JudikaturJustiz15Os3/23i

15Os3/23i – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lung in der Strafsache gegen * M* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 und 4 erster Fall (idF BGBl I 2017/117), § 15 StGB, AZ 83 Hv 47/22x des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 15. Juli 2022, GZ 83 Hv 47/22x 83, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, und des Verteidigers Mag. Kregcjk zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Juli 2022, GZ 83 Hv 47/22x 83, verletzt in Ansehung des Angeklagten * M*

1./ im Schuldspruch I./A./ und I./B./ § 165 Abs 4 erster Fall StGB (idF BGBl I 2017/117);

2./ im gesonderten Schuldspruch II./ in Betreff der von I./B./ umfassten Tat § 12 StGB;

3./ im Unterlassen der Bildung einer Subsumtionseinheit zum Schuldspruch I./A./, I./B./ und II./ (iVm I./C./) § 29 StGB;

4./ im Unterbleiben einer Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 11. September 2020, AZ 10 U 1/20b, § 31 Abs 1 erster Satz StGB.

Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten M* in der Subsumtion der vom Schuldspruch I./A./ und I./B./ erfassten Taten auch nach § 165 Abs 4 erster Fall StGB (idF BGBl I 2017/117) sowie in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, weiters im Schuldspruch II./ (insoweit ersatzlos), demzufolge auch im Strafausspruch sowie der nach § 494a StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurden mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Juli 2022, GZ 83 Hv 47/22x 83, * M* des „Verbrechen[s] der teils versuchten Geldwäscherei nach § 165 Absatz 2 und Absatz 4 erster Fall StGB idF BGBl I 117/2017, teils iVm § 15 StGB“ (I./A./ und I./B./) und des „Vergehen[s] der Geldwäscherei nach §§ 12 zweiter Fall, 165 Abs 2 [StGB] idF BGBl I 117/2017“ (II./) und * V* des „Vergehen[s] der teils versuchten Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB idF BGBl I 117/2017, teil[s] iVm § 15 StGB“ (I./B./ und I./C./) schuldig erkannt. M* wurde „nach § 165 Absatz 4 StGB idF BGBl I 117/2017“ zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Danach haben sie in W*

I./ wissentlich Vermögensbestandteile teils an sich gebracht, teils an sich zu bringen versucht und teils Dritten übergeben, die aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung eines anderen stammen, nämlich einer international agierenden Tätergruppe, deren Mitglieder mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zumindest im Jahr 2020 die angeführten Unternehmen sowie Personen durch Manipulationen von E Mails unter Verwendung unternehmensinterner Daten, durch die den Verfügungsberechtigten dieser Unternehmen sowie den Personen von der Tätergruppe erstellte Rechnungen unter Nennung von in ihrer Verfügungsmacht liegenden Bankkonten vorgelegt wurden, in Verbindung mit der konkludenten wahrheitswidrigen Behauptung, die Rechnungen seien aufgrund erbrachter oder noch zu erbringender Leistungen zu begleichen, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Daten, zur Durchführung von Überweisungen verleitet und zu verleiten versucht hat, welche die Unternehmen sowie Personen in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten oder schädigen sollten, und zwar

A./ M* „hinsichtlich eines 50.000 Euro übersteigenden Werts“

1./ durch das Zurverfügungstellen seines Kontos mit dem IBAN * der zu I./ genannten Tätergruppe, auf das von 13. bis 15. April 2020 Eltern von Schülern der S* (hier: * Sh*) zumindest 38.220 Euro überweisen hätten sollen, wobei die Überweisungen aufgrund Erkennens der falschen Kontodaten nicht durchgeführt wurden und es beim Versuch blieb;

2./ durch das Zurverfügungstellen seines zu 1./ konkretisierten Kontos der zu I./ genannten Tätergruppe, auf das durch Verfügungsberechtigte der nachangeführten Unternehmen nachgenannte Beträge überwiesen wurden, weiters durch das Beheben dieser Beträge und die Weitergabe derselben an unbekannte Täter, nämlich

a./ am 24. April 2020 von der G* Limited 18.021,43 Euro;

b./ am 28. April 2020 von der A* Limited 31.392,03 Euro;

B./ M* und V* am 26. Mai 2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken, indem V* ihr Konto mit dem IBAN * der zu I./ genannten Tätergruppe zur Verfügung stellte, sie den von der tschechischen Gemeinde O* überwiesenen Betrag von 15.610 Euro behoben und zumindest 15.000 Euro an unbekannte Täter weitergaben;

C./ V*

1./ durch das Zurverfügungstellen ihres zu B./ konkretisierten Kontos der zu I./ genannten Tätergruppe, auf das am 18. Mai 2020 von der So* ein Betrag in unbekannter Höhe überwiesen hätte werden sollen, wobei die Überweisung aufgrund Erkennens der falschen Kontodaten nicht durchgeführt wurde und es beim Versuch blieb;

2./ nach dem 26. Mai 2020 durch Zueignen von 600 Euro des ihr zu B./ überwiesenen Betrags;

II./ M* zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 28. April und 18. Mai 2020 (US 7) V* zu den zu I./ B./ und I./C./ angeführten Handlungen bestimmt, indem er sie anwies, das zu I./B./ und I./C./ genannte Konto zum Empfang der Gelder zu eröffnen, ihm zur Behebung von Geldern zur Verfügung zu stellen und die Gelder mit ihm gemeinsam zu beheben.

[3] Unter einem wurde vom Widerruf der M* in den Verfahren AZ 10 U 1/20b des Bezirksgerichts Hernals, AZ 32 U 17/16b des Bezirksgerichts Favoriten und AZ 85 Hv 22/19f des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsichten gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen und zu der im erstgenannten Verfahren mit Urteil vom 11. September 2020 gewährten bedingten Nachsicht die Probezeit gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre verlängert.

[4] Während beide Angeklagten auf Rechtsmittel verzichteten (ON 82 S 37), erhob die Staatsanwaltschaft in Betreff des Angeklagten M* Berufung gegen das Urteil und Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss (ON 89). Das Oberlandesgericht Wien hat über diese Rechtsmittel noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

[5] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Juli 2022, GZ 83 Hv 47/22x 83, mit dem Gesetz mehrfach nicht im Einklang:

[6] 1./ § 165 Abs 4 erster Fall StGB (sowohl in der geltenden Fassung als auch in jener BGBl I 2017/117) normiert eine Deliktsqualifikation, sodass der qualifikationsbegründende Umstand – also ein 50.000 Euro übersteigender Wert – vom (zumindest bedingten [§ 5 Abs 1 StGB]) Vorsatz umfasst sein muss (vgl RIS Justiz RS0094639; Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 165 Rz 27).

[7] Wird eine Qualifikation durch die Zusammenrechnung von Wertbeträgen aus mehreren Taten begründet (§ 29 StGB), genügt es zur rechtlichen Annahme der Qualifikation in subjektiver Hinsicht, dass der Vorsatz des Täters die (ziffernmäßig bestimmte Höhe der) einzelnen Wertbeträge erfasst, während der Vorsatz nicht (auch) auf den Gesamtwert gerichtet sein muss (vgl RIS Justiz RS0132778).

[8] Indem das Schöffengericht die Frage, ob die (nach den Feststellungen den Wert von 50.000 Euro jeweils nicht übersteigenden) Vermögensbestandteile insgesamt oder bezogen auf die einzelnen Taten vom Vorsatz des Angeklagten umfasst waren, nicht durch Feststellungen geklärt hat, verletzt das Urteil durch die (dennoch erfolgte) rechtliche Unterstellung der Taten auch dem § 165 Abs 4 erster Fall StGB (idF BGBl I 2017/117) eben dieses Gesetz.

[9] 2./ Die Bestimmung zu einer strafbaren Handlung (§ 12 zweiter Fall StGB) tritt bei Zusammentreffen in einer Person hinter die unmittelbare Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) an derselben strafbaren Handlung als materiell subsidiär zurück (RIS Justiz RS0113616 [T1], RS0090381 [T1]; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 47, 112). Wenn der Bestimmende daher selbst an der Tat mitwirkt, ist diesem die Bestimmung nicht gesondert nach § 12 zweiter Fall StGB, sondern nur als erschwerend (§ 33 Z 4 StGB) anzulasten (RIS Justiz RS0089635, RS0089485).

[10] Gegenständlich lastete das Schöffengericht dem Angeklagten M* die vom Schuldspruch zu I./B./ erfasste Tat, bei der er (auch) als unmittelbarer Täter handelte (US 8), zusätzlich nach § 12 zweiter Fall StGB an, weshalb das Urteil im Schuldspruch zu II./ in Ansehung der von I./B./ umfassten Tat § 12 StGB verletzt.

[11] 3./ Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB sind alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten gleichartigen Vermögensstraftaten, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jede für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen ( Ratz in WK 2 StGB § 29 Rz 6; RIS Justiz RS0114927).

[12] Indem das Schöffengericht die dem Angeklagten M* sowohl zu I./A./ und I./B./ als auch zu II./ (iVm I./C./) des Schuldspruchs angelasteten gleichartigen Vermögensstraftaten im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO nicht nach § 29 StGB zu einer Subsumtionseinheit zusammengefasst hat, verletzt das Urteil auch § 29 StGB.

[13] In diesem Zusammenhang überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde, dass dem Urteil ein weiterer – von der Generalprokuratur nicht geltend gemachter – Subsumtionsfehler (Z 10) anhaftet, wobei z u einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StGB mangels konkreten Nachteils für den Angeklagten kein Anlass bestand:

[14] Bei einem (gegenständlich aufgrund der mit 1. September 2021 in Kraft getretenen Novellierung des § 165 StGB [BGBl I 2021/159] erforderlichen) Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB sind die auf Basis des Urteilssachverhalts konkret anzuwendenden Strafgesetze – somit bei Verwirklichung von Qualifikationen (auch) diese – in den Blick zu nehmen und zu prüfen, welches Gesetz in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre, wobei eine Kombination aus den in Rede stehenden Rechtsschichten unzulässig ist (vgl RIS Justiz RS0119085). Davon ausgehend war der im Urteilszeitpunkt in Geltung stehende § 165 Abs 4 StGB (Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) gleich günstig wie der vom Schöffengericht herangezogene § 165 Abs 4 StGB idF BGBl I 2017/117, weshalb für den gesamten Schuldspruch in Ansehung des Angeklagten M* Urteilszeitrecht anzuwenden gewesen wäre (vgl zu § 165 StGB 13 Os 126/21k).

[15] 4./ Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist gemäß § 31 Abs 1 erster Satz StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen.

[16] Mit Blick auf die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Tatzeiten (zwischen 13. April und 26. Mai 2020), hätte das Erstgericht – worauf es ohnehin selbst hinwies (US 14) – auf das im Verfahren AZ 10 U 1/20b des Bezirksgerichts Hernals ergangene (und aus der in der Hauptverhandlung als ON 78 verlesenen [ON 82 S 32] Strafregisterauskunft ersichtliche) rechtskräftige Urteil vom 11. September 2020, mit dem M* wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, Bedacht zu nehmen gehabt. Das Unterbleiben dieser Bedachtnahme verletzt daher § 31 Abs 1 erster Satz StGB.

[17] D ie Gesetzesverletzungen wirken zum Nachteil des Angeklagten M*. D eren Feststellung war wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

[18] Die den Angeklagten M* betreffende Berufung sowie die Beschwerde sind zufolge Aufhebung des Strafausspruchs gegenstandslos (vgl RIS Justiz RS0133326).

Rechtssätze
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