JudikaturJustiz3Ob65/88

3Ob65/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert A***, Angestellter, Wien 12, Wolfganggasse 32/23, vertreten durch Dr. Ronald Itzlinger, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wider die Beklagte Partei DIE E*** Ö*** S***-C*** B***, Wien 1, Graben 21, vertreten durch Dr. Reinhard Schäfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch und die Exekutionsbewilligung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 18.Februar 1988, GZ 46 R 103/88-14, womit dem Exekutionsgericht Wien die von ihm im Verfahren 15 C 9/87 zur Entscheidung über eine Berufung vorgelegten Akten zurückgestellt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung des Klägers aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der beklagten Partei wurde gegen den Kläger zur Hereinbringung einer Forderung von S 365.639,-- sA die Gehaltsexekution bewilligt. Der Kläger erhob dagegen Einwendungen mit dem Inhalt, daß die beklagte Partei auf die Einleitung der Exekution für eine noch nicht abgelaufene Frist verzichtet habe und daß der betriebene Anspruch im Umfang von S 290.000,-- durch Zahlung erloschen sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und in der Folge die vom Kläger gegen das Urteil erhobene Berufung als verspätet zurück. Der Kläger beantragte hierauf die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Die Berufung führte er in dem den Wiedereinsetzungsantrag enthaltenden Schriftsatz nicht aus.

Das Erstgericht bewilligte die Wiedereinsetzung, ohne den Zurückweisungsbeschluß aufzuheben, und legte die Akten dem Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung des Klägers vor. Das Berufungsgericht faßte den Beschluß, die Akten dem Erstgericht zurückzustellen. Da der Kläger entgegen § 149 Abs 1 ZPO nicht mit dem Wiedereinsetzungsantrag eine neue Berufung eingebracht habe und die von ihm eingebrachte Berufung zurückgewiesen worden sei, sei ein Rechtsmittel, über das zu entscheiden wäre, nicht vorhanden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt. Der Beschluß des Berufungsgerichtes ist inhaltlich einem Beschluß gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, also einem Beschluß gleichzuhalten, mit dem das Berufungsgericht die Berufung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, ohne in die Prüfung der Sache einzugehen. Die Anfechtung eines solchen Beschlusses unterliegt nur der Beschränkung nach § 528 Abs 1 Z 5 ZPO. Übersteigt der Beschwerdegegenstand - wie hier - S 15.000,--, so ist der Beschluß demnach unabhängig davon anfechtbar, ob die Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliegen (Petrasch in ÖJZ 1983, 203; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1980; vgl. auch RZ 1984/79). Im übrigen übersteigt hier der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 300.000,--, weshalb der Rekurs auch bei Anwendung des § 502 Abs 4 ZPO jedenfalls zulässig wäre.

In der Sache übersah das Berufungsgericht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht notwendig ist, ein als verspätet zurückgewiesenes Rechtsmittel im Wiedereinsetzungsantrag zu wiederholen (EvBl 1964/367; 3 Ob 82/85 ua). Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgte, wäre die Entscheidung des Berufungsgerichtes unrichtig. Wird die versäumte Prozeßhandlung entgegen § 149 Abs 1 ZPO nicht nachgeholt, so bildet dies nämlich nur ein verbesserungsfähiges (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 583; Konecny in JBl 1984, 65; 3 Ob 546/87) Hindernis gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung. Wird die Wiedereinsetzung dennoch bewilligt, so treten die hiemit verbundenen Wirkungen jedenfalls für eine schon vorgenommene Prozeßhandlung unabhängig davon ein, ob die Partei verpflichtet gewesen wäre, die Prozeßhandlung nachzuholen.

Gemäß § 150 Abs 1 ZPO tritt durch die Bewilligung der jWiedereinsetzung der Rechtsstreit in die Lage zurück, in der er sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Ein infolge der Versäumung bereits erlassenes Urteil ist bei der Bewilligung der Wiedereinsetzung aufzuheben. Das Gesetz erwähnt also nur die Aufhebung eines Urteils. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung hat zur Folge, daß die Folgen der Säumnis beseitigt sind. Es ist daher das Rechtsmittel, auf das sich der Wiedereinsetzungsantrag bezog, als rechtzeitig eingebracht anzusehen und deshalb vom Rechtsmittelgericht hierüber zu entscheiden. Die Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses steht dieser Entscheidung unabhängig davon, ob er aufgehoben wurde, nicht entgegen, weil sie bei einer Änderung der Verhältnisse ihre Wirkungen verliert (SZ 40/120 ua).

Die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses mag im Sinne der Übersichtlichkeit zweckmäßig sein; sie hat aber nur deklarative Bedeutung, und es ist deshalb nicht notwendig, die Zulässigkeit der Entscheidung über das zurückgewiesene Rechtsmittel, das nach Bewilligung der Wiedereinsetzung als rechtzeitig eingebracht anzusehen ist, hievon abhängig zu machen. Ebenso wenig besteht ein Anlaß, die Anordnung des Gesetzes, daß ein infolge der Versäumung bereits erlassenes Urteil bei der Bewilligung der Wiedereinsetzung aufzuheben ist, auf andere Fälle auszudehen. Soweit sich aus dem Schrifttum (vgl. etwa Fasching aaO Rz 582) und der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. etwa RZ 1977/81) eine andere Ansicht ergibt, vermag sich der erkennende Senat ihr njicht anzuschließen.

Das Berufungsgericht wird somit über die Berufung des Klägers zu entscheiden haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses beruht auf § 52 Abs 1 ZPo

Rechtssätze
5