JudikaturJustiz2Ob287/08g

2Ob287/08g – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otmar K*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und andere Rechtsanwälte in Köflach, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2008, GZ 6 R 218/08k 40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Graz West vom 30. Juli 2008, GZ 10 C 479/07m 35, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass diese zu lauten haben:

Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche künftige aus dem Verkehrsunfall vom 10. 12. 2003 vor dem Haus ***** in Graz resultierenden Schäden im Ausmaß von 25 % zu haften hat.

Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche künftige aus dem Verkehrsunfall vom 10. 12. 2003 vor dem Haus ***** in Graz resultierenden Schäden im Ausmaß weiterer 75 % wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.332,06 EUR (darin enthalten 1.247,44 EUR Barauslagen und 180,87 EUR USt) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10. 12. 2003 ereignete sich in Graz ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Insasse eines Taxis verletzt wurde. Ursächlich für den Unfall war die Verunreinigung der Fahrbahn durch aus dem Restaurantbetrieb der beklagten Partei ausgetretenes Speiseöl. Diese bewirkte, dass das Taxi ins Schleudern geriet, von der Fahrbahn abkam und gegen einen hölzernen Lichtmasten stieß.

In einem vom Halter des Taxis gegen die beklagte Partei geführten Vorprozess wurde die Haftung der beklagten Partei wegen der Verletzung der Schutznorm des § 92 Abs 1 StVO bejaht (vgl 2 Ob 123/06m).

Der Kläger erlitt bei dem Unfall einen Bruch des körpernahen Oberarmendes rechts mit Abbruch des großen Knochenhöckers. Die Verletzung wurde am 12. 12. 2003 operativ versorgt. Am 7. 6. 2005 wurde eine Folgeoperation durchgeführt. Der Heilungsprozess gestaltete sich der Art und Schwere der Verletzung angemessen. An Dauerfolgen verblieben neben den Operationsnarben eine geringe Atrophie der Deltamuskulatur und der Oberarmmuskulatur rechts, eine endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, sowie Wetterfühligkeit und belastungsunabhängige Schmerzen. Spätfolgen sind nicht mit Sicherheit auszuschließen. Insbesondere wären ein Spätinfekt, implantatspezifische Komplikationen (Lockerung, Plattendurchbruch) oder eine Humeruskopfnekrose (Durchblutungsstörung mit Zugrundegehen des Knochens) möglich.

Der Haftpflichtversicherer des Taxis anerkannte im Zuge der Schadensregulierung die auf die gesetzlichen Haftungshöchstbeträge des § 15 EKHG beschränkte Haftung für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 10. 12. 2003.

Der Kläger begehrt mit der am 12. 3. 2007 eingebrachten Klage die Feststellung der unbeschränkten Haftung der beklagten Partei für sämtliche künftige Schäden aus dem Unfall vom 10. 12. 2003. Er begründete sein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung damit, dass Dauerschäden eingetreten seien und Spätfolgen aus diesen Dauerschäden „nicht nur nicht ausgeschlossen werden können, vielmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten werden". Vor allem aber sei die vom Haftpflichtversicherer des Taxis abgegebene Haftungserklärung auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG eingeschränkt, während die beklagte Partei unbeschränkt hafte.

Die beklagte Partei wandte zunächst nur ein, die Verletzung des Klägers sei „vollkommen ausgeheilt".

Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. 7. 2007 über das Vermögen der beklagten Partei der Konkurs eröffnet und eine Rechtsanwältin zur Masseverwalterin bestellt.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 13. 9. 2007 aus, dass das Verfahren wegen der Eröffnung des Konkurses seit 12. 7. 2007 unterbrochen sei. Das vom Kläger angerufene Rekursgericht hob mit Rekursentscheidung vom 22. 11. 2007 diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens „unter Abstandnahme vom gebrauchten Unterbrechungsgrund" auf. Es vertrat die Ansicht, dass ein Feststellungsbegehren im Konkursverfahren nicht anzumelden sei. Im Hinblick auf die mittlerweilige Aufhebung des Konkurses könne das unterbrochene Verfahren gegen die ehemalige Gemeinschuldnerin fortgesetzt werden.

Tatsächlich hatten die Konkursgläubiger in der Ausgleichstagsatzung vom 4. 10. 2007 den auf eine Barquote von 25 % lautenden Zwangsausgleichsvorschlag der Gemeinschuldnerin angenommen. Am 24. 10. 2007 wurde in der Insolvenzdatei die Rechtskraft der gerichtlichen Bestätigung des Zwangsausgleichs und die Aufhebung des Konkurses angemerkt.

In der Tagsatzung vom 6. 2. 2008 wandte die beklagte Partei mit dem Hinweis auf den Verlauf und das Ergebnis des Insolvenzverfahrens die Unzulässigkeit der Klagsführung ein. Die klagende Partei habe es verabsäumt, ihr Feststellungsbegehren gemäß § 14 KO im Konkurs anzumelden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

In seinen Rechtsausführungen verwies das Berufungsgericht auf die schon in seiner Rekursentscheidung geäußerte, auf höchstgerichtlicher Rechtsprechung (2 Ob 307/01p und 2 Ob 73/02b) beruhende Rechtsansicht, an die es sich gemäß § 499 ZPO gebunden erachtete. Auf die mit der zitierten Rechtsprechung nicht im Einklang stehende Entscheidung 8 Ob 26/03m sei wegen dieser Bindung nicht weiter einzugehen. Die ordentliche Revision sei jedoch zuzulassen, weil zur „Zulassung eines Feststellungsbegehrens bei Konkurs" keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe und diese Frage über den Einzelfall hinaus von erheblicher Bedeutung sei.

Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Wirkungen des Zwangsausgleichs unberücksichtigt ließen; sie ist auch teilweise berechtigt.

Die beklagte Partei macht geltend, der Kläger hätte die künftigen Schadenersatzansprüche gemäß § 14 KO schätzen und im Konkurs als Geldforderung anmelden müssen. Die Feststellungsklage sei demnach unzulässig. Jedenfalls aber wäre zu berücksichtigen gewesen, dass die beklagte Partei durch den rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich zu drei Viertel entschuldet worden sei. Es hätte daher ihre Haftung lediglich für ein Viertel aller künftigen Schäden festgestellt werden dürfen.

Hiezu wurde erwogen:

1.) Vorbemerkungen:

1.1 Vorauszuschicken ist, dass die grundsätzliche Haftung der beklagten Partei für die künftigen Schadensfolgen aus dem Unfall vom 10. 12. 2003 in dritter Instanz nicht mehr strittig ist. Dies gilt ebenso für die relevanten Daten des Konkursverfahrens und des Zwangsausgleichs sowie für den vom Kläger zugestandenen Umstand, dass er im Konkurs über das Vermögen der beklagten Partei keine Forderungen angemeldet hat. Ergänzender Feststellungen bedarf es dazu nicht.

1.2 Konkursforderungen sind gemäß § 51 KO Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung zustehen (Konkursgläubiger). Die Voraussetzungen einer Konkursforderung sind dann erfüllt, wenn zur Zeit der Konkurseröffnung bereits sämtliche Tatbestandserfordernisse für die Entstehung der Forderung vorhanden sind, mag sie auch noch nicht fällig und vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein (8 Ob 26/03m mwN; RIS Justiz RS0063809). Die Konkursgläubiger haben ihre Forderungen, auch wenn darüber ein Rechtsstreit anhängig ist, nach den Vorschriften der §§ 102 ff KO im Konkurs geltend zu machen (§ 102 Abs 1 KO). Dieses Verfahren ist allerdings auf die Feststellung von Leistungsansprüchen ausgelegt, wie sich an den Bestimmungen über die Eigenschaft des Auszugs aus dem Anmeldungsverzeichnis als Exekutionstitel (§§ 61, 156a KO), über die Berücksichtigung der Forderungsfeststellung bei Verteilungen (§§ 128 ff KO) und über das Bestreitungsrecht der anderen Konkursgläubiger (§ 105 Abs 5 KO) zeigt ( Kodek in Bartsch / Pollak / Buchegger 4 IV § 102 KO Rz 37; Konecny in Konecny / Schubert , Insolvenzgesetze, § 102 Rz 18). Daher sind nicht auf Leistung gerichtete Ansprüche, welche die Konkursmasse aber dennoch betreffen, ungeachtet ihrer Eigenschaft als Konkursforderungen nicht anzumelden, sondern - gegebenenfalls nach Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens (§ 7 Abs 1 und 2 KO) - gegen den Masseverwalter durchzusetzen ( Kodek aaO § 102 KO Rz 37; Konecny aaO § 102 KO Rz 18).

2. Lehre und bisherige Rechtsprechung zur Anmeldefähigkeit von Feststellungsansprüchen im Konkurs:

2.1 Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage wird in der Lehre die Anmeldung „von Feststellungsansprüchen" (als solche) folgerichtig abgelehnt (so bereits Bartsch / Pollak 3 I 479 FN 2; Konecny aaO § 102 KO § 18; vgl auch Kodek aaO § 102 Rz 37). Die bei Kodek (aaO FN 60) und Konecny (aaO) als Belegstelle zitierte Entscheidung SZ 61/50 (8 Ob 6/88) hatte den auf § 110 Abs 2 KO gestützten Anspruch des bestreitenden Masseverwalters auf Feststellung des Erlöschens einer vollstreckbaren Forderung zum Gegenstand. Der Oberste Gerichtshof verneinte die Pflicht des Masseverwalters zur Anmeldung des negativen Feststellungsbegehrens im Konkurs des anmeldenden Gläubigers, weil es sich hiebei nicht um eine auf Geldleistung gerichtete Forderung handle und weil das behauptete Erlöschen einer dem Beklagten zustehenden Forderung sich nicht nach § 14 Abs 1 KO in eine zu erfüllende Geldforderung verwandle (ähnlich auch 8 Ob 247/99b betreffend den Anspruch auf Forderungsfeststellung im Prüfungsprozess zwischen Konkursgläubigern, wobei über das Vermögen eines der bestreitenden Gläubiger ebenfalls der Konkurs eröffnet worden war).

2.2 In der Entscheidung 2 Ob 73/02b befasste sich der erkennende Senat erstmals konkret mit der Frage, ob ein auf die Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus einem Verkehrsunfall gerichtetes Begehren dem konkursrechtlichen Beteiligungsverfahren unterworfen ist. Er gelangte unter Hinweis auf Konecny (aaO § 102 KO Rz 18) und Bartsch / Pollak 3 I 479 FN 2 zu dem Ergebnis, dass Feststellungsansprüche im Konkurs nicht anzumelden seien. Forderungen, mit denen kein Anteil an der Konkursmasse begehrt werde, seien im Konkursverfahren nicht anzumelden, sondern mittels Klage gegen die vom Masseverwalter vertretene Masse durchzusetzen.

Daran wurde in der Entscheidung 2 Ob 307/01p im Rahmen der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision festgehalten. Auf die - vom damaligen Rechtsmittelwerber relevierte - Rechtsfrage der Tragweite der Forderungsumwandlung nach § 14 KO komme es nicht an.

Abweichend beurteilte der 8. Senat in der Entscheidung 8 Ob 26/03m die Anmeldefähigkeit eines auf die Feststellung der Haftung für künftige Schäden (dort: nach einem Schiunfall) gerichteten Begehrens. Im damaligen Anlassfall hatte die Geschädigte das Feststellungsbegehren mit einem gemäß § 14 Abs 1 KO geschätzten Wert zur Zeit der Konkurseröffnung im Konkurs über das Vermögen des Pistenhalters geltend gemacht. Nach (teilweiser) Bestreitung durch den Masseverwalter galt es in dem gemäß § 113 KO als Prüfungsprozess fortgesetzten Rechtsstreit sodann zu klären, ob die Anmeldung eines Feststellungsbegehrens möglich ist. Der 8. Senat vertrat dazu die Ansicht, ein Feststellungsbegehren als solches könne naturgemäß nicht angemeldet werden und Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein. Andererseits sei aber auch festzuhalten, dass weitergehende Schadenersatzansprüche aus Unfällen vor Konkurseröffnung grundsätzlich als Konkursforderungen anzusehen seien. Die Feststellung der Haftung dafür habe nun ausgehend von einem bestimmten Zeitpunkt bei bestimmten Erwartungen über zukünftige Verletzungsfolgen einen wirtschaftlichen Wert, der einzuschätzen sei. Dabei handle es sich um im Sinne des § 14 Abs 1 KO unbestimmte Forderungen. Bei diesen sei dem Geschädigten die Möglichkeit einzuräumen, entsprechend § 14 Abs 1 KO den Schätzwert zu begehren. Die Entscheidung 2 Ob 73/02b habe sich mit dieser Frage nicht befasst. Soweit ihr allenfalls entnommen werden könne, dass eine Anmeldung des konkreten Schätzwerts im Sinne des § 14 Abs 1 KO nicht in Betracht komme, werde dem vom erkennenden Senat nicht beigetreten. Auch der Hinweis auf Bartsch / Pollak 3 I 479 FN 2 könne eine dahingehende Einschränkung nicht tragen.

2.3 In der Lehre blieben die dargelegten Auffassungen des 2. und des 8. Senats, soweit ersichtlich, unkommentiert. Nur Kodek verweist (aaO § 102 Rz 37 FN 60) „zur Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden" auf die Entscheidung des 8. Senats. Der erkennende Senat hält für die vorliegende Fallgestaltung folgende Erwägungen für wesentlich:

3. Zur Anmeldungspflicht künftiger Schadenersatzforderungen:

3.1 Endet das Konkursverfahren durch Aufhebung nach rechtskräftiger Bestätigung eines Zwangsausgleichs (§ 152b Abs 2 KO in der hier maßgeblichen Fassung der Gerichtsgebühren- und Insolvenzrechtsnovelle [GIN] 2006, BGBl I 2006/8), stellt sich die Frage, ob der Schuldner die sich erst später (allenfalls) realisierende Schadenersatzforderung nur nach Maßgabe des Zwangsausgleichs oder - obwohl die Rechtsgutverletzung schon vor der Konkurseröffnung stattfand - unabhängig davon, das heißt in voller Höhe zu befriedigen hat.

3.2 Mit einem schadenersatzrechtlichen Feststellungsbegehren wird die Haftung für künftige Geldleistungen aus dem Vermögen des Schuldners geltend gemacht. Den Gegenstand eines solchen Begehrens bilden somit die künftigen Geldersatzansprüche des geschädigten Gläubigers. Diese Ansprüche begründen eine anmeldefähige und -pflichtige Konkursforderung im Sinne des § 51 KO. Dem Umstand, dass diese Forderungen vom Eintritt künftiger unfallskausaler Schäden abhängig und in ihrem Geldbetrag noch unbestimmt sind, ist durch Anpassung an das konkursrechtliche Haftungsverwirklichungssystem (vgl dazu Nunner Krautgasser , Schuld, Vermögenshaftung und Insolvenz [2007] 275 ff [278]) Rechnung zu tragen. Insoweit bestimmt § 14 Abs 1 KO, dass (ua) Forderungen, deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Konkurseröffnung geltend zu machen ist. § 16 KO ermöglicht bei aufschiebend bedingten Forderungen, dass das Begehren auf Sicherstellung der Zahlung gestellt werden kann.

3.3 Dieses Zwischenergebnis stimmt auch mit der Rechtslage in Deutschland überein. Dort entspricht § 38 InsO im Wesentlichen dem österreichischen § 51 KO. Danach dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Im deutschen Schrifttum herrscht in der Frage, unter welchen Voraussetzungen deliktische Schadenersatzansprüche Insolvenzforderungen sind, weitgehend Einigkeit: Ist die Rechtsverletzung schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, sind die hieraus resultierenden Schadenersatzansprüche, auch wenn der Schaden sich erst später realisiert, Insolvenzforderungen. Ansprüche auf Ersatz künftiger Schäden sind gemäß § 45 Satz 1 InsO (entspricht § 14 Abs 1 öKO) zu schätzen ( Uhlenbruck in Uhlenbruck , InsO12 [2003] § 38 Rn 12; Henckel in Jäger , InsO [2004] § 38 Rn 169; Häsemeyer , Insolvenzrecht4 [2007] 16. Kap Rn 16.15; Ehricke in MünchKomm InsO2 [2007] § 38 Rn 26).

4. Die Wirkungen des Zwangsausgleichs:

4.1 Gemäß § 156 Abs 1 KO wird der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen. Der Schuldner muss daher seine Verbindlichkeiten nur nach Maßgabe des Zwangsausgleichs erfüllen (8 Ob 74/07a; 3 Ob 82/08t; 8 Ob 53/08i; RIS Justiz RS0065316). Im Zivilprozess ist ein Zwangsausgleich (nur) auf Einwand des Schuldners zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0001231). Gilt dieser Einwand als erhoben, ist der Ausgleichsschuldner von jenem Teil des Klagebetrags befreit, der die Ausgleichsquote übersteigt. Ohne Vorliegen eines Wiederauflebenstatbestands darf dann nach der Wirksamkeit des bestätigten Ausgleichs kein Exekutionstitel in voller Höhe der ursprünglichen Forderung geschaffen werden (3 Ob 82/08t mwN; vgl RIS Justiz RS0052162).

4.2 Die Zwangsausgleichswirkungen des § 156 Abs 1 KO erstrecken sich nur auf jene Ansprüche gegen den (vormaligen) Gemeinschuldner, die der Anmeldung im Konkurs unterliegen (SZ 55/61). Dies trifft ausschließlich auf - auch nach den §§ 14 f KO „verwandelte" - Geldforderungen von Gläubigern, somit auch auf die von einem schadenersatzrechtlichen Feststellungsbegehren umfassten künftigen Geldersatzansprüche zu. Im Konkurs sind diese Forderungen (in der nach §§ 14 f KO gewandelten Gestalt) zu prüfen, festzustellen, den Abstimmungen zugrundezulegen und bei Verteilungen zu berücksichtigen ( Lovrek in Konecny / Schubert aaO § 156 KO Rz 11).

4.3 Im hier zu beurteilenden Fall, in welchem die beklagte Partei die Wirkungen des Zwangsausgleichs eingewendet hat, wurden die künftigen Schadenersatzforderungen des Klägers nicht angemeldet. Nach den dargelegten Grundsätzen werden sie von den Wirkungen des Zwangsausgleichs dennoch erfasst. Das Unterbleiben der Schätzung, die nur für die Ausübung des konkursrechtlichen Teilnahmeanspruchs von Bedeutung ist ( Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger 4 I § 14 KO Rz 8), bleibt ohne nachhaltige Konsequenz, weil sich bei künftigem Schadenseintritt jedenfalls eine konkrete Geldforderung realisiert. Auch die in § 16 KO vorgesehene Sicherstellung kommt nicht mehr in Betracht, wenn der Kläger die bedingte Forderung nicht angemeldet und das Begehren auf Sicherstellung im Konkurs nicht geltend gemacht hat ( Lovrek aaO § 156 KO Rz 80). Künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 10. 12. 2003 werden von der beklagten Partei somit in Höhe der vom tatsächlichen Schaden berechneten Ausgleichsquote abzugelten sein.

5. Zusammenfassung und Ergebnis:

5.1 Die von einem schadenersatzrechtlichen Feststellungsbegehren umfassten künftigen Schadenersatzansprüche sind im Konkurs als bedingte Konkursforderungen (§ 16 KO) mit dem Schätzwert zur Zeit der Konkurseröffnung (§ 14 Abs 1 KO) anzumelden. Nach einem rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich kann der Gläubiger, auch wenn die künftigen Schadenersatzansprüche nicht angemeldet wurden, (nur) noch die Feststellung der Haftung für diese Ansprüche nach Maßgabe des Zwangsausgleichs begehren.

5.2 Aus diesen Erwägungen ist dem Klagebegehren nur in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang stattzugeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher in teilweiser Stattgebung der Revision entsprechend abzuändern.

6. Kosten:

Die neu zu fassende Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das teilweise Unterliegen des Klägers auf dem während der Anhängigkeit des Verfahrens abgeschlossenen und rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich beruht.

Im bis zur Konkurseröffnung reichenden ersten Verfahrensabschnitt hat der Kläger zur Gänze obsiegt. Die bis dahin entstandenen Prozesskosten sind allerdings Konkursforderungen und wären im Konkurs der beklagten Partei anzumelden gewesen (3 Ob 2434/96d; 8 Ob 121/04h; RIS Justiz RS0064270). Sie unterliegen daher den Zwangsausgleichswirkungen des § 156 Abs 1 KO (vgl RIS Justiz RS0110060; Lovrek aaO § 156 KO Rz 43), weshalb sie nach den dargelegten Grundsätzen nur im Ausmaß der Ausgleichsquote zu ersetzen sind. Die Kosten für die Schriftsätze vom 7. 5. und 10. 5. 2007 betreffen nur den über den „Ergänzungsantrag" der beklagten Partei vom 3. 5. 2007 geführten Zwischenstreit, der mit der Rekursentscheidung vom 6. 7. 2007 abschließend erledigt wurde. Im zweiten Verfahrensabschnitt (nach der Konkurseröffnung) gebühren dem Kläger die vollen Kosten für den gegen den Unterbrechungsbeschluss erhobenen Rekurs, mit dem er laut Rekursentscheidung vom 22. 11. 2007 erfolgreich blieb. Im dritten, mit der Konkursaufhebung beginnenden Verfahrensabschnitt ist der Kläger lediglich mit 25 % seines Begehrens durchgedrungen, weshalb er zwar Anspruch auf Ersatz des dieser Obsiegensquote entsprechenden Anteils an den Sachverständigengebühren hat, der beklagten Partei aber die Hälfte ihrer auf diesen Abschnitt entfallenden Kosten ersetzen muss.

Dies gilt - abgesehen von der jeweils gemäß dem Obsiegensanteil der beklagten Partei zu ersetzenden Pauschalgebühr - auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren. § 23a RATG idF BGBl I 90/2008, der den von der beklagten Partei jeweils angesprochenen ERV Zuschlag normiert, ist nach § 26 RATG idF BGBl I 90/2008 erst auf Schriftsätze anzuwenden, die nach dem 30. 9. 2008 bei Gericht eingebracht wurden. Dies trifft zwar auf die Revision der beklagten Partei, nicht aber schon auf die Berufung zu. Die in der Revision auch von der Pauschalgebühr verzeichnete Umsatzsteuer ist nicht zuzuerkennen.

Rechtssätze
14