JudikaturJustiz1Ob24/91

1Ob24/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei STADTGEMEINDE S*****, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei M*****GESELLSCHAFT mbH Co KG, ***** vertreten durch Dr. Albin Ortner und Dr. Hans Jalovetz, Rechtsanwälte in Villach, wegen Entfernung und Unterlassung (Streitwert S 80.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. April 1991, GZ 2 R 17/91-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31. Oktober 1990, GZ 26 Cg 68/90-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.094,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 849,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin des an das Ufer des Millstätter Sees, der öffentliches Gewässer ist, angrenzenden, an der "Laggerbucht" gelegenen Grundstückes Nr. 80/11 KG Großegg am Millstätter See, das vom See her über eine (Schiffs )Landungsbrücke erreicht bw. verlassen werden kann. Diese Landungsbrücke wird unter anderem von der beklagten Partei für Schiffahrtszwecke benützt.

Mit Schreiben vom 16.7.1987 forderte das Bundesministerium für Verkehr die beklagte Partei auf, die Landungsanlage im Sinne des § 12 Abs.6 SchiffahrtsanlagenV unverzüglich mit einer Absperrvorrichtung auszustatten und über das Veranlaßte bis 30.9.1987 zu berichten. Mit Schreiben vom 29.7.1988 erteilte das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr der klagenden Partei über die Verpflichtung zur Absicherung von Landungsanlagen in diesem Sinne ausführliche Rechtsbelehrung.

Die beklagte Partei errichtete im Frühjahr 1988 auf dem landseitigen Zugang dieser Landungsbrücke eine versperrbare Schrankenanlage.

Die klagende Partei begehrte zunächst die Verurteilung der beklagten Partei zur Entfernung der versperrbaren Abschrankung und zur Unterlassung aller Handlungen, die den freien Zugang bzw. die freie Benützbarkeit des Landungssteges beeinträchtigen können. Sie sei Eigentümerin der Landungsbrücke, die von ihr und ihren Rechtsvorgängern schon seit Jahrzehnten der Öffentlichkeit, insbesondere den Gemeindebürgern und den Gästen, zur Verfügung gestellt worden und öffentlich zugänglich gewesen sei; auch die Fahrgäste der beklagten Partei hätten den Landungssteg und den weiterführenden Zugang über das Grundstück der klagenden Partei benützt. Die beklagte Partei verwehre nun dem Publikum - ausgenommen die eigenen Fahrgäste - die Benützung des Landungssteges.

Die beklagte Partei erhob, soweit sich die klagende Partei auf den Gemeingebrauch beruft, die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und wendete im übrigen ein, sie selbst sei Eigentümerin der von ihr Mitte der Sechzigerjahre auf öffentlichem Wassergut errichteten Schiffslandungsbrücke; für die Benützung des öffentlichen Gutes zahle sie einen Pachtzins. Die versperrbare Abschrankung, durch die der Öffentlichkeit der freie Zugang nicht verwehrt, sondern lediglich eingeschränkt werde, entspreche den Bestimmungen der Schiffahrtsanlagen-Verordnung und sei von ihr auf ausdrückliche Anordnung durch das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr errichtet worden.

Darauf erwiderte die klagende Partei, ein behördlicher Bescheid liege nicht vor und die breite Öffentlichkeit habe das Recht des freien Zugangs ersessen; die Eigentumsverhältnisse am Landungssteg bedürften daher keiner Klärung. Unmittelbar vor Schluß der Verhandlung "präzisierte" sie das Klagebegehren dahin, die beklagte Partei sei schuldig, "die Absperrung der Abschrankung an jenem Anlegestück, das von der Parzelle 80/11 der KG Großegg aus erreichbar ist, zu entfernen....".

Das Erstgericht gab dem präzisierten Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren mit der Maßgabe statt, daß es anstelle des Worts "Anlegestück" den Ausdruck "Anlegesteg" verwendete.

Es stellte fest, der Landungssteg bestehe schon seit dem Jahr 1920 und sei - da man mit dem Schiff das Nordufer des Sees bis heute am einfachsten von dessen Südufer aus erreichen könne - zumindest seit 1951 nicht nur von der beklagten Partei, sondern auch von anderen Schiffahrtskonzessionären benützt worden und für jeden Schiffahrtsgast und Gemeindebürger frei zugänglich gewesen. Durch die von der beklagten Partei "ohne Verständigung der Bedarfsschiffahrt" errichtete versperrbare Abschrankung sei der Zugang für die breite Öffentlichkeit unmöglich gemacht und anderen Schiffahrtsunternehmen die Benützung verwehrt worden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, durch die zumindest schon 30 Jahre dauernde Benützung der Landungsbrücke durch Gemeindebürger und Gäste sei eine unregelmäßige Dienstbarkeit, deren Subjekt die klagende Partei sei, ersessen worden. Dieser Dienstbarkeit zufolge sei der Steg ungehindert benützbar zu halten. Selbst bei behördlicher Anordnung hätte die beklagte Partei in das ersessene Recht durch die Absperrung nicht eingreifen dürfen; sie wäre dann verpflichtet, mit den übrigen Berechtigten "eine Lösung des Problems" herbeizuführen. Die beklagte Partei hindere die breite Öffentlichkeit an der Ausübung ihres Rechtes.

Das Gericht zweiter Instanz wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, gemäß § 38 Abs.1 WRG 1959 bedürfe die Errichtung eines Bootsanlegeplatzes am Ufer eines stehenden öffentlichen Gewässers der wasserrechtlichen Bewilligung. Auf Landungsanlagen für den Fahrgastverkehr sei bis zum Inkrafttreten des Schiffahrtsgesetzes 1990 § 12 SchiffahrtsanlagenV BGBl. 1973/87 anzuwenden gewesen. Dieser Bestimmung zufolge sei der landseitige Zugang zur Landungsanlage mit einer Absperrvorrichtung zu versehen, die erst nach dem Anlegen des Fahrzeuges und nur von Bediensteten der Schiffahrtsunternehmung oder einer betrauten Person geöffnet werden dürfe. Den von der beklagten Partei vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr bzw. öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 16.7.1987 und 29.7.1988 zufolge habe die beklagte Partei durch die Errichtung der Abschrankung einem gesetzlich gedeckten behördlichen Auftrag entsprochen. Damit scheide deren eigenmächtiges Vorgehen als Klagegrund aus; gleichgültig sei es, ob durch die behördlich aufgetragene Vorkehrung das Eigentum der klagenden Partei oder eine Dienstbarkeit beeinträchtigt worden sei bzw. werde. An sich zögen wasser- bzw. schiffahrtsrechtliche Bewilligungen noch keinen Eingriff in fremde Privatrechte nach sich, doch könne mit der Eigentumsfreiheitsklage nur belangt werden, wer unbefugt in das Eigentum eingegriffen habe. Diese Klage diene der Abwehr einer Eigentumsstörung durch einen unberechtigten Eingriff. Die Befolgung einer behördlichen Anordnung durch die selbst jedenfalls nutzungsberechtigte Beklagte schließe, auch wenn sie nicht die Eigentümerin der Landungsbrücke sein sollte, ein eigenmächtiges Vorgehen der beklagten Partei aus. Das Beseitigungsbegehren sei daher nicht berechtigt. Mangels rechtswidrigen Eingriffs fehle auch die Wiederholungsgefahr, die wieder Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch der klagenden Partei wäre. Diese sei auch nicht berechtigt, Rechte Dritter geltend zu machen bzw. zu schützen. Eine eigene Dienstbarkeit habe sie gar nicht behauptet. Eine solche könne zwar grundsätzlich auch von einer Gemeinde ersessen werden, seit dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes am 1.11.1934 nicht jedoch am öffentlichen Wassergut (§ 4 Abs.6 WRG 1959). Sollte der klagenden Partei ein Nutzungsrecht an der Landungsbrücke als einem Superädifikat im Sinne des § 435 ABGB zustehen, hätte sie lediglich die Ausfolgung eines Schlüssels für die versperrbare Abschrankung, nicht aber auch deren Entfernung verlangen dürfen. Soweit sich die klagende Partei auf Gemeingebrauch berufe, sei ihr der Rechtsweg verwehrt. Deshalb habe das Erstgericht auch zu Unrecht eine Dienstbarkeit der klagenden Partei unterstellt.

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Die gegensätzlichen Rechtsstandpunkte der Streitteile lassen sich dahin zusammenfassen, daß die klagende Partei ihr Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren auf ihr Eigentum (ON 1, S.2) bzw. auf ein nicht näher beschriebenes Nutzungsrecht (vgl. ON 20, S.3) stützt, wogegen die beklagte Partei, deren Recht zur Benützung der Landungsanlage für ihre Schiffahrtszwecke unbestritten blieb, die Errichtung der versperrbaren Schrankenanlage mit der sie treffenden schiffahrtsrechtlichen Verpflichtung hiezu rechtfertigt. Dem Gericht zweiter Instanz ist darin beizupflichten, daß es der Klärung der von der klagenden Partei in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage zur Abwehr des behaupteten Eingriffes gar nicht bedarf, weil die Rechtssache schon mangels Rechtswidrigkeit des behaupteten Eingriffes im Sinne der Klagsabweisung spruchreif ist:

Auf Unterlassung weiterer Störungen bzw. auf Beseitigung der störenden Anlagen kann mit Erfolg nur in Anspruch genommen werden, wer unbefugtermaßen - demnach rechtswidrig - in die Rechte des Klägers eingreift (SZ 57/183; EvBl. 1982/93; SZ 42/116 uva; Petrasch in Rummel2 § 523 Rz 9 und 10; Pimmer in Schwimann, ABGB § 523 Rz 32). Kann sich der Beklagte daher auf ein Recht zum Eingriff (etwa ein entsprechendes Gebrauchs- oder Nutzungsrecht) berufen (vgl. SZ 57/183), mag dieses nun im privaten oder im öffentlichen Recht wurzeln, oder halten sich dessen Maßnahmen im Rahmen des Gemeingebrauchs (SZ 53/16), kann einem solchen Begehren mangels Rechtswidrigkeit des Eingriffes kein Erfolg beschieden sein. Umso weniger kann der Eigentümer oder sonst Berechtigte dann mit einem Unterlassungsbegehren durchdringen, wenn der Beklagte zu der Vorkehrung, durch die er in das Recht des Klägers eingreift, nicht nur befugt, sondern - etwa aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften - sogar verpflichtet ist.

Die Verpflichtung zur Errichtung der Abschrankung, deren "Absperrung" zu entfernen die klagende Partei zuletzt begehrt hat, war zur maßgeblichen Zeit durch § 12 Abs.6 der Schiffahrtsanlagen-Verordnung (BGBl. 1973/87 idFd BGBl 1983/190) und ist nun im inhalts- und weitgehend sogar wortlautgleichen § 17 Abs.6 der Schiffahrtsanlagenverordnung, BGBl. 1991/334, festgelegt. Die beklagte Partei war auch bereits von der Behörde aufgefordert worden, dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen. Nach den genannten Bestimmungen war und ist der landseitige Zugang zur Landungsanlage mit einer Absperrvorrichtung (zB Kette oder Schlagbaum) zu versehen, die erst nach dem Anlegen des Fahrzeuges und nur von Bediensteten der Schiffahrtsunternehmung oder einer betrauten Person geöffnet werden durfte bzw. darf. Die klagende Partei meint nun, diese durch die genannten Verordnungen statuierte Verpflichtung der Schiffahrtsunternehmung beinhalte bloß die Errichtung einer Schrankenanlage, nicht aber auch die Anbringung einer Sperrvorrichtung an dieser Anlage, doch kann dieser Auffassung nicht beigepflichtet werden: Die genannten Bestimmungen sollen die Sicherheit der ein- und aussteigenden Fahrgäste sowie des Schiffspersonals gewährleisten. Soll gesichert sein, daß die Absperrvorrichtung - wie vorgeschrieben - nur von den hiezu befugten Personen geöffnet werden kann, muß eine solche versperrbare Einrichtung (zB ein Schloß) angebracht werden. Anders könnte Unbefugten die Betätigung der Absperrvorrichtung nicht wirksam verwehrt werden. Eine nicht versperrbare Schrankenanlage würde daher den in diesen Verordnungen festgelegten Anforderungen nicht gerecht werden können. Bei am Zweck dieser Sicherheitsvorschriften orientierten Auslegung muß die darin vorgeschriebene Absperrvorrichtung somit versperrt gehalten werden können und auch versperrt gehalten werden (vgl. hiezu auch Beilage 5).

Da die beklagte Partei zur Errichtung der versperrbaren Abschrankung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch eine schiffahrtspolizeiliche Anordnung verhalten wurde, kann von einem rechtswidrigen Eingriff in das von der klagenden Partei in Anspruch genommene Nutzungsrecht an der Landungsanlage keine Rede sein; ob und inwieweit der klagenden Partei das behauptete Nutzungsrecht überhaupt zusteht, kann demnach ungeprüft bleiben.

Soweit sich die klagende Partei im übrigen auf den Gemeingebrauch beruft, genügt es darauf hinzuweisen, daß ihr zu dessen Geltendmachung der Rechtsweg verwehrt ist (Petrasch aaO Rz 2 mwN).

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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