JudikaturJustiz1Ob587/93

1Ob587/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Putz ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 669.600,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4.März 1993, GZ 2 R 23/93-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.November 1992, GZ 13 Cg 1049/92p-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 8 % aus S 669.600,-- seit 7.5.1992 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin betreibt das Gewerbe der Immobilienmakler. Sie brachte vor, mit der Vermarktung des Projektes eines Wohn- und Geschäftshauses in I*****, F*****gasse 19, beauftragt worden zu sein. Mit Schreiben vom 29.4.1991 habe sie der Beklagten dieses Objekt um den Kaufpreis von etwa S 20,5 Mill. zum Kauf angeboten und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Falle eines Geschäftsabschlusses 3 % des Kaufpreises als Vermittlungsprovision zu bezahlen seien. Aufgrund der Vermittlungstätigkeit der Klägerin habe die Beklagte von den Liegenschaftseigentümern bzw. der Ing.Norbert H*****-GesmbH als Generalunternehmerin des Projektes das gesamte Objekt um den Preis von S 18,6 Mill. erworben. Die Bezahlung der in Rechnung gestellten Vermittlungsprovision im Betrage von S 669.600,-- habe die Beklagte abgelehnt. Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Bezahlung des Betrags von S 669.600,-- samt 12 % Zinsen seit 7.5.1992 und 20 % USt. aus den Zinsen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie gestand zu, die streitgegenständliche Liegenschaft zu einem Kaufpreis von S 3 Mill. erworben und auf dieser Liegenschaft ein Gebäude errichtet zu haben. Die Klägerin sei in keiner Weise bei der Vermittlung des Erwerbs des Grundstückes, auch nicht des Erwerbs des später errichteten Objektes verdienstlich tätig gewesen. Der Beklagten sei die Kaufmöglichkeit aufgrund ihrer Kontakte zu Franz Sch*****, der sich nicht als Immobilienmakler präsentiert habe, bekannt geworden. Das von der Beklagten auf dem angekauften Grundstück errichtete Gebäude könne keinesfalls Grundlage für eine Provisionsforderung sein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß die Klägerin sowohl bezüglich des Kaufvertrages hinsichtlich der Liegenschaft F*****gasse 19 (abgeschlossen zwischen den fünf ehemaligen Miteigentümern dieser Liegenschaft und der A***** Immobilien ***** Gesellschaft mbH), wie auch hinsichtlich des Werkvertrages bezüglich des auf dieser Liegenschaft verwirklichten Projektes (abgeschlossen zwischen Ing.Norbert H***** und der A***** Immobilien ***** Gesellschaft mbH) verdienstlich geworden sei, sodaß ihr grundsätzlich gemäß §§ 8, 10 ImmMV die begehrte 3 %ige Provision gebühre. Es sei im vorliegenden Fall der Kauf des Grundstückes samt Projekt anzunehmen, weil der Grundstückserwerber an ein bestimmtes, durch die Planung des Verkäufers oder eines Dritten vorgegebenes Projekt gebunden gewesen sei. Da als Käufer der Liegenschaft wie auch des Projektes nicht die Beklagte, sondern die A***** Immobilien ***** Gesellschaft mbH aufgetreten sei, sei die Beklagte nicht passiv klagslegitimiert.

Das Berufungsgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin S 669.600,-- samt 4 % Zinsen zuzüglich 20 % USt. aus den Zinsen seit 7.5.1992 zu bezahlen. Das Zinsenmehrbegehren von 8 % zuzüglich 20 % USt. aus den Zinsen wurde - im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft - abgewiesen. Die Beklagte habe zugestanden, die streitgegenständliche Liegenschaft käuflich erworben und darauf ein Gebäude errichtet zu haben. Dies stelle ein Tatsachengeständnis im Sinne des § 266 Abs.1 ZPO dar, an welches das Gericht gebunden sei. Mit den dem Geständnis widersprechenden Feststellungen (hinsichtlich des Ankaufs der Liegenschaft durch die A***** Immobilien ***** Gesellschaft mbH) habe das Erstgericht gegen das Beweisthemenverbot des § 266 Abs.1 ZPO verstoßen und die Grenzen des Streitgegenstandes überschritten. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beklagte aufgrund der verdienstlichen Tätigkeit der Klägerin die Liegenschaft gekauft und mit der Ing.Norbert H***** -Gesellschaft mbH den Werkvertrag geschlossen habe. Dann stehe ihr aber im Sinne der Ausführungen des Erstgerichtes die 3 %ige Vermittlungsprovision zu.

Die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben, weil gemäß § 266 Abs.1 ZPO von einem Zugeständnis der Vertragspartnerschaft durch die Beklagte auszugehen sei. Nun trifft es zu, daß die Beklagte bereits in der Klagebeantwortung den Ankauf der streitgegenständlichen Liegenschaft und die Errichtung eines Gebäudes auf dieser (durch sie) zugestanden hat (AS 11). Richtig ist auch, daß gemäß § 266 Abs.1 ZPO in Rechtsstreitigkeiten, die nicht vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht werden, die von einer Partei behaupteten Tatsachen insoweit keines Beweises bedürfen, als sie vom Gegner in einem vorbereitenden Schriftsatz, im Lauf des Rechtsstreites bei einer mündlichen Verhandlung oder im Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters ausdrücklich zugestanden werden. Ausdrücklich zugestandene Tatsachen sind grundsätzlich als wahr anzunehmen und der Entscheidung ungeprüft zugrundezulegen. Das Berufungsgericht übersieht aber, daß die Feststellung des Erstgerichtes, wonach die Tochtergesellschaft der Beklagten sowohl den Kauf- wie auch den Werkvertrag abgeschlossen hat und demgemäß die Tochtergesellschaft als Eigentümerin verbüchert wurde, im Berufungsverfahren nicht bekämpft worden ist, sodaß infolge Nichtanfechtung davon auszugehen war, daß die Beklagte nicht Vertragspartner war. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens infolge Abgehens vom Tatsachengeständnis wurde nicht geltend gemacht, sodaß das Berufungsgericht von den vom Geständnis abweichenden Tatsachenfeststellungen hätte ausgehen müssen (SSV-NF 3/104; 10 Ob S 256/92; MietSlg. 34.759; Fasching, Lehrbuch2 Rz 849; vgl. 5 Ob 55/69).

Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung durfte die Klägerin davon ausgehen, daß die von ihr beklagte Partei sowohl den Kauf- wie auch den Werkvertrag abgeschlossen habe, denn diesbezüglich war seitens der Beklagten ein Tatsachengeständnis erfolgt. Die Verhandlung wurde gemäß § 193 ZPO geschlossen, wobei beide Parteien auf die Erörterung der beiden noch von der Beklagten vorzulegenden Verträge (Kauf- und Werkvertrag) verzichteten (AS 83). Nach der Einsichtnahme in diese Urkunden erkannte das Erstgericht, daß die Tochtergesellschaft der Beklagten sowohl beim Werk- wie auch beim Kaufvertrag als Vertragspartner aufschien. Das bedeutet, daß das Gegenteil der von der Beklagten zugestandenen Tatsache (Beklagte sei Vertragspartnerin gewesen) dem Gericht im Zuge seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden ist, bzw. daß die Unrichtigkeit des Geständnisses im laufenden Rechtsstreit aufgrund der Beweisergebnisse als eindeutig erwiesen erscheint. Diese Fälle stellen aber Ausnahmen von der bindenden Wirkung eines Tatsachengeständnisses dar (JBl. 1990, 590;

VersR 1968, 1052; 1 Ob 203/75; 7 Ob 299/62; SZ 50/2; 2 Ob 144/78;

vgl. EvBl. 1977/209; Fasching, Lehrbuch2 Rz 851), sodaß das Erstgericht durchaus vom Zugeständnis abweichende Tatsachenfeststellungen treffen durfte. Allerdings wären die von der Beklagten nach Schluß der Verhandlung vorgelegten Urkunden trotz des Verzichts der Parteien auf deren Erörterung einer solchen zu unterziehen gewesen, zumal die Klägerin zu dem für sie überraschenden Urkundeninhalt nicht mehr Stellung beziehen konnte. Die Erörterung der beiden Urkunden hätte der Klägerin ein Vorbringen dahin ermöglicht, daß das von der A***** Immobilien ***** Gesellschaft mbH abgeschlossene Geschäft zweckgleich mit dem der Muttergesellschaft (= Beklagte) angebotenen gewesen sei, sodaß eine Provisionspflicht der Beklagten durchaus zum Tragen kommen konnte (MietSlg. 39.706). Die Unterlassung der Wiedereröffnung der Verhandlung durch das Erstgericht, um der Beklagten eine Stellungnahme zum überraschenden Urkundeninhalt und dementsprechend ergänzendes Vorbringen zu ermöglichen, bewirkt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sodaß mit Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen vorzugehen ist.

Für den Fall, daß die Provisionspflicht der Beklagten zu bejahen ist, wird das Erstgericht entsprechende Feststellungen zu treffen haben, was Gegenstand der verdienstlichen Vermittlungstätigkeit der Klägerin war, die Vermittlung eines Kaufvertrags über eine Liegenschaft samt (abzubrechendem) Gebäude oder einer Liegenschaft samt einem bereits von den Liegenschaftseigentümern erstellten Verbauungsprojekt. War letzteres von der Vermittlungstätigkeit der Klägerin umfaßt, wird sich das Erstgericht mit der Frage zu befassen haben, ob auch die Leistungen aus dem Werkvertrag zugunsten der Klägerin eine Provisionspflicht nach sich ziehen, insbesondere im Hinblick auf § 12 ImmMV (vgl. hiezu RdW 1991, 302; Assern in ImmZ 1981, 183 f). In diesem Zusammenhang wird auf den Einwand der Beklagten einzugehen sein, daß es branchenfremd sei, einen über den Grundstückserwerb hinausgehenden Werkvertrag einer Provisionspflicht zu unterstellen, wobei die Beklagte zum Beweis dieses Vorbringens die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fach des Immobilienmaklerwesens angeboten hat (S.2 des Protokolls vom 27.10.1992 = AS 79). Es wird demnach allenfalls auch die Einholung eines solchen Sachverständigengutachtens nötig sein.

Der Revision ist Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen sind - mit Ausnahme des rechtskräftig abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens - aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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