JudikaturJustiz14Os98/23b

14Os98/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Oktober 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Gindl in der Strafsache gegen * N* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * A* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom (richtig) 21. Juni 2023, GZ 143 Hv 19/23x-201.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im (gesamten) Schuldspruch des Angeklagten * A*, demzufolge auch in den diesen Angeklagten betreffenden Aussprüchen über die Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung), die privatrechtlichen Ansprüche und die Kosten aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Darauf wird der Angeklagte A* mit seiner Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – * A* des Verbrechens der Geldfälschung nach §§ 12 dritter Fall, 232 Abs 2 StGB (I./), des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2, § 148 zweiter Fall StGB (II./) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I./ in T* am 10. Juli 2022 (US 15) zur strafbaren Handlung des * N *, der totalgefälschte Banknoten im Nennwert von 99.900 Euro, mithin nachgemachtes Geld, zumindest im Einverständnis mit einem an der Fälschung Beteiligten (§ 12 StGB) oder einem Mittelsmann des Fälschers, nämlich einer im Urteil namentlich bezeichneten oder „zu seinem Kreis gehörenden“ Person, mit dem Vorsatz übernommen hat, es in W* als echt und unverfälscht in Verkehr zu bringen, dadurch beigetragen, dass er vorab zusagte, ihn nach W* zu begleiten und ihn dabei zu unterstützen, mit den Banknoten den Kaufpreis für zwei Uhren zu bezahlen (US 7 f);

II./ am 11. Juli 2022 in W* gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB) und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zur strafbaren Handlung des N *, der * C* durch die wahrheitswidrige Vorgabe, echtes Bargeld zur Bezahlung des Kaufpreises zu übergeben, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zur Ausfolgung von zwei im Urteil bezeichneten Uhren, verleitet hat, wodurch C* in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde, dadurch beigetragen, dass er N* mit einem Fahrzeug nach W* brachte, zum Hotel, in dem die Abwicklung des Uhrenkaufs stattfand, begleitete, die Uhren samt Geldzählmaschine übernahm und N* vom Tatort weg fuhr (US 8 ff);

III./ sich seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 11. Juli 2022 in W* und an anderen Orten als Mitglied an einer aus ihm selbst, N* sowie weiteren (teils im Urteil namentlich genannten) Personen bestehenden kriminellen Vereinigung, nämlich einem auf mehrere Monate, sohin längere Zeit, angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Geldfälschungen sowie nicht nur geringfügige Betrügereien und Diebstähle begangen werden, dadurch beteiligt, dass er im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung die zu I./ und II./ bezeichneten strafbaren Handlungen beging.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*, der Berechtigung zukommt.

[4] Im Umfang des gesamten Schuldspruchs des Angeklagten A* zeigt die Mängelrüge zutreffend eine unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf. Diese stützte das Erstgericht im Wesentlichen auf das (jeweils) äußere Tatgeschehen sowie das Wissen des Angeklagten A* um die Durchführung von „Rip-Deals“ und den Zusammenschluss rund um den Auftraggeber von N* sowie seine detaillierten Kenntnisse um die Lebensumstände der unmittelbaren Täter (US 21 f). Die Verantwortung des Angeklagten A*, er habe N* aufgrund einer Vereinbarung mit dessen Auftraggeber gegen Entgelt als Sicherheitsperson nach W* begleitet und er sei von einem legalen Geschäft ausgegangen, verwarfen die Tatrichter als Schutzbehauptung (US 16 ff), ohne die diese Angaben stützende Aussage des Angeklagten N* zu würdigen, dessen Depositionen sie ansonsten in weiten Teilen für glaubwürdig und nur in Bezug auf die behauptete Identität des Auftraggebers für unglaubwürdig erachteten. Da aber die Ausführungen des N* über die Tätigkeit des A* ausschließlich als Sicherheitsperson ohne Kenntnis vom wahren Gehalt des Uhrengeschäfts (ON 201.3, 6 f, 10 f) den (Letzteren betreffenden) Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12 f) erörterungsbedürftig entgegenstehen, hätten sie nicht mit Stillschweigen übergangen werden dürfen (RIS-Justiz RS0118316, RS0098646).

[5] Der aufgezeigte Begründungsmangel erfordert die sofortige Aufhebung des gesamten Schuldspruchs des Angeklagten A* , demgemäß auch die diesen Angeklagten betreffenden Aussprüche über die Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung), die privatrechtlichen Ansprüche und die Kosten bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

[6] Eine Antwort auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich daher. Mit seiner Berufung war der Angeklagte A* auf d iese Entscheidung zu verweisen.

[7] Soweit die Beschwerde (der Sache nach) Subsidiarität von Betrug gegenüber Geldfälschung behauptet, sowie – hinsichtlich N* – unter dem Gesichtspunkt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO wird Folgendes bemerkt:

[8] Exklusivität im Verhältnis von Geldfälschung und Betrug kommt nicht in Betracht, weil die Tatbestände des § 232 StGB und des § 146 StGB nicht – wie für Exklusivität erforderlich – einander widerstreitende Merkmale enthalten (14 Os 172/11t, EvBl 2012/163, 1094 [verst Senat]; RIS Justiz RS0128225; Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 3; Schmollmüller , SbgK § 28 Rz 91; Oshidari , SbgK § 232 Rz 89; vgl zu § 233 StGB 13 Os 134/10w; aA Kienapfel , Nullum crimen sine lege, ÖJZ 2013, 214, der Exklusivität auch dann annimmt, wenn sich die fraglichen Tatbestände nicht aus „begrifflichen Gründen“, dafür aber aus sonstigen – insbesondere teleologischen – Erwägungen ausschließen; Schroll in WK² StGB § 232 Rz 33, der danach differenziert, ob ein über dem Nennwert liegender Schaden eingetreten ist).

[9] Ist demnach – wie hier – ein Sachverhalt mehreren Tatbeständen zu subsumieren, setzt die Verdrängung eines dieser Tatbestände das Vorliegen eines Scheinkonkurrenzverhältnisses voraus. Dabei unterscheiden Rechtsprechung und Lehre zwischen den Scheinkonkurrenztypen der Spezialität, der (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Subsidiarität und der Konsumtion.

[10] Spezialität liegt vor, wenn zwei strafbare Handlungen im Verhältnis von Gattung und Art stehen, also die eine sämtliche Merkmale der anderen enthält, darüber hinaus aber noch mindestens ein zusätzliches Merkmal (RIS Justiz RS0091146). Sie kommt ausschließlich als Form scheinbarer Idealkonkurrenz vor (14 Os 172/11t, EvBl 2012/163, 1094 [verst Senat]; Ratz in WK² Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 25 und 32; Leukauf/Steininger/ Tipold , StGB 4 § 28 Rz 28), weshalb sie bei der hier vorliegenden Tatmehrheit nicht zu prüfen ist (vgl Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 14).

[11] Subsidiarität ist gegeben, wenn die scheinbar zusammentreffenden strafbaren Handlungen erkennen lassen, dass eine davon nur begründet sein soll, wenn nicht eine andere begründet ist. Im Fall einer gesetzlichen Subsidiaritätsklausel liegt ausdrückliche, sonst stillschweigende Subsidiarität vor ( Ratz in WK 2 StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 36).

[12] Da § 146 StGB keine Subsidiaritätsklausel enthält, ist bloß das allfällige Vorliegen stillschweigender Subsidiarität zu prüfen. Sie kommt insbesondere bei Rechtsgutbeeinträchtigungen in unterschiedlichen Intensitätsgraden oder verschiedenen Entwicklungsstadien vor ( Kienapfel/Höpfl/Kert , AT 16 Rz 38.28). Maßgeblich ist – im Gegensatz zur Konsumtion – das abstrakte Verhältnis der strafbaren Handlungen zueinander (14 Os 172/11t, EvBl 2012/163, 1094 [verst Senat]; vgl erneut RIS-Justiz RS0128225; Burgstaller , Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 [398]; Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 36; Schmollmüller , SbgK § 28 Rz 57), wobei vor allem teleologische und systematische Erwägungen von Bedeutung sind (vgl Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 53). In der Regel geht die weniger intensive Rechtsgutbeeinträchtigung in der intensiveren, das frühere Entwicklungsstadium im späteren auf ( Kienapfel/Höpfl/Kert , AT 16 Rz 38.28; Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 41, 44, 46, 49).

[13] Die autonomen Fälschungsdelikte des StGB bezwecken den strafrechtlichen Schutz bestimmter Gewährschaftsträger. Darunter sind besondere Beglaubigungsformen zu verstehen, denen im Rechtsverkehr eine konkrete Garantiefunktion zugeschrieben wird und die deshalb vor Fälschung oder missbräuchlicher Verwendung strafrechtlich geschützt sind ( Schroll/Oberressl in WK² StGB § 74 Rz 60/5; vgl Kienapfel/Schroll in WK² StGB Vor §§ 223 ff Rz 4; Schroll in WK² StGB Vor §§ 232–241 Rz 1; Hinterhofer/Rosbaud , BT II 7 Vor § 241a Rz 1; Kienapfel , ÖJZ 2013, 216 f).

[14] Vor diesem Hintergrund ist Ziel des § 232 StGB der Schutz des Vertrauens in die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Zahlungsverkehrs mit gültigem Geld ( Schroll in WK² StGB Vor §§ 232–241 Rz 1; Oshidari , SbgK Vorbem §§ 232 ff Rz 16; vgl zu § 233 StGB 13 Os 134/10w). Träger dieses Rechtsguts ist die Allgemeinheit und nicht der im Einzelnen am Zahlungsverkehr Beteiligte ( Schroll in WK² StGB Vor §§ 232–241 Rz 1; Leukauf/Steininger/ Tipold , StGB 4 Vorbemerkungen zu den §§ 232–241 Rz 2; Oshidari , SbgK Vorbem §§ 232 ff Rz 17, der hervorhebt, dass „Individualinteressen“ auf die Interpretation des Rechtsguts keinen Einfluss haben; vgl aber Schroll in WK² StGB Vor §§ 232–241 Rz 3 und Oshidari , SbgK Vorbem §§ 232 ff Rz 19, wonach auch das Vermögen mitberücksichtigt sei). Im Gegensatz dazu schützt Betrug (§§ 146 ff StGB) das Individualrechtsgut Vermögen (stellvertretend für die hM Kirchbacher / Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 4).

[15] Die von den §§ 146 ff StGB verschiedene Zielrichtung der §§ 232 bis 236 StGB zeigt sich auch am Fehlen von Entgeltlichkeit der Ausgabe und somit des Eintritts eines Vermögensschadens des Falschgeldempfängers und eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes des Täters als Tatbestandsvoraussetzungen des § 233 Abs 1 Z 2 StGB. Zudem enthält § 236 StGB keine dem Ausmaß der Schädigung fremden Vermögens Rechnung tragende Abstufung der Strafdrohung (13 Os 134/10w).

[16] Wegen dieser unterschiedlichen Schutzfunktionen der in Rede stehenden Tatbestände ergibt sich nach dem abstrakten Verhältnis der strafbaren Handlungen zueinander gerade nicht die Verdrängung der einen durch die andere, sodass stillschweigende Subsidiarität ausscheidet (aA unter Zugrundelegung eines erweiterten Verständnisses der geschützten Rechtsgüter Oshidari , SbgK § 232 Rz 89 ff und Kert , SbgK § 146 Rz 421, die aber die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und so echte Konkurrenz von Betrug und Geldfälschung bei einem über dem Nennwert liegenden Schaden annehmen; ohne derartige Differenzierung für Subsidiarität von Betrug Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 232 Rz 12; Leukauf/Steininger/ Tipold , StGB 4 § 232 Rz 15; vgl auch Kienapfel/Schmoller BT III³ § 233 Rz 2, wonach Vermögen „als nur mitgeschütztes Rechtsgut […] weder im Rahmen der Auslegung noch der Konkurrenz ins Gewicht“ falle; zu § 233 StGB 9 Os 150/84 [materielle Subsidiarität wegen „vorbestrafter Verwertungshandlung“], 13 Os 134/10w [keine Subsidiarität jedenfalls bei nach § 147 Abs 3 StGB qualifiziertem Betrug]).

[17] Das Scheinkonkurrenzverhältnis der Konsumtion lässt sich (anders als jenes der Subsidiarität) nicht allein durch das abstrakte Verhältnis der jeweiligen strafbaren Handlungen zueinander erklären, sondern erfordert zusätzlich die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Tatgeschehens. Konsumtion setzt also ein kriminologisches Naheverhältnis voraus, von dem angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe es bei der Aufstellung der Strafsätze berücksichtigt ( Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 57; Schmollmüller , SbgK § 28 Rz 68; vgl auch Burgstaller , JBl 1978, 393 [459]). Von den insoweit unterschiedenen Fallgruppen der straflosen Vortat, der straflosen Nachtat und der typischen Begleittat ist mit Blick auf den konkreten Sachverhalt nur das Vorliegen der Zweitgenannten zu prüfen.

[18] Von einer straflosen Nachtat ist auszugehen, wenn die Begehung der einen strafbaren Handlung der Begehung einer anderen nachfolgt und den Erfolg der Haupttat verwertet oder den geschaffenen rechtswidrigen Zustand aufrechterhält. Straflos ist die Nachtat nur dann, wenn sie gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet war und keinen über die Haupttat hinausreichenden Schaden bewirkt hat (RIS Justiz RS0124023; Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 66). Dies ist hier nicht der Fall, weil der Betrug einen Vermögensschaden bei C* zur Folge hatte, während die Geldfälschung allein die Allgemeinheit schädigte (vgl auch RIS-Justiz RS0124024).

Rechtssätze
4