JudikaturJustiz15Os109/06b

15Os109/06b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marcus F***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, AZ 33 Hv 84/05h des Landesgerichtes Salzburg, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen 1.) den Beschluss des Einzelrichters vom 2. September 2005, 2.) die Note des Oberlandesgerichts Linz vom 30. September 2005, 3.) den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 23. Dezember 2005, AZ 9 Bs 302/05h, sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters des Privatbeteiligten sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 33 Hv 84/04h des Landesgerichtes Salzburg gegen den Jugendlichen Marcus F***** verletzen

I./ der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 2. September 2005 (ON 13a), womit die Kosten des gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Privatbeteiligten Herbert P***** mit 763,34 Euro bestimmt wurden und der Verurteilte zur Zahlung verpflichtet wurde, § 393 Abs 5 StPO;

II./ die Note des Oberlandesgerichtes Linz vom 30. September 2005 (ON 19), worin die Zustellung des genannten Beschlusses an den Verteidiger gemäß § 41 Abs 2 StPO als verfehlt bezeichnet und dem Landesgericht Salzburg die Zustellung an den jugendlichen Verurteilten aufgetragen wurde, sowie die Unterlassung der Zustellung des Beschlusses durch das Landesgericht Salzburg an den gesetzlichen Vertreter des Jugendlichen (S 53a) § 41 Abs 5 StPO sowie § 38 Abs 2

JGG;

III./ der Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 23. Dezember 2005 (ON 24), soweit darin die Beschwerde des Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO als unzulässig zurückgewiesen wurde (Punkt 1./), § 41 Abs 2 StPO, und soweit damit dem Beschluss des Landesgerichtes Salzburg Teilrechtskraft beigemessen, der Beschwerdegegenstand als durch die Beschwerdeanträge des gewählten Verteidigers eingeschränkt erachtet und die unter I./ angeführte Entscheidung des Landesgerichtes Salzburg teilweise bestätigt wurde (Punkt 2./) §§ 114 Abs 4 und 393 Abs 5 StPO. Die genannten Beschlüsse werden aufgehoben und es wird der Kostenbestimmungsantrag des Herbert P***** vom 20. Juli 2005 (ON 13) zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit (in gekürzter Form ausgefertigtem) rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Juli 2005, GZ 33 Hv 84/05h-10, wurde der am 19. März 1988 geborene Jugendliche Marcus F***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs l, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Unter anderem wurde der Privatbeteiligte Herbert P***** mit seinen Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Auf Grund eines Kostenbestimmungsantrages des Letztgenannten (ON 13), welcher zunächst nur dem Jugendlichen persönlich zur Äußerung zugestellt wurde (S 54), bestimmte das Erstgericht mit Beschluss vom 2. September 2005 die Kosten des Privatbeteiligten antragsgemäß mit 763,34 Euro und sprach aus, dass sie vom Verurteilten Marcus F***** zu ersetzen sind (ON 13a). Dieser Beschluss wurde vorerst dem gemäß § 41 Abs 2 StPO, § 39 Abs 1 JGG bestellten Verteidiger (S l verso) des Verurteilten zugestellt (S 53a).

Jener focht den Beschluss fristgerecht dem Grunde und der Höhe nach mit Beschwerde an (ON 17). Der Gerichtshof zweiter Instanz sandte den Akt mit dem Hinweis an das Erstgericht zurück (ON 19), dass der Verfahrenshilfeverteidiger nicht über den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinaus bestellt worden sei und es auch der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den jugendlichen Verurteilten ermangle, weshalb der Akt erst wieder vorgelegt werden möge, wenn ein Rechtsmittel des Jugendlichen einlange oder die Beschwerdefrist abgelaufen sei. Nach nunmehriger Zustellung des Beschlusses an Marcus F***** persönlich (S 53a) erhob dieser durch einen gewählten Verteidiger erneut Beschwerde (ON 21), deren Ausführung sich auf die Bekämpfung der Kosten ihrer Höhe nach beschränkte.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2005, AZ 9 Bs 302/05h (ON 24 des Aktes), wies das Oberlandesgericht Linz die vom Verfahrenshilfeverteidiger ausgeführte Beschwerde mit der Begründung als unzulässig zurück, dass der nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens bestellte Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 41 Abs 5 StPO zur Einbringung des Rechtsmittels nicht legitimiert gewesen sei (l./). Hingegen gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde des gewählten Verteidigers (ON 21) Folge (2./) und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass „die Kosten der Vertretung des Privatbeteiligten auf 325,39 Euro herabgesetzt" wurden. In seiner Begründung führte der Gerichtshof zweiter Instanz hiezu aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers lediglich auf eine Reduktion des Zuspruches der Privatbeteiligtenkosten abzielte, sodass der angefochtene Beschluss in diesem Umfang in Teilrechtskraft erwachsen sei.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zum Teil zutreffend ausführt und wie in Anwendung des § 290 Abs 1 StPO amtswegig wahrgenommen wird, stehen die Beschlüsse des Landesgerichtes Salzburg (ON 13a) und des Oberlandesgerichtes Linz (ON 24) sowie dessen Note vom 30. September 2005 (ON 19) mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der Kostenbestimmungsbeschluss des Landesgerichtes Salzburg (ON 13a) erging ohne Rechtsgrundlage. Eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg (§ 366 Abs 2 StPO) hat nach § 393 Abs 5 StPO zur Folge, dass die Kosten des Privatbeteiligten, die er zur zweckentsprechenden Geltendmachung seiner Ansprüche im Strafverfahren gegen den Schädiger aufwendete, keine Kosten des Strafverfahrens sondern einen Teil der Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens bilden, deren Bestimmung daher im Strafverfahren nicht begehrt werden kann (Lendl, WK-StPO § 393 Rz 30 f; RIS-Justiz RS0101348).

Rechtlich verfehlt war die Note des Oberlandesgerichts Linz, in der die Zustellung des Beschlusses an den Verfahrenshilfeverteidiger kritisiert und dem Erstgericht die Zustellung an den Jugendlichen selbst aufgetragen wurde.

Die Generalprokuratur führte dazu aus:

Indem das Beschwerdegericht zutreffend die Zustellung des Beschlusses an den Verfahrenshilfevertreter bemängelte, weil der Wirkungskreis des gemäß § 41 Abs 2 StPO, § 39 Abs 1 Z l JGG bestellten Vertreters nicht die Vertretung in diesem Kostenverfahren umfasst, jedoch das Erstgericht aufforderte, den Beschluss unmittelbar dem Jugendlichen zuzustellen, verstieß es gleichfalls gegen das Gesetz. Gemäß § 41 Abs 5 StPO gilt die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers, wenn nicht vom Gericht aus besonderen Gründen etwas anderes angeordnet wird, für das „gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss", worunter die Rechtskraft des Urteils verstanden wird (Achammer in WK-StPO § 41 Rz 19; Bertel/Venier Strafprozessrecht8 Rz 800; vgl auch EBRV zum StPÄG 1993 924 BlgNR GP XVIII 18). Demzufolge sind ab diesem Zeitpunkt auch unmittelbar mit dem Verfahren in Zusammenhang stehende Kostenentscheidungen nicht an den Verfahrenshilfeverteidiger zuzustellen. Dieser ist für allfällige Rechtsmittel dagegen nicht legitimiert. Das Gesetz lässt auch im Strafverfahren gegen Jugendliche, zu deren Händen eine Zustellung in Ermangelung ihrer umfassenden Prozessfähigkeit - wie noch auszuführen sein wird - unwirksam ist, keine andere Auslegung zu. Zufolge der auch von § 39 Abs 1 Z l JGG gebrauchten Formulierung „für das gesamte Verfahren" endet nach herrschender Auffassung die Vertretungsbefugnis des Verfahrenshilfeverteidigers mit „rechtskräftigem Abschluss" (Jesionek JGG3 § 39 Rz 17), worunter nach hA die Rechtskraft des Urteils und nicht auch dessen (Kosten )Folgen verstanden werden. Der gegenständliche Kostenausspruch ist Teil des Adhäsionsverfahrens gegen einen jugendlichen und insoweit prozessunfähigen Beschuldigten. Ein solcher Beschuldigter muss nach § 365 Abs 2 StPO in diesem Teil des Verfahrens durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (Spenling, WK-StPO § 365 Rz 6 und 11), welchem neben dem Beschuldigten eine eigene Rechtsmittelbefugnis eingeräumt wird. Wenn auch § 38 Abs 2 JGG keine explizite Zustellanordnung von Beschlüssen an den gesetzlichen Vertreter vorsieht, kann der - vorliegend zwar mündige - Minderjährige zufolge § 365 Abs 2 StPO nicht schlechter gestellt werden als im zivilprozessualen Verfahren, das ein mit dem Adhäsionsverfahren gemeinsames Rechtsschutzziel hat. § 2 ZPO stellt ausschließlich auf die rechtsgeschäftliche Verpflichtungsfähigkeit ab und normiert auch für mündige Minderjährige nur eine eingeschränkte Prozessfähigkeit innerhalb des begrenzten Umfanges der §§ 151 Abs 2; 152 ABGB, wogegen bei deliktischen (passiven oder aktiven) Ansprüchen ausschließlich dem gesetzlichen Vertreter Vertretungsmacht zukommt (Spenling, WK-StPO Vor §§ 365 bis 369 Rz 9, 12 und 13; Gitschthaler, Prozess- und Verfahrensfähigkeit minderjähriger und besachwalterter Personen, RZ 2003, 175 ff; Schubert in Fasching/Konecny2 § 2 ZPO Rz 8; RIS-Justiz RS0048059). Der vorliegende Kostenersatzausspruch ist Ausfluss eines deliktischen Verhaltens, woraus folgt, dass eine Zustellung an den Minderjährigen zivilprozessualen Prozessgrundsätzen, die auch im Adhäsionsverfahren Anwendung zu finden haben (Spenling, ZVR 2003, 346), und ebenso § 365 Abs 2 StPO widerspricht.

Die vorliegende, rechtlich verfehlte Zustellung an den Jugendlichen konnte auch nicht dadurch saniert werden, dass letztlich der gewählte Vertreter des Jugendlichen eine Beschwerde zur Ausführung brachte. Durch Zustellverfügung an eine nach den prozessualen Bestimmungen falsche Person liegt kein Fall des § 7 ZustG vor (Walter/Mayer ZustellG 41).

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Gemäß § 41 Abs 5 StPO gilt die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers, wenn nicht vom Gericht aus besonderen Gründen etwas anderes angeordnet wird, für das „gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss" sowie für ein allfälliges Verfahren aufgrund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde oder eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens. Unter dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens wird der Zeitpunkt der Urteilsrechtskraft verstanden. Teil des Strafverfahrens (und nicht des davon zu unterscheidenden Vollstreckungsverfahrens nach dem XXIII. Hauptstück der StPO) ist aber nicht nur die - im Urteil erfolgende - allgemeine Verpflichtung eines Angeklagten zum Kostenersatz (§§ 389, 390a StPO) als Folge eines Schuldspruchs, sondern auch die (für den Beschuldigten bedeutsame, weil ihn uU massiv finanziell belastende) Konkretisierung der Kostenersatzpflicht, die durch gesonderte, vielfach erst nach Urteilsrechtskraft ergehende Beschlüsse erfolgt (vgl Lendl, WK-StPO § 389 Rz 6). Dabei hängt es - etwa bei der Bestimmung von Sachverständigengebühren - bisweilen vom Zufall ab, ob die Gebührenbestimmung vor oder nach Urteilsrechtskraft erfolgt. Sachgerecht ist daher (im Fall des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen) die Gewährleistung einer rechtskundigen Vertretung des Beschuldigten für solche funktional dem Strafverfahren zuzurechnende Vorgänge auch nach Urteilsrechtskraft. Vertritt man die Ansicht der Generalprokuratur, ergibt sich ein Rechtsschutzdefizit für den rechtsunkundigen Verurteilten, der diesfalls zur Äußerung über den Kostenantrag und zur Prüfung der Frage, ob die Kostenentscheidung richtig sei oder angefochten werden solle, unvertreten wäre. Erst zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen nach Urteilsrechtskraft ergangenen Kostenbestimmungsbeschluss (bei unverändertem Vorliegen der finanziellen Voraussetzungen und im Fall eines entsprechenden Antrags) stünde ihm wieder ein Verteidiger nach § 41 Abs 2 StPO zu (§ 41 Abs 2 Z 2 StPO), dessen gesonderte Bestellung überdies einen zusätzlichen Aufwand für alle dadurch Betroffenen bedeuten würde.

Es liegt daher eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie zu schließen ist (Markel, WK-StPO § 1 Rz 35f). Die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 41 Abs 2 StPO gilt daher für alle Kostenfragen, die die im Urteil normierte Ersatzpflicht des Verurteilten konkretisieren, zeitlich gesehen auch nach Urteilsrechtskraft.

Im Sinn einer Geltung des § 41 Abs 5 StPO über den Zeitpunkt der Urteilsrechtskraft hinaus hat vergleichsweise bereits die bisherige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0108969, zuletzt 15 Os 122/06i) ausgeführt, dass die Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO auch für die Erhebung einer Grundrechtsbeschwerde gilt, dies unabhängig davon, ob diese vor oder nach Urteilsrechtskraft erfolgt. Die Zustellung an den gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellten Verteidiger erfolgte daher zu Recht.

Daraus folgt, dass die Note des Oberlandesgerichtes Linz - wenngleich aus einem anderen als dem von der Generalprokuratur aufgezeigten Grund - sowie der Beschluss dieses Gerichtshofs zweiter Instanz in seinem Punkt 1./ (§ 290 Abs 1 StPO) verfehlt waren. Doch auch der Auftrag des Oberlandesgerichts, die Zustellung an den jugendlichen Verurteilten selbst vorzunehmen, sowie die Unterlassung der statt dessen gebotenen Zustellung des Beschlusses durch das Landesgericht Salzburg an den gesetzlichen Vertreter des Jugendlichen (S 53a) verletzen das Gesetz.

§ 38 JGG normiert die Mitwirkungsrechte des gesetzlichen Vertreters des Jugendlichen im Strafverfahren. Nach § 38 Abs 1 JGG steht das Recht auf Anhörung dem gesetzlichen Vertreter in allen Fällen zu, in denen der Jugendliche das Recht hat, gehört zu werden. Dies betrifft auch die Gelegenheit zur Äußerung nach § 395 Abs 1 zweiter Satz StPO oder jene nach § 39 Abs 1 GebAG. Nach § 38 Abs 3 JGG hat der gesetzliche Vertreter das Recht zu Erhebung von Rechtsmitteln in allen Fällen, in denen dieses auch dem Jugendlichen zusteht. § 38 Abs 2 JGG normiert zwar explizit die Zustellverpflichtung an den gesetzlichen Vertreter nur hinsichtlich solcher gerichtlicher Entscheidungen, die die Schuld- und Straffrage betreffen. Weil aber für den gesetzlichen Vertreter die in Abs 1 und Abs 3 leg cit auch in Bezug auf den Jugendlichen belastende Kostenfragen normierten Rechte nur dann effektiv wahrnehmbar sind, wenn ihm auch die entsprechenden Kostenentscheidungen zugestellt werden, ist in Füllung der somit als planwidrig anzusehenden Gesetzeslücke § 38 Abs 2 JGG dahin zu verstehen, dass in einem Strafverfahren gegen einen Jugendlichen auch alle diesen betreffenden Kostenentscheidungen an den gesetzlichen Vertreter zuzustellen sind. Der Kostenbeschluss hätte daher - neben der zu Recht erfolgten Zustellung an den Verteidiger - auch dem gesetzlichen Vertreter des Jugendlichen zugestellt werden müssen. Entgegen der von der Wahrungsbeschwerde vertretenen Rechtsansicht ist jedoch nicht ausschließlich an den gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Im - von anderen Grundsätzen als das Zivilverfahren geprägten - Strafverfahren ist der jugendliche Beschuldigte grundsätzlich uneingeschränkt prozessfähig (Schroll in WK2 JGG § 38 Rz 7). Seinem gesetzlichen Vertreter kommen auch in Hinsicht auf privatrechtliche Ansprüche (nur) die in § 38 JGG normierten Mitwirkungsrechte zu, dies unabhängig davon, dass Anerkenntnisse oder Vergleichsvereinbarungen des Jugendlichen zu Ansprüchen des Privatbeteiligten zu ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit iSd § 151 ABGB der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedürfen (Schroll in WK2 JGG § 38 Rz 8). Hiezu ist jenem im Rahmen der dargestellten ihm zukommenden Mitwirkungsrechte Gelegenheit zu geben. Dies ändert aber nichts daran, dass dem jugendlichen Beschuldigten selbst - auch in Fragen des Adhäsionsverfahrens - die für jeden Beschuldigten im Strafverfahren normierten prozessualen Rechte und Pflichten zukommen. Dass im Strafverfahren - anders als im Zivilprozess - bei deliktischen Ansprüchen nicht ausschließlich dem gesetzlichen Vertreter Vertretungsmacht zukommt, ergibt sich auch bereits aus § 38 Abs 1 letzter Satz JGG, wonach dem gesetzlichen Vertreter im Zuge einer Diversion nur ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt wird, während der Jugendliche selbst die entsprechenden zivilrechtlichen Verpflichtungen zu übernehmen hat (welche freilich erst mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zivilrechtlich wirksam werden, vgl Schroll in WK2 JGG § 38 Rz 27).

Rechtsschutzdefizite entstehen hiedurch nicht. Denn im Gerichtshofsverfahren ist der Jugendliche jedenfalls durch einen rechtskundigen Verteidiger vertreten, im bezirksgerichtlichen Verfahren ist in all jenen Fällen, in denen es um die Rechte des Jugendlichen in Zusammenhang mit gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüchen geht und eine Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters aus welchen Gründen immer nicht erfolgen kann, die Bestellung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 oder Abs 3 StPO als notwendig anzusehen (§ 39 Abs 1 Z 2 JGG).

Eine Zustellung an den Jugendlichen selbst war im konkreten Fall infolge wirksamer Zustellung an seinen Verteidiger nicht mehr vorzunehmen (§ 79 Abs 4 StPO). Hingegen war eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter geboten (§ 38 Abs 2 JGG, s oben). Die Note des Oberlandesgerichts war daher ebenso verfehlt wie die darauf gegründete Unterlassung der Zustellung des Beschlusses an den gesetzlichen Vertreter des Jugendlichen. Das Oberlandesgericht hätte in der Folge die Beschwerde des Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO nicht zurückweisen dürfen, sondern ihr Folge geben müssen. Zudem hätte das Oberlandesgericht Linz die aufgrund der Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg (§ 366 Abs 2 StPO) verfehlte Kostenentscheidung des Erstgerichtes (auch unter der Prämisse einer nur über die Beschwerde des Wahlverteidigers zu treffenden Entscheidung) jedenfalls selbst beseitigen müssen; die entgegengesetzte Vorgangsweise widerspricht (neben § 393 Abs 5 StPO überdies) § 114 Abs 4 erster Satz zweiter Halbsatz StPO. Denn bei Wahrnehmung eines bereits bewirkten oder drohenden Nachteils für den Beschuldigten/Angeklagten/Verurteilten aus einer materiell- oder formellrechtlichen Gesetzesverletzung ist das Beschwerdegericht - ebenso wie die Rechtsmittelgerichte nach §§ 290 Abs 1 zweiter Satz (vgl dazu 13 Os 21/04 = EvBl 2004/174 = JB1 2005, 195; 11 Os 25/05v;

12 Os 114/04), 477 Abs 1 zweiter Satz StPO - zu dessen (in Rechte Dritter nur im schutzzweckorientierten Umfang eingreifenden) Behebung verpflichtet (SSt 53/63 = EvBl 1983/87; 14 Os 40/01 = EvBl 2001/198;

11 Os 49/05y).

Dagegen behandelte das Oberlandesgericht Linz die Beschwerde des gewählten Verteidigers gemäß ihrem Inhalt beschränkt auf den Anfechtungsgegenstand und maß dem (erkennbar rechtswidrigen) Beschluss Teilrechtskraft bei. Dabei verkannte es, dass das Beschwerdegericht ohne Bindung an ein Beschwerdevorbringen im Rahmen des § 114 Abs 4 StPO zur umfassenden Prüfung der angefochtenen Entscheidung verpflichtet ist (13 Os 122/02; RIS-Justiz RS0089977; Tipold, WK-StPO § 114 Rz 29f und Vor §§ 113-114 Rz 3). Die vorliegend eingeschränkte Beschwerdeausführung lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass ein relevanter Verzicht auf nicht geltend gemachte Beschwerdeargumente vorliegen würde (14 Os 142/04). Da sich die Bestimmung der dem Privatbeteiligten nicht zustehenden Kosten zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, bedarf es einer Behebung der in den angeführten Beschlüssen erfolgten Gesetzesverstöße und einer Zurückweisung des nicht zustehenden Anspruchs nach § 292 letzter Satz StPO.

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