JudikaturJustiz15Os149/04

15Os149/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer, in der Maßnahmensache des Roland E***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (§§ 15, 169 Abs 1 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 28. September 2004, GZ 22 Hv 110/04y 44b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland E***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er am 9. September 2003 in Linz unter dem Einfluss eines im Urteil näher beschriebenen, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhte, an einer fremden Sache, nämlich der Wohnung 4030 Linz, F***** der Gemeinnützigen I***** GesmbH eine Feuersbrunst dadurch zu verursachen versucht hat, dass er die Vorhänge anzündete, wobei es infolge Löscheinsatzes der Feuerwehr beim Versuch blieb, wodurch er eine Tat begangen hat, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist im Recht. Zutreffend macht der Beschwerdeführer unter Z 10 (der Sache nach Z 9 lit b) Rücktritt vom Versuch geltend.

In eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ist einzuweisen, wer eine Tat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil er sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ l l StGB) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht. Könnte der Täter ungeachtet des erwähnten Einflusses schon aus einem anderen Grund nicht bestraft werden, so darf er nicht eingewiesen werden. Rücktritt vom Versuch hindert daher die Einweisung (vgl Ratz in WK2 § 21 Rz 21).

Nach § 16 Abs l StGB wird der Täter wegen des Versuches oder der Beteiligung daran nicht bestraft, wenn er freiwillig die Ausführung aufgibt oder, falls mehrere daran beteiligt sind, verhindert oder wenn er freiwillig den Erfolg abwendet. Das freiwillige und ernstliche Bemühen um Erfolgsabwendung setzt ein subjektiv spezifisch auf die Verhinderung der nach der Tätervorstellung (nicht bereits eingetretenen oder durch dritte Seite abgewendeten, somit) noch möglichen Erfolgsrealisierung gerichtetes Tätigwerden in der Überzeugung von dessen Eignung zur Erfolgsabwendung voraus (14 Os 53/04). Gefordert wird ein aktives Gegensteuern durch gefahrneutralisierendes Handeln. Eine eigenhändige Erfolgsabwendung ist allerdings nicht nötig; es genügt, wenn Dritte auf Initiative des Täters den Erfolg abwenden ( Kienapfel/Höpfel AT10 Z 23 Rz 19).

Hiezu hat das Erstgericht folgende Feststellungen getroffen: „Er zündete den Vorhang im Schlafzimmer an und als dieser lichterloh brannte, erkannte Ronald E*****, was er angerichtet hatte. Er rannte zum Nachbarn um ihm zu sagen, dass es in seiner Wohnung brennt. Dass er ihn dabei bat die Feuerwehr zu alarmieren, kann nicht festgestellt werden. Der Nachbar verständigte Rettung und Feuerwehr. Die bereits nach wenigen Minuten eintreffende Feuerwehr konnte den Brand rasch unter Kontrolle bringen." (US 3) sowie „Erst als er die Flammen sah und Angst in ihm aufstieg, nahm er - zumindest emotional - die Gefährlichkeit der Situation wahr und holte Hilfe bei einem Nachbarn" (US 4).

Dies zeigt, dass der Betroffene nach Erkennen des Ernstes der Situation eine weitere Ausbreitung des Feuers mit Hilfe des Nachbarn zu verhindern trachtete. Dessen Verständigung erwies sich auch als geeignetes Mittel, um den Eintritt des Erfolges hintanzuhalten, auch wenn Ronald E***** nicht ausdrücklich die Alarmierung der Feuerwehr verlangte.

Hat der Täter den Erfolg tatsächlich abgewendet, so wird er straffrei; entgegen der Ansicht der Erstgerichtes kommt es dabei nicht darauf an, ob er alles unternommen hat, den Erfolg sicher abzuwenden.

Da dem Betroffenen somit Rücktritt vom Versuch der Begehung des Verbrechens der Brandstiftung zustatten kommt, braucht die von ihm nicht gerügte weitere materiellrechtliche Urteilsnichtigkeit (§ 281 Abs l Z 9 lit a StPO) des Mangels an Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Richtung § 169 StGB nicht von Amts wegen aufgegriffen werden.

Eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs l StGB setzt eine mit Strafe bedrohte Handlung voraus, die nur dann gegeben ist, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des Deliktes erfüllt ist (vgl Ratz in WK2 § 21 Rz 14 mwN). Die Anlasstat muss als folgerichtige Betätigung eines auf Herbeiführung des Erfolges gerichteten Täterwillens erscheinen, welcher dem Betroffenen - hätte er mit Bewusstsein und Einsicht eines geistig gesunden Menschen gehandelt - gemäß § 5 StGB zuzurechnen wäre; ein Vorsatz wird nämlich durch Zurechnungsunfähigkeit keineswegs ausgeschlossen ( Fabrizy StGB8 § 21 Rz 4 mwN).

Die Urteilsfeststellung zur subjektiven Tatseite, dass der Betroffene beabsichtigte, die ganze Wohnung durch Feuer in Mitleidenschaft zu ziehen (US 3), drückt einen auf Herbeiführung einer Feuersbrunst im Sinne des § 169 Abs l StGB gerichteten Vorsatz nicht aus. Denn eine Feuersbrunst ist ein in räumlicher Hinsicht ausgedehnter, dh nicht bloß auf einzelne Gegenstände beschränkter, sondern sich weiter ausbreitender, ausgedehnter und fremdes Eigentum im großen Ausmaß erfassender Brand, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist (11 Os 137/03 ua). Die lediglich getroffene Konstatierung, er habe beabsichtigt, „die ganze Wohnung durch das Feuer in Mitleidenschaft zu ziehen" (US 3) lässt hier auch schon deshalb keinen sicheren Schluss auf die Annahme eines Vorsatzes iSd § 169 StGB zu, als an anderer Stelle wiederum - in Widerspruch dazu - davon die Rede ist, dass der Betroffene einem nicht steuerbaren Impuls der Brandlegung gefolgt sei, „ohne sich der Folgen bewusst zu sein" (US 4).

Ein Rücktritt vom Versuch des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs l StGB hindert eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs l StGB dann nicht, wenn die durch die Brandlegung vorsätzlich herbeigeführte Beschädigung einer fremden Sache - wäre der Täter zurechnungsfähig zumindest als Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs l StGB zu beurteilten wäre, das mit einer Strafdrohung bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht ist.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Wiederherstellung des Schlafzimmers, der verrußten Wände ua einen Aufwand von ca 3.800 Euro zum Nachteil der Gemeinnützigen I***** GesmbH erforderte (US 4). Im Ergebnis zutreffend macht die Beschwerde hiezu geltend, dass die Konstatierungen zur qualifizierten Schadenshöhe nach § 126 Abs l Z 7 StGB mangelhaft sind. Denn ob die Höhe des Schadens vom Vorsatz des Täters umfasst war (SSt 54/83), ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Weil bei fehlendem Vorsatz hinsichtlich der Folgen seiner Handlung (hier: in Richtung schwerer Sachbeschädigung), keine einer Anlasstat iSd § 21 Abs 1 StGB entsprechende mit Strafe bedrohte Handlung vorliegen würde (vgl Ratz in WK2 § 21 Rz 15 ff; 15 Os 148/03), hat das Schöffengericht infolge fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite einen unzulässigen rechtlichen Schluss gezogen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 605).

Das angefochtene Urteil war daher bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO), worauf der Betroffene mit seiner Berufung zu verweisen war.

Rechtssätze
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