JudikaturJustiz14Os95/18d

14Os95/18d – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Kontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Hans B***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens nach § 3a Z 2 VerbotsG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 333 HR 334/16m des Landesgerichts für Strafsachen Wien (AZ 706 St 48/16i der Staatsanwaltschaft Wien), über die

Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Dr. Hans B***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 11. Juli 2018, AZ 17 Bs 183/18p (ON 257 der HR Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde ist gegenstandslos.

Text

Gründe:

In dem von der Staatsanwaltschaft Wien zu AZ 706 St 48/16i gegen Dr. Hans B***** und sieben weitere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verbrechens nach § 3a Z 2 VerbotsG und weiterer strafbarer Handlungen setzte das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 12. Juni 2018, GZ 333 HR 334/16m 242, die am 22. Dezember 2016 über den Genannten verhängte (ON 55), zwischenzeitig mehrfach prolongierte Untersuchungshaft wegen des dringenden Verdachts, er habe von September 2012 bis 20. Dezember 2016 dem Verbrechen nach § 3a Z 2 VerbotsG (I) und am 20. Juni 2014 dem Verbrechen nach § 3h VerbotsG (II) zu subsumierendes Verhalten gesetzt (BS 5 ff), gemäß § 173 Abs 1 und 6 (iVm § 173 Abs 2 Z 1, Z 3 lit a und b) iVm § 178 Abs 2 StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen ergriffenen Beschwerde des Beschuldigten (ON 252) gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 11. Juli 2018, AZ 17 Bs 183/18p (ON 257), nicht Folge, erachtete den Beschuldigten gleichfalls den Verbrechen nach § 3a Z 2 VerbotsG (I) und nach § 3h VerbotsG (II) subsumierter Taten für dringend verdächtig (BS 4 ff) und setzte die Untersuchungshaft seinerseits aus den schon vom Erstgericht angenommenen Haftgründen – mit Wirksamkeit bis zum 11. September 2018 – fort.

Gegen diesen Beschluss erhob der Beschuldigte (rechtzeitig) Grundrechtsbeschwerde (ON 258), die sich gegen die Annahme dringenden Tatverdachts in Richtung des Verbrechens nach § 3a Z 2 VerbotsG (I) sowie der Haftgründe wendet, Unverhältnismäßigkeit der Haft, deren Substituierbarkeit durch die Anwendung gelinderer Mittel sowie eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen behauptet und sich weitestgehend in einer wörtlichen Wiederholung der Argumentation früherer, vom Obersten Gerichtshof abgewiesener Grundrechtsbeschwerden erschöpft (vgl dazu 14 Os 2/18b; 14 Os 27/18d, 28/18a sowie zuletzt 14 Os 60/18g [ON 211, ON 228 und 256]).

Laut einer Mitteilung der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom 11. August 2018 verstarb der Beschwerdeführer Dr. B***** am 10. August 2018.

Gemäß § 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nur dem Betroffenen (vgl dazu § 48 Abs 1 Z 4 StPO; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 32) – nach Erschöpfung des Instanzenzugs – die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu.

Eine Legitimation anderer Personen (als des von der Grundrechtsverletzung unmittelbar Betroffenen) zur Erhebung einer Grundrechtsbeschwerde ist nur im – hier nicht aktuellen – Fall gesetzlicher Vertretung (§ 1034 ABGB) gegeben (§ 10 GRBG iVm § 282 StPO; vgl Schroll in WK² JGG § 38 Rz 34). Diese endet mit dem Tod des Vertretenen (vgl RIS Justiz RS0047943). Eine Anfechtungsberechtigung naher Angehöriger in Bezug auf Entscheidungen, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof obliegt, ist seit der Änderung des § 282 StPO durch BGBl I 2009/98 nicht mehr vorgesehen (vgl dagegen § 106 Abs 1 vorletzter Satz StPO).

Für den Fall des Todes des Beschwerdeführers nach Beschwerdeerhebung enthalten weder das GRBG noch die Strafprozessordnung eine (für den Obersten Gerichtshof geltende) ausdrückliche Regelung (vgl aber § 354 StPO sowie dazu Lewisch , WK StPO § 354 Rz 10 f).

Nach der Rechtsprechung wird ein noch zu Lebzeiten des Angeklagten ergriffenes Rechtsmittel (gegen Urteile) nach dessen Tod gegenstandslos, weil ab diesem Zeitpunkt jede weitere Strafverfolgung ausgeschlossen, der staatliche Strafanspruch erloschen ist und ein nicht schon zu Lebzeiten des Angeklagten rechtskräftig gewordenes Strafurteil nach

Todeseintritt nicht mehr in Rechtskraft erwachsen kann (RIS Justiz RS0097073; anders nur in den – nicht vergleichbaren Fällen – der Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und des Todes des Privatanklägers während eines laufenden Rechtsmittelverfahrens RIS Justiz RS0097073 [T6 und T9], RS0067923).

Bezugspunkt einer Grundrechtsbeschwerde ist zwar – soweit hier relevant – eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung. Ihr Gegenstand kann aber ausschließlich eine Verletzung des (höchstpersönlichen) Grundrechts auf persönliche Freiheit nach Art 5 MRK sein. Da nach dem Vorgesagten – außer einem allfälligen gesetzlichen Vertreter – nur der von einer solchen Grundrechtsverletzung Betroffene zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist, dessen Parteifähigkeit ( Markel , WK StPO § 1 Rz 30) – ebenso wie jene seines allfälligen gesetzlichen Vertreters – mit seinem Tod erlischt (vgl RIS Justiz RS0035052) und eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens durch andere Dritte nicht in Betracht kommt, kann jedoch – ungeachtet ihrer Zulässigkeit im Einbringungszeitpunkt – über eine Grundrechtsbeschwerde nach dem Tod des Beschwerdeführers ebenso wenig meritorisch entschieden werden (vgl dazu auch die Rechtsprechung des VfGH und VwGH, für viele: VfGH B 1664/00, VfSlg 16.083; B 1068/93, VfSlg 13.625; VwGH 2013/05/0167).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass Partei- und Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers auch Voraussetzung der Zulässigkeit einer Individualbeschwerde an den EGMR ist (Art 34, 35 MRK). Verstirbt der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens endet die Berechtigung aus dem Konventionsrecht. Eine Fortsetzung des Verfahrens zieht der EGMR regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die Erben oder nächsten Angehörigen des Verstorbenen dies begehren und ein berechtigtes (etwa finanzielles) Interesse glaubhaft machen (RIS Justiz RS0126718) oder wenn eine wichtige Frage von öffentlichem Interesse in Bezug auf Menschenrechtsstandards in den Vertragsstaaten zu klären ist, die nicht nur für den belangten Staat, sondern auch für die übrigen Konventionsstaaten von allgemeiner Bedeutung ist (vgl dazu EGMR 24. 7. 2003,

40016/98, Karner gegen Österreich ; zum Ganzen Grabenwarter/Pabel EMRK 6 § 13 Rz 5 ff, 20 je mwN]).

Aus einer allfälligen Verletzung des Grundrechts des Verstorbenen auf persönliche Freiheit nach Art 5 MRK erwachsene (finanzielle) Ansprüche Dritter, etwa auf Schadenersatz nach dem StEG oder auf Schmerzengeld, können im Übrigen mit Grundrechtsbeschwerde nicht geltend gemacht werden.

Rechtssätze
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