JudikaturJustiz3Ob104/87

3Ob104/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei W*** G***, Wien 10., Wienerbergstraße 15-19, vertreten

durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Bruno U***, Maler und Anstreicher, Wien 2., Praterstraße 32, wegen 490.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 19. Juni 1987, GZ 46 R 538/87-4, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 27. April 1987, GZ 15 E 4017/87-1, infolge Rekurses des Drittschuldners R*** Ö*** abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes gegenüber dem Drittschuldner R*** Ö*** mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß die Pfändung der dem Verpflichteten aus schon abgeschlossenen Werkverträgen zustehenden Forderungen auf Bezahlung von 490.000 S mehr oder weniger bis zur Vollstreckbarkeit der sichergestellten Forderung, längstens bis 31. Oktober 1987, bewilligt wird.

Der Drittschuldner R*** Ö*** hat die Kosten des Rekurses an die zweite Instanz selbst zu tragen und ist schuldig, der betreibenden Partei die mit 15.874,65 S (1.443,15 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei beantragte, ihr auf Grund eines von ihr erlassenen Sicherstellungsauftrags zur Sicherung der voraussichtlich entstehenden Ansprüche an Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von 490.000 S die Pfändung "zur Sicherstellung" der der verpflichteten Partei gegen die Gemeinde Wien, Stadthauptkasse, und die R*** Ö***, Bundesbaudirektion für Wien,

Niederösterreich und Burgenland, auf Grund "sämtlicher fortlaufender Werkverträge" angeblich zustehenden Forderung auf Bezahlung von 490.000 S mehr oder weniger bis zur Vollstreckbarkeit der Beitragsschuld, längstens bis 31. Oktober 1987, zu bewilligen. Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution in Form eines Bewilligungsvermerks (§ 112 Abs. 1 Geo). Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Drittschuldners R*** Ö*** Folge und wies den Exekutionsantrag insoweit ab, als er auf Bewilligung der Pfändung der der verpflichteten Partei gegen den angeführten Drittschuldner zustehenden Forderungen gerichtet ist. Es vertrat die Meinung, daß diese Forderungen nicht genügend bezeichnet seien.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist ein Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelwerbers, wobei diese "Beschwer" noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein muß (EvBl. 1984/84 ua). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, obwohl der Zeitraum, für dessen Dauer die Sicherung gewährt wurde, schon abgelaufen ist. Durch die Zustellung des Drittverbotes an die Drittschuldner wurde gemäß § 294 Abs. 3 EO die Pfändung der dem Verpflichteten gegen sie zustehenden Forderungen bewirkt. Diese Pfändung wurde nicht dadurch aufgehoben, daß das Rekursgericht den Exekutionsantrag abwies, soweit er den Drittschuldner R*** Ö*** betraf. Erst mit und im Umfang der Rechtskraft des Beschlusses des Rekursgerichtes wäre die Exekutionsbewilligung als - rückwirkend - beseitigt anzusehen und damit auch dem Pfandrecht der betreibenden Partei die Grundlage entzogen. Nach § 70 EO hat nämlich das die Exekution bewilligende Gericht, wenn es vom Exekutionsgericht verschieden ist, dieses erst nach Rechtskraft des den Exekutionsantrag abweisenden Beschlusses des Rekursgerichtes hievon zu verständigen, und es hat das Exekutionsgericht erst nach diesem Zeitpunkt gegebenenfalls alle zur "Einstellung" oder "Einschränkung" des Exekutionsvollzuges erforderlichen Anordnungen zu erlassen. Daraus folgt, daß die Exekutionsbewilligung bis zur Rechtskraft des abändernden Beschlusses des Rekursgerichtes fortwirkt (Heller-Berger-Stix I 681). Diese Regelung, die ausdrücklich nur für den Fall getroffen wurde, daß Bewilligungs- und Exekutionsgericht verschieden sind, muß sinngemäß auch dann gelten, wenn diese Gerichte zusammenfallen.

Ferner werden die Exekutionshandlungen, die auf Grund der bewilligten Exekution zur Sicherstellung vollzogen wurden, nach Ablauf des Zeitraums, für dessen Dauer die Sicherung gewährt wurde, nicht von selbst unwirksam, sondern sie müssen mit Beschluß des Exekutionsgerichtes aufgehoben werden, was nur zulässig ist, wenn die Vollstreckbarkeit der sichergestellten Geldforderung noch nicht eingetreten ist (§ 377 Abs. 2 EO). Hier ist nicht aktenkundig, daß die Voraussetzungen für die Aufhebung der Exekutionshandlungen erfüllt sind, weshalb davon auszugehen ist, daß die betreibende Partei weiterhin ein Interesse an der aufrechten Erledigung ihres Exekutionsantrags und damit ein Rechtsschutzinteresse hat. Gemäß § 54 Abs. 1 Z 3 EO hat der Exekutionsantrag bei Exekution auf das Vermögen die Bezeichnung der Vermögensteile, auf welche Exekution geführt werden soll, sowie des Ortes, wo sich dieselben befinden, zu enthalten. Dem ist bei der Exekution auf Geldforderungen entsprochen, wenn die zu pfändende Forderung in einer Weise bezeichnet wird, daß sowohl der Drittschuldner als auch der Verpflichtete erkennen können, auf welche Forderung Exekution geführt werden soll (Heller-Berger-Stix III 2125 f; 3 Ob 32/86 ua). Nach diesem Umstand richten sich die Anforderungen, die an die Bezeichnung der zu pfändenden Forderung zu stellen sind. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde die Frage, wann die Forderung ausreichend bestimmt bezeichnet ist, von Fall zu Fall verschieden gelöst. Übereinstimmung bestand nur darin, daß nähere Angaben über die Forderung unterbleiben können, wenn sich aus dem Exekutionsantrag ergibt, daß dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner nur eine Forderung zustehen kann (EvBl. 1965/93; EvBl. 1967/423; SZ 49/44 ua). In diesen Entscheidungen wurde ferner betont, daß nähere Angaben erforderlich sein können, wenn verschiedene Forderungen in Betracht kommen. Dies trifft nach Ansicht des erkennenden Senates jedenfalls zu, wenn, wie im Fall der Entscheidung SZ 49/44, einzelne dieser Forderungen unpfändbar sein können, weil der Exekutionsantrag insoweit abgewiesen werden müßte. Ähnliches mag für den Fall der Pfändung der Ansprüche gelten, die dem Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehen, weil an Geldforderungen sowohl der Anspruch auf Gewinn als auch der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben (vgl. § 135 Abs. 1 HGB) in Betracht kommen, für jeden dieser Ansprüche aber eine andere Art der Verwertung vorgesehen ist. Die Forderung auf Gewinn ist nämlich gemäß § 303 EO zu überweisen, auf Grund der Pfändung des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben ist der betreibende Gläubiger hingegen gemäß § 333 EO zur Kündigung zu ermächtigen (vgl. SZ 50/72; RPflSlgE 1978/83). In diesem Sinn ist nach der Entscheidung EvBl. 1965/93 an dem Erfordernis der Spezifikation festzuhalten, wenn einem Gesellschafter gegen die Gesellschaft verschiedenartige Ansprüche zustehen können. Ob dasselbe auf den der Entscheidung EvBl. 1967/423 zugrundeliegenden Fall der Pfändung der Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zutrifft, kann dahingestellt bleiben, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Sieht man von den Sonderfällen der angeführten Art ab, so ist nach Ansicht des erkennenden Senates die zu pfändende Forderung genügend bezeichnet, wenn sowohl der Verpflichtete als auch der Drittschuldner eindeutig erkennen können, welche Forderung oder welche Forderungen von der Exekution erfaßt sind. Dies ist hier aber der Fall. Es besteht kein Zweifel, daß sich der Exekutionsantrag auf die dem Verpflichteten als Unternehmer aus den mit den Drittschuldnern abgeschlossenen Werkverträgen zustehenden Forderungen erstrecken soll. Diese Forderungen sind in erster Linie die Ansprüche auf Entgelt und allenfalls noch Ansprüche auf eine angemessene Entschädigung (§ 1168 Abs. 1 ABGB). Beide Ansprüche sind weder für die Pfändbarkeit noch für die Art der Verwertung verschieden zu behandeln. Der Drittschuldner kann erkennen, daß er auf Grund dieser Ansprüche an den Verpflichteten nicht zahlen darf, der Verpflichtete, daß es ihm verboten ist, hierüber zu verfügen. Irgendwelche Unklarheiten sind nicht zu befürchten. Es macht auch keinen Unterschied, daß dem Verpflichteten nach den Behauptungen im Exekutionsantrag solche Ansprüche nicht nur aus einem, sondern aus mehreren Werkverträgen zustehen. Auch ohne weitere Angaben, wie etwa die Anführung der Bauvorhaben, ist eindeutig, daß von der Exekution die Ansprüche aus jenen Werkverträgen erfaßt sind, die zur Zeit der Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner abgeschlossen waren. Dem Drittschuldner ist es entgegen der in seinem Rekurs vertretenen Auffassung möglich und auch zuzumuten, daß er vor Zahlungen an den Verpflichteten feststellt, ob sie auf Grund von solchen Werkverträgen geleistet werden sollen. Dem betreibenden Gläubiger werden hingegen die für weitere Angaben notwendigen Kenntnisse im allgemeinen nicht zur Verfügung stehen. Es reichte hier daher aus, daß die betreibende Partei im Exekutionsantrag den Rechtsgrund der zu pfändenden Forderung anführte.

In der vom Drittschuldner in seinem Rekurs zitierten Entscheidung 3 Ob 111/85 vertrat der Oberste Gerichtshof allerdings die Auffassung, daß es nicht genüge, die zu pfändende Forderung als Forderung "auf Grund von Bauleistungen" zu bezeichnen. Zur Begründung wurde unter Hinweis auf die angeführten Entscheidungen nur bemerkt, die betreibende Partei hätte zu den einzelnen Forderungen nähere Angaben machen müssen, weil dem Verpflichteten nach den Behauptungen im Exekutionsantrag gegen den Drittschuldner auf Grund von Bauleistungen mehrere Forderungen zustehen sollen. Da diese Auffassung den Besonderheiten des hier zu prüfenden Falles nicht gerecht wird, kann der erkennende Senat sie insoweit nicht aufrecht erhalten.

Maßgebend dafür, daß die Forderungen der verpflichteten Partei von der Exekution erfaßt sind, ist also, ob der Werkvertrag, aus dem sie abgeleitet werden, zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner schon abgeschlossen war. Damit wird der Gegenstand des Pfandrechts hinreichend bestimmt, und die Forderungen sind daher pfändbar. Es ist hingegen nicht erforderlich, daß zur Zeit der Pfändung das Werk schon fertiggestellt ist oder daß mit der Herstellung zumindest schon begonnen wurde (so anscheinend Heller-Berger-Stix III 2113), zumal der Entgeltanspruch unter gewissen Voraussetzungen (§ 1168 Abs. 1 ABGB) auch ohne Herstellung des Werkes entstehen kann. Da aber andererseits auf Forderungen aus Werkverträgen, die erst nach der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner abgeschlossen werden, noch nicht Exekution geführt werden darf, war es mindestens irreführend, daß die betreibende Partei in ihrem Exekutionsantrag die das Exekutionsobjekt bildenden Forderungen als solche auf Grund "fortlaufender" Werkverträge bezeichnete. Diese Bezeichnung könnte nämlich dahin verstanden werden, daß "fortlaufend" Forderungen aus Werkverträgen und somit auch Forderungen aus Werkverträgen, die erst in Zukunft abgeschlossen werden, gepfändet werden sollen. Es ist aber nicht anzunehmen, daß das Erstgericht auch die Pfändung solcher Forderungen bewilligen wollte, weshalb bei der Wiederherstellung seines Beschlusses bloß eine entsprechende Klarstellung vorzunehmen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses beruht auf § 78 EO und den §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses auf § 78 EO und den §§ 41 und 50 ZPO.

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