JudikaturJustiz13Os23/20m

13Os23/20m – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Strafsache gegen Jhonny V***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hersh A***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 14. Jänner 2020, GZ 603 Hv 16/19x 62, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich ( § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH

Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in Ansehung des Einziehungserkenntnisses unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte Hersh A***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Jhonny V***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I/1) sowie des Vergehens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB (II) und Hersh A***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I/1) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I/2) schuldig erkannt.

Danach haben in M***** und L*****

(I) als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich

1) Jhonny V***** aus Spanien aus- und nach Österreich eingeführt, indem er in sogenannten Bodypacks verpacktes Kokain in Madrid übernahm, die Behältnisse inkorporierte, anschließend zum F***** flog und das Kokain weiter nach L***** verbrachte, wobei Hersh A***** zu dieser strafbaren Handlung beitrug (§ 12 dritter Fall StGB), indem er Jhonny V***** am 27. September 2019 (a) am vereinbarten Treffpunkt in L***** empfing, ihn in einer angemieteten Wohnung aufnahm, das Suchtgift nach dem Ausscheiden an sich nahm und während des Aufenthalts des Jhonny V***** neben der Unterkunft auch für seine Verpflegung sorgte, und sich für den 5. Oktober 2019 (b) hiezu bereithielt, und zwar

a) am 27. September 2019 888 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 468 Gramm Cocain.HCl Reinsubstanz) sowie

b) am 5. Oktober 2019 596 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 314 Gramm Cocain.HCl Reinsubstanz), und

2) Hersh A***** zwischen dem 27. September und dem 1. Oktober 2019 die von Jhonny V***** nach Österreich eingeführten 888 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 468 Gramm Cocain.HCl Reinsubstanz, I/1/a) anderen um mehr als 30.000 Euro überlassen, weiters

II) Jhonny V***** am 1. Oktober 2019 wissentlich Vermögensbestandteile, die aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung eines anderen herrührten, an sich gebracht, verwahrt und in weiterer Folge einem Dritten übertragen, indem er 30.000 Euro Bargeld aus dem Erlös des Suchtgifthandels des Hersh A***** (I/2) von diesem übernahm und nach Madrid brachte, wo er den Bargeldbetrag in seiner Wohnung zur Abholung für seine Auftraggeber (US 6) hinterlegte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die ihn betreffenden Schuldsprüche I/1 und I/2 richtet der Angeklagte Hersh A***** seine auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, mit nicht geltend gemachter materieller Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) behaftet ist, die zum Nachteil beider Angeklagter wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Die vom Erstgericht zu den Schuldsprüchen I/1 und I/2 konstatierte Reinsubstanz „Cocain.HCl“ enthält zwar jedenfalls Cocain in Reinsubstanz im Sinn der Suchtgiftverordnung, entspricht jedoch nicht der im Anhang unter 1. der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die Grenzmengen der Suchtgifte (Suchtgift Grenzmengenverordnung – SGV) genannten Substanz „Cocain“. Die zu dieser festgesetzte Grenzmenge von 15 Gramm bezieht sich gemäß § 2 SGV nämlich nur auf die Base, nicht aber auf ein Salz (hier Kokainhydrochlorid) dieses Suchtgifts. Eine Überschreitung der Grenzmenge (§ 28b SMG) sowie des 25 Fachen der Grenzmenge lässt sich auf der vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltsgrundlage daher nicht beurteilen (RIS Justiz RS0114428 [T5], jüngst 12 Os 78/18i). Die Konstatierungen, die einen – gar nicht erfolgten – Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter und sechster Fall SMG und nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG tragen würden, können für sich allein nicht bestehen bleiben (RIS Justiz RS0115884).

Solcherart waren die Schuldsprüche I/1 und I/2 zur Gänze zu beheben.

Hinzugefügt sei, dass das Urteil überdies, wenn auch ohne konkreten Nachteil für die Angeklagten im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 f), keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Konsequenz der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG (Schuldsprüche I/1 und I/2) enthält (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Diese setzt nämlich nach der Legaldefinition des § 278 Abs 2 StGB voraus, dass ein Zusammenschluss von mehr als zwei Personen – mit der im Tatbestand bezeichneten Ausrichtung – besteht, der auf längere Zeit angelegt ist (vgl hiezu RIS Justiz RS0125232 und RS0119848 sowie Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 8). Feststellungen dazu sind dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen.

Unter Berücksichtigung des engen beweismäßigen Zusammenhangs zwischen den Schuldsprüchen I und II nahm der Oberste Gerichtshof die Möglichkeit, das angefochtene Urteil nur teilweise aufzuheben (§

289 StPO), nicht wahr.

Daraus folgte die Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung

285e StPO iVm §

290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Auf diese Entscheidung war der Beschwerdeführer mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe zu verweisen.

Die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts gemäß § 34 SMG bleibt – da das Urteil ausreichende Feststellungen zu einer mit Strafe bedrohten Handlung (vgl Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 14 ff und 26) nach dem SMG enthält – von der Aufhebung des Schuldspruchs unberührt (RIS Justiz RS0088115 [T3]).

Die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war sofort zurückzuweisen.