JudikaturJustiz14Os141/05z

14Os141/05z – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stanislaw Z***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 3, 130 (vierter Fall) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Marek S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 17. November 2005, AZ 10 Bs 415/05p, auf Fortsetzung der Untersuchungshaft nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Marek S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Marek S***** wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1. August 2005, GZ 4 Hv 85/05t-110, des (gemeint jedenfalls [die in den Entscheidungsgründen in tatsächlicher Hinsicht angenommene Qualifikation nach § 130 dritter Fall {US 13} ist schon angesichts der Deliktsbezeichnung bloß als „schwerer gewerbsmäßiger Diebstahl" nicht erkennbar Gegenstand des Schuldspruchs [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO]:) Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 3, 130 (vierter Fall) StGB (A/I), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A/II/1) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A/II/2) schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten unter Anrechnung der Vorhaft vom 4. Februar 2005, 23.30 Uhr bis 1. August 2005, 12.00 Uhr, verurteilt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Graz und anderen Orten

I. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrenden Einbruchsdiebstahl eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, gemeinsam mit Stanislaw Z***** durch „Einbruch oder Eindringen in Transportmittel mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel bzw Aufbrechen oder Öffnen einer Sperrvorrichtung mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel oder einem anderen" (gemeint:) nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten „Werkzeug" fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert weggenommen, und zwar

1. in der Nacht zum 5. Dezember 2002 mit zwei weiteren Unbekannten dem Lamul K***** einen versperrt abgestellten dunkelblauen PKW der Marke Mercedes 200 E mit dem amtlichen Kennzeichen G ***** im Wert von 2.000 Euro und

2. in der Nacht zum 14. September 2003 dem Johan Gareth W. H***** ein versperrt abgestelltes rotes Motorrad der Marke Kawasaki ZX 1000 mit dem amtlichen Kennzeichen GU ***** im Wert von ca 1.500 Euro;

II. am 28. Jänner 2005 Narcyz M*****

3. durch Faustschläge und Tritte eine Jochbeinstauchung, eine kleine Platzwunde über dem rechten Auge und Hämatome am Oberkörper zugefügt;

4. durch diese Tat und die Äußerung, wenn er etwas zur Polizei sage, dann sei er tot, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung einer Strafanzeige wegen der zu A/I genannten Taten genötigt.

Über die allein vom Angeklagten gegen dieses Urteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde des Marek S***** gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft keine Folge und setzte diese aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO fort. Seiner Grundrechtsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu. Die Beschwerde räumt zutreffend ein, dass im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens in Betreff der Sachverhaltsannahmen für die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdacht von denjenigen des - wenngleich angefochtenen - Urteils auszugehen ist. Die rechtliche Annahme der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahren hinwiederum wird anlässlich einer Grundrechtsbeschwerde vom Obersten Gerichtshof dahin überprüft, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0118185 und RS0117806).

Die vom Oberlandesgericht ins Treffen geführte Vorstrafenbelastung „wegen (gemeint:) Verkehrs- und Urkundendelikten" und die bei zwei Fahrzeugdiebstählen als dringend wahrscheinlich angesehene Absicht des als „vermögenslos" bezeichneten Beschwerdeführers, sich durch wiederkehrenden Einbruchdiebstahl eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (S 5 der angefochtenen Entscheidung) lassen einen formal einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO zu. Ob dieser zum Zeitpunkt seiner Festnahme „beschäftigungs- und einkommenslos" war - was die Beschwerde bestreitet - kann demnach außer Betracht bleiben.

Die in der Beschwerde unter dem Aspekt des § 180 Abs 3 dritter Satz reklamierte Dauer der bisherigen Untersuchungshaft wurde bei der Prognose ebenfalls in Rechnung gestellt, womit sich diese als rechtsfehlerfrei erweist. Welche das „Persönlichkeitsbild des Angeklagten" betreffenden Tatumstände übergangen wurden, sagt die Grundrechtsbeschwerde nicht. Davon abgesehen sind bei der Begründung des Haftgrundes nicht in Anschlag gebrachte Tatumstände ohnehin unbeachtlich, weil hinsichtlich der Haftgründe keine sinngemäße Anwendung der Nichtigkeitsgründe nach Maßgabe des § 10 GRBG erfolgt (näher Ratz, ÖJZ 2005, 415 [418]).

Da bereits der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigt, bedürfen die in der Beschwerde angestellten Erwägungen zum darüber hinaus angenommenen Haftgrund der Fluchtgefahr keiner Erörterung. Eine Sicherheitsleistung kommt nach § 190 Abs 1 StPO nur in Betracht, sofern ausschließlich der Haftgrund der Fluchtgefahr vorliegt.

Mit Blick auf das vom Erstgericht gefundene Strafmaß von 15 Monaten, an dem sich - wie der Beschwerdeführer zutreffend erkannt hat - die Prüfung eines nach § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO angemessenen Verhältnisses zu der zu erwartenden Strafe auszurichten hat (RIS-Justiz RS0108401), erscheint die im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung etwa 9 1/2 Monate andauernde Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig. Gleiches gilt in Bezug auf die Bedeutung der Sache, mit anderen Worten der nach den Verdachtsannahmen dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Taten.

Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach § 193 Abs 1 StPO (richtungweisend: 15 Os 34/04, JBl 2005, 262; vgl auch 14 Os 139/04, EvBl 2005/91) durch die erst am 27. September 2005 erfolgte Zustellung einer Ausfertigung des bereits am 1. August 2005 ergangenen (und keineswegs besonders komplexen) Urteils (vgl aber § 270 Abs 1 StPO) wurde nicht geltend gemacht (§ 3 Abs 1 GRBG). Durch die Dauer des Rechtsmittelverfahrens werden übrigens Angeklagte, welche in Betreff eines gegen sie ergangenen Strafurteils von ihrem Rechtsmittelrecht Gebrauch machen - anders als der Beschwerdeführer meint - gegenüber Angeklagten, welche von einer Urteilsbekämpfung Abstand nehmen, unter dem Aspekt einer möglichen bedingten Entlassung nicht benachteiligt. Dafür sorgt eine vom Obersten Gerichtshof verlangte analoge Anwendung des § 265 StPO, welche das erkennende Gericht bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch nach Abschluss des Verfahrens erster Instanz bis zu einem etwaigen Strafantritt dazu verpflichtet, in der im § 13 Abs 3 StPO genannten Zusammensetzung dem Angeklagten den Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit mit Beschluss bedingt nachzusehen (vgl 11 Os 24/02).

Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO hingegen ist die Möglichkeit einer bedingten Entlassung ebensowenig wie jene einer bedingten Strafnachsicht (vgl erneut 14 Os 139/04, EvBl 2005/91 mwN), was der Beschwerdeführer ohnehin erkannt hat.

Ebensowenig von Relevanz sind angebliche Vorteile des Strafvollzugs gegenüber der weiteren Anhaltung eines das Strafurteil anfechtenden Angeklagten in Untersuchungshaft.

Rechtssätze
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