JudikaturJustiz4Ob225/17t

4Ob225/17t – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die Beklagten 1. U***** S*****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, 2. I***** P*****, vertreten durch Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, und die auf Seiten der Erstbeklagten beigetretene Nebenintervenientin B***** GmbH, *****, vertreten durch Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 28.432,01 EUR sA, über die Revisionen beider Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. September 2017, GZ 4 R 79/17w 30, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Februar 2017, GZ 15 Cg 6/16d 24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Beide Beklagte sind jeweils schuldig, der Klägerin die mit jeweils 1.804,50 EUR (darin enthalten 300,75 EUR USt) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, das von der Erstbeklagten als Kreditnehmerin und von der Zweitbeklagten als Bürgin die Rückzahlung eines Fremdwährungskredits begehrt, der aufgrund einer Stop-Loss-Vereinbarung konvertiert worden war.

Die Beklagten wenden Aufklärungspflicht verletzungen und die Unwirksamkeit der Stop-Loss-Vereinbarung ein, die Zweitbeklagte beansprucht zudem ein Mäßigungsrecht nach § 24d KSchG.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass in der Beurteilung, dass die gegenständliche Stop-Loss-Vereinbarung im Einzelnen ausgehandelt worden sei, ein Abweichen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erblickt werden könnte. Dementsprechend begründen die Beklagten die Zulässigkeit ihrer Revisionen damit, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Stop-Loss-Vereinbarung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei.

Ein derartiges Abweichen bringen sie jedoch nicht zur Darstellung und zeigen auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb beide Revisionen, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs als unzulässig zurückzuweisen sind.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Eine Stop-Loss-Order hat den Zweck, das Risiko des Bankkunden zu begrenzen, ihn also gegen drohende Verluste zu schützen und bereits erzielte Gewinne zu sichern (RIS-Justiz RS0128900). Eine Stop-Loss-Order ist grundsätzlich (auch) eine Schutzmaßnahme zugunsten des Kreditnehmers im Hinblick auf eine nicht absehbare Entwicklung des Wechselkurses und trägt trotz der damit verbundenen Realisierung des Kurs- und Zinsrisikos dem beiderseitigen Sicherheitsbedürfnis der Vertragsparteien Rechnung (RIS-Justiz RS0128899 [T1]).

1.2. Im vorliegenden Fall ist das KSchG anwendbar, auch wenn die Erstbeklagte bei der Verhandlung über die Verlängerung des Kreditvertrags samt Stop Loss Order von einem Versicherungsmakler vertreten wurde (vgl RIS-Justiz RS0065327 [T5]; RS0065385).

1.3. Eine Stop-Loss-Vereinbarung fällt unter § 6 Abs 2 Z 3 KSchG (2 Ob 22/12t).

Gemäß § 6 Abs 2 Z 3 KSchG ist eine Vertragsbestimmung, wonach der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung einseitig ändern oder von ihr abweichen kann, für den Verbraucher nicht verbindlich, sofern der Unternehmer nicht beweist, dass sie „im einzelnen ausgehandelt“ wurde, oder die Änderung beziehungsweise Abweichung dem Verbraucher „zumutbar“ ist, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist.

2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verlangte die Klägerin „als Bedingung“ für die Verlängerung des Kreditverhältnisses und die Reduktion der Kreditraten die Unterfertigung einer Stop-Loss-Order, wobei sie ausgehend vom Kreditvolumen und den bestellten Sicherheiten die Konvertierungsgrenze errechnete, die aus ihrer Sicht auch noch verhandelbar gewesen wäre. Die vorgeschlagene Konvertierungsgrenze wurde vom Vertreter der Erstbeklagten im Hinblick auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überprüft, und in der Folge wurde der Klägerin das Einverständnis der Erstbeklagten mitgeteilt. Es kam daraufhin zur Verlängerung des Kreditverhältnisses samt Reduktion der Kreditraten.

Wenn die Vorinstanzen diesen Sachverhalt rechtlich dahingehend beurteilten, dass die Stop Loss Vereinbarung „im Rahmen freier Vertragsverhandlungen“ getroffen und die Klausel somit im Einzelnen ausverhandelt wurde, ist dies keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

3.1. Die Erstbeklagte macht überdies Aufklärungspflichtverletzungen hinsichtlich der Stop Loss Order geltend. Ob solche Aufklärungspflichten verletzt wurden, ist gegenüber der Erstbeklagten aber nicht entscheidungswesentlich, weil sie nach den Tatsachenfeststellungen auch bei gehöriger Aufklärung darüber, dass die Konvertierung zu einem „weitergehend abweichenden“ Kurs vorgenommen werden könnte, die Stop Loss-Order unterfertigt hätte. Allfällige Haftungsansprüche der Erstbeklagten scheitern daher an der mangelnden Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung.

3.2.1. Die Zweitbeklagte macht geltend, dass Rechtsprechung zu den vor- und nachvertraglichen Aufklärungspflichten einer kreditgebenden Bank gegenüber einer Verbraucherin als Sicherungsgeberin fehle, wobei sie ihre Haftungsansprüche insbesondere aus dem Unterbleiben von Informationen über die „Geschehnisse“ des Jahres 2013 und über die Empfehlung zur Konvertierung im Jahr 2014 ableiten möchte.

3.2.2. Tatsächlich stellt sich die Frage nach solchen Aufklärungspflichten auch gegenüber der Zweitbeklagten nicht, weil sie – wie schon das Berufungsgericht ausführte – nicht vorgebracht hatte, dass sie im Falle einer gehörigen Aufklärung den Abschluss einer Stop-Loss-Vereinbarung verhindert hätte. Auch dass die Zweitbeklagte die Erstbeklagte zu einer vorzeitigen Konvertierung veranlasst oder sonst das Entstehen der verfahrensgegenständlichen Kreditschuld verhindert hätte, wurde – auch in der Revision – nicht vorgebracht. Wenn die Zweitbeklagte nunmehr in der Revision vorbringt, dass sie, wenn sie von der Abänderung der Vereinbarung im Jahr 2013 informiert worden wäre, „nicht bereit gewesen [wäre], weiterhin als Bürgin und Zahlerin zu haften“, so ändert dies nichts an der Haftung, die sie damals bereits übernommen hatte.

3.2.3. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Hinweisobliegenheiten des § 25c KSchG auf den Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung abstellen, während eine Verständigung von einer erst später zu erkennenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nicht gefordert ist (RIS-Justiz RS0115983 [T2, T4]). Dass die Zweitbeklagte nicht über die Vorgänge im Jahr 2013 informiert wurde, kann sie deshalb nicht von ihrer Haftung befreien.

3.3. Schließlich sind Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken, wenn keine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, eine Frage des Einzelfalls, die keine erhebliche Rechtsfrage begründen kann (RIS-Justiz RS0106373). Eine derartige grobe Fehlbeurteilung wird weder in der Revision der Erst- noch in jener der Zweitbeklagten aufgezeigt.

4. Wenn die Zweitbeklagte in ihrer Revision ausführt, dass die „Vorwegzustimmung zur Modifikation des Kreditvertrags“ der Vorschrift des § 6 KSchG, insbesondere § 6 Abs 3 KSchG widerspreche, so handelt es sich um eine unzulässige Neuerung. Im Übrigen ist die Frage der Zulässigkeit einer Vorwegzustimmung ohne Bedeutung, weil sich die Haftung der Zweitbeklagten nicht aus der Vorwegzustimmung in der Bürgschaftserklärung aus 2006, sondern aus ihrer Haftungserklärung vom März 2012 ergibt.

5. Die Zweitbeklagte behauptet einen Mangel des Berufungsverfahrens, weil auch das Berufungsgericht auf den Einwand der wucherischen Zinsen nicht eingegangen sei.

5.1. Dem ist entgegenzuhalten, dass angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS-Justiz RS0042963 [T58]). Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge nur dann vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge des Berufungswerbers nicht befasst hat (RIS Justiz RS0042963 [T9]) oder wenn das Berufungsgericht die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (RIS-Justiz RS0042963 [T28 und T52]), was hier nicht der Fall war.

5.2. Letztlich kann die Beurteilung eines Vorbringens dahin, auf welchen Rechtstitel Einwendungen gestützt werden, keinesfalls eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung begründen (RIS-Justiz RS0113563).

6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der jeweiligen Revisionen hingewiesen.

Rechtssätze
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