JudikaturJustiz2Ob524/87

2Ob524/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Otto R***, Kaufmann, PO Box 244, Manuka, ACT 2603 Australien, 2.) Emma G***, Pensionistin, Graz, Reinstadlgasse 39, beide vertreten durch Dr. Heinrich Hofrichter und Dr. Erwin Bajc, Rechtsanwälte in Bruck/Mur, wider die beklagten Parteien 1.) Margarethe H***,

2.) Mag. Gudrun K***, 3.) Paul H***, Student, alle Friesach, Hauptplatz 7, alle vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 373.586,-- und S 370.586,-- je samt Anhang, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 17. September 1986, GZ 3 R 113/86-35, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 7. Februar 1986, GZ 5 C 1/86-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der Liegenschaft EZ 11 KG Friesach ist ein radiziertes Apothekenrecht verbunden. Nach mehreren Änderungen der Eigentumsverhältnisse waren zum 1. Jänner 1980 Mag. Heinrich H*** zu 2/3 und Dr. Helene R*** und die Zweitklägerin zu je 1/6 Eigentümer der Liegenschaft. Der Erstkläger ist Erbe nach der am 3. Februar 1984 verstorbenen Dr. Helene R***. Mag. Heinrich H*** hatte die Apotheke mit Vertrag vom 15. April 1951 gepachtet. Der Betrieb war in der Folge um eine Parfumerie erweitert worden. Als Pachtzins waren bestimmte Hundertsätze des Bruttoumsatzes vereinbart worden. Der Pachtzins wurde bis einschließlich April 1982 an die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger mit je S 5.000,-- monatlich gegen spätere Verrechnung akontiert. Das Pachtverhältnis endete laut Pachtvertrag mit dem Ableben des Pächters am 26. April 1982. Die Beklagten sind die Erben nach Mag. Heinrich H***. Sie führten die Apotheke nach dessen Ableben fort und erwarben die Liegenschaft im Zuge einer freiwilligen Feilbietung am 10. Juli 1985. Die Kläger behaupten einen Pachtzinsrückstand für die Jahre 1980 und 1981 von S 123.173,62. Sie begehren je die Hälfte dieses Betrages und für die Zeit vom 1. Mai 1982 bis 30. Juni 1985 ein monatliches Benützungsentgelt von je S 12.000,--

(d.s. S. 456.000,--) abzüglich geleisteter Teilzahlungen von S 144.000,-- an den Erstkläger und von S 147.000,-- an die Zweitklägerin. Die Gesamtforderung des Erstklägers beträgt sohin S 373.586,-- und die der Zweitklägerin S 370.586,-- je samt Anhang. Die Beklagten erhoben die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit und behaupteten, daß der Zinsrückstand aus den Jahren 1980 und 1981 durch Verrechnung ausgeglichen sei. Nach ihrem Standpunkt stehe den Klägern kein Entgelt für die Fortführung der Apotheke seit Beendigung des Pachtverhältnisses zu. Es liege eine Miteigentumsgemeinschaft vor. Da der Umfang des Geschäftsbetriebes über den des Kleingewerbes hinausgehe, sei eine OHG anzunehmen. Die Kläger hätten daher lediglich Anspruch auf einen anteiligen Ertrag an der Miteigentumsgemeinschaft bzw. am Gewinn der OHG. Aus der Verrechnung des Versteigerungserlöses einschließlich der Ertragsanteile der Kläger ergebe sich ein Guthaben der Beklagten von S 280.793,06.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß die Ansprüche der Kläger auf Bezahlung eines Pachtzinsrückstandes für die Jahre 1980 und 1981 und auf Bezahlung eines Benützungsentgeltes für die Zeit vom 1. Mai 1982 bis 30. Juni 1985 dem Grunde nach zu Recht bestehen. Es stellte über den eingangs dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt hinaus fest:

Die Erstbeklagte nahm für sich und ihre beiden Kinder, die Zweitbeklagte und den Drittbeklagten, nach dem Ableben des Mag. Heinz H*** Kontakt mit Dr. Helene R*** und der Zweitklägerin auf und äußerte Kaufabsichten. Dr. Helene R*** und die Zweitklägerin lehnten den Verkauf ihrer Anteile ab. Es bestand jedoch Einigkeit zwischen den Gesprächspartnern darüber, daß wegen des Ablebens des Mag. Heinrich H*** ein neuer Vertrag zu errichten sei, soferne es nicht zum Verkauf der Anteile der Dr. Helene R*** und der Zweitklägerin komme. Die Erstbeklagte sprach außerdem bei Dr. Helene R*** und der Zweitklägerin wegen einer Herabsetzung des Pachtzinses vor. Die Zweitklägerin verlangte eine Erhöhung; eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Gespräche über die Weiterführung der Apotheke und der Parfumerie sowie die Weiterbenützung der sonstigen Teile der Liegenschaft fanden zwischen den Streitteilen und auch mit der verstorbenen Dr. Helene R*** nicht statt. Die Kläger und Dr. Helene R*** nahmen nie an der Führung der Apotheke und der Parfumerie Anteil. Mit Stichtag 31. Dezember 1981 bestand zugunsten der Dr. Helene R*** und der Zweitklägerin ein Pachtzinsrückstand.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes hätten die Beklagten infolge titelloser Fortsetzung des Bestandverhältnisses nach dessen Auflösung ein Benützungsentgelt zu bezahlen. Eine Verrechnung von Ertragsanteilsansprüchen bzw. Umlaufvermögen mit dem rückständigen Bestandzins bzw. dem Benützungsentgelt sei ausgeschlossen. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten, soweit sie sich gegen die im angefochtenen Urteil enthaltene Entscheidung des Erstgerichtes über die Unzuständigkeitseinrede richtete, zurück, hob das Ersturteil im Ausspruch über den Anspruch auf rückständigen Pachtzins ohne Rechtskraftvorbehalt auf und wies im Umfang der Aufhebung die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im Ausspruch über den Anspruch auf Benützungsentgelt änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes seien nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejahe, auch dann nicht anfechtbar, wenn keine ausdrückliche, sondern bloß eine inhaltliche Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede vorliege. Die Voraussetzungen für ein Zwischenurteil über den Anspruch auf rückständigen Pachtzins seien nicht gegeben, weil die Beklagten Bezahlung durch Verrechnung behauptet hätten. Dieser Einwand sei vom Erstgericht nicht geprüft worden. Ein Anspruch auf Benützungsentgelt stehe den Klägern aber nicht zu. Die Benützung und Bewirtschaftung der gmeinsamen Liegenschaft durch die Beklagten nach Beendigung des Pachtverhältnisses sei Ausfluß ihrer im Miteigentum wurzelnden Befugnis, die Sache nach Willkür zu gebrauchen und zu benützen. Soweit die anderen Miteigentümer Anteilsrechte geltend machten, stehe es ihnen zwar frei, die bisherige Art der Nutzung im Wege einer einvernehmlichen Regelung oder durch Anrufung des Gerichtes zu ändern, doch seien solche Regelungen konstitutiver Natur und wirkten nur für die Zukunft. Ein Vergütungsanspruch für die Vergangenheit werde dadurch nicht begründet. Die Kläger könnten daher von den Beklagten nicht deshalb ein Benützungsentgelt fordern, weil diese in der Zeit vom 1. Mai 1982 bis 30. Juni 1985 einen größeren Teil der Sache benützt hätten, als es der Quote ihres Miteigentums entsprochen hätte. Die Kläger könnten nur einen der Quote ihres Miteigentums entsprechenden Anteil am Ertrag der gemeinschaftlichen Sache fordern. Ein derartiger Anspruch sei von ihnen aber nicht erhoben worden.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger (im Umfang der Anfechtung des Aufhebungsbeschlusses der zweiten Instanz wurde das Rechtsmittel vom Berufungsgericht zutreffend zurückgewiesen) aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Kläger beantragen eine Wiederherstellung des Ersturteils und hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Prozeßgericht.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Nicht gefolgt werden kann den Klägern darin, daß ihnen für die Zeit nach Beendigung des Pachtverhältnisses ein Benützungsentgelt in Höhe des ortsüblichen bzw. des bisherigen Pachtzinses zustehe. Unstrittig ist, daß zwischen den Streitteilen hinsichtlich der Liegenschaft und der Realapotheke eine Miteigentumsgemeinschaft vorliegt. Es ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, daß auch Miteigentümer die gemeinsame Sache oder Teile derselben in Bestand nehmen können. Sie sind dann insoweit einerseits Bestandnehmer, andererseits gemeinsam mit den übrigen Teilhabern Bestandgeber. Bei Erwerb eines Miteigentumsanteiles erlischt ein vorher begründetes Bestandrecht des Erwerbers nicht (Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 834, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall wurde im Jahre 1951 zwischen den damaligen Miteigentümern und Mag. Heinrich H*** über die Realapotheke ein Pachtvertrag abgeschlossen, der mit dem Ableben des Pächters am 26. April 1982 aufgelöst wurde. Der Erwerb der Mehrheitsanteile durch Mag. Heinrich H*** nach 1951 hatte auf den Fortbestand dieses Pachtverhältnisses keinen Einfluß. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses wurde der Betrieb der Realapotheke von den Beklagten, den Rechtsnachfolgern des Mag. Heinrich H***, fortgeführt. Wohl ist richtig, daß der Bestandnehmer, der nach Beendigung des Bestandverhältnisses die Rückstellung der Bestandsache verzögert, für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung auch den Bestandzins als "Benützungsentgelt" weiter zu zahlen hat (MietSlg 32.189, 23.096, 21.198 f; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 1110). Fraglich ist aber, ob und inwieweit dies auch für den Miteigentümer gilt, der die gemeinschaftliche Sache oder einen Teil derselben in Bestand genommen hat. Nach herrschender Ansicht kann nämlich ein Miteigentümer, solange er es unterläßt, eine seinem Miteigentumsanteil entsprechende Benützungsregelung herbeizuführen, von dem anderen kein Benützungsentgelt verlangen, wenn dieser das gemeinsame Gut über seine Quote hinaus gebraucht oder nutzt (JBl 1985, 614 mwN). Das Berufungsgericht hat, gestützt auf diese Rechtsansicht, einen Anspruch der Kläger auf ein Benützungsentgelt verneint. Hiezu ist anzumerken, daß zwischen Verwaltungshandlungen und bloßen Besitz- und Gebrauchshandlungen der Teilhaber zu unterscheiden ist, wobei erstere dadurch gekennzeichnet sind, daß sie Maßregeln einer Geschäftsführung im Interesse aller Gemeinschafter sind oder wenigstens sein sollen; als Geschäftsbesorgung umfassen sie vorzüglich Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, aber auch rein tatsächliche Handlungen (Gamerith aaO Rdz 3 zu § 833; SZ 42/119; MietSlg 25.046). In diesem Sinne ist allerdings auch die alleinige Bewirtschaftung eines gemeinschaftlichen Gutes durch einen Miteigentümer im eigenen Interesse als Gebrauchs- und nicht als Verwaltungshandlung beurteilt und ein Vergütungsanspruch des anderen Miteigentümers für die Vergangenheit verneint worden (MietSlg 25.046). Im vorliegenden Fall war es aber nach dem Ableben des Pächters der Realapotheke allen Beteiligten klar, daß eine Regelung über die künftige Nutzung der gemeinschaftlichen Sache getroffen werden muß. Es bestand Übereinstimmung darüber, daß, falls es nicht zum Kauf der Anteile der Kläger durch die Beklagten kommt, ein neuer Vertrag zu errichten ist. Es haben auch Unterhandlungen über den Abschluß eines Pachtvertrages stattgefunden. Hiezu kam es lediglich mangels Einigung über die Höhe des Pachtzinses nicht. Schließlich wurde die Gemeinschaft durch freiwillige Feilbietung der Liegenschaft aufgehoben. Konkrete Gespräche über die zwischenzeitige Fortführung des Betriebes durch die Beklagten haben zwar nicht stattgefunden, die Beklagten leisteten jedoch Akontozahlungen. Bei dieser Sachlage kann weder davon ausgegangen werden, daß die Beklagten als Rechtsnachfolger des Pächters das Bestandobjekt nicht zurückgestellt, noch daß sie den Betrieb lediglich im eigenen Interesse fortgeführt hätten. Die Fortführung des Betriebes durch die Beklagten bis zur Willensbildung über die künftige Nutzung erfolgte vielmehr im Interesse aller und stellt eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung mit schlüssiger Billigung durch die übrigen dar. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß die Kläger keinen Anspruch auf ein Benützungsentgelt, sondern nur Anspruch auf einen ihrem Anteil entsprechenden Teil des Ertrages haben. Entgegen der Meinung der Kläger kann ein "pachtähnliches Verhältnis" auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Beklagten nach Ersteigerung der Liegenschaft den auf das Warenlager entfallenden Anteil der Kläger nicht erlegt haben. Die von der Revision zitierten Entscheidungen (JBl 1928, 253; JBl 1958, 309 ua) betrafen den Aufwandersatz aus der Durchführung notwendiger und nützlicher Bauarbeiten durch einen Hälfteeigentümer. Aus ihnen ist für den Standpunkt der Kläger nichts zu gewinnen. Die Rechtsstellung des verwaltenden Teilhabers ist aber dieselbe wie die des berufenen Dritten (Gamerith aaO Rdz 13 zu § 837). Er ist daher ebenso wie jener zur redlichen und emsigen Geschäftsführung verpflichtet und haftet den Teilhabern für einen schuldhaft zugefügten Schaden (Gamerith aaO Rdz 8 zu § 837; EvBl 1959/261). Indes haben die Kläger bei der Tagsatzung am 4. Oktober 1985 ihren Anspruch auf die Geschäftsführung der Beklagten gestützt und behauptet, daß ein über dem begehrten Bestandzins liegender Gewinn erzielt hätte werden müssen (AS 63 in ON 23). Da diese Frage ungeprüft blieb und noch einer Erörterung in erster Instanz bedarf (§ 182 Abs 1 ZPO), erweist sich die Revision im Ergebnis im Sinne des Eventualantrages als berechtigt.

Die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung betrifft lediglich den Teilanspruch auf rückständigen Pachtzins, der nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (vgl. zu dieser Frage Gamerith aaO Rdz 11 zu § 837 und die dort zitierte Rechtsprechung und Verweisung). Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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