JudikaturJustiz2Ob229/73

2Ob229/73 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 1974

Kopf

SZ 47/29

Spruch

Bei rechtsgeschäftlichen Erwerb verdrängt der bücherliche Einzelnachfolger des Veräußerers den außerbücherlichen Erwerber einer Dienstbarkeit dann, wenn er nicht in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Übergabe bzw. der Rechtsausübung gehandelt hat. Kenntnis des Titelgeschäftes allein schadet dem Erwerber nicht

OGH 14 März 1974, 2 Ob 229/73 (OLG Linz 4 R 57, 58/73; LG Linz 7 Cg 140/70, 108/71)

Text

Mit Bescheid des Magistrates Linz vom 1. Juni 1954 wurde den Beklagten (und Widerklägern) die wasserrechtliche Bewilligung zur Unterführung des D-Baches durch eine der Wasserversorgung ihrer Liegenschaft EZ 67 KG P dienende Quellwasserleitung erteilt und ein zwischen diesen und Matthias H am 22. Mai 1954 getroffenes Übereinkommen beurkundet. Darin räumte H den Beklagten und deren Rechtsnachfolgern das Recht ein, die auf seiner Parzelle 846 der EZ 65 der KG P entspringende Quelle fachmännisch auf ihre Kosten fassen zu lassen, die abgehende Leitung in einer bestimmten Höhe über der zum Hause H führenden Saugleitung anzulegen, über das Grundstück 846/7 eine Rohrleitung in frostsicherer Tiefe zur Ableitung des Überwassers zu verlegen und bei Bedarf nach vorheriger Benachrichtigung der Gründeigentümer die erforderlichen Ausgrabungen vorzunehmen. Die Vertragsteile kamen überein, daß die aus dem übereinkommen entspringenden Rechte und Pflichten auch für die Rechtsnachfolger wirksam seien. Mit Bescheid des Magistrats Linz vom 29. Dezember 1954 wurde festgestellt, daß die Anlage mit der wasserrechtlichen Bewilligung übereinstimme. Eine Eintragung im Wasserbuch erfolgte jedoch nicht. Es wurde auch kein diesbezügliches Wasserschopf- bzw. Wasserleitungsrecht im Grundbuch einverleibt.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 4. Juni 1970 erwarben die Kläger (und Widerbeklagten) von dem inzwischen Eigentümer gewordenen Hermann P die Liegenschaft EZ 65 KG P, zu deren Gutsbestand die Parzelle 846/7 mit der Quelle gehört. Nach dem Vertrag haftete der Verkäufer für keinerlei wie immer geartete Beschaffenheit der Vertragsliegenschaft, wohl aber für Geldlastenfreiheit. Aushaftende Grunddienstbarkeiten (Geh- und Fahrtrechte) wurden von den Käufern zur eigenen Duldung und Leistung übernommen. Von einem Wasserbezugsrecht ist in dem Vertrag keine Rede. Die Kläger begehrten nunmehr die Feststellung des Nichtbestehens der Dienstbarkeit des erwähnten Wasserbezugsrechtes und die Verurteilung der Beklagten, alle die Ausübung eines Wasserbezugsrechtes darstellenden Handlungen und auch das Betreten des betreffenden Grundstückes zu unterlassen. Die Beklagten beantragten in ihrer Widerklage die Feststellung, daß ihnen die Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechtes in der Weise zustehe, daß sie berechtigt seien, die auf der Parzelle 846/7 entspringende Quelle nach fachmännischen Regeln auf Kosten der Kläger zu fassen und eine Leitung zum Grundstück 848/2 mit dem Haus B Nr. 41, eingetragen in der EZ 67 der KG P zu legen und ihren Wasserbedarf über diese Leitung von der vorbezeichneten Quelle zu decken. Die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, zu erklären, daß sie in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit in EZ 65 der KG P einwilligen.

Die Kläger begrundeten ihr Begehren damit, sie hätten die Liegenschaft im guten Glauben, daß sie nicht mit einem Wasserbezugsrecht belastet sei, erworben. Die Widerkläger behaupteten hingegen, daß die Kläger von ihrem Rechtsvorganger auf dieses Recht aufmerksam gemacht worden seien und daß sie dieses auch bei entsprechender Aufmerksamkeit in der Natur hätten erkennen können

Das Erstgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, gab der Widerklage mit etwas geändertem Spruch statt, und sprach aus, daß der Wert des Steitgegenstandes 1000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung über die Berufung auf:

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht traf folgende Feststellungen.

Vor Abschluß des Kaufvertrages zeigte Hermann P den Klägern die Liegenschaft von einer völlige Übersicht gewährenden Stelle. Dabei war weder die zu den Beklagten führende Wasserleitung noch auch sonst irgend etwas zu erkennen, was auf ein fremdes Wasserbezugsrecht hingewiesen hätte. Er zeigte den Klägern auch den auf der Parzelle 846/7 gelegenen Brunnen. P wußte zwar, daß das Überwasser dieses Brunnens zu den Beklagten abfloß, doch hatte er sich um den Verlauf der Leitung niemals gekümmert. Er sagte den Klägern weder bei dieser Besichtigung, noch beim Vertragsabschluß in der Notariatskanzlei etwas von diesem Wasserbezugsrecht. Etwa 14 Tage nach Abschluß des Kaufvertrages übergab Hermann P bei seinem Auszug aus dem Hause den Klägern eine Kiste mit Altpapier, worunter sich auch Ausfertigungen der eingangs erwähnten Bescheide der Wasserrechtsbehörde befanden. Etwa einen Monat nach Vertragsabschluß wurde der Erstkläger anläßlich eines Aufenthaltes in dem gekauften Haus, das er zu Wohnzwecken nicht benützte, vom Erstbeklagten wegen des Wasserbezugsrechtes angesprochen. Erst dadurch erlangte er von diesem Recht Kenntnis. Hierüber zur Rede gestellt, gab ihm Hermann P zu, daß die Beklagten ein Recht auf den Bezug des Überwassers hätten.

Das Erstgericht kam zu der Ansicht, daß die Kläger die Liegenschaft frei von der bestehenden Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechtes erworben hätten, da diese im Grundbuch nicht eingetragen und ihr Vorhandensein selbst bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht erkennbar gewesen sei.

Nachdem in der Berufungsverhandlung außer Streit gestellt worden war, daß das Gesuch der Kläger um bücherliche Einverleibung des Kaufvertrages mit Hermann P am 3. Juli 1970 beim Grundbuchsgericht eingelangt und am gleichen Tage bewilligt worden sei, entschied das Berufungsgericht gegenteilig wie das Erstgericht. Letzteres war von der Rechtsansicht ausgegangen, daß für den guten Glauben der Kläger an die Freiheit der gekauften Liegenschaft von dem strittigen Wasserbezugsrecht der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages maßgebend sei. Das Berufungsgericht hielt aber für entscheidend, ob der gute Glaube der Erwerber sowohl beim Erwerbsgeschäft als auch noch bei der bücherlichen Einverleibung vorgelegen sei. Da die Klärung schon etwa 14 Tage nach Abschluß des Kaufvertrages am 4. Juni 1970 die Ausfertigungen der Bescheide der Wasserrechtsbehörde in Händen hatten, und sich insbesondere aus dem Bescheid vom 1. Juni 1954 eindeutig der Bestand der fraglichen Dienstbarkeit ergebe, habe den Klägern im Zeitpunkt der bücherlichen Einverleibung des Kaufvertrages (3. Juli 1970) bereits der gute Glaube gemangelt. Die Kläger hätten nicht behauptet, diese Bescheide nicht gelesen zu haben. Es wäre aber eine Fahrlässigkeit, wenn der Erwerber einer Liegenschaft die diese betreffenden Urkunden vom Veräußerer erhalte, aber nicht einsehe, woraus sich ebenfalls der Mangel des guten Glaubens ergeben würde. Damit erübrige sich aber eine Prüfung der Frage, ob die Kläger nicht schon im Zeitpunkt des Erwerbsgeschäftes von ihrem Rechtsvorgänger auf das Wasserbezugsrecht aufmerksam gemacht worden waren, wie die Beklagten behaupteten, und somit ein Eingehen auf die von den Berufungswerbern erhobene Beweis- und Feststellungsrüge. Ebenso könne auch eine Erörterung der Frage unterbleiben, ob die Käufer noch vor dem Ansuchen auf bücherliche Einverleibung vom Erstbeklagten wegen des Wasserbezugsrechtes angesprochen worden waren und der Verkäufer das diesbezügliche Recht der Beklagten bestätige.

Bei der Erledigung der Revision ist zunächst festzuhalten, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht, ausgeführt hat, der gute Glaube des Erwerbers in die Lastenfreiheit der Liegenschaff müsse sowohl im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses als auch der Verschaffung des dinglichen Rechtes durch die Einverleibung gegeben sein (SZ 28/256; RZ 1968, 178). Diesfalls war zwar die von den Beklagten ausgeübte Dienstbarkeit nicht offenkundig, doch meinte das Berufungsgericht dem Sinne nach, der Erstkläger habe sich zumindest die Möglichkeit, von ihrem Bestehen Kenntnis zu erlangen, noch ehe er Eigentümer wurde, dadurch fahrlässig selbst genommen, daß er die ihm vom Verkäufer übergebenen diesbezüglichen Unterlagen vernichtete; er könne sich daher nicht darauf berufen, daß er unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen der nicht verbücherten Wassergerechtsame der Beklagten gehabt habe.

Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes reichen aber die vorliegenden Feststellungen aus folgenden Erwägungen nicht aus, um die Sache abschließend beurteilen zu können:

Die Beklagten (bzw. Widerkläger) behaupten nicht bloß einen Titel zur Begründung einer Dienstbarkeit, sondern daß sie eine vertraglich eingeräumte, aber nicht verbücherte Dienstbarkeit ausgeübt haben. Es ist daher diesfalls nicht nur von Bedeutung, ob diese Dienstbarkeit nach dem Willen der seinerzeitigen Vertragsparteien durch Eintragung im Grundbuch dingliche Wirkung erlangen sollte, sondern auch ob die Kläger als Rechtsnachfolger - auch unabhängig von einer vertraglichen Überbindung einer Pflicht zur Einwilligung in die Verbücherung - die Ausübung einer Dienstbarkeit bzw. eines einer solchen entsprechenden obligatorischen Rechtes gegen sich gelten lassen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung wirkt eine nicht verbücherte Dienstbarkeit dann gegen den Erwerber der Liegenschaft, wenn sie der Erwerber kannte (vgl. SZ 39/146). Auch der nicht verbücherte Servitutsberechtigte hat nämlich die publizianische Klage nach §§ 372 bis 374 ABGB, wenn er seinen redlichen, rechtmäßigen und echten Besitz nachzuweisen in der Lage ist (Klang zu § 523 ABGB). Eine vertragliche, nicht einverleibte Dienstbarkeit ist sogar gegenüber dem Rechtsnachfolger des Bestellers wirksam, wenn er von der Servitut Kenntnis hatte (Klang[2] zu § 480 ABGB). Der Unterschied gegenüber dem im Grundbuch eingetragenen Servitutsberechtigten besteht im Verhältnis zum Servitutsbesteller nur darin, daß der außerbücherliche Servitutsberechtigte keine Möglichkeit zu einer bücherlichen Verfügung hat und seine Stellung durch bücherliche Verfügungen des Eigentümers gegenüber einem gutgläubigen Dritten gefährdet werden kann (Klang[2] zu § 431 ABGB, 357; SZ 23/225 und 287). Bei rechtsgeschäftlichem Erwerb verdrängt der bücherliche Einzelnachfolger des Veräußerers den außerbücherlichen Erwerber also dann, wenn er nicht in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Übergabe (bzw. hier der Rechtsausübung) gehandelt hat. Kenntnis des Titelgeschäftes allein schadet dem Erwerber nicht, weil niemandem zugemutet werden kann, den Ursachen nachzuforschen, aus denen der Vollzug der zwischen anderen geschlossenen Verträge unterblieben ist (Klang[2] zu § 431 ABGB, IV b alpha, 362).

Das Erstgericht, das den Ereignissen nach Vertragsabschluß keine rechtliche Bedeutung beimaß, stellte lediglich fest, Hermann P habe etwa 14 Tage nach Abschluß des Kaufvertrages bei seinem Auszug aus dem Haus den Klägern eine Kiste mit Altpapier übergeben, worunter sich auch Ausfertigungen der eingangs erwähnten Bescheide befunden hätten. Die Aussage des Erstklägers als Partei, er habe 14 Tage nach Ps Auszug eine Kiste mit Altpapier gefunden, darunter auch Ausfertigungen der genannten Beilagen, wurde nicht verwertet. Es wäre aber notwendig gewesen, festzustellen, wie sich die "Übergabe" der Kiste bzw. der Bescheide im einzelnen abgespielt hat, also insbesondere, ob und was dabei gesprochen wurde. Eine Ergänzung der diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen ist daher unerläßlich, wenn sie nicht durch die vorherige Erledigung der Beweis- und Feststellungsrüge der Berufungswerber überflüssig werden sollte.

Rechtssätze
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