JudikaturJustiz13Os35/97

13Os35/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jutta S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29.November 1996, GZ 20 p Vr 3525/96-71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer und des Verteidigers Dr.Ainedter, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Jutta S*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Jutta S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Danach hat sie am 26.März 1996 in Wien vorsätzlich (ihren am 26.Juli 1983 geborenen Sohn) Stefan S***** durch einen tiefen Halsschnitt getötet.

Die Geschworenen hatten die (anklagekonform) auf Mord gerichtete Hauptfrage (stimmeneinhellig) bejaht, die Eventualfrage nach Totschlag folgerichtig unbeantwortet gelassen und die Zusatzfrage über die Zurechnungsun- fähigkeit zum Tatzeitpunkt verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf die Gründe des § 345 Abs 1 Z 8, 10 a und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist nicht im Recht.

Mit ihrer Instruktionsrüge (Z 8) behauptet die Beschwerdeführerin eine unrichtige (schriftliche) Rechtsbe- lehrung der Geschworenen zur Eventualfrage nach § 76 StGB, indem sie vorerst eine unzureichende Erläuterung des Begriffes "allgemeine Begreiflichkeit" der Gemütsbewegung moniert. Sie kann aber keine Unrichtigkeit in der Bedeutung dieses Nichtigkeitsgrundes aufzeigen. Geht doch die Rechtsbelehrung nicht nur hinlänglich auf alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, sondern insbesondere auch zutreffend darauf ein, daß sich die allgemeine Begreiflichkeit nur auf die Ursache der heftigen Gemütsbewegung (Verhältnis zwischen herbeiführendem Anlaß und eingetretenem psychischen Ausnahmezustand), nicht aber auf die Begehung der Tat selbst bezieht (vgl S 3 der Rechtsbelehrung; Leukauf-Steininger Komm3 § 76 RN 11).

Dem Einwand, es sei den Geschworenen in der Belehrung nach § 321 StPO irreführende und sogar unrichtige Judikatur vermittelt worden, ist vorweg zu erwidern, daß die Zitierung von Lehrmeinungen, Rechtsprechung und Belegstellen an sich gar nicht geboten ist (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 38), deswegen allein eine Belehrung aber noch nicht unrichtig sein muß. Der der zutreffenden Rechtsbelehrung noch folgende Hinweis, daß "die allgemeine Begreiflichkeit der zur Tötung hinreißenden Gemütsbewegung nicht vorliegt, wenn zwischen Affektanlaß und der Person des Opfers kein psychologisch und sittlich allgemein begreiflicher Zusammenhang besteht" (S 4 erster Satz der Rechtsbelehrung), entspricht ebenso der zu 14 Os 61/90 vertretenen Rechtsauffassung wie auch dem zu 14 Os 197/95 (= EvBl 1996/131 = RiZ 1997 Nr 25) im Anschluß unter ausdrücklichem Judikaturzitat wiedergegebenen Entscheidungsteil. Vor allem sollte damit nur die Aufmerksamkeit der Geschworenen bei Prüfung der "allgemeinen Begreiflichkeit" auch auf die Position des Tatopfers innerhalb des zur heftigen Gemütsbewegung führenden Konfliktfeldes gelenkt werden, zumal nicht jedes (vorangehende) Verhalten des (später) Getöteten die Annahme einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" des Täters rechtfertigt (s. Leukauf-Steininger Komm3 § 76 RN 13).

Die von der Beschwerde vermißten Erläuterungen über "erweiterten Selbstmord" und "Verzweiflungstaten" aus Kommentaren und Entscheidungssammlungen sind im Sinne der Bestimmung des § 321 Abs 2 StPO, wonach die Rechtsbelehrung (bloß) eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale zur Haupt- und Eventualfrage sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorhandenen Ausdrücke des Gesetzes enthalten muß, zutreffend unterlassen worden. Soll doch überdies nach der (auch in der Rechtsmittelschrift) zitierten Rechtsprechung eine unnötige Problembelastung der Geschworenen vermieden werden.

Dem Beschwerdehinweis auf die Erwägungen in der Niederschrift der Geschworenen ist zu entgegnen, daß diese grundsätzlich keine Grundlage eines Nichtigkeitsgrundes sein können (Mayerhofer StPO4 § 331 ENr 10 ff), im übrigen aber ihnen vorliegend kein Anhaltspunkt für einen Irrtum der Laienrichter zu entnehmen ist. Wird doch darin unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sogar ein (Anlaß für einen) Affekt ausgeschlossen wurde. Die von den Geschworenen schon vorweg nicht angenommene heftige Gemütsbewegung der Angeklagten zeigt deutlich, daß auch dann, wenn - wie die Verteidigung meint - die zu 14 Os 197/95 vertretene Auffassung zur "allgemeinen Begreiflichkeit" einer heftigen Gemütsbewegung unzutreffend sei, daraus vorliegend kein Nachteil (s. Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 ENr 7 f, 69) für die Angeklagte erwachsen konnte.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a), in welcher sich die Beschwerdeführerin gegen die (sich nur aus dem Umstand der Verneinung der Zusatzfrage ergebende) "Feststellung" ihrer Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit und damit gegen die Richtigkeit der Gutachten der dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Prim.Dr.P***** und Dr.Q***** wendet, geht fehl; aus den Akten ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der auf den Sachverständigengutachten beruhenden im Wahrspruch festgestellten Tatsachen. Auch aus dem Umstand, daß die Angeklagte teilweise von der ihr zustehenden Möglichkeit nach § 203 StPO Gebrauch machte, ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen ihre Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit.

Die auf eine Tatbeurteilung nach § 76 StGB abzielende Subsumtionsrüge (Z 12) läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie (auch mit dem auf die Instruktionsrüge bezugnehmenden Vorbringen) in unzuläs- siger Weise die nach dem Wahrspruch von den Geschworenen als erwiesen angenommenen Tatsachen negiert. Subsumtionsfehler können in einem geschworenengerichtlichen Verfahren nur aus den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen abgeleitet werden (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 12 E 8). Nach dem Inhalt des Wahrspruchs bleibt aber für den von der Beschwerdeführerin angestrebten Schuldspruch nach § 76 StGB kein Raum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über die Angeklagte nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend, daß ein an der Sachlage völlig unbeteiligtes Kind getötet wurde, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel der Angeklagten, die einem Geständnis gleichkommende Verantwortung und einen gewissen psychischen Ausnahmezustand.

Dagegen richtet sich die Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung beantragt.

Der von der Berufungswerberin geforderten zusätzlichen Berücksichtigung der Milderungsgründe des § 34 Z 8 und 11 StGB ist entgegenzuhalten, daß nach dem Wahrspruch sie sich nicht einmal in einer heftigen Gemütsbewegung befand und ihr ohnedies ein psychischer Ausnahmezustand (zur Tatzeit) als mildernd zugute gehalten wurde. Hingegen hat das Erstgericht mit dem Erschwerungsgrund zu Recht die Tatsache berücksichtigt, daß die Angeklagte ihr eigenes minderjähriges (an ihrer Situation unschuldiges) Kind getötet hat (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 32 ENr 17).

Bei gebührender Gewichtung aller Strafbemessungskriterien ist die verhängte Freiheitsstrafe nicht reduktionsbedürftig, weshalb auch der Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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