JudikaturJustiz2Ob33/05z

2Ob33/05z – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider die beklagte Partei R***** reg.Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Goldsteiner Strebinger, Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in Wiener Neustadt, wegen Feststellung (Streitwert EUR 182.433, ), in eventu Unterfertigung eines Vertrages, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2004, GZ 1 R 192/04v 19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Feststellungsinteresse, das in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist (RIS Justiz RS0039123, RS0039190), muss schon bei Einlangen der Klage vorliegen, jedenfalls aber in dem Zeitpunkt gegeben sein, in dem die mündliche Verhandlung über die Klage geschlossen wird (RIS Justiz RS0039204). Der nachträgliche Fortfall des Feststellungsinteresses nach Klagseinbringung ist zu beachten (2 Ob 285/04g mwN). Prozessökonomischer Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu schaffen (RIS Justiz RS0037422). Das Feststellungsinteresse ist auch schon dann gegeben, wenn der Bestand des streitigen Rechtes bestritten wird, sodass eine tatsächliche Ungewissheit und Unsicherheit besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Ungewissheit durch ein Verhalten der beklagten Partei verursacht wird. Es genügt dabei, dass der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (RIS Justiz RS0038968). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann demnach dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung ist (RIS Justiz RS0039265). Auch bei bereits beendeter Rechtsbeziehung ist das rechtliche Interesse anzuerkennen, wenn das Urteil für die gegenwärtige Rechtslage der Parteien noch von Bedeutung erscheint (RIS Justiz RS0039186). Besonders in einem solchen Fall liegt es jedoch am Kläger, das rechtliche Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses oder Rechtes durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten und (erforderlichenfalls) auch zu beweisen (2 Ob 2286/96g mwN; 2 Ob 285/04g; RIS Justiz RS0039239).

Im vorliegenden Fall hatten die Vorinstanzen ein auf das rechtswirksame Zustandekommen eines Vorvertrages gerichtetes Feststellungsbegehren zu beurteilen. Im Zweifel bleibt zwar bei Konsensualverträgen, so auch beim Liegenschaftskauf, für die Annahme, die Parteien hätten lediglich einen Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB geschlossen, kein Raum, da ohne besonderen Grund nicht anzunehmen ist, die Parteien hätten den umständlicheren Weg der Notwendigkeit des neuerlichen Vertragsabschlusses gewählt (JBl 1975, 161; SZ 53/19; RIS Justiz RS0017974, RS0080940). Diese Zweifelsregel gilt aber nicht, wenn sich - wie hier - aus den Umständen ergibt, dass die Parteien doch einen Vorvertrag wollen (4 Ob 1584/94; 3 Ob 315/97p) und das Zustandekommen des Hauptvertrages von der Unterfertigung eines schriftlichen Kaufvertrages abhängig sein soll (3 Ob 599/81; 1 Ob 538/94).

Nach § 936 ABGB ist die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu wollen, nur dann verbindlich, wenn sowohl die Zeit des Vertragsschlusses, als auch die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt sind; auf die Vollziehung solcher Zusagen muss längstens innerhalb eines Jahres nach dem bedungenen Zeitpunkt gedrungen werden, widrigenfalls das Recht erloschen ist. Leistungsgegenstand des Vorvertrages ist also der Abschluss des Hauptvertrages. Der Abschlusszeitpunkt muss zwar bestimmt sein; er kann aber auch vom Eintritt einer Bedingung abhängig sein (GlUNF 5925; 3 Ob 599/81; 4 Ob 20/03z = NZ 2004/63 mwN = RIS Justiz RS0018780 [T3]).

Auch ein unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossener Vertrag bindet bereits die Vertragspartner insoweit, als der bedingt Verpflichtete alles tun und vorkehren muss, was notwendig ist, um bei Eintritt der Bedingung erfüllen zu können und alles unterlassen muss, was die Erfüllung verhindern würde (SZ 51/155; RIS Justiz RS0017406). Die Beteiligten haben darüber hinaus die Pflicht, an der Herbeiführung des Bedingungseintrittes mitzuwirken und alles zu unterlassen, was zur Bedingungsvereitelung treuwidrig beitragen könnte (7 Ob 577/87 = MietSlg 39.066 mwN). Bei einem bedingten Vertrag ist jede Beeinflussung des Ablaufes der Ereignisse wider Treu und Glauben unzulässig. Eine Partei darf auf die Bedingung nicht in einer Weise einwirken, die die andere Partei nach Sinn und Zweck des Vertrages redlicherweise nicht erwarten konnte (RIS Justiz RS0017391). Wird der Eintritt einer Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten (RIS Justiz RS0012728).

Wäre hier davon auszugehen, dass die beklagte Partei den Eintritt der nach dem Vorbringen der klagenden Partei vereinbarten aufschiebenden Bedingung des Vorliegens behördlicher Genehmigungen wider Treu und Glauben vereitelt hat und die Bedingung deshalb als im Zeitpunkt der Vereitelung eingetreten galt, hätte das Eingreifen der Fiktion des Bedingungseintrittes die Verbindlichkeit des Vorvertrages bewirkt und die Einjahresfrist des § 936 ABGB ausgelöst. Der klagenden Partei wäre es dann in dem für das Feststellungsinteresse maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch möglich gewesen, auf den Abschluss des Hauptvertrages zu dringen; dem zur Befristung des Schwebezustandes vereinbarten Endtermin käme keine Bedeutung zu.

Die Beurteilung, ob der Eintritt einer Bedingung zu fingieren ist, stellt sich als ein Sonderfall ergänzender Vertragsauslegung dar. Eine treu und vertragswidrige Unterlassung kann dann angenommen werden, wenn eine Rechtspflicht zum Tätigwerden bestand (JBl 1991, 382; RIS Justiz RS0017486). Besteht die (aufschiebende) Bedingung eines Rechtsgeschäftes in der Erteilung einer behördlichen Genehmigung, dann genügt es zur Herbeiführung der Erfüllungsfiktion noch nicht, dass der zum Tätigwerden Verpflichtete gegen diese Verpflichtung verstößt. Um eine gegen Treu und Glauben verstoßende Vereitelung des Eintrittes der Bedingung annehmen zu können, muss vielmehr auch feststehen, dass die Genehmigung bei pflichtgemäßer Mitwirkung tatsächlich erteilt worden wäre (SZ 53/140; 7 Ob 515/95 [7 Ob 516/95]).

Die klagende Partei hat in erster Instanz nicht einmal vorgebracht, welche konkreten behördlichen Genehmigungen notwendig gewesen wären und mit welchen Erfordernissen ihre Erwirkung verbunden war. Sie hat auch nicht behauptet, dass die behördlichen Genehmigungen bei vertragsgemäßer Mitwirkung der beklagten Partei noch vor dem Ende der vertraglichen Bindungsfrist erteilt worden wären. Vor diesem Hintergrund kann aber in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das Feststellungsinteresse sei mit Ablauf der vertraglichen Bindungsfrist - die implizite Nichtzulassung der in der „Modifizierung" des Klagebegehrens gelegenen Klagsänderung in den Gründen des erstinstanzlichen Urteiles blieb unbekämpft - weggefallen, keine krasse Fehlbeurteilung erblickt werden. Es wäre Sache der klagenden Partei gewesen, anlässlich der Erörterung der Rechtslage durch das Erstgericht vorzubringen, auf Grund welcher konkreter Tatumstände das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr offenkundige rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung weiterhin bestand. Dies kann im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden.

Zum Vorwurf der unterlassenen Begründung der Abweisung des Eventualbegehrens genügt der Hinweis, dass die Vorinstanzen klar erkennbar vom Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses der klagenden Partei ausgegangen sind.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Rechtssätze
9