JudikaturJustiz15Os105/14a

15Os105/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael K***** wegen Verbrechen nach § 22a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 2 und Abs 5 zweiter Fall Anti Doping Bundesgesetz 2007, § 15 StGB, AZ 41 Hv 38/08m des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 13. Dezember 2011, GZ 41 Hv 38/08m 214, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. Dezember 2011, GZ 41 Hv 38/08m-214, verletzt im Michael K***** betreffenden Schuldspruch § 22a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 2 und Abs 5 zweiter Fall Anti-Doping-Bundesgesetz 2007.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Michael K***** betreffenden Umfang aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen, auch den Freispruch von drei weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. Dezember 2011, GZ 41 Hv 38/08m-214, wurde Michael K***** mehrerer Verbrechen nach § 22a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 2 und Abs 5 zweiter Fall Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007), § 15 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er von 9. August 2008 bis 15. November 2009 in M***** und andernorts teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern in wiederholten Angriffen durch „den Vertrieb von Anabolikahormonen und Stimulanzen im Gesamtwert von 610.336,79 Euro […] an viele Kraft-, Bodybuilding- und sonstige Freizeitsportler über die Internetportale www.a*****.com, www.s*****.com und www.s*****.us sowie durch Anbieten von insgesamt 7.269 Ampullen, 43.832 Tabletten, 86 Stück Blades, 1.637 Dosen mit Tabletten sowie 6.000 Beutel mit Tabletten, beinhaltend Anabolikahormone und Stimulanzen mit einem Verkaufswert von 631.982 Euro sowie von 8 Ampullen, 2.041 Stück Blades, 2.628 Packungen und Dosen mit Tabletten sowie 1.175 Beutel mit Tabletten im Wert von 294.507 Euro“ zu Zwecken des Dopings im Sport „für alle [Sportarten] verbotene Wirkstoffe gemäß Anlage der Antidopingkonvention (Verbotsliste), soweit diese nicht Suchtmittel im Sinn des Suchtmittelgesetzes sind“, in Verkehr gesetzt bzw dies versucht, wobei er innerhalb der letzten zwölf Monate „vor der Tat“ zumindest drei solche Taten begangen und in der Absicht gehandelt hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und es sich um in der Verbotsliste genannte „Anabolikahormone und verwandte Verbindungen, Hormonantagonisten und Modulatoren“ in einer die Grenzmenge (§ 22a Abs 7 ADBG 2007) vielfach übersteigenden Menge handelte.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. Dezember 2011, GZ 41 Hv 38/08m-214, steht wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt im Schuldspruch des Michael K***** mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem ADBG 2007 idgF bezieht sich nur auf konkrete, von der Verbotsliste gemäß Anlage der Anti-Doping-Konvention (§ 22a Abs 1 Z 1 leg cit) erfasste Wirkstoffe, weshalb Konstatierungen zur konkreten Wirkstoffart der tatverfangenen Substanzen unabdingbar sind (vgl RIS-Justiz RS0114428, RS0128204). Mit dem bloßen Hinweis auf „Anabolika mit verbotenen Wirkstoffen, die in der Anlage der Antidopingkonvention (Verbotsliste) gelistet sind,“ (US 5 f) sind dem genannten Urteil keine hinreichenden Feststellungen zu entnehmen, die die Beurteilung ermöglichen, ob und welche konkreten, in der Verbotsliste angeführten Wirkstoffe in den im Urteil genannten Substanzen enthalten waren.

Die angenommene Qualifikation nach § 22a Abs 4 Z 2 ADBG 2007 setzt neben der konstatierten Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen auch Feststellungen voraus, dass der Angeklagte innerhalb der letzten zwölf Monate „vor der Tat zumindest drei solche Taten“ begangen hat (EBRV 561 23. GP 8), wobei es anders als nach §§ 198 Abs 2, 39 StGB und § 28a Abs 2 Z 1 SMG auf eine vorangehende Verurteilung nicht ankommt, ebenso wenig darauf, ob die drei Vortaten in gewerbsmäßiger Absicht begangen wurden. Diesem Erfordernis wird das Urteil (US 5 letzter Absatz) mit dem unsubstantiierten Gebrauch der verba legalia ohne Nennung konkreter, durch den Angeklagten begangener Taten nicht gerecht (RIS-Justiz RS0119090).

Die weiters angenommene Qualifikation nach § 22a Abs 5 zweiter Fall ADBG 2007 setzt die (bereits nach § 22a Abs 4 leg cit qualifizierte) Tatbegehung in Bezug auf Anabolika, Hormone oder verwandte Verbindungen, Hormon-Antagonisten oder Modulatoren in einer die Grenzmenge (Abs 7 leg cit) übersteigenden Menge voraus, weshalb Feststellungen zu Menge und Reinsubstanzgehalt der verbotenen Wirkstoffe, der zur Beurteilung des Vorliegens einer die Grenzmenge (§ 22a Abs 7 ADBG 2007 iVm der Anti-Doping-Grenzmengenverordnung [ADGMV]) übersteigenden Menge erforderlich ist, unerlässlich sind (vgl RIS-Justiz RS0111350). Auch dazu hat das Erstgericht keine Konstatierungen getroffen.

Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur sind jedoch, wenn diese Menge in mehreren, die Grenzmenge zwar für sich allein nicht, wohl aber in Summe erreichenden Teilmengen in Verkehr gesetzt wird, Feststellungen zu einem von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichteten Vorsatz des Angeklagten (vgl RIS-Justiz RS0112225) nicht erforderlich.

Denn zu einer weiten Auslegung des Begriffs der tatbestandlichen Handlungseinheit im Sinn der Judikatur zu §§ 28a und 31a SMG, wonach die Grenzmengenqualifikation auch durch kontinuierliche Begehung in Bezug auf jeweils geringe Mengen und den daran geknüpften vom Willen des Angeklagten umfassten Additionseffekt erreicht werden kann (RIS-Justiz RS0112225), besteht angesichts der Deliktskonzeption des § 22a ADBG 2007 kein fassbarer Bedarf. Bereits das Erfordernis des Vorliegens von drei (Vor-)Taten innerhalb von zwölf Monaten vor der „Tat“ zur Erfüllung der Qualifikation nach § 22a Abs 4 Z 2 ADBG 2007 macht klar, dass der Tatbegriff hier anders als im SMG eng zu sehen ist, läge doch andernfalls aufgrund des vom Gesetzgeber vorgegebenen zeitlichen Zusammenhangs in aller Regel nur eine auch diese vorangegangenen Angriffe umfassende einzige Tat (iSe tatbestandlichen Handlungseinheit; RIS-Justiz RS0122006) vor, sodass die Qualifikationsnormen des § 22a Abs 4 Z 2 und Abs 5 in Bezug auf Abs 4 Z 2 ADBG 2007 de facto keinen Anwendungsbereich hätten (vgl Kramer , Juristische Methodenlehre 4 , 109).

Vielmehr ist davon auszugehen, dass § 22a Abs 5 ADBG 2007 (wie § 28a Abs 4 Z 3 SMG, vgl RIS-Justiz RS0117464) einen mit § 29 StGB vergleichbaren Zusammenrechnungsgrundsatz sui generis normiert, wobei der anders als in § 29 StGB, aber wie in § 28a Abs 4 Z 3 SMG vom Gesetzgeber verwendete Begriff „Straftat“ auch eine Mehrzahl solcher Taten umfasst.

Mangels Feststellungen zu Wirkstoffen im Ersturteil kann derzeit nicht beurteilt werden, ob Tatzeitrecht oder Urteilszeitrecht in seiner Gesamtauswirkung günstiger war (§§ 1, 61 StGB).

Mit Blick auf den inkriminierten Tatzeitraum (von 9. August 2008 bis 15. November 2009) ist anzumerken, dass § 22a Abs 1 Z 1 ADBG 2007 idF BGBl I 2008/115 auf „verbotene Wirkstoffe gemäß Anlage I des UNESCO-Übereinkommens“ („Verbotsliste 2005“, Anlage I zu BGBl III 2007/108; vgl dazu EBRV 561 23. GP 7) abstellte, weshalb darin nicht enthaltene Wirkstoffe (noch) nicht dem Regime des ADBG 2007 unterstellt waren (vgl Höpfel in WK 2 StGB § 1 Rz 63 ff sowie § 61 Rz 11; Schwaighofer in WK 2 NPSG Vor §§ 4-5 Rz 10 bis 12).

Bei dem gemäß §§ 1, 61 StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich ist weiters zu berücksichtigen, dass § 22a Abs 5 ADBG 2007 idF BGBl I 2008/115 auf eine Tatbegehung in Bezug auf Anabolika, Hormone oder Stimulanzien abstellte.

Außerdem ist betreffend die Qualifikation nach § 22a Abs 5 zweiter Fall ADBG 2007 darauf hinzuweisen, dass die Anti-Doping Grenzmengenverordnung (ADGMV, Anlage zu BGBl II 2009/243 [seit 1. Dezember 2010: ADGMV 2010, Anlage zu BGBl II 2010/361]) erst mit Wirksamkeit vom 1. August 2009 in Kraft getreten ist (vgl 11 Os 152/07y, 15 Os 83/07f, 13 Os 61/10k).

Festzuhalten ist weiters, dass das Erstgericht den umschriebenen Sachverhalt rechtsirrig unter mehrere Verbrechen nach § 22a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 2 und Abs 5 zweiter Fall ADBG 2007 subsumiert hat (vgl RIS-Justiz RS0114927, RS0128234).

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen gereichen dem Angeklagten zum Nachteil. Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

Rechtssätze
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  • RS0122006OGH Rechtssatz

    17. April 2024·3 Entscheidungen

    Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).