JudikaturJustiz1Ob160/74

1Ob160/74 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 1974

Kopf

SZ 47/105

Spruch

Die ungerechtfertigte Verweigerung einer Entscheidung im außerstreitigen Verfahren ist auch noch über einen außerordentlichen Revisionskurs als Nullität wahrzunehmen

Ansprüche des Vaters wegen Wegfalls seiner im außerstreitigen Verfahren festgesetzten Unterhaltsverpflichtung sind nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes im streitigen Verfahren geltend zu machen

OGH 7. Oktober 1974, 1 Ob 160/74 (LGZ Wien 44 R 182/74; BG Innere Stadt Wien 3 P 150.69)

Text

Der am 14. Dezember 1953 geborene Sohn des Revisionsrekurswerbers, Klaus H, wurde mit dem Inkrafttreten des Volljährigkeitsgesetzes, BGBl Nr. 108/1973, am 1. Juli 1973 volljährig. Zu diesem Zeitpunkt war sein Vater nach dem Beschluß des Erstgerichtes vom 25. August 1972, ON 98, zur Bezahlung eines Unterhaltes von 8% seines jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens verpflichtet. Am 24. Juli 1972 (ON 95) hatte sein Vater beantragt ihn ab 1. August 1972 wegen Selbsterhaltungsfähigkeit seines Sohnes von seiner Unterhaltsverpflichtung zu befreien. Dieser Antrag wurde zunächst in zwei Instanzen abgewiesen, jedoch wurden diese Beschlüsse vom Obersten Gerichtshof aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren beantragte Klaus H ihm die gerichtliche Bewilligung für das Medizinstudium - die Anerkennung der Berechtigung dieses Studiums war Vorfrage für die Prüfung der vom Vater behaupteten Selbsterhaltungsfähigkeit - zu erteilen. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht (ON 128) bewilligt. Der Beschluß wurde der Ehegattin des Vaters am 29. Oktober 1973 zugestellt. Mit Schriftsatz vom selben Tage (ON 129) erklärte sich der Vater bereit, für seinen Sohn Klaus einen monatlichen Unterhalt von 400 S zu bezahlen; für den Fall, daß dieser Betrag seinem Sohn nicht genügen sollte, beantragte er aber neuerlich, seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn Klaus mit 1. August 1972 für erloschen zu erklären. Der Beschluß ON 128 blieb unbekämpft. Am 18. Dezember 1973 erschien der Vater beim Rechtspfleger des Erstgerichtes und gab folgende Erklärung ab:

,Unter Hinweis auf den rechtskräftigen Beschluß vom 6. Oktober 1973, mit welchem dem Klaus H die gerichtliche Genehmigung zum Medizinstudium erteilt wurde, ziehe ich meinen Antrag auf Unterhaltseinstellung gegenüber dem Klaus (ab 1. August 1972) zurück. Mit Eingabe vom 28. Feber 1974 beantragte der Vater jedoch, über seinen Antrag auf Befreiung von der Unterhaltspflicht zu entscheiden. Hierüber befragt gab er an, er habe den Antrag ON 129 nicht aber den Antrag ON 95 zurückgezogen; diese Auffassung wiederholte er bei neuerlicher Vernehmung und in einem Schriftsatz.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, ihn von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem ehelichen Sohn Klaus H ab 1. August 1972 zu entheben, zurück. Der Vater habe seinen Antrag am 18. Dezember 1973 zurückgezogen. Zu diesem Zeitpunkt sei Klaus H bereits volljährig und ein weiterer Antrag nicht offen gewesen. Alle strittigen Fragen zwischen dem Vater und seinem Sohn Klaus könnten nur mehr im Prozeßverfahren gelöst werden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Vaters zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Zur Bemessung gehört auch die Beurteilung der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit (JB 60 neu = SZ 27/177). Die Untergerichte haben jedoch keine Unterhaltsbemessung vorgenommen, sondern einen Antrag des Vaters mit der Begründung zurückgewiesen, daß er seinen vor Eintritt der Volljährigkeit seines Sohnes Klaus H gestellten Antrag zurückgezogen habe, nach Eintritt der Volljährigkeit gestellte Anträge jedoch nicht mehr im außerstreitigen Verfahren entschieden werden könnten. Die Untergerichte haben damit eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für ihre Entscheidung über ein Unterhaltsbemessungsbegehren verneint und eine neue Unterhaltsbemessung im außerstreitigen Verfahren abgelehnt. Ist darüber zu befinden, ob ein erhobener Anspruch im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen ist, findet die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs. 2 AußStrG keine Anwendung (SZ 44/161; RZ 1968, 137; JB 60 neu = SZ 27/177).

Da die zweite Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, unterliegt der vom Vater erhobene Revisionsrekurs aber doch den Beschränkungen des § 16 Abs. 1 AußStrG; er ist daher nur zulässig, wenn dem Rekursgericht bei seiner Entscheidung eine offenbare Gesetz- oder Aktenwidrigkeit unterlaufen oder aber seine Entscheidung mit einem Nichtigkeitsgrund behaftet wäre. Der Vater macht ausdrücklich keinen der erwähnten Anfechtungsgrunde geltend, es liegt aber auch inhaltlich keiner vor. In Betracht kommt überhaupt nur der Anfechtungsgrund der Nichtigkeit, erledigten die Untergerichte den Antrag des Vaters doch formell, indem sie die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens verneinten; die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften kann aber nicht wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, deren Gegenstand nur materiellrechtliche Unrichtigkeiten sein können (EvBl. 1974/127; SZ 43/228 u. v. a.), sondern nur wegen Nichtigkeit bekämpft werden (EvBl. 1974/127; EFSIg. 14.668; SZ 23/10 u. v. a.).

Wurde über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache im streitigen Verfahren erkannt, ist dieses nichtig (§ 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO; vgl. SZ 44/155; EvBl. 1967/25). Ebenso ist aber auch, wenn ein auf den ordentlichen Rechtsweg gehörender Anspruch im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht wurde, die darüber ergangene Entscheidung in analoger Anwendung des § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO ebenfalls als nichtig anzusehen (EvBl. 1974/127; EvBl. 1970/113; EvBl. 1967/289 u. a.; vgl. dazu auch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 1 AußStrG, nach der das Gericht in nicht streitigen Rechtsangelegenheiten die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit nicht überschreiten soll). Auch wenn der Außerstreitrichter an eine rechtskräftige Unzuständigkeitsentscheidung des Prozeßgerichtes (SZ 23/235) und umgekehrt dieses an eine Unzuständigkeitsentscheidung des Außerstreitrichters (SZ 38/6) gebunden ist, ist der erkennende Senat der Ansicht, daß die Abgrenzung des außerstreitigen vom streitigen Verfahren von so großer Bedeutung ist, daß die ungerechtfertigte Verweigerung einer Entscheidung im außerstreitigen Verfahren auch noch über einen nach § 16 Abs. 1 AußStrG erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wahrzunehmen ist. Die gerichtliche Entscheidung, die die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens verneint und damit den Betroffenen zwingt, ein Urteil in einem Verfahren zu begehren, das ohne Bindung an diese Entscheidung nichtig wäre muß nämlich als mit einem gleich bedeutsamen Verfahrensmangel behaftet angesehen werden wie eine die Entscheidungsbefugnis zu Unrecht in Anspruch nehmende (vgl. auch SZ 43/228; Ott, Rechtsfürsorgeverfahren 216; Barchetti in ÖJZ 1962, 424).

Damit ist aber für den Rechtsmittelwerber im vorliegenden Fall nichts gewonnen. Nach ständiger Rechtsprechung (JB 237 alt = GlUNF 7608; EFSIg. 10.797 vgl. auch SZ 44/161) ist nämlich nur über Unterhaltsansprüche pflegebefohlener Kinder gegen ihre Eltern im außerstreitigen Verfahren, über Unterhaltsansprüche eigenberechtigter Kinder jedoch im streitigen Verfahren zu entscheiden. Gleiches gilt für Ansprüche des Vaters wegen Wegfalls seiner Unterhaltsverpflichtung infolge Eintritts der Selbsterhaltungsfähigkeit seines Kindes. Was zu geschehen hat, wenn ein Minderjähriger während der Anhängigkeit eines Verfahrens vor dem Außerstreitrichter volljährig wird, regelt die Bestimmung des § 29 JN, nach der jedes Gericht in Rechtssachen, welche rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, auch wenn sich die Umstände, welche bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert haben. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es also dafür, ob über den Unterhalt eines Kindes im außerstreitigen oder im streitigen Verfahren abzusprechen ist, allein darauf an, ob das Kind im Zeitpunkt der Anspruchserhebung noch minderjährig oder bereits volljährig ist (EvBl. 1974/127 u. a.). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Sinne auch bereits ausgesprochen, daß nur über den vom ehelichen Vater vor erreichter Volljährigkeit seines Kindes gestellten Antrag, das Erlöschen der Unterhaltspflicht auszusprechen, das Pflegschaftsgericht auch noch nach Erreichung der Volljährigkeit im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden hat (EFSIg. 16.702; SZ 39/13). Das Erstgericht hat demnach auch das bei ihm anhängige Verfahren über den Antrag des Vaters, auf Beendigung seiner Unterhaltsverpflichtung für seinen Sohn Klaus über dessen mit 1. Juli 1973 eingetretene Volljährigkeit hinaus, fortgesetzt. Dieses Verfahren erhielt allerdings durch den rechtskräftigen Beschluß des Erstgerichtes über die Genehmigung des Medizinstudiums des Sohnes Klaus eine neue Richtung, da damit die Vorfrage, ob Klaus überhaupt selbsterhaltungsfähig sei, bereits im negativen Sinne entschieden war. Wenn nun der Vater vor Gericht ausdrücklich und unter Hinweis auf die Rechtskraft des Beschlusses über die Berufswahl seines Sohnes Klaus seinen Antrag auf Unterhaltseinstellung ab 1. August 1972 vorbehaltslos zurückzog, war damit das im Zeitpunkt des Eintrittes der Volljährigkeit des Sohnes Klaus anhängige Verfahren beendet. Die Erklärung des Vaters war vollig unmißverständlich. Es kann bei einem Akademiker, abgesehen davon, daß Irrtum bei einer verfahrensrechtlichen Erklärung ohnehin nicht geltend gemacht werden kann (vgl. EvBl. 1956/197 SZ 23/237) auch nicht angenommen werden, er wäre sich der Bedeutung seiner Erklärung nicht bewußt gewesen. Wenn der Vater das Verfahren dann dennoch fortsetzen wollte, handelte es sich in Wahrheit um einen neuen Antrag, der jedoch als in einem Zeitpunkt, zu dem Klaus bereits volljährig war, gestellt im außerstreitigen Verfahren nicht mehr erledigt werden durfte. Die Zurückweisungsbeschlüsse der Untergerichte entsprachen damit der Gesetzeslage und waren keineswegs nichtig.

Rechtssätze
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  • RS0043758OGH Rechtssatz

    12. März 1991·3 Entscheidungen

    I) Durch § 14 Abs 2 AußStrG und § 502 Abs 2 ZPO wird eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand haben. Das Rechtsmittel an die dritte Instanz ist also insbesondere zulässig, wenn die Anfechtung die Entscheidung über den Grund des Anspruches oder über verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft. II) Zur Bemessung gehört die Beurteilung 1.) der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, 2.) der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind (wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten, Leistungen anderer Personen), 3.) der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. III) Die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz ist auch dann nicht anfechtbar, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruches auf Unterhaltsleistung führt. IV) Der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes steht aber die Frage offen, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt. V) Die Rechtsmittelbeschränkung gilt auch für einstweilige Verfügungen, mit denen ein gesetzlicher Unterhalt vorläufig bemessen wird, nicht aber für Oppositionsprozesse und nicht für andere Prozesse, in denen die Bemessungsfrage eine materiellrechtliche Vorfrage bildet.