JudikaturJustiz3Ob219/05k

3Ob219/05k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna R*****, vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Margarethe G*****, vertreten durch Mag. Gert Gradnitzer, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau als Verfahrenshelfer, wegen 8.000 EUR s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 28. April 2005, GZ 3 R 101/05w 27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 10. Jänner 2005, GZ 4 C 2116/03h 23, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 656,66 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 110,94 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 1. Mai 1985 verstorbene Erblasser, der keine Nachkommen hatte und dessen Eltern vorverstorben sind, setzte in seinem Testament vom 28. Jänner 1970 die Beklagte als Alleinerbin ein. Ihr wurde der Nachlass, zu dem auch eine Liegenschaft gehörte, mit Einantwortungsurkunde vom 20. August 1985 zur Gänze eingeantwortet. Die Streitteile sind - neben acht weiteren Kindern - Kinder eines Bruders des Erblassers.

Die Klägerin begehrte mit der am 21. Oktober 2003 eingebrachten Mahnklage von der Beklagten, ihrer Schwester, die Zahlung von 8.000 EUR s.A. mit dem wesentlichen Vorbringen, sie sei gesetzliche Erbin nach dem Erblasser. Vor wenigen Monaten habe sie erfahren, dass die Beklagte das genannte Testament gefälscht habe. Hilfsweise stellte die Klägerin ein Eventualbegehren, das - zufolge Aufhebung des Ersturteils in diesem Punkt durch die zweite Instanz - nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grund und der Höhe nach.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualklagebegehren ab, weil sich keine Beweise ergeben hätten, dass die Beklagte das Testament vom 28. Jänner 1970 gefälscht hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Ersturteil in Ansehung des Hauptbegehrens als Teilurteil. Denn die Klägerin mache unter Bekämpfung des Testaments ihre Ansprüche aus der gesetzlichen Erbfolge geltend. Nach Rechtskraft der Einantwortung sei die Erbschaftsklage der einzige Rechtsbehelf zur Durchsetzung von Erbrechten. Sie diene dazu, gegenüber dem durch die Einantwortung ausgewiesenen vermeintlichen Erben ein Erbrecht geltend zu machen, das in der Einantwortung nicht nach Maßgabe des Erbanspruchs berücksichtigt worden sei. Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils erlange der Kläger die Stellung eines eingeantworteten Erben; er werde rückwirkend Universalsukzessor des Erblassers. Aus §§ 823 f ABGB, die auch die Auseinandersetzung der gegenseitigen Ansprüche zwischen dem Erbschaftsbesitzer und dem erfolgreichen Erbschaftskläger regeln, ergebe sich, dass der Scheinerbe, auch wenn er die Erbschaft ganz oder teilweise gutgläubig verbraucht habe, von seiner Verpflichtung zur Rückstellung oder zum Wertersatz nicht befreit werde. Der obsiegende wirkliche Erbe als Eigentümer könne nach § 1041 ABGB seinen Verwendungsanspruch, der ergänzende, nicht subsidiäre Funktion habe, geltend machen, weil seine Sache zum Nutzen eines anderen verwendet worden sei. Sei die Sache veräußert, verbraucht oder in einer Weise benützt worden, dass die Rückgabe der Sache tatsächlich oder wirtschaftlich unmöglich geworden sei, trete daher der Wertersatz an die Stelle der Rückgabe der Sache.

Da somit die Erbschaftsklage auf Herausgabe (Abtretung) der angefallenen Erbschaft oder eines entsprechenden Teils gegen den Scheinerben als Universalklage gerichtet sei, könne die Klägerin damit auch nur die Herausgabe eines ihrem Erbrecht entsprechenden Teils in natura geltend machen. Ein Wertersatz anstelle der Rückgabe der Liegenschaft (der Liegenschaftsanteile) käme nur in Betracht, wenn die Sache veräußert, verbraucht oder die Rückstellung tatsächlich oder wirtschaftlich unmöglich geworden sei. Dazu fehle aber nicht nur ein Vorbringen der Klägerin; es sei im Gegenteil nach ihrem Vorbringen und den Verfahrensergebnissen das Verlassenschaftsvermögen in Form der Liegenschaft vorhanden. Die Klägerin, die ihr besseres Erbrecht geltend mache, hätte ursprünglich keinen Anspruch auf die Geldablöse gehabt und könne daher auch mit der Erbschaftsklage nun nicht einen Geldanspruch verfolgen. Schon aus diesen rechtlichen Gründen sei das Hauptbegehren verfehlt.

Die von der zweiten Instanz - mit der Begründung, es fehle, soweit überblickbar, Rsp zur Frage der Zulässigkeit der Geltendmachung des Geldinteresses anstelle der Quote an der noch vorhandenen Nachlassliegenschaft - zugelassene Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte ist testamentarische Alleinerbin, beide Streitteile sind neben ihren Geschwistern (auch) gesetzliche Erben. Festzuhalten bleibt hier, dass weder das Urteil im Erbschaftsstreit nach § 823 erster Satz ABGB noch das klagestattgebende Urteil bei einer sogenannten Singularklage nach § 823 letzter Satz ABGB Bindungswirkung gegen nicht beteiligte, ebenfalls in Betracht kommende Erben erzeugt (3 Ob 320/02h = SZ 2003/134). Die vorliegende Klage ist eine Erbschaftsklage und keine sogenannnte Singularklage, weil nicht - wie bei Letzterer - vom Erblasser abgeleitete Einzelrechte, etwa das Eigentum an den einzelnen zum Nachlass gehörigen Sachen begehrt werden: diese verfolgt der eingeantwortete Erbe mit Singularklagen, etwa mit der rei vindicatio , der actio negatoria , der actio Publiciana oder der Widerspruchsklage nach § 37 EO ( Welser in Rummel 3, §§ 823, 824 ABGB Rz 28 mwN; vgl. dazu auch 3 Ob 320/02h).

Gemäß § 823 erster Satz ABGB kann der Besitznehmer auch nach erhaltener Einantwortung von jenem, der ein besseres oder gleiches Erbrecht zu haben behauptet, auf Abtretung oder Teilung der Erbschaft belangt werden. Nach stRsp ist die Erbschaftsklage auf Herausgabe (Abtretung) der angefallenen Erbschaft (oder einer entsprechenden Quote; Sailer in KBB, §§ 823 824 ABGB Rz 2) gegen den Scheinerben als Universalklage gerichtet, mit deren rechtskräftiger Stattgebung der Kläger - nur insofern rückwirkend (vgl. dazu Eccher in Schwimann 3, § 823 ABGB Rz 3) - Universalsukzessor des Erblassers wird, als er ab Erhebung der Erbschaftsklage, die der Erbserklärung gleichkommt, iSd § 547 ABGB „den Erblasser vorstellt" (3 Ob 320/02h mwN u.a.). Im Fall einer Erbschaftsklage gehen erst mit der Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils und damit der Feststellung des Erbrechts das Eigentum, auch der unbeweglichen Sachen, Forderungen und sonstige Rechte des Erblassers an den Kläger über (10 Ob 66/99z = SZ 72/179 = RZ 2000, 148 = NZ 2000, 357; 3 Ob 320/02h mwN u.a.; RIS Justiz RS0013137, RS0041407, RS0041426; Eccher aaO Rz 11; Sailer aaO Rz 2; Welser aaO Rz 1).

Grundsätzlich steht dem Kläger bei der Erbschaftsklage nach § 823 erster Satz ABGB mit dem Rechtsschutzziel der Abtretung des Erbschaftsbesitzes nicht das Recht zu, auf Zahlung zu klagen, auch dann nicht, wenn der Erbschaftskläger als gesetzlicher Miterbe nur einen Teil der Erbschaft will. Als Ausnahme kann freilich der Fall gelten, dass der Nachlass - anders als hier - nur aus Geld besteht; in diesem Fall kann jeder Miterbe die Herausgabe des auf ihn nach der Erbquote entfallenden Anteils fordern (RIS Justiz RS0008387). Einen weiteren Fall der Zulässigkeit eines Zahlungsbegehrens hat schon das Berufungsgericht zutreffend erörtert: Bereits in der E 1 Ob 13/66 (unter Hinweis auf Weiß in Klang 2 III 9 und 1067 f) wurde ausgesprochen, der Anspruch des Erbschaftsklägers gehe nicht bloß auf Herausgabe der vom Erbschaftsbesitz aus der Erbschaft ursprünglich erlangten Gegenstände, sondern erfasse nach dem Prinzip der Surrogation jeden Gegenstand, der mit Erbschaftsmitteln gemacht worden sei, so auch den Kaufpreis aus der Veräußerung von Nachlaßgegenständen oder den Eingang aus der Eintreibung von Nachlaßforderungen. Zutreffend stützte sich hier die zweite Instanz auf die - sich ihrerseits auf die E 7 Ob 746/83 = NZ 1984, 107 und 1 Ob 511/92 = JBl 1992, 388 berufenden - E 6 Ob 646/93 = EFSlg 75.356: Danach kann der obsiegende wirkliche Erbe als Eigentümer zufolge § 1041 ABGB seinen Verwendungsanspruch, der ergänzende, nicht subsidiäre Funktion hat, geltend machen, weil seine Sache zum Nutzen eines anderen verwendet wurde. Wurde die Sache veräußert, verbraucht oder in einer Weise benützt, dass die Rückgabe der Sache tatsächlich oder wirtschaftlich unmöglich geworden ist, tritt daher der Wertersatz an die Stelle der Rückgabe der Sache.

Im vorliegenden Fall fehlt schon jedes Vorbringen dazu, dass die Beklagte die im Erbweg erhaltene Liegenschaft veräußert hätte oder die Rückstellung des dem behaupteten Erbteil der Klägerin entsprechenden Liegenschaftsanteils unmöglich wäre. Die Klägerin hat daher als gesetzliche Erbin im vorliegenden Fall keinen Zahlungsanspruch gegen die beklagte Miterbin, was sich auch für das Berufungsgericht aufgrund seiner umfassenden rechtlichen Prüfungspflicht ergab. Dass die Klägerin vom Erstrichter nicht zur Verbesserung ihres Begehrens aufzufordern war, hat die Berufungsinstanz unter Verneinung eines entsprechenden und auch nicht gerügten Mangel des Verfahrens erster Instanz ausgesprochen.

Der Revision kann daher kein Erfolg beschieden sein.

Über das Eventualbegehren wird nunmehr das Erstgericht nach der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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