JudikaturJustiz1Ob61/15z

1Ob61/15z – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** L*****, vertreten durch die Putz Haas Riehs Hilbert Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei M***** L*****, vertreten durch Mag. Horst Winkelmayr, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.105,29 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2014, GZ 21 R 287/14z 23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 27. Juni 2014, GZ 4 C 813/13g 17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) an Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die eingeantwortete Alleinerbin eines verstorbenen Versicherungsnehmers, der mit einem Versicherer einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Die Original Polizze konnte von der Klägerin im Nachlass nicht aufgefunden werden. Sowohl als Versicherungsnehmer als auch als versicherte Person schien der Erblasser auf. Bezugsberechtigt im Ablebensfall war der Überbringer der Polizze. Die Lebensversicherung fand im Testament des Erblassers keine Erwähnung.

Die Beklagte (Schwiegermutter der Klägerin) hatte die Lebensversicherungspolizze in ihrem Haus aufbewahrt, weil der Versicherungsnehmer und spätere Erblasser dieses Dokument bei seiner Mutter gut aufgehoben wusste. Er hatte weder der Beklagten noch anderen Personen die Lebensversicherungspolizze in der Absicht überreicht, die daraus resultierende Forderung zu verschenken. Er hatte auch sonst nicht über die Forderung aus der Lebensversicherung verfügt. Nach Einreichen der Original Polizze beim Versicherer erhielt die Beklagte die Versicherungssumme von 8.105,29 EUR ausbezahlt.

Die Klägerin begehrte gestützt auf unrechtmäßige Bereicherung von der Beklagten die Zahlung dieses Betrags.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Einbeziehung einer „im Besitz eines Dritten“ befindlichen Überbringerpolizze in den Nachlass vorliegen soll.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Versicherungssumme aus der Lebensversicherung, die zu Gunsten des Inhabers oder Überbringers lautet, in den Nachlass (§ 531 ABGB) einzubeziehen, wenn der Versicherungsnehmer es unterlassen hat, über den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag unter Lebenden oder von Todes wegen zu verfügen (RIS Justiz RS0007845 [T5, T8]; zuletzt 2 Ob 199/05m; ebenso Spruzina in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 802 Rz 18; Welser in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 531 Rz 11). Es entspricht ferner der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Schenkung grundsätzlich nicht zu vermuten, sondern von demjenigen zu beweisen ist, der ihr Vorliegen behauptet (RIS Justiz RS0018794 [T1]; 2 Ob 199/05m mwN). Bei der Schenkung einer Forderung aus einem Lebensversicherungsvertrag genügt bei auf Inhaber oder Überbringer lautenden Polizzen der Beweis der Übergabe der Polizze mit der Erklärung, sie gehöre jetzt dem Beschenkten (6 Ob 181/02i, dazu Palten , Aktuelle Judikatur zur Lebensversicherung, VR 2010 H 4, 18 [22 f]; 2 Ob 199/05m, jeweils mwN; Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 943 ABGB Rz 15).

Die Beklagte konnte die schenkungsweise Abtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag des Erblassers an sie nicht unter Beweis stellen. Vielmehr steht die erforderliche Schenkungsabrede gerade nicht fest. Sie konnte auch keinen anderen Rechtstitel nachweisen, der sie berechtigt hätte, die Versicherungsleistung in Anspruch zu nehmen.

Die Vorinstanzen sind den Grundsätzen der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt, wenn sie ausgehend von den getroffenen Feststellungen den Bereicherungsanspruch der klagenden Alleinerbin auf die an die Beklagte ausbezahlte Versicherungsleistung aus dem Lebensversicherungsvertrag bejahten.

2. Die Beklagte hatte die Versicherungspolizze für den späteren Erblasser aufbewahrt. Bei vereinbarter Übernahme einer Obhutsverpflichtung bestand ein Verwahrungsvertrag (RIS Justiz RS0020776 [T3]), ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis (3 Ob 234/02m = RIS Justiz RS0112642 [T1]; Griss in KBB 4 § 957 ABGB Rz 1; vgl auch 2 Ob 196/06x). Bei einer Verwahrung durch Dritte (RIS Justiz RS0007911 [T5]; RS0010104 [T3]; Griss aaO § 958 ABGB Rz 1) und umso mehr bei einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis bleibt aber der Besitz des Versicherungsnehmers und später seiner Verlassenschaft aufrecht. Abgesehen davon, dass hier ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erblasser als Versicherungsnehmer und dem Ansprecher der Versicherungsleistung maßgeblich sind (2 Ob 199/05m mwN; vgl RIS Justiz RS0080831) und im Streit zwischen mehreren Ansprechern der Leistung nur dieses „Innenverhältnis“ entscheidungsrelevant ist (2 Ob 199/05m mwN ua; RIS Justiz RS0080995), stellt sich weder die im Zulassungsausspruch angeführte Frage, noch kommt es wie von der Beklagten behauptet auf ihren Besitzwillen an.

3. Soweit die Beklagte mit der Behauptung des Vorliegens rechtlicher Feststellungsmängel die vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhaltsfeststellungen bekämpft, ist sie darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel sind (RIS Justiz RS0042903 [T1, T2, T10]; RS0069246 [T1, T2]).

4. Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, ist die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen, sodass ihr die Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.

Rechtssätze
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