JudikaturJustiz3Ob317/98h

3Ob317/98h – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. März 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Günter J*****, vertreten durch Dr. Harald Sitta, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei E*****, wegen 1. DM 455.000 und 2. SFR 15.000 je sA, infolge Rekurses der verpflichteten Partei, vertreten durch C***** AG, *****, diese vertreten durch Dr. Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21. September 1995, GZ 46 R 675/95-16a, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 26. September 1994, GZ 10 E 9867/93d-7, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem als Revisionsrekurs bezeichneten Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei bezeichneten in dem am 23. 11. 1993 beim Erstgericht eingebrachten Exekutionsantrag die verpflichtete Partei mit "E*****-Bank Ltd H***** Street (POB *****), *****" und führten als deren Vertreter "Rechtsanwalt Dr. Günter M*****, als amtlicher Liquidator" an. Aufgrund des vollstreckbaren Versäumungsurteils des Handelsgerichtes Wien vom 30. 9. 1993 beantragte sie erkennbar zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderungen von DM 455.000 und von SFR 15.000 je sA die Exekution durch Pfändung und Überweisung des Herausgabeanspruchs der verpflichteten Partei gegen das Landesgericht für Strafsachen Wien auf die mit Beschluß dieses Gerichtes bei der "Verwahrstelle des Oberlandesgerichtes Wien" erlegten beweglichen Sachen aller Art sowie der im § 296 EO angeführten Wertpapiere und Einlagebücher sowie durch Verwahrung und Verkauf dieser Vermögenswerte; dem Drittschuldner werde verboten, die gepfändete Forderung ganz oder teilweise an die verpflichtete Partei auszubezahlen; der verpflichteten Partei werde jede Verfügung über die gepfändete Forderung, insbesondere ihre gänzliche oder teilweise Einziehung, untersagt; mit Zustellung des Verbots an den Drittschuldner werde am Herausgabeanspruch ein Pfandrecht erworben; dem Drittschuldner werde aufgetragen, diese Gegenstände nach Fälligkeit des Anspruchs dem sich meldenden Gerichtsvollzieher des Bezirksgerichtes Josefstadt herauszugeben; die Gegenstände seien gemäß § 327 Abs 1 EO in gerichtliche Verwahrung zu nehmen; der Vollzug der Herausgabeexekution habe unter Beteiligung der betreibenden Partei stattzufinden; Transportmittel (sofern erforderlich) würden von dieser beigestellt; als Exekutionsgericht habe das Bezirksgericht Josefstadt einzuschreiten.

Dieses bewilligte mit Beschluß vom 21. 12. 1993 die beantragte Exekution und verfügte die Zustellung der Exekutionsbewilligung an die verpflichtete Partei durch Hinterlegung bei der Behörde nach § 10 ZustG mit dem Vermerk: "Zustellbevollmächtigter Dr. M*****, 10 E 5382/93w".

Weiters wurde die Exekutionsbewilligung am 4. 1. 1994 dem Landesgericht für Strafsachen Wien zugestellt.

Mit Beschluß vom 25. 7. 1994 erlegte das Landesgericht für Strafsachen Wien die bei ihm auf Grund des § 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse vom 26. 11. 1963 BGBl 281 getätigten Erläge, gemäß § 1425 ABGB beim Erstgericht, welches mit Beschluß vom 25. 8. 1994 den Erlag annahm.

Die betreibenden Parteien führten in dem Schriftsatz vom 4. 8. 1994 (ON 6) zur verpflichteten Partei weiters an, sie sei "zu 25 Ic 1978 des Gesellschaftsregisters von St. V*****/Companies Register" registriert; sie beantragten, den zugleich bekanntgegebenen "Gesamtbetrag ihrer" Forderungen auf das Konto ihres Vertreters zu überweisen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag "betreffend das am 26. 5. 1994 bzw. 4. 1. 1994 erworbene Anspruchspfandrecht" ab.

Es legte den von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs nach einem Verbesserungsverfahren am 18. 5. 1995 dem Rekursgericht mit dem Bericht vor, der Liquidator Rechtsanwalt Günter M***** habe seine Vertretungsbefugnis nunmehr nachgewiesen.

Das Rekursgericht gab hierauf mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der betreibenden Partei Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den "Verwertungsantrag" nach Rechtskraft der Exekutionsbewilligung auf. Es sprach aus, daß "der Revisionsrekurs" gegen diese Entscheidung zulässig sei, weil keine einheitliche Rechtsprechung zur Vertretung der hier verpflichteten Partei vorliege. Im Hinblick auf die große Anzahl der bereits anhängigen und in Zukunft noch zu erwartenden Verfahren stelle dies eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar.

In der Sache gelangte das Rekursgericht zur Auffassung, daß vor Rechtskraft der Exekutionsbewilligung Verwertungshandlungen, welche die gepfändeten Werte endgültig dem Vermögen der verpflichteten Partei entziehen, nicht zulässig seien. Die aus Anlaß des Rekurses vorgenommene amtswegige Überprüfung der gehörigen Zustellungen habe ergeben, daß der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung der verpflichteten Partei in Liechtenstein gewesen sei und daher diese nur durch die vom Fürstentum Liechtenstein bestellte Schweizer Liquidatorin C***** AG vertreten werden könne und nicht durch den deutschen Liquidator. Der erstgenannten Liquidatorin werde daher die Exekutionsbewilligung zuzustellen und erst nach deren Rechtskraft neuerlich über den Verwertungsantrag zu entscheiden sein.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Beschluß bekämpft nunmehr, nachdem der Beschluß und auch die Exekutionsbewilligung an die Schweizer AG und deren österreichische Rechtsvertreter zugestellt wurden, die durch diese Personen vertretene verpflichtete Partei mit Revisionsrekurs (richtig: Rekurs gemäß § 527 Abs 2 ZPO). Das am 13. 12. 1995 zur Post gegebene Rechtsmittel wurde versehentlich dem Obersten Gerichtshof erst mit Vorlagebericht vom 26. 11. 1998 vorgelegt; die WGN 1997 ist jedoch aufgrund des Entscheidungsdatums der zweiten Instanz noch nicht anzuwenden.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

In ihrem Rekurs macht die verpflichtete Partei unter anderem Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wegen örtlicher Unzuständigkeit des Erstgerichts und weiters geltend, daß richtigerweise ihr Sitz in Liechtenstein gelegen sei und daher die von den Behörden diese Landes als Liquidatorin bestellte Schweizer AG zu ihrer Vertretung berufen sei.

Vorweg ist zum Rekurs darauf hinzuweisen, daß sich der erkennende Senat in den Entscheidungen 3 Ob 2029/96w (SZ 70/164 = ecolex 1998, 709 = RdW 1998, 70 = RdW 1998, 266 = WBl 1998/105) und 3 Ob 93/97s (mitveröff zu RdW 1998, 70), welche dieselbe verpflichtete Partei wie hier betrafen, ausführlich mit deren Parteifähigkeit auseinandergesetzt und zur Beurteilung dieser Parteifähigkeit eine Ergänzung des Verfahrens als notwendig angesehen hat. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob nicht die Parteifähigkeit vor Behandlung des Rekurses in der Sache endgültig geprüft werden muß. Dies ist jedoch aus folgenden Erwägungen zu verneinen:

Nach den §§ 6 und 7 ZPO, die auch auf die Parteifähigkeit anzuwenden sind (Fucik in Rechberger Rz 6 vor § 1 ZPO) und gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren gelten, ist zwar der Mangel bestimmter Prozeßvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen und führt (in jeder Instanz) mangels Sanierung zur Nichtigerklärung des Verfahrens. Daraus folgt aber nicht zwingend, daß der Oberste Gerichtshof stets selbst die tatsächlichen Voraussetzungen der mangelnden Prozeß- oder Parteifähigkeit oder gesetzlichen Vertretung zu erheben hätte. Dies gilt umso mehr, als Böhm (Glosse zu OGH 10. 3. 1982 6 Ob 569/82 JBl 1983, 210, 213) und Fucik (in Rechberger Rz 1 zu § 6 ZPO) darin zuzustimmen ist, daß die Wahrnehmung eines solchen (von Anfang an bestehenden) Mangels nicht darin bestehen kann, das Rechtsmittel der davon betroffenen Partei zurückzuweisen. Die Zurückweisung würde ja gerade bei Entscheidungen, die nicht die Nichtigerklärung des Verfahrens bzw Klags- oder Antragszurückweisung aussprechen, die Nichtigkeit bestehen lassen (JBl 1983, 210; Bajons, ZfRV 1975, 46 f).

Ist aber für die Erledigung des Rechtsmittels zwingend von der Rechts- und damit Parteifähigkeit der verpflichteten Partei auszugehen, so hat dies auch zur Folge, daß zumindest für dieses Rechtsmittel auch die Organeigenschaft der für die verpflichtete Partei handelnden Schweizer AG zu bejahen ist, weil hiefür dieselbe Sach- und Rechtslage wie für die Parteifähigkeit maßgebend ist.

Auch in der Entscheidung 8 Ob 634/92 (JBl 1994, 416 = ecolex 1993, 751 = GesRZ 1993, 238 = ÖBA 1994, 165 = ZfRV 1994, 79 [Hoyer]) erfolgte eine Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichts zum Zweck der Überprüfung der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, die für die Lösung der Frage nach dem richtigen gesetzlichen Vertreter der in jenem Verfahren als Beklagte involvierten verpflichteten Partei erforderlich waren. Demnach sah sich der achte Senat nicht verpflichtet, selbst die zur Prüfung der allfälligen Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO erforderlichen Feststellungen zu treffen. Der von der Schweizer Liquidatorin eingebrachte Rekurs wurde in der Sache behandelt, was der herrschenden Lehre und Rechtsprechung entspricht, daß derjenige, dessen Parteifähigkeit strittig ist, im Streit darüber als parteifähig anzusehen ist (SZ 60/154 = GesRZ 1989, 99 = JBl 1988, 49 mN; Fucik in Rechberger Rz 6 vor § 1 ZPO und Böhm aaO 212 je mwN). Darüber hinaus wird man aber generell einem Verpflichteten vor der endgültigen Klärung seiner Parteifähigkeit nicht die Rekurslegitimation gegenüber Beschlüssen absprechen können, durch die er beschwert ist.

Auch im vorliegenden Fall reichen die Feststellungen des Rekursgerichtes noch nicht zur endgültigen Klärung der Parteifähigkeit der verpflichteten Bank (und bejahendenfalls der Vertretungsbefugnis ihrer sie im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof vertretenden Liquidatorin) aus. Wie zu 3 Ob 2092/96w (SZ 70/164 = ecolex 1998, 709 = RdW 1998, 70 = RdW 1998, 266 = WBl 1998/105) und 3 Ob 93/97s (mitveröff zu RdW 1998, 70) ausgeführt wurde - im einzelnen ist auf diese Entscheidungen hinzuweisen -, kommt es darauf an, ob der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung der verpflichteten Partei bei Einbringung des Exekutionsantrages (hier am 23. 11. 1993) noch in Österreich oder in einem Staat lag, welcher der Gründungstheorie folgte oder dessen internationales Privatrecht auf das Recht eines Staates verweist, in dem diese Theorie gilt. Die (allfällige) Nichtigkeit infolge mangelnder Parteifähigkeit der verpflichteten Partei ist nach dem Gesagten in der Weise wahrzunehmen, daß dem Erstgericht aufgetragen wird, im Sinne der Rechtsansicht, die in den angeführten Entscheidungen zum Ausdruck kommt und der der erkennende Senat auch hier folgt, die für die Klärung dieser Exekutionsvoraussetzung (und damit auch der gesetzlichen Vertretung) erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Dies muß aber nicht unbedingt im Rahmen des Exekutionsverfahrens geschehen. Der vom Erstgericht abgewiesene Antrag kann nämlich nicht ohne weiteres als Verwertungsantrag (allenfalls im Sinne des § 325 Abs 2 iVm §§ 300 ff EO oder des § 327 EO) verstanden werden, zumal in diesen Gesetzesstellen für einen Antrag an das Exekutionsgericht auf Überweisung des Gesamtbetrages der Forderung des betreibenden Gläubigers auf ein Bankkonto keine Grundlage zu finden ist. Es kommt nach der Aktenlage nämlich auch ein Antrag an das Erstgericht als Verwahrschaftsgericht auf Ausfolgung nach dem EinziehungsG in Frage, konnte doch der Vertreter der betreibenden Partei bei der Antragstellung bereits Kenntnis von der Hinterlegung durch das Landesgericht für Strafsachen haben. Zur Entscheidung wäre dann gemäß §§ 6, 7 leg cit das Erstgericht als Verwahrschaftsgericht im Außerstreitverfahren berufen, weshalb der Antrag an die zuständige Außerstreitabteilung weiterzuleiten wäre. Das Erstgericht wird demnach die betreibende Partei zur Klarstellung aufzufordern haben.

Schon zur Klärung der angeführten Fragen hat es somit bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm den §§ 50, 40 ZPO.

Rechtssätze
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