JudikaturJustiz15Os55/22k

15Os55/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Marko, BA, BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. Februar 2022, GZ 39 Hv 141/21h 37, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (I./2./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./3./), sowie des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (II./) schuldig erkannt und zu einer – nicht bedingt nachgesehenen – Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Danach hat er in W* und andernorts

I./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain mit durchschnittlich 67,63 % Reinsubstanz Cocain,

1./ im Zeitraum von Anfang Juni bis Ende Juli 2021 zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum besessen, nämlich 100 Gramm;

2./ im Zeitraum von Anfang Juni bis Ende Juli 2021 in Bezug auf eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge unbekannten Suchtgiftabnehmern durch eine Vielzahl an Übergaben zum Preis von 100 Euro pro Gramm überlassen, nämlich 400 Gramm Kokain beinhaltend 270,52 Gramm Reinsubstanz Cocain;

3./ am 2. Oktober 2021 in Bezug auf eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz zu erwerben und zu besitzen versucht , dass es in Verkehr gesetzt werde, nämlich 1.000 Gramm Kokain beinhaltend 676,3 Gramm Reinsubstanz Cocain;

II./ im Zeitraum von 1. Juni bis 2. Oktober 2021 Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice S* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen zur Auszahlung von No tstandshilfe und Überbrückungshilfe in Höhe von insgesamt 2.841,02 Eu ro verleite t, indem er anlässlich seiner Anträge auf Gewährung dieser Hilfen sein durch den Verkauf von Suchtgift erzieltes monatliches Einkommen und damit seine wahren Vermögens- und Einkommensverhältnisse verschwieg .

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die nominell nur auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Nichtigkeit aus Z 11 liegt (nur) vor, wenn das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten hat (erster Fall), beim Sanktionsausspruch eine oder mehrere für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsache(n) offenbar unrichtig beurteilt hat (zweiter Fall) oder wenn es in unvertretbarer Weise Fallnormen zur Strafbemessung herangezogen hat, die mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht in Einklang zu bringen sind oder Grundrechtsverstöße in unvertretbarer Weise nicht anerkannt oder ausgeglichen hat (dritter Fall; vgl zu allem Ratz , WK StPO § 281 Rz 662 ff).

[5] Unter Hinweis auf § 31 deutsches Betäubungsmittelgesetz behauptet der Beschwerdeführer, er habe mit der Staatsanwaltschaft Traunstein/Deutschland einen „Deal“ ausgehandelt, wonach im Fall eines umfassenden Geständnisses zu seinen Suchtgiftaktivitäten keine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werde. Durch die nunmehrige Vorgangsweise der staatlichen Behörden fühle er sich „betrogen, hintergangen und hinters Licht geführt“ und das Schöffengericht hätte – „auch wenn das österreichische Strafgericht die deutsche Bestimmung des § 31 BtMG nicht anwenden kann“ – die Vereinbarung mit den deutschen Behörden bei der Strafbemessung „entsprechend“ berücksichtigen müssen. Damit zeigt er aber keine Urteilsnichtigkeit iSd Z 11 auf, sondern erstattet lediglich ein Berufungsvorbringen (RIS Justiz RS0099911).

[6] Mit dem Einwand, der auf den Schuldspruch zu I./2./ bezogene Ausspruch des Verfalls eines Geldbetrags von 40.000 Euro sei verfehlt, weil dem Angeklagten der aus dem Verkauf von Suchtgift resultierende Vermögenszuwachs nicht verblieben, sondern von * R* abgenommen worden sei und er diesen Betrag mangels verfügbarer Geldmittel gar nicht zahlen könnte, wird eine Überschreitung der Anordnungsbefugnis auf Basis des Urteilssachverhalts (US 4, 9 f) nicht dargestellt. Denn Bezugspunkt für die Berechnung des Verfallsbetrags sind gemäß § 20 Abs 1 StGB alle Vermögenswerte, die (hier:) durch eine mit Strafe bedrohte Handlung erlangt wurden (RIS Justiz RS0132346). Die Vermögenslosigkeit des Angeklagten wiederum stellt nicht den Anwendungsfall des § 20a Abs 3 zweiter Fall StGB dar, weil sich die Unverhältnismäßigkeit der genannten Bestimmung allein auf den Ermittlungsaufwand, nicht aber auf die geringe Wahrscheinlichkeit der (erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu prüfenden [§§ 408 f StPO]) Einbringung des jeweiligen Vermögenswerts bezieht (RIS Justiz RS0131561; siehe auch Fuchs/Tipold in WK 2 StGB § 20a Rz 36 ff).

[7] Die Kritik an der gemäß § 494a Abs 6 StPO erfolgten Verlängerung einer Probezeit (US 3, 9) richtet sich nicht gegen das Urteil und stellt lediglich ein Beschwerdevorbringen dar.

[8] Ebenso kein Nichtigkeitsgrund wird mit der Behauptung angesprochen, das Erstgericht hätte die Kosten des Strafverfahrens bereits bei der Urteilsfällung für uneinbringlich erklären müssen.

[9] Die zu I./3./ gegen die Nichtannahme der Privilegierung nach § 28 Abs 4 zweiter Fall SMG erhobene Rüge (der Sache nach Z 10 [RIS Justiz RS0131857]) verweist bloß auf mehrere Angaben des Angeklagten, wonach er stark kokainabhängig sei und Kokain verkauft habe, um seine Sucht zu finanzieren (ON 9 S 2, ON 26 S 99, ON 36 S 3). Weshalb aus diesen Passagen die Annahme indiziert gewesen wäre, der Angeklagte habe die Tat vorwiegend deshalb begangen, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen (vgl RIS Justiz RS0125836), zeigt sie aber nicht auf (vgl RIS Justiz RS0118580 [T15]). Mit Blick auf das Erfordernis kumulativen Vorliegens der in § 27 Abs 5 SMG genannten Voraussetzungen (vgl 14 Os 72/19y, 11 Os 41/21w) war auf die Gewöhnung des Angeklagten an Suchtmittel nicht weiter einzugehen.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
4