JudikaturJustiz13Os162/86

13Os162/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Felzmann (Berichterstatter) und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Edith W*** wegen des Verbrechens nach § 15 StGB. und § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 26.September 1986, GZ. 12 Vr 231/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Herzka, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Verfolgungsvorbehalt nach § 263 Abs. 2 StPO. unberührt bleibt, aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Edith W*** ist schuldig, am 26.Oktober 1985 beim Grenzübergang Emmerich-Bahnhof den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich achtzehn Gramm Heroin mit einem Reinheitsgrad von 31 %, aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen getrachtet zu haben.

Sie hat hiedurch das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. begangen und wird hiefür nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB. auf die Urteile des Bezirksgerichts Wels vom 14. Jänner 1986, 15 U 1323/85, vom 12.März 1986, 15 U 181/86, und vom 5. Juni 1986, 15 U 426/86, zu einer Freiheitsstrafe von 10 (zehn) Monaten und gemäß § 389 StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 38 StGB. wird die in der Bundesrepublik Deutschland erlittene Vorhaft vom 26.Oktober 1985, 12,00 Uhr, bis 12. November 1985, 12,00 Uhr, auf die Strafe angerechnet. Gemäß § 390 a StPO. fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die am 15.Jänner 1958 geborene österreichische Staatsbürgerin Edith W*** wurde von der wider sie wegen Versuchs der illegalen Einfuhr von achtzehn Gramm Heroin von Holland in die Bundesrepublik Deutschland nach § 15 StGB. und § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (n.F.) erhobenen Anklage (ON. 6) gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Das Schöffengericht nahm auf Grund der umfassend geständigen Verantwortung der Angeklagten als erwiesen an, daß die rauschgiftsüchtige Edith W*** am 26.Oktober 1985 in Amsterdam von einem unbekannt gebliebenen Rauschgifthändler achtzehn Gramm Heroinzubereitung mit einem Reinheitsgrad von 31 % (= 5,58 Gramm Reinsubstanz) - mithin jedenfalls eine große Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (13 Os 121/86) - erworben hatte, um es nach Österreich zu bringen, sie gab das Suchtgift in ein Präservativ und verbarg es in ihrer Scheide. Noch am selben Tag trat sie die Rückreise nach Österreich an, wurde jedoch beim Überschreiten der niederländisch-deutschen Grenze in Emmerich kontrolliert und in ein Krankenhaus gebracht. Dort wurde das Rauschgift entdeckt und Edith W*** festgenommen. Am 12.November 1985 wurde sie vom Amtsgericht Kleve wegen Einfuhr und Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach dem (deutschen) Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und das Suchtgift eingezogen; die Vollziehung der Strafe wurde für eine Probezeit von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Untersuchungshaft vom 26. Oktober 1985 bis zum 12.November 1985 wurde auf die Strafe angerechnet. Das Urteil ist rechtskräftig. Edith W*** wurde nach Österreich abgeschoben (ON. 5 in Verbindung mit S. 17, 27, 30). Obwohl das Gericht den Tatbestand nach §§ 15 StGB., 12 Abs. 1 SuchtgiftG. in objektiver und subjektiver Hinsicht für verwirklicht ansah, kam es mit der Begründung zum Freispruch, daß seit der Suchtgiftgesetznov. 1985 BGBl. 184 die Verweisungsnorm des § 64 Abs. 1 Z. 4 StGB. auf Suchtgiftdelikte nicht mehr anwendbar sei. Einer Beurteilung der Auslandstat einer Österreicherin nach § 64 Abs. 1 Z. 6 StGB. in Verbindung mit Art. 36 der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961 (ESK.) stehe der Umstand entgegen, daß Edith W*** wegen dieser Tat in der Bundesrepublik Deutschland verfolgt und verurteilt worden sei (Art. 36 Abs. 2 lit. a Z. IV Ende ESK.). Die Anwendung des § 65 StGB. sei deshalb ausgeschlossen, weil sich diese Gesetzesstelle ausdrücklich nur auf jene Taten beziehe, die in den §§ 63 und 64 StGB. nicht bezeichnet seien. Da § 64 Abs. 1 Z. 6 StGB. grundsätzlich auch heute noch auf Suchtgiftdelikte anwendbar sei, schließe schon dies ein Vorgehen nach § 65 StGB. aus. Die inländische Strafbarkeit ist gemäß § 65 Abs. 4 Z. 3 StGB. erst dann erloschen, wenn der Täter von einem ausländischen Gericht rechtskräftig verurteilt und die Strafe ganz vollstreckt oder erlassen wurde oder die Vollstreckbarkeit nach ausländischem Recht verjährt ist. Insoweit vermeint das Kreisgericht, es genüge, daß der Täter im Ausland verfolgt und verurteilt worden sei. Diese Voraussetzung sei bei Edith W*** in der Bundesrepublik Deutschland erfüllt worden.

Gegen diesen Freispruch wendet sich zu Recht die auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Dem Erstgericht ist beizupflichten, daß § 64 Abs. 1 Z. 4 StGB. im Hinblick auf die zweimalige gesetzliche Änderung am § 12 (früher: § 6) SuchtgiftG. (BGBl. 1980/319 und 1985/184) auf im Ausland begangene Verbrechen nach dieser Gesetzesstelle nicht mehr anwendbar ist (Entscheidung des verstärkten Senats vom 23.Oktober 1986, 13 Os 45/86 = RZ. 1986/77). Eine Verurteilung der Angeklagten, gestützt auf § 64 Abs. 1 Z. 6 StGB., scheidet aus, weil die Verpflichtung Österreichs zur Verfolgung einer derartigen Auslandstat gemäß Art. 36 Abs. 2 lit. a Z. IV Einzige Suchtgiftkonvention mangels Ablehnung eines Ersuchens um Auslieferung nicht aktuell ist (auch hiezu 13 Os 45/86, verstärkter Senat; Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , 2.Erg.Heft 1985 S. 55). Damit erübrigt sich eine weitere Argumentation zu § 64 Abs. 1 Z. 6 StGB. Endlich muß der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht beigepflichtet werden, daß die inländische Gerichtsbarkeit für das in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland begangene Suchtgiftverbrechen einer Österreicherin nach § 65 Abs. 1 Z. 1 StGB. zu bejahen ist. Da das Amtsgericht Kleva die durch die Untersuchungshaft nur teilverbüßte Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzte, die dreijährige Bewährungsfrist noch läuft und damit die Entfallensgründe des § 65 Abs. 4 StGB. nicht vorliegen (siehe die bei Leukauf-Steininger 2 in RN. 15 zu § 65 StGB. zitierten Entscheidungen) unterliegt diese Tat der inländischen Gerichtsbarkeit. Die Einleitungsworte des § 65 StGB. schließlich ("Für andere als die in den §§ 63 und 64 bezeichneten Taten ...") sind auf die Anwendbarkeit der §§ 63 und 64 StGB. auf die individuelle Tat zu beziehen, nicht auf die abstrakte "strafbare Handlung". Da die von der Angeklagten verübte Suchtgifteinfuhr nicht unter §§ 63, 64 StGB. fällt, steht der Eingangssatz des § 65 StGB. dem vorstehend gewonnenen Ergebnis nicht entgegen (so schon bedenkenfrei nach § 64 StGB. auf § 65 StGB. übergehend 10 Os 7, 61/86 und der verstärkte Senat in 13 Os 45/86 sowie jüngst 9 Os 130/86).

Das Erstgericht hat sohin zu Unrecht die Anwendbarkeit der österreichischen Strafgesetze auf diese Auslandstat einer Inländerin verneint, weshalb in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen für die strafrechtliche Beurteilung ausreichenden Tatsachenfeststellungen in der Sache selbst zu erkennen und Edith W*** anklagekonform schuldig zu sprechen war. Von dieser Entscheidung bleibt der Verfolgungsvorbehalt gemäß § 263 Abs. 2 StPO. unberührt. Bei der nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. vorzunehmenden Strafzumessung (Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) waren die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mit drei weiteren, im Verhältnis des § 31 StGB. stehenden Verurteilungen (bzw. mit den dort zugrundeliegenden Delikten) erschwerend, während als mildernd berücksichtigt wurde, daß die Angeklagte geständig war und nur eine nahe der Untergrenze der "großen Menge" liegende Heroinmenge einzuführen versucht hat.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Bedachtnahme auf die durch soziale Not und schwere Krankheit verschärfte Lebenssituation erscheint eine Freiheitsstrafe von einem Jahr schuldangemessen. Da die Angeklagte aber seit der Tat drei weitere (im Spruch näher bezeichnete) Verurteilungen wegen §§ 15, 141 Abs. 1 bzw. 15, 127 Abs. 1 StGB. erlitten hat, war nach der Strafzumessungsregel des § 40 StGB. unter pauschaler Berücksichtigung der verhängten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt fünfundfünfzig Tagen) eine Zusatzstrafe von zehn Monaten auszusprechen. Auf diese Strafe war gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. die in der Bundesrepublik Deutschland erlittene, auf die dort verhängte, aber zur Bewährung ausgesetzte (und daher nicht verbüßte) Freiheitsstrafe angerechnete Vorhaft anzurechnen (LSK. 1977/75), wobei mangels aktenmäßiger Unterlage über den genauen Beginn und das uhrzeitmäßige Ende der Haft jeweils die Mittagsstunde angenommen wurde (13 Os 117/83 u.a.). Zur Frage der bedingten Strafnachsicht war zu erwägen, daß Edith W*** schon zweimal (davon einmal empfindlich) wegen Suchtgiftdelikten bestraft wurde und nach bedingter Strafnachsicht bei der zweiten Verurteilung und Beigebung einer Bewährungshelferin während der Probezeit wieder einschlägig delinquierte, aber auch weitere, wenn auch gerinfügige Straftaten beging. Andererseits war die Gewißheit, an A*** erkrankt zu sein, mitbestimmend für dieses neuerliche Abgleiten in die Kriminalität. Gerade diese Lebensweise, die aus den vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Berichten der Bewährungshelferin hervorgehende Einstellung der Angeklagten zu ihrer Krankheit und die Weigerung, sich ärztlich behandeln zu lassen, bieten - trotz aller menschlichen Belastung in ihrer Situation - bei der Angeklagten keine ausreichende Grundlage für die Annahme zukünftigen Wohlverhaltens, sodaß es mangels der Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 StGB. dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, die (Zusatz ) Strafe bedingt nachzusehen.

Rechtssätze
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