JudikaturJustiz4Ob243/01s

4Ob243/01s – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Thomas J. Ruza, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ernst J*****, vertreten durch Dr. Karl Haas und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Leistung (Gesamtstreitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2001, GZ 5 R 7/01p-29, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom 30. Oktober 2000, GZ 1 Cg 239/98w-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem Ausspruch über das Unterlassungs- und das Urteilsveröffentlichungsbegehren als Teilurteil bestätigt wurden, werden im Ausspruch über das Zahlungs- und das Kostenersatzbegehren aufgehoben, die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Inhaberin der österreichischen Wortmarke "Elisabeth (Sissy)", die mit Schutzdauerbeginn 11. 11. 1992 (ua) für die Warenklasse 33 (Spirituosen) eingetragen ist. Die Marke wurde nicht aufgrund eines Verkehrsgeltungsnachweises eingetragen.

Die Beklagte ist Inhaberin der österreichischen Wortbild-Marke "Sissi Elisabeth Kaiserin von Österreich", deren Bildteil in einem Bildnis der ehemaligen österreichischen Kaiserin besteht. Die Marke ist seit 15. 1. 1998 geschützt; sie ist für die Warenklasse 33 (Weine, Sekt, Schnäpse) eingetragen.

Am 16. 8. 1998 kaufte ein Testkäufer der Klägerin in einem Autobahn-Restaurant einen "Sissy-Weißwein".

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im Gebiet der Republik Österreich ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die geschützte Marke "Elisabeth (Sissy)" oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung im Zusammenhang mit der Ankündigung, dem Verkauf und dem Vertrieb von alkoholischen Getränken bzw Spirituosen oder gleichartigen Waren kennzeichenmäßig zu verwenden (Punkt 1 des Urteilsbegehrens). Die Klägerin stellt weiters ein Begehren auf Zahlung von 50.000 S (Punkt 2 des Urteilsbegehrens) und ein Veröffentlichungsbegehren (Punkt 3 des Urteilsbegehrens). Die Wortmarke "Elisabeth (Sissy)" habe sich als Kennzeichen des Unternehmens der Klägerin in den beteiligten Verkehrskreisen eingebürgert. Die Klägerin liefere ihre Produkte österreichweit aus. Die Beklagte verletze das Markenrecht der Klägerin, indem sie Weine bzw Spirituosen mit der Bezeichnung "Sissi - Kaiserin Elisabeth" in Verkehr bringe. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, die Öffentlichkeit über das Urteil zu informieren. Ihr stehe darüber hinaus gemäß § 56 MSchG iVm § 150 PatG ein Anspruch auf angemessenes Entgelt zu. Die Klägerin erachte ein Entgelt von 50.000 S als angemessen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie vertreibe nur Wein und Sekt, nicht aber auch Schnäpse. Da die Klägerin - neben verschiedenen Lebensmitteln - Spirituosen und Schnäpse vertreibe, bestehe zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis. Die Klägerin habe für ihre Marke keine Verkehrsgeltung erreicht und sie auch nicht kennzeichenmäßig gebraucht. Insbesondere im "Sissy-Jahr" sei eine Vielzahl von Produkten mit der Marke "Sissy" versehen gewesen; keinem Anbieter sei es gelungen, eine Identifizierung seines Unternehmens mit dem Namen "Sissy" zu erreichen. "Sissy" sei der Name einer berühmten historischen Person; an diesem Namen bestehe daher ein Freihaltebedürfnis.

Die Marke der Klägerin sei zur Täuschung geeignet, weil sie den unzutreffenden Eindruck erwecke, dass die Waren der Klägerin in irgendeinem Zusammenhang mit der ehemaligen österreichischen Kaiserin stünden.

Laut Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27. 6. 2000 (ON 23) bot die Beklagte der Klägerin in dieser Tagsatzung "einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich im Sinne des Punktes 1 des Urteilsantrags (AS 4) an". Die Klägerin nahm das Vergleichsangebot an; dies wurde im Protokoll wie folgt festgehalten:

"Der angebotene Unterlassungsvergleich laut Punkt 1 des Urteilsantrags wird von der klagenden Partei angenommen".

Das Erstgericht wies das Urteilsveröffentlichungsbegehren und das Zahlungsbegehren ab. Ergänzend zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hielt es fest, nicht feststellen zu können, ob der am 16. 8. 1998 von einem Testkäufer gekaufte Weißwein von der Beklagten stammte. In der rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, dass die Klägerin nicht vorgebracht habe, ihre Marke tatsächlich kennzeichenmäßig gebraucht zu haben. Aus dem bloßen Hinweis, die Marke habe sich in den beteiligten Verkehrskreisen eingebürgert, könne nicht geschlossen werden, in welcher Form und in welchem Ausmaß die Klägerin die Wortmarke tatsächlich verwendet habe. Das Gericht sei nicht verpflichtet gewesen, die anwaltlich vertretene Klägerin zu einem entsprechenden Vorbringen anzuleiten. Mangels Behauptung eines kennzeichenmäßigen Gebrauchs sei auf den Anspruch auf angemessenes Entgelt nicht weiter einzugehen. Das Veröffentlichungsbegehren sei abzuweisen, weil das Gericht nur zur Veröffentlichung eines Urteils und nicht auch zur Veröffentlichung eines Vergleichs ermächtigen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache, änderte es im Kostenpunkt ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Ein prozessbeendender gerichtlicher Vergleich komme bei Verwendung eines Schallträgers dadurch zustande, dass die Parteien den Vollschriftteil des Verhandlungsprotokolls unterschreiben und Protokollabschriften begehren. Das sei hier der Fall gewesen. Dass das Protokoll den Wortlaut des Vergleichs nicht wiedergebe, sondern auf Punkt 1 des Urteilsantrags verweise, schade nicht. Es sei demnach ein gerichtlicher Teilvergleich zustandegekommen, so dass das Erstgericht zu Recht nicht mehr über das Unterlassungsbegehren entschieden habe. Es habe auch das Veröffentlichungsbegehren zu Recht abgewiesen, weil § 25 Abs 4 UWG ausdrücklich einen von einer urteilsmäßigen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren abhängigen Nebenanspruch normiere. Das Veröffentlichungsbegehren könne nicht auf Veröffentlichung des Vergleichs umgestellt werden. Das Zahlungsbegehren scheitere an den fehlenden Behauptungen zur Höhe des Anspruchs.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, dass der mit der Beklagten geschlossene Vergleich mangels Protokollierung nicht prozessbeendend wirke. Ein solcher Vergleich sei jedenfalls kein Exekutionstitel, so dass auch die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen sei.

Der Klägerin ist insoweit zuzustimmen, als ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich nur dann prozessbeendend wirkt, wenn die prozessualen Formvorschriften eingehalten sind. Danach ist ein zwischen den Parteien zustandegekommener Vergleich auf Antrag ins Verhandlungsprotokoll einzutragen (§ 204 Abs 1 Satz 2 ZPO); das Protokoll ist von den Parteien zu unterfertigen (Gitschthaler in Rechberger, ZPO**2 § 206 Rz 23 mwN). Wird das Verhandlungsprotokoll mittels Schallträger aufgenommen, so genügt es nach herrschender Rechtsprechung, wenn die Parteien nur das auch bei Verwendung eines Schallträgers gemäß § 212a Abs 1 Satz 2 ZPO in Vollschrift aufzunehmende Protokoll unterfertigen. Weitere Voraussetzung für die prozessuale Wirksamkeit des Vergleichs ist, dass der Richter das in Vollschrift übertragene Protokoll unterschreibt und den Parteien auf ihren Antrag eine Protokollsabschrift zugestellt wird (ua 3 Ob 600/86 = SZ 59/170; 6 Ob 546/94 = SZ 67/183).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall insoweit erfüllt, als die Parteien das in Vollschrift aufgenommene Protokoll unterschrieben und eine Protokollsabschrift beantragt haben und als der Richter die Übertragung des Protokolls in Vollschrift unterfertigt hat. Der Richter hat allerdings nicht den gesamten Vergleichstext in das Protokoll aufgenommen, sondern auf Punkt 1 des Urteilsantrags verwiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein gerichtlicher Vergleich auch dann zustandekommt, wenn auf den Inhalt eines im Akt erliegenden außergerichtlichen Übereinkommens Bezug genommen und dieses zum Inhalt des gerichtlichen Vergleichs erhoben wird. Der gerichtliche Vergleich muss in diesem Fall die Vereinbarung zumindest in der Weise festhalten, dass eine Ausfertigung zum Akt genommen wird (3 Ob 5/89 = RZ 1989/53; Gitschthaler aaO, jeweils mwN).

Nach der Rechtsprechung ist es demnach nicht erforderlich, dass im Protokoll der gesamte Vergleichstext festgehalten wird, wenn sich der Inhalt des Vergleichs aus dem Akt feststellen lässt und eindeutig darauf Bezug genommen wird. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu:

Durch den Verweis auf Punkt 1 des in der Klage und damit im Akt aufscheinenden Urteilsantrags ist klargestellt, dass die darin enthaltene Unterlassungsverpflichtung Vergleichsinhalt geworden ist. Der zwischen den Parteien zustandegekommene Unterlassungsvergleich ist damit ein gerichtlicher Vergleich, der auch vollstreckbar ist. Die Klägerin kann jederzeit eine vollstreckbare Vergleichsausfertigung beantragen.

Durch den Vergleich wurde das Unterlassungsbegehren erledigt. Damit

ist auch dem auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung gerichteten

Begehren die Grundlage entzogen. Der in § 25 UWG normierte Anspruch

auf Urteilsveröffentlichung ist ein vom Anspruch auf Unterlassung

abhängiger Nebenanspruch. Ist über den Unterlassungsanspruch nicht

(mehr) zu entscheiden, dann fehlt ein Unterlassungsurteil, das

veröffentlicht werden könnte. Eine gerichtliche Ermächtigung des

Klägers, den im Zuge des Verfahrens abgeschlossenen gerichtlichen

Unterlassungsvergleich auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen,

wie sie der Klägerin offenbar vorschwebt, ist durch das Gesetz nicht

gedeckt (4 Ob 348/79 = ÖBl 1980, 7 - Das beste Kräutershampoo

Österreichs; 4 Ob 28/95 = ÖBl 1995, 215 - Berufsdetektive).

Die Klägerin hat neben einem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren auch ein Begehren auf Zahlung eines angemessenen Entgelts gestellt. Sie hat ihre Klage am 16. 11. 1998 und damit vor Inkrafttreten der Markenrechts-Nov 1999 BGBl I 1999/111 am 23. 7. 1999 eingebracht. Auf vor diesem Zeitpunkt eingebrachte Klagen sind die Bestimmungen des III. Abschnitts des Markenschutzgesetzes in der Fassung vor der Markenrechts-Nov 1999 anzuwenden (§ 77 Abs 1 MSchG idgF). Danach gelten für die Ansprüche eines in seinen Kennzeichenrechten Verletzten auf angemessenes Entgelt, Schadenersatz, Herausgabe und Bereicherung die §§ 150 und 151, § 152 Abs 2 und 3 sowie die §§ 154 und 161 PatG sinngemäß. Nach § 150 Abs 1 PatG hat der durch unbefugte Verwendung eines Patents Verletzte gegen den Verletzer Anspruch auf ein angemessenes Entgelt.

Der Oberste Gerichtshof hat zu § 150 Abs 1 PatG ausgesprochen, dass sich das angemessene Entgelt regelmäßig nach dem Wert der Nutzung des Patents richtet und damit einer angemessenen Lizenzgebühr gleichzusetzen ist. Bei ihrer Bemessung seien die Grundsätze heranzuziehen, die für die Berechnung einer vertraglichen Lizenzgebühr entwickelt wurden. Dabei sei vor allem die allgemeine wirtschaftliche Bedeutung des Patents zu berücksichtigen und es seien die Vor- und Nachteile abzuwägen, die der Verletzer gegenüber einem Lizenznehmer hat (4 Ob 246/97y = ÖBl 1998, 307 - Wurzelendreduzierer).

Diese Grundsätze müssen auch für die Bemessung eines angemessenen Entgelts nach § 56 MSchG gelten. Danach ist auf Tatsachenebene vor allem zu klären, welche Bedeutung die verletzte Marke hat und in welchem Umfang sie verletzt wurde. Die Klägerin hat dazu kein Vorbringen erstattet; sie hat nur behauptet, dass sie ein Entgelt von 50.000 S als angemessen erachte.

Das Erstgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin nicht auseinandergesetzt, weil es das Klagebegehren schon mangels Behauptung eines ausreichenden Markengebrauchs für nicht berechtigt erachtet hat. Es hat dabei übersehen, dass § 55 MSchG aF (= § 56 Satz 2 MSchG nF) nur für das Provisorialverfahren gilt. Nach dieser Bestimmung kann eine einstweilige Verfügung, die auf eine seit mehr als fünf Jahren eingetragene Marke gestützt wird, nur erlassen werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Löschungsgrund des § 33a MSchG (keine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung der Marke während der letzten fünf Jahre) nicht vorliegt. Ein klagestattgebendes Urteil setzt hingegen nicht voraus, dass der Markeninhaber behauptet und beweist, in welchem Umfang er die Marke gebraucht hat. Die Klägerin hat im Übrigen ohnehin behauptet, ihre Produkte österreichweit auszuliefern und in sämtlichen Billa-Märkten gelistet zu sein.

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht stichhaltig ist. Es hat die Abweisung aber im Ergebnis gebilligt, weil es das Vorbringen der Klägerin als nicht ausreichend erachtet hat. Es hat dabei übersehen, dass das Zahlungsbegehren nicht abgewiesen werden kann, ohne der Klägerin Gelegenheit zu geben darzulegen, aus welchen Gründen sie 50.000 S als Entgelt für die Markenbenutzung als angemessen erachtet. Das Berufungsgericht hat damit gegen § 182 ZPO verstoßen. Diese Bestimmung gilt auch im Anwaltsprozess und verpflichtet den Richter, darauf hinzuwirken, dass alle entscheidungserheblichen Angaben gemacht werden (Fucik in Rechberger, ZPO**2 § 182 Rz 1 mwN).

Der dem Berufungsgericht unterlaufene und von der Klägerin in der Revision gerügte Verfahrensmangel ist für die Entscheidung erheblich und muss zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen. Es erscheint zweckmäßig, auch das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen, weil nicht abzusehen ist, wie groß der Aufwand für die Ergänzung des Verfahrens sein wird.

Das Erstgericht wird mit den Parteien zu erörtern haben, welche Kriterien für die Bemessung des der Klägerin gebührenden Entgelts heranzuziehen sind. Die Klägerin wird ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten und Beweise anzubieten haben. Nach der Ergänzung des Verfahrens wird das Erstgericht erneut über das Zahlungsbegehren zu entscheiden haben.

Der Revision war teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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