JudikaturJustiz3Ob19/14m

3Ob19/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. April 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E*****, Rechtsanwalt, *****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M***** GmbH (Landesgericht *****), gegen die beklagte Partei Marktgemeinde A*****, vertreten durch Muhri Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, und deren Nebenintervenienten Mag. D*****, öffentlicher Notar, *****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 1.462.455,61 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. November 2013, GZ 2 R 190/13y-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichts Leoben vom 19. August 2013, GZ 6 Cg 21/13d 13, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Gemeinde ist alleinige Gesellschafterin der von ihr mit Erklärung vom 17. Dezember 2003 errichteten M***** GmbH. Die Stammeinlage von 35.000 EUR ist zur Gänze eingezahlt. Die Errichtung stand im Zusammenhang mit dem Bau und dem Betrieb einer Panoramastraße auf einer Alm. Die Gemeinde kaufte bzw pachtete die erforderlichen Grundstücke und stellte sie der GmbH zur Verfügung. Diese beauftragte im August 2004 ein Bauunternehmen mit der Errichtung der Panoramastraße zu einem Pauschalpreis von 1.750.000 EUR netto. Zur Finanzierung des Bauvorhabens nahm die GmbH im September 2005 bei einer Bank ein Darlehen über 1.700.000 EUR auf, wofür die Gemeinde die volle Haftung übernahm. Das Darlehen sollte von der GmbH aus den zweckgewidmeten Bedarfszuweisungen zurückgezahlt werden, die die Gemeinde vom Land erhielt und die von dieser an die GmbH weitergeleitet werden sollten. Eine Beteiligung der GmbH an der Finanzierung des Straßenbaus war nie geplant. An Bedarfszuweisungen wurden 1.581.000 EUR von der Gemeinde an die GmbH weitergeleitet, die damit das Darlehen bediente.

Der Gemeinderat der beklagten Gemeinde beschloss am 14. September 2006, dass die Neuerrichtung der Panoramastraße durch die GmbH erfolgt, die für die Benützung ein Benützungsentgelt einheben wird, das ihr uneingeschränkt zur Verfügung steht. Am 22. September 2010 schlossen die GmbH und die Gemeinde eine „Nutzungsvereinbarung“, in deren Punkt 6. festgehalten ist, dass die Straße bei Beendigung des Nutzungsvertrags entschädigungslos der Gemeinde zufällt.

Mit dem Betrieb der Mautstraße erzielte die GmbH keine Gewinne, sondern erlitt ständig Verluste. An das Bauunternehmen leistete die GmbH auf den vereinbarten Werklohn insgesamt 1.462.455,61 EUR brutto. Mit Schlussrechnung vom 9. Oktober 2008 stellte das Bauunternehmen der GmbH eine weitere Werklohnforderung von 1.738.509,39 EUR in Rechnung, deretwegen sie auch Klage erhob.

Als die Insolvenz der GmbH absehbar war, richtete sie am 28. März 2012 ein Schreiben an die Gemeinde, dass sie die Straße nicht mehr betreiben könne, weshalb die Nutzungsvereinbarung vom 22. September 2010 aufzukündigen sei. Die Gemeinde akzeptierte die sofortige Vertragsauflösung; seit April oder Mai 2012 betreibt sie die Panoramastraße selbst. Am 24. April 2012 wurde über Eigenantrag das Insolvenzverfahren über die GmbH eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Insolvenzverfahren meldete das Bauunternehmen eine weitere Werklohnforderung von 1.738.509,39 EUR sA an; die Bank meldete aus dem Darlehen eine restliche Forderung von 509.178,90 EUR an.

Gestützt auf Rückersatz verbotener Einlagenrückgewähr (§§ 82, 83 GmbHG), die Anfechtungsgründe nach §§ 29 31 IO sowie ungerechtfertigte Bereicherung begehrt der Kläger mit seinem Hauptbegehren von der beklagten Partei Zahlung in Höhe von 1.462.455,61 EUR sA, in eventu die Feststellung, dass die Kündigung bzw einvernehmliche Beendigung der Nutzungsvereinbarung vom 22. September 2010 und das entschädigungslose Zufallen der Straße an die beklagte Partei den Gläubigern im Insolvenzverfahren gegenüber unwirksam sei, dies verbunden mit einem Zahlungsbegehren über 1,462.455,61 EUR sA.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass das Klage (haupt )begehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das Zwischenurteil in eine Abweisung sowohl des Haupt- als auch des Eventualbegehrens ab.

In seiner außerordentlichen Revision macht der klagende Insolvenzverwalter geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht einen Anspruch gegen die Gemeinde verneint habe. Der in der Nutzungsvereinbarung vom 22. September 2010 vereinbarte Ausschluss des § 1097 ABGB habe dazu geführt, dass die von der GmbH getätigten Aufwendungen zur Errichtung der Panoramastraße mit einvernehmlicher Vertragsbeendigung entschädigungslos der beklagten Partei zugekommen seien. Das stelle eine verdeckte Einlagenrückgewähr dar.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zeigt die Revision damit nicht auf:

1. § 1097 Satz 2 ABGB behandelt in seinem hier interessierenden zweiten Fall Ansprüche des Bestandnehmers auf Aufwandersatz für einen nicht dem Bestandgeber obliegenden, aber für diesen nützlichen Aufwand (2 Ob 21/06m mwN). Dieser Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung zweifach begrenzt: Er gebührt nur für den tatsächlichen Aufwand des Bestandnehmers und kann nicht höher sein als der klare, überwiegende Vorteil des Bestandgebers (RIS Justiz RS0019828).

2. Mit seinem Hauptbegehren verlangt der Kläger (nur) jenen Betrag, der der bereits geleisteten Werklohnzahlung der Schuldnerin an das Bauunternehmen für die Errichtung der Panoramastraße in Höhe von 1.462.455,61 EUR entspricht. Diese Zahlung sieht der Kläger als (iSd § 1097 ABGB ersatzfähigen) Aufwand der GmbH an, der nun der beklagten Alleingesellschafterin zugute komme.

Dabei vernachlässigt der Kläger aber die Feststellungen, wonach eine Beteiligung der GmbH an der Finanzierung des Straßenbaues in wirtschaftlicher Hinsicht nie geplant war, weshalb ihr die Rückzahlung des zur Finanzierung aufgenommenen Darlehens durch (von der beklagten Partei weitergeleitete) Bedarfszuweisungen des Landes ermöglicht werden sollte. Dementsprechend stehen der Werklohnzahlung der GmbH von 1.462.455,61 EUR (höhere) Bedarfszuweisungen von 1.581.500 EUR gegenüber. Wirtschaftlich betrachtet stellte die Leistung des Werklohns durch die nunmehr insolvente GmbH daher keinen ihr Vermögen belastenden Aufwand dar, sondern die vereinbarte Verwendung von für diesen Zweck bereitgestellten Mitteln Dritter (mit dem offenkundigen Zweck, ein Tourismusprojekt zugunsten der beklagten Gemeinde zu fördern), für die die GmbH keine Rückzahlungsverpflichtung trifft.

3. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung damit, ob die Nutzungsvereinbarung bzw der in ihr enthaltene Verzicht auf Aufwandersatz einem Fremdvergleich standhielte: Selbst bei Verneinung dieser Frage wäre der GmbH hier kein Ersatzanspruch nach § 1097 ABGB zugestanden. Der Verzicht auf einen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung der Nutzungsvereinbarung nicht zustehenden Aufwandersatzanspruch kann wegen der fehlenden Grundvoraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestands des § 82 Abs 1 GmbHG, nämlich einer (unmittelbaren oder mittelbaren) Leistung der GmbH an die beklagte Gesellschafterin, keine (verdeckte) Einlagenrückgewähr sein.

4. Die spezielle Regelung des § 1097 ABGB schließt die Berufung auf andere bereicherungsrechtliche Grundsätze aus (2 Ob 587/89; RIS Justiz RS0020480).

5. Mit seinem Leistungsbegehren macht der Kläger nur den Betrag der schon geleisteten Werklohnzahlung geltend. Ein Eingehen auf in der Revision näher bezeichnete Forderungen Dritter gegen die GmbH erübrigt sich daher.

6. Das Berufungsgericht hat das Scheitern der insolvenzrechtlichen Anfechtung durch den Kläger nicht nur mit der Versäumnis der Frist nach § 43 Abs 2 IO begründet, sondern auch inhaltlich damit, dass eine Verringerung des Befriedigungsfonds der Gläubiger unterblieben sei. Dieses Ergebnis stellt die Revision nicht in Frage.

Rechtssätze
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