro Quartal eine Gutschrift in bestimmter Höhe bekomme. Der Kläger erhielt auch laufend "Ersatzteilmitteilungen" von der Beklagten zugesandt und hatte bei ihr eine Kundennummer. Ein Gebietsbetreuer der Beklagten für Ersatzteile hatte den Kläger bei der Erhaltung des Lagers und der Präsentation der Ersatzteile beraten. Der Kläger hatte vor zwei Jahren Spezialwerkzeug zur Fiat-Reparatur um ca 100.000 S angeschafft, dessen Verwendung ihm von der Beklagten vorgeschrieben worden war. Die durchschnittliche Handelsspanne des Klägers beim Verkauf von Ersatzteilen betrug 30 %. Bei den Neufahrzeugen wurde die Handelsspanne jeweils zwischen dem Kläger und der Gebietshändlerin vereinbart; die Beklagte hatte darauf keinen Einfluß. Üblicherweise liegt die Handelsspanne bei Gebietshändlern um 2 bis 3 % höher als bei Lokalhändlern. Die vom Kläger bestellten Neufahrzeuge wurden ihm von der Gebietshändlerin ausgeliefert. Dem Kläger standen - von der Gebietshändlerin finanzierte - Lagerfahrzeuge zur Verfügung.

In einem Schreiben vom 1. 2. 1993 teilte die Beklagte dem Kläger ihre Vorstellungen für eine effiziente Zusammenarbeit im Jahre 1993 wie folgt mit: "Vorführwagenpark: permanente Haltung von zwei Vorführwagen ... mit einer maximalen Behaltedauer von sechs Monaten,

Lagerfahrzeuge: permanente Präsentation von drei Lagerfahrzeugen ...,

Verkauf 1993: Erreichung Ihres Neuwagenzieles Fiat-PKW zu 80 % stellt eine Mindestanforderung zum Weiterbestand ihres Lokalhändlervertrages für 1994 dar. Aktionen 1993: aktive Beteiligung und Umsetzung der Fiat-Verkaufsaktion in Zusammenarbeit mit ihrem Gebietshändler. CI:

Sichtbare Umsetzung der Fiat-Verkaufs-CI..." Die Gebietshändlerin stellte dem Kläger am 18. 5. 1994 in Absprache mit dem Gebietsbetreuer der Beklagten gewisse Zielvorgaben hinsichtlich der zu erreichenden Jahresstückzahlen der Neuwagenverkäufe. Der Kläger bekam von der Beklagten ein Schild, das als Fiat-Werbeschild außen an seinem Geschäftslokal anzubringen war, und tätigte selbst Investitionen etwa dadurch, daß er die Fassade seines Geschäftes nach den Vorgaben der Beklagten streichen ließ. Von den bei der Vertragskündigung beim Kläger noch vorhandenen beiden Vorführwagen konnte der Kläger mittlerweile einen verkaufen; Vorführwagen werden üblicherweise innerhalb von 120 Tagen verkauft. Ende 1996 betrug der Marktanteil von PKW der Marke FIAT im Inland 4,3 %, Ende 1997 4,2 %, im Frühjahr 1998 4 %. FIAT-Ersatzteile kann man nicht nur direkt bei der Beklagten, sondern auch bei anderen Bezugsquellen kaufen; die Beklagte macht aber kostenlose Garantiearbeiten innerhalb der ersten 12 Monate ab Verkauf davon abhängig, daß frühere Reparaturen mit Originial-FIAT-Ersatzteilen durchgeführt worden sind. Der Kläger hat noch nach dem 31. 12. 1996 dem (neuen) Gebietshändler den Verkauf von Neufahrzeugen vermittelt.

In rechtlicher Hinsicht erwog das Erstgericht, daß das Kartellverbot des Art 85 Abs 1 EGV zwar grundsätzlich auch auf selektive Vertriebssysteme Anwendung finde, nach der Bagatellbekanntmachung der Europäischen Kommission aber angesichts der unter 10 % liegenden Marktanteile der Streitteile hier nicht zum Tragen komme. Die GVO sei eine kartellrechtliche Freistellungsregelung, die die Voraussetzungen regle, unter denen bestimmte wettbewerbsbeschränkende Klauseln in Kfz-Händlerverträgen zulässigerweise vereinbart werden dürften. Auf keinen Fall schaffe diese Norm Sonderprivatrecht für Kfz-Händlerverträge. In Art 5 GVO sei eine Mindestkündigungsfrist von zwei Jahren vorgesehen, die sich unter bestimmten Umständen auf nur ein Jahr verkürzen könne. Die Kfz-Händlerverträge müßten somit nur dann bestimmte Mindestkündigungsfristen enthalten, wenn für sie die Gruppenfreistellungsverordnung in Anspruch genommen werde. Abweichende Kündigungsfristen würden in ihrer zivilrechtlichen Gültigkeit nicht berührt. Wenn der gegenständliche Kfz-Händlervertrag wegen der in Bezug auf die GVO zu kurzen Kündigungsfrist Bestimmungen der GVO nicht erfülle, so habe dies nur zur Konsequenz, daß die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln des Kfz-Händlervertrags nichtig seien, eine Schadenersatzpflicht der Beklagten könne aus der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des Art 5 der GVO aber nicht erwachsen. Auch habe die vorgesehene Mindestkündigungsfrist nach dem

19. Erwägungsgrund der GVO den Sinn, die vom Vertragshändler getätigten Investitionen zu schützen; ein kartellrechtlicher Aspekt könne sich daraus aber nicht ergeben. Falle ein Kfz-Händlervertrag - der im übrigen gegen Art 85 Abs 1 EGV verstoße - auch nicht unter die GVO, so folge nur, daß die kartellrechtlich relevanten Klauseln gemäß Art 85 Abs 2 EGV von der Nichtigkeit bedroht seien. Gerade die Mindestkündigungsfrist des Art 5 GVO falle aber nicht darunter; einer Erörterung der in Art 5 Abs 2 und 3 GVO vorgesehenen Reduzierung der Kündigungsfrist um ein Jahr unter bestimmten Umständen bedürfe es daher nicht. Dasselbe gelte für die Verletzung der Kündigungsfrist im Werkstättenvertrag. Für einen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 24 HVertrG 1993 sei die Beklagte nicht passiv legitimiert; das Vertragsverhältnis, aus dem ein solcher Anspruch entstehen könnte, habe nämlich mit der Gebietshändlerin bestanden. Selbst bei einer Kündigung durch die Beklagte müsse sich der Kläger an die Gebietshändlerin wenden. Es bestehe aber auch deshalb kein Ausgleichsanspruch, weil der Kläger für die Ersatzteile eine deutlich über den üblichen Provisionssätzen der Handelsvertreter liegende Handelsspanne von 30 % erziele; die Erhöhung des good will des Lieferanten sei daher bereits durch diese hohe Handelsspanne abgegolten. Das angeschaffte Spezialwerkzeug könne der Kläger weiterhin verwenden. Reparaturen fielen hauptsächlich erst nach Ablauf der einjährigen Garantiezeit an, sodaß es nicht ins Gewicht falle, wenn die Beklagte kostenlos Garantiereparaturen von der Verwendung von FIAT-Originalteilen abhängig mache. Hinsichtlich der Neuwagenkäufe sei die Handelsspanne des Klägers mit der Gebietshändlerin ohne Einflußnahme der Beklagten vereinbart worden. Der Kläger sei trotz einer gewissen Einbindung in die Vertriebsorganisation der Beklagten nur Subhändler; als solchem stünde ihm kein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte zu.

Das Berufungsgericht sprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, daß der Anspruch auf Zahlung von 600.000 S sA (Gewinnentgang für den Zeitraum 1. 1. 1997 bis 31. 10. 1997) dem Grunde nach zu Recht bestehe, das Schadenersatzbegehren hinsichtlich des darüber hinausgehenden Teilbetrages von 720.000 S samt 8 % Zinsen seit Klagetag hingegen abgewiesen werde; im Umfang des Ausgleichsanspruchs von 547.000 S hob es das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen das Teil- und Zwischenurteil und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig seien. Rechtlich vertrat es die Ansicht, die GVO stelle keine zwingenden Vorschriften auf, die die Gültigkeit oder den Inhalt der Vertragsbestimmungen unmittelbar berührten oder die Vertragsparteien zur Anpassung des Vertragsinhalts verpflichteten. Die Sanktionen des Art 85 Abs 2 EGV übten aber mittelbar einen Anpassungsdruck in Richtung einer Vertragskonformität mit der Verordnung aus. Gruppenfreistellungsverordnungen bestimmten nur, unter welchen Voraussetzungen das Kartellverbot des Art 85 Abs 1 EGV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen durch einen generellen Akt für nicht anwendbar erklärt werden könne. Die Auflistung der Voraussetzungen, unter denen eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung freigestellt werde, diene primär dem Schutz der Marktgegenseite, also der Aufrechterhaltung einer funktionierenden Wettbewerbsordnung. Daß die Kartellanten andere Vertragsbedingungen vereinbart hätten, führe dann, wenn keine Einzelfreistellung bewilligt werde, allein zur (kartellrechtlichen) Nichtigkeit des Vertrags gemäß Art 85 Abs 2 EGV. Ob und inwieweit die Bagatellbekanntmachung der Europäischen Kommission die gegenständlichen Verträge von der Anwendung des Abs 85 EGV ausnehme, könne daher dahingestellt bleiben. Allerdings habe der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß eine dreimonatige Kündigungsfrist den Vertragshändler gröblich benachteilige und daher nichtig im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB sei. Der Kläger stütze seinen Anspruch nunmehr im Berufungsverfahren auch auf § 879 Abs 3 ABGB. Gesetzwidrigkeit begründe in der Regel amtswegig wahrzunehmende absolute Nichtigkeit; solle die übertretene Norm einen Vertragsteil schützen, so müsse er sich nach ständiger Rechtsprechung auf die Nichtigkeit berufen oder zumindest den Anspruch des anderen Teils bestreiten, was vor allem bei relativer Nichtigkeit zutreffe. Relative Nichtigkeit sei insbesondere in Fällen der Verletzung einer Schutznorm ausschließlich zugunsten bestimmter Vertragspartner gegeben. Eine solche Ungültigkeit sei nicht von Amts wegen zu beachten; sie könne nur von dem durch diese Norm Geschützten geltend gemacht werden, wozu bereits das Bestreiten einer aus dieser Vereinbarung abgeleiteten Verpflichtung genüge. Nun habe sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zwar weder ausdrücklich auf § 879 Abs 3 ABGB berufen, noch eine gröbliche Benachteiligung durch die Vereinbarung 30-tägiger Kündigungsfristen behauptet, doch habe er eine vermeintliche Gesetzwidrigkeit der vereinbarten Kündigungsfrist durch ihre Nichtübereinstimmung mit der GVO zum Ausdruck gebracht. Aufgrund der gebotenen allseitigen rechtlichen Prüfung sei der geltend gemachte Klageanspruch daher jedenfalls auch unter Bedachtnahme auf § 879 Abs 3 ABGB zu prüfen, zumal beiden Verträgen Vertragsformblätter zugrundelägen und die Beklagte nicht einmal behauptet habe, die Kündigungsfrist sei mit dem Kläger individuell ausgehandelt worden.

Das Kartellobergericht habe den Kfz-Vertrieb dahin skizziert, daß die betroffenen Vertragshändler ihren Bedarf nur bei einem einzigen Importeur decken könnten, weil ein Markenwechsel für sie mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden sei. Markenspezifische Werkzeuge und Kenntnisse seien nach einem Markenwechsel nicht mehr oder nur beschränkt einsetzbar, der Kundenstock müsse neu aufgebaut werden, weil er bis zu einem gewissen Grad an die Marke gebunden sei. Der Oberste Gerichtshof stelle auch darauf ab, daß der Vertragshändler primär im Vertriebsinteresse des Herstellers tätig werde und sowohl in seinem Verkaufs- als auch in seinem (regelmäßig angeschlossenen) Werkstättenbetrieb hohe Summen zu investieren habe, um Vertrieb und Service den Interessen des Importeurs anzupassen. Auch hier habe der Kläger entsprechende Investitionen in seinen Betrieb getätigt. Er sei verpflichtet gewesen, einen der Größe seines Vertragsgebiets entsprechenden Bestand an Lager- und Vorführwagen zu unterhalten und ein Lager mit Ersatzteilen und Zubehör einzurichten. Die Umstellung einer Vertragswerkstätte auf die Betreuung einer anderen Automarke sei notwendig mit entsprechenden Investitionen verbunden, weil markenspezifische Werkzeuge und Geräte angeschafft werden müßten und das Personal umzuschulen sei. Der Vertragshändler habe daher ein außerordentlich hohes Interesse daran, daß die Kündigungsfristen so bemessen seien, daß er sich auf die neue Lage einstellen könne, also insbesondere innerhalb dieser Frist einen anderen Partner finden und den Bestand an Fahrzeugen und Ersatzteilen des bisherigen Partners bestmöglich verbrauchen und verwerten und den Betrieb schließlich auf den neuen Partner ausrichten könne. Aufgrund dieser Erwägungen sei der Oberste Gerichtshof in einer Vorentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, daß eine 1980 getroffene Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Monaten nichtig sei. Umsomehr müsse dies daher für die 1983 mit dem Kläger getroffene Vereinbarung einer bloß 30-tägigen Kündigungsfrist gelten. An diesem Ergebnis ändere auch nichts, daß hier die GVO im Zeitpunkt der Auflösung des Vertrags zum 31. 12. 1996 unmittelbar anwendbares Recht, und zwar nach der VO BGBl 1995/868 auch unmittelbar in Bezug auf rein innerstaatliche Vertragsverhältnisse, gewesen sei, weil die Prüfung des Vorliegens gröblicher Benachteiligung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen habe. Auf diesen Zeitpunkt (1983) bezogen gälten aber dieselben Erwägungen wie in dem zu 9 Ob 2065/96h entschiedenen Fall, wo der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt sei, daß eine Kündigungsfrist von 12 Monaten angemessen sei. Der geltend gemachte Anspruch auf Gewinnentgang erweise sich daher für den Zeitraum vom 1. 1. 1997 bis 31. 10. 1997 als dem Grunde nach berechtigt, hinsichtlich des Zeitraums vom 1. 11. 1997 bis 31. 10. 1998 als jedenfalls unberechtigt. Da der Kläger seinen jährlichen Rohertrag mit 720.000 S beziffert habe, sei die Abweisung des Klagebegehrens in diesem Umfange jedenfalls zu bestätigen gewesen.

Soweit der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung weiterer 456.000 S zuzüglich 20 % USt auf den ihm in analoger Anwendung von § 24 HVertrG 1993 zustehenden Ausgleichsanspruch stütze, sei zur Frage der analogen Anwendung insbesondere der Bestimmung des § 25 HVG 1921 auf sogenannte Vertragshändler von der bisherigen Rechtsprechung, die von der Lehre überwiegend gebilligt worden sei, auszugehen. Die analoge Anwendung von Handelsvertreterrecht auf Vertragshändler sei danach dann gerechtfertigt, wenn die Beziehungen zwischen dem Vertragshändler und dem Hersteller (oder seinem Zwischenhändler) so gestaltet seien, wie es sonst zwischen Unternehmen und Handelsvertretern üblich sei. Der Gesetzgeber habe dem Anspruch auf Gewährung einer angemessenen Entschädigung nach § 25 HVG 1921 eine typischerweise gegebene und daher vermutete Äquivalenz zugrundegelegt. Die besondere Vergütung solle die das Vertragsverhältnis überdauernden Vorteile abgelten, die dem Geschäftsherrn aus der vom Handelsvertreter angeführten Kundschaft blieben. An dieser Wertung habe auch die analoge Anwendung des § 25 HVG 1921 auf Vertragshändler anzuknüpfen. Der Vertragshändler sei ein Kaufmann, der in die Vertriebsorganisation eines Herstellers von Markenwaren derart eingegliedert sei, daß er es durch Vertrag mit dem Hersteller ständig übernehme, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragsware im Vertragsgebiet zu vertreiben und deren Absatz zu fördern, die Funktionen und Risken seiner Geschäftstätigkeit daran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herauszustellen. Der Vertragshändler müsse derart in die Absatzorganisation seines Lieferanten eingegliedert sein, daß er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu besorgen und seinem Vertragspartner bei Vertragsbeendigung seinen Kundenstamm zu überlassen habe. Dem stehe es gleich, wenn es dem Vertragspartner bloß tatsächlich ermöglicht werde, den vom Vertragshändler erworbenen Kundenstamm auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses kontinuierlich zu nutzen. Es sei auch nicht erforderlich, daß der Vertragshändler eine arbeitnehmerähnliche Stellung innehabe. Entscheidend sei das Schutzbedürfnis des Vertragshändlers. Auch in diesem analogen Anwendungsbereich diene daher § 25 HVG dem Schutz des typischerweise schwächeren Vertragspartners. Diese Grundsätze müßten aber auch für den Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG gelten. Die Materialien zum HVertrG 1993 wiesen ausdrücklich darauf hin, daß die Einbeziehung anderer Umsatzmittler, also vor allem der Vertragshändler und Franchisenehmer, in das neue Gesetz durch die (damit umzusetzende) EG-Richtlinie nicht geboten sei, weil die Gefahr unvollständiger Regelungen groß sei und es zweckmäßig erscheine, alle damit im Zusammenhang stehenden Fragen der in Fluß befindlichen Rechtsprechung zu überlassen. Der im EG-Recht noch deutlicher als bisher normierte Händlerschutz spreche für die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung. § 24 HVertrG 1993 sei daher auf Kfz-Vertragshändler analog anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof habe auch schon klargestellt, daß diese besondere Vergütung die das Vertragsverhältnis überdauernden Vorteile, die dem Geschäftsherrn aus der vom Handelsvertreter zugeführten Kundschaft blieben, abgelten solle. Der entscheidende Aspekt für den Zuspruch einer Entschädigung an den Vertragshändler analog § 24 HVertrG liege darin, ob dessen Tätigkeit zu einer Werterhöhung des Unternehmens des Herstellers (Zwischenhändlers) im Bereich des good will geführt habe, die nicht bereits durch die dem Vertragshändler eingeräumte Handelsspanne sowie sonstige Leistungen gedeckt sei. Inhaltlich seien bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs auch die Umsätze aus dem Ersatzteilgeschäft, nicht aber jene aus Werkstättenleistungen zu berücksichtigen. Das Erstgericht setze zu Unrecht Provision und Handelsspanne gleich. Die Entschädigung habe den Zweck, den Handelsvertreter (bzw. Eigenhändler) für den Verdienstentgang, der ihm durch die Beendigung des Vertrages entstehe, nur dann (und soweit) zu entschädigen, als dem Geschäftsherren aus der Geschäftsverbindung mit der zugeführten Kundschaft Vorteile erwachsen seien, die nach Lösung des Vertrags fortbestünden. Deshalb müsse beim Eigenhändler darauf abgestellt werden, inwieweit die ihm zustehende Handelsspanne (die ja üblicherweise in prozentuellen Abschlägen des vom Hersteller mit dem Importeur ermittelten Bruttoverkaufspreis bestehe) auch bereits die Werterhöhung des good will beim Hersteller (Zwischenhändler) durch die Überlassung des Kundenstammes decke. Von der Handelsspanne seien jene Vergütungen abzuziehen, die der Vertragshändler für Leistungen erhalte, die der Handelsvertreter typischerweise nicht erbringe. Mindernd zu berücksichtigen sei auch die größere oder geringere Sogwirkung der Marke sowie das Abwanderungsrisiko der zugeführten Kundenschaft.

Richte sich der Anspruch gemäß § 25 HVG 1921 gegen den "Geschäftsherrn", der als der Vertragspartner des Handelsvertreters definiert werde, spreche das HVertrG vom "Unternehmer". Es sei nicht ersichtlich, daß mit dieser Änderung der Bezeichnung eine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen sei. Hinsichtlich der gegenständlichen Vertragsverhältnisse sei durchaus nicht nur die Gebietshändlerin, sondern auch die Beklagte Vertragspartner des Klägers gewesen, was sich schon daraus ergäbe, daß der Kläger Ersatzteile unmittelbar bei der Beklagten über deren EDV-System bezogen habe, eine Vertriebsvereinbarung mit Rabatt- und Bonusvereinbarung bestanden habe, dem Kläger Ersatzteilmitteilungen von der Beklagten zugesandt worden seien, er eine Kundennummer gehabt habe, vom Gebietsbetreuer der Beklagten beraten worden sei, ihm von der Beklagten die Verwendung von Spezialreparaturwerkzeug vorgeschrieben worden sei und die Beklagte auch auf den Betrieb von Neufahrzeugen erheblichen Einfluß genommen habe. Vor allem aber erscheine es in diesem Zusammenhang wesentlich, daß beide Verträge zu ihrer Wirksamkeit der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung der Beklagten bedurft hätten und darin - insoweit seien ergänzende Feststellungen erforderlich - im Zusammenhang mit der Vertragsauflösung ausdrücklich der Beklagten dieselben Rechte wie der Gebietshändlerin eingeräumt würden. Da beide Verträge die Beklagte zur Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem Kläger berechtigten und der Ausgleichsanspruch des § 24 HVertrG 1993 als Voraussetzung an die Beendigung des Vertragsverhältnisses anknüpfe, erscheine trotz der Einschaltung der Gebietshändlerin als Zwischenhändlerin die Beklagte für den Ausgleichsanspruch passiv legitimiert, weil sie es gewesen sei, die das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zur Auflösung gebracht habe. Auch ihr komme nämlich die bisherige Tätigkeit des Klägers weiterhin zugute, welche Vorteile ja die Grundlage des Ausgleichsanspruches bildeten. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zunächst die Feststellungen über die unmittelbaren vertraglichen Beziehungen der Streitteile im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und sich sodann mit den geltend gemachten Ersatzansprüchen der Höhe nach auseinanderzusetzen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bekämpft den abweisenden Teil dieser Entscheidung mit Revision, die Beklagte wendet sich mit Revision gegen das Teil- und Zwischenurteil und mit Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß. Nur die Rechtsmittel der Beklagten sind berechtigt.

1. Zur Revision des Klägers

Der Kläger bekämpft die Abweisung seines Schadenersatzanspruchs dem Grunde nach für den Zeitraum 1. 11. 1997 bis 31. 10. 1998 mit dem Argument, unter dem Gesichtspunkt des § 879 Abs 3 ABGB wäre eine Kündigungsfrist von zwei Jahren als angemessen zu betrachten. Dem hält die Beklagte in ihrer Revision entgegen, daß der Kläger erstmals im Berufungsverfahren den Einwand erhoben hat, die vereinbarten Kündigungsfristen seien gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig; diese Vorgangsweise verstoße gegen das Neuerungsverbot, weshalb das Berufungsgericht den geltend gemachten Anspruch zu Unrecht auch unter diesem Aspekt geprüft habe. Dazu ist zu erwägen:

Es entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß die relative Nichtigkeit einer Vereinbarung - worunter auch der Nichtigkeitsgrund der Sittenwidrigkeit fällt - grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur infolge Geltendmachung der Ungültigkeit zu beachten ist (Apathy in Schwimann, ABGB**2 Rz 36 zu § 879 und Krejci in Rummel, ABGB**2 Rz 248f zu § 879 je mwN; ImmZ 1986, 354 ua). Die Partei braucht sich zwar nicht ausdrücklich auf § 879 ABGB zu berufen, doch bedarf es neben dem erforderlichen Sachvorbringen jedenfalls auch eines Hinweises auf die (vermeintliche) Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit (4 Ob 166/82).

Der Kläger, dessen Rechtsvertreter selbst sich in erster Instanz auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 9 Ob 2065/96h - Teyrowsky = RdW 1998, 269 berief (S. 77) - hat hier aber nicht die Tatsachen vorgebracht, aus denen sich rechtlich auf die Sittenwidrigkeit der vereinbarten sowie der tatsächlich eingehaltenen Kündigungsfrist schließen ließe. Er hat zwar - zur Begründung der vermeintlichen Gesetzwidrigkeit der Kündigungsfrist - darauf hingewiesen, daß jeder Vertragshändler ein Ersatzteillager einzurichten und einen funktionierenden Kundendienst zu gewährleisten sowie die dafür erforderlichen Einrichtungen bereitzustellen hat, sodaß die Beendigung des Händlervertrags nicht nur zum Verlust der Ertragsquelle, sondern auch zu einer Entwertung der Investitionen führt (S. 35); er hat aber gerade nicht die Umstände geltend gemacht, aus denen der Oberste Gerichtshof in der erwähnten Entscheidung die gröbliche Benachteiligung des Vertragshändlers durch eine zu kurz bemessene Kündigungsfrist abgeleitet hat. Er hat sich nämlich nicht darauf berufen, daß er als Vertragshändler deshalb ein außerordentlich hohes Interesse an einer längeren Kündigungsfrist habe, weil er sich auf die neue Lage einzustellen, also insbesondere innerhalb dieser Frist einen anderen Partner finden und den Bestand an Fahrzeugen und Ersatzteilen des bisherigen Partners bestmöglich verbrauchen und verwerten und den Betrieb schließlich auf den neuen Partner auszurichten habe. Mit Recht hat daher die Beklagte schon im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen zur Sittenwidrigkeit gegen das Neuerungsverbot verstoße.

Nach ständiger Rechtsprechung kann zwar die Verletzung des - von Amts wegen wahrzunehmenden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 8 zu § 482) - Neuerungsverbots im Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß geltend gemacht werden (Fasching IV 169; derselbe, LB2 Rz 1733; Fucik, Das Neuerungsverbot im Zivilgerichtsverfahrensrecht, ÖJZ 1992, 425 [429]; Kodek aaO Rz 6 zu § 482 und Rz 5 zu § 519; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 827; SZ 27/65; EvBl 1969/344; JBl 1976, 591; 6 Ob 587/82 ua). Diese Auffassung wird damit begründet, daß die ZPO die Rechtsmittelgründe für das Rekursverfahren - anders als für das Revisionsverfahren - nicht erschöpfend aufzählt und ein in Mißachtung des Neuerungsverbots erlassener Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß das Verfahren gesetzwidrig verlängere. Nach gleichfalls herrschender Auffassung bildet hingegen die Verletzung des Neuerungsverbots keinen Revisionsgrund (Fasching IV 168;

derselbe, LB2 Rz 1733; Fucik aaO 429; Kodek aaO Rz 6 zu § 482;

Rechberger/Simotta aaO Rz 827; NZ 1970, 31; 2 Ob 235/97s; 1 Ob 55/97p uva). Wie der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 30/98p aufgezeigt hat, wird hiebei zwischen den Neuerungstatbeständen nach § 482 Abs 1 und 2 ZPO nicht unterschieden. Gedacht werde aber offenbar nur an das Neuerungsverbot gemäß § 482 Abs 2 ZPO, wird doch vor allem ins Treffen geführt, daß die Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage in Mißachtung des Neuerungsverbots niemals die Annahme einer nicht erschöpfenden Erörterung und gründlichen Beurteilung der Streitsache erlaube (Fasching, LB2 Rz 1733; Rechberger/Simotta aaO Rz 827; SZ 27/65; EvBl 1969/344). So führt die Entscheidung SZ 27/65 aus, es würde den Grundsätzen der Prozeßökonomie widersprechen, die Anfechtbarkeit eines Aufhebungsbeschlusses, der das Neuerungsverbot verletzt, auszuschließen; habe das Berufungsgericht jedoch meritorisch, wenn auch unter Verletzung des Novenverbots, entschieden, so könne gewiß nicht gesagt werden, daß das Verfahren an einem Mangel leide, der die gründliche Beurteilung der Sache hindere, weil die Beweisergebnisse nun einmal vorliegen und vom Berufungsgericht gewürdigt worden seien. Hier aufzuheben und das Berufungsgericht zu zwingen, nur aus formalrechtlichen Gründen eine offenbar sachlich unrichtige Entscheidung zu fällen, wäre ein überspitzter Formalismus, der dem Grundsatz widerstreitet, daß die Prozeßnormen die Richtigkeit der Entscheidung garantieren sollen, aber nicht dazu mißbraucht werden dürfen, sachlich richtige Entscheidungen aus der Welt zu schaffen. Die in 1 Ob 30/98p angemeldeten (und mittlerweile in 3 Ob 224/97f geteilten) Bedenken gegen die Unanfechtbarkeit jedes Verstosses gegen das Neuerungsverbot, also auch bei Berücksichtigung neuer Ansprüche oder Einreden (§ 482 Abs 1 ZPO) sind nach Meinung des erkennenden Senates gerechtfertigt:

Das Berufungsgericht ist - wie Fucik (aaO 428) zutreffend hervorhebt - nur "im Rahmen der geltend gemachten Ansprüche und Einreden und der vorgebrachten Tatsachen" in "der rechtlichen Qualifikation des Sachverhalts völlig frei". Bejaht das Berufungsgericht - etwa aufgrund überschießender Feststellungen - einen erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Anspruch oder eine dort neu erhobene Einrede, so wird dadurch - anders als im Falle der Ergänzung des Verfahrens durch Aufnahme neuer Beweismittel oder durch die Feststellung neu behaupteter Tatsachen im Zuge einer Beweisergänzung (§ 496 Abs 3 ZPO) - die gründliche, d. h. richtige Beurteilung der "Streitsache" im Sinn des § 503 Z 2 ZPO sehr wohl gehindert. "Streitsache" ist der durch das Vorbringen der Parteien in erster Instanz abgegrenzte Streitgegenstand. Das Gericht ist nicht nur an die Sachanträge der Parteien, sondern auch an den geltend gemachten Anspruch und die erhobenen Einwendungen gebunden. Soweit sich der Kläger auf einen bestimmten Rechtsgrund festgelegt hat, darf das Gericht der Klage nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (SZ 68/178 mwN). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und hiefür angegebenen Tatsachen (MietSlg 38.775 f); setzt sich nun das Berufungsgericht über diese Grenzen hinweg, dann ist seine Beurteilung der Streitsache nicht "gründlich", sondern unrichtig. Die Berücksichtigung eines neuen, den geltend gemachten Anspruch begründenden Rechtsgrundes oder einer neuen Einwendung bildet daher einen Verstoß gegen § 482 Abs 1 ZPO, der geeignet ist, die gründliche Beurteilung der Sache zu hindern. Der in der Verletzung des Neuerungsverbots gelegene Verfahrensmangel, der eine unzutreffende rechtliche Beurteilung der Streitsache zur Folge hat (9 ObA 326/98a), verwirklicht somit den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO. Im übrigen müßte die Berücksichtigung von Neuerungen im Sinn des § 482 Abs 1 ZPO ohnehin - zumindest in den meisten Fällen - zu einer Aufhebung des Berufungsurteils führen, weil für den jeweiligen Prozeßgegner in der Regel kein Anlaß bestanden hat, ein entsprechendes Gegenvorbringen zu erstatten, sodaß noch keine abschließende Beurteilung möglich wäre. Daß aber eine solche Aufhebung durch den Obersten Gerichtshof, der ihr dann, wenn sie vom Berufungsgericht angeordnet würde, infolge Rekurses entgegenträte, nicht in Frage kommt, liegt auf der Hand.

Den Ausführungen des Klägers zur Angemessenheit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren im Lichte des § 879 Abs 3 ABGB ist damit der Boden entzogen.

Der Kläger vertritt weiters die Ansicht, Art 5 Abs 2 Z 2 GVO, der eine Mindestkündigungsfrist von zwei Jahren normiere, sei als zivilrechtliche Schutznorm anzusehen, die im Kfz-Händlerbereich einen Minimalstandard festlege; die Verletzung dieser Schutznorm bewirkte, daß dem Vertragshändler alle jene Nachteile zu ersetzen seien, die ihm aus der Verkürzung der einzuhaltenden zweijährigen Kündigungsfrist entstünden.

Einer Auseinandersetzung mit dem Rechtscharakter der GVO bedarf es hier schon deshalb nicht, weil diese Gemeinschaftsnorm auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist. Die GVO bezieht sich nach ihrem Art 1 nur auf solche Verträge zwischen zwei Unternehmen, in denen sich ein Vertragspartner dem anderen gegenüber verpflichtet, zum Zwecke des Weiterverkaufs bestimmte neue Kraftfahrzeuge sowie in Verbindung damit deren Ersatzteile innerhalb eines abgegrenzten Gebiets des Gemeinsamen Marktes nur an ihn oder nur an ihn und eine bestimmte Anzahl von Unternehmen des Vertriebsnetzes zu liefern. Der Händlervertrag ./A sieht demgegenüber keinerlei Gebietsschutz für den Kläger vor; er überträgt ihm nämlich nur das Mitverkaufsrecht für ein bestimmtes Verkaufsgebiet (Punkt 2.), ohne daß der Gebietshändler in der Anzahl der im Verkaufsgebiet einzusetzenden Händler beschränkt wäre, und behält dem Gebietshändler ausdrücklich das Recht vor, direkte Aufträge im Verkaufsgebiet des Klägers zu tätigen oder andere Verkaufsstellen mit solchen Verkäufen zu betrauen (Punkt 3.1.). Dieser Vertrag fällt damit nicht unter den Anwendungsbereich der GVO (ähnlich schon 4 Ob 229/98z, Leitsatz abgedruckt in WBl 1999, 144); wurde er unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist beendet, scheitert der geltend gemachte Schadenersatz wegen Verdienstentgangs schon an der fehlenden Rechtswidrigkeit der Vertragsbeendigung. Die Revision des Klägers erweist sich damit als unberechtigt.

2. Zur Revision der Beklagten

Die Beklagte bekämpft das Teil- und Zwischenurteil, soweit damit ein Schadenersatzanspruch für den Zeitraum 1. 1. 1997 bis 31. 10. 1997 dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannt worden ist, mit dem zutreffenden Argument, daß der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren keine Sittenwidrigkeitseinrede erhoben habe; sie ist zu diesem Punkt auf die Ausführungen zur Revision des Klägers zu verweisen. In Ansehung des geltend gemachten Anspruchs auf Gewinnentgang war somit die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

3. Zum Rekurs der Beklagten

Die Beklagte bekämpft die im Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, nicht nur die Gebietshändlerin, sondern auch die Beklagte sei Vertragspartnerin des Klägers, weshalb die Beklagte, die ja das Vertragsverhältnis zur Auflösung gebracht habe, für den geltend gemachten Ausgleichsanspruch passiv legitimiert sei. Der Kläger habe einen derartigen direkten Anspruch in der Klage gar nicht behauptet, sondern vielmehr einen Schadenersatzanspruch geltend gemacht, der daraus resultiere, daß die Beklagte den Ausgleichsanspruch gegen die Gebietshändlerin vereitelt habe. Es sei aber kein Grund ersichtlich, weshalb sich die Klägerin mit ihren Ausgleichsforderungen nicht an ihre unmittelbare Vertragspartnerin gewendet habe. Im Neuwagengeschäft habe sich die Einflußnahme der Beklagten auf den Kläger darauf beschränkt, mit der Gebietshändlerin die Verkaufsleistungen des Klägers abzustimmen; welche Spanne der Kläger erzielen habe können, sei hingegen nur mit der Gebietshändlerin vereinbart worden. Damit sei aber für die Beklagte auch nicht zu beeinflussen gewesen, ob und inwieweit der Kläger schon während aufrechten Vertragsverhältnisses eine laufende Abgeltung für die weiterwirkenden Vorteile seiner Vertriebsbemühungen erhalten habe. Bei dieser Sachlage wäre es unbillig, die Beklagte mit einem direkten Ausgleichsanspruch zu belasten, zumal es dem Kläger ja zumutbar sei, sich damit an die Gebietshändlerin zu wenden. Was den Ersatzteilvertrieb betreffe, habe es hier zwar direkte Beziehungen zwischen den Streitteilen gegeben, doch sei der Kläger insoweit nicht mit der Zuführung von Kunden iSd § 24 Abs 1 HVertrG befaßt gewesen; ein Ausgleich in diesem Geschäftsbereich stehe ihm aber auch deshalb nicht zu, weil angesichts von Handelsspannen von an die 30 %, die die üblichen Provisionssätze von Handelsvertretern bei weitem überstiegen, eine tragende Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 24 Abs 1 HVertrG fehle. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.

Die grundsätzliche Berechtigung des Klägers, als Eigenhändler nach Beendigung seines Händlervertrags Ausgleichsansprüche analog dem Handelsvertreterrecht zu stellen, wird von der Beklagten zutreffend

nicht mehr in Frage gestellt (vgl dazu grundlegend EvBl 1998/104 =

RdW 1998, 269 = ecolex 1998, 467 [Wollmann, ecolex 1998, 489] = WBl

1998, 363 [Ellmansberger, WBl 1998, 340] zu § 25 HVG 1921; RdW 1998, 674 zu § 24 Abs 1 HVertrG; zuletzt 1 Ob 251/98p). In der Frage, wer als Schuldner dieses Ausgleichsanspruchs in Betracht kommt, wird im Handelsvertreterrecht zwischen dem echten und dem unechten Untervertreter unterschieden (zum Folgenden:

Küstner/Manteuffel/Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts II6: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, Rz 67 ff). Ein echter Untervertretervertrag liegt vor, wenn der Vertrag zwischen dem Haupt- und dem Untervertreter abgeschlossen wird, wobei der Hauptvertreter als Vertragspartner des Untervertreters im eigenen Namen und nicht etwa im Namen und in Vollmacht des von ihm seinerseits vertretenen Unternehmers handelt. Von einem unechten Untervertretervertrag wird hingegen dann gesprochen, wenn zwischen dem Untervertreter und dem Unternehmer ein normaler Vertretervertrag besteht, der Untervertreter aber einem anderen Vertreter des Unternehmers organisatorisch unterstellt ist; einem übergeordneten Vertreter (Haupt-, General- oder Bezirksvertreter) wird in derartigen Fällen die Betreuung der Untervertreter übertragen, weil dies wegen der Größe der Außendienstorganisation oder der räumlichen Ausdehnung des Vertretungsbezirkes zweckmäßiger ist, als wenn die Betreuung vom Unternehmer unmittelbar durchgeführt werden würde. Ein unechter Untervertretervertrag wird entweder unmittelbar zwischen dem vertretenen Unternehmer und dem Untervertreter abgeschlossen, oder der Unternehmer bedient sich hierzu des Hauptvertreters, der alsdann den Untervertretervertrag im Auftrag und im Namen des Unternehmers und unmittelbar für diesen abschließt. Der Annahme eines unechten Untervertreterverhältnisses steht auch nicht entgegen, daß die Untervertreterprovision über den Hauptvertreter abgerechnet wird.

Der Frage, ob dem Kläger im Vertriebssystem der Beklagten die Stellung eines unechten Untervertreters (mit der Folge eines direkten Ausgleichsanspruchs gegenüber der Beklagten) zukam, bedarf in Ansehung des Neuwagengeschäftes keiner näheren Prüfung. Der Kläger hat nämlich - worauf die Beklagte zutreffend verweist - keinen derartigen Ausgleichsanspruch geltend gemacht, sondern begehrt vielmehr Schadenersatz wegen Vereitelung eines ihm gegen die Gebietshändlerin zustehenden Ausgleichsanspruchs durch die Beklagte. Es besteht aber kein Grund zur Annahme, der Kläger könne einen ihm allenfalls nach § 24 HVertrG gegen die Gebietshändlerin als seiner Vertragspartnerin zustehenden Ausgleichsanspruch nur deshalb nicht geltend machen, weil das Vertragsverhältnis nicht von dieser, sondern von der Beklagten beendet worden ist. Daß etwa die Verfolgung seines Ausgleichsanspruchs gegen die Gebietshändlerin infolge deren Vermögenslosigkeit oder drohenden Insolvenz aussichtslos sei, hat der Kläger nicht behauptet. Der geltend gemachte Schadenersatz scheitert in diesem Punkt demnach bereits daran, daß die Vertragskündigung durch die Beklagte mit einem Vermögensschaden, der deshalb eingetreten ist, weil die Klägerin eine ihr zustehende Forderung nicht betrieben hat, in keinem Kausalzusammenhang steht.

In Ansehung des Ersatzteilgeschäfts bestanden zwar unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen den Streitteilen, doch kommt in diesem Bereich ein auf § 24 HVertrG gestützter Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte schon dem Grunde nach nicht in Betracht. Zwar hat der Oberste Gerichtshof schon einmal ausgesprochen, daß bei Bemessung des Ausgleichsanspruchs grundsätzlich auch das Ersatzteil- und Zubehörgeschäft, nicht jedoch das Werkstättengeschäft zu

berücksichtigen sei (EvBl 1998/104 = RdW 1998, 269 = ecolex 1998, 467

[Wollmann, ecolex 1998, 489] = WBl 1998, 363 [Ellmansberger, WBl

1998, 340]), doch lag dieser Entscheidung ein Anspruch nach § 25 HVG 1921 zugrunde. Durch das HVertrG 1993 trat aber eine in diesem Punkt wesentliche Änderung der Rechtslage ein: Mit der Neufassung des Handelsvertreterrechts wurde eine EG-Richtlinie umgesetzt, die den Mitgliedsstaaten für die Regelung der Ansprüche des Handelsvertreters nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Wahl zwischen dem an § 89b dHGB angelehnten Ausgleichssystem und dem Entschädigungssystem des französischen Rechts eröffnete. Der österreichische Gesetzgeber entschied sich für das deutsche Vorbild, dem auch die bis dahin geltenden Regelung des § 25 HVG 1921 besser entsprach (EB zur RV, abgedruckt bei Weilinger/Weilinger, HVertrG 1993, § 24). Nach deutscher Judikatur zu § 89b dHGB sind aber Verkäufe von Ersatzteilen nicht ausgleichsberechtigt, weil es sich dabei nicht um das Ergebnis einer werbenden Tätigkeit, sondern um ein Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs handle (BGH in ZIP 1987, 1383). Sind nun aber die Wertungen des § 89b HGB in die Neufassung des § 24 HVertrG eingeflossen, wonach die werbende Tätigkeit des Handelsvertreters viel mehr im Vordergrund steht als gegenüber der alten Rechtslage in Österreich, ist bei der Auslegung der neuen Bestimmung den in der deutschen Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen zu folgen. Beim Ersatzteilgeschäft als bloßem Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs ist demnach regelmäßig nicht zu erwarten, daß der Unternehmer auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses zu einem in sein Werkstättennetz eingegliederten Händler erhebliche Vorteile iSd § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG ziehen kann, weshalb dieser Geschäftsbereich in die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG nicht einzubeziehen ist. Damit erweist sich der Anspruch des Klägers auch in diesem Umfang als nicht berechtigt, sodaß insgesamt das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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