JudikaturJustiz13Os159/77

13Os159/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 1978

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Feber 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sulyok als Schriftführers in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengerichts vom 8.Juni 1977, GZ. 16 Vr 1.668/76-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Adler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 5 (fünf) Monate herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderen der Angeklagte Rudolf A des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1;

115 Abs 1, 117 Abs 2) StGB. schuldig erkannt, weil er sich am 19. Dezember 1975 in Traismauer fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzte und im Rausch dadurch, daß er den Gendarmeriebeamten Erich B mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu hindern suchte, ihn aus einem Kaffeehaus abzuführen, sowie dadurch, daß er den Beamten während der Ausübung seines Dienstes öffentlich beschimpfte, Handlungen beging, die ihm außer diesem (Rausch ) Zustand als die Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der Beleidigung zugerechnet würden.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte als nach der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. nichtig, weil der Genuß von Alkohol nicht schon an sich als fahrlässige Handlung gewertet werden könne und das Erstgericht die zur Beurteilung der Fahrlässigkeitsschuld erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Zur Fahrlässigkeit genügt es, daß der Täter die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, sobald er deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (unbewußte Fahrlässigkeit: § 6 Abs 1 StGB.). Daher versetzt sich fahrlässig in einen Rauschzustand, wer, (ohne Absicht auf eine Straftat und) ohne sich geradezu berauschen zu wollen, zu viel trinkt, wobei er aber bei Einhaltung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen (ihm auch zumutbaren) Sorgfalt mit der Möglichkeit des Eintrittes eines solchen Zustandes rechnen mußte (SSt. 43/31 u.a.).

Im vorliegenden Fall erbrachte nun das Verfahren nichts, was das Vorliegen der umschriebenen Fahrlässigkeitsvoraussetzungen beim Beschwerdeführer in Frage stellen ließ. Er selbst gab den Genuß von Alkohol in solchen Mengen zu, die ausreichen, auch einen normalen Menschen - von seiner reduzierten Alkoholtoleranz ganz abgesehen - sogar voll zu berauschen. Demgemäß bekannte er sich in der Hauptverhandlung des ihm zur Last gelegten Vergehens nach dem § 287 Abs 1 StGB. schuldig (S. 139 d.A.). Das Erstgericht war mithin nicht gehalten, über die Umstände, unter denen der Beschwerdeführer in den seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand geriet, nähere Feststellungen zu treffen; es konnte ohne Rechtsirrtum den bezüglichen Fahrlässigkeitsvorwurf in seinem Schuldurteil aussprechen.

Aus diesen Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen vorsehenden) Strafsatz des § 287 Abs 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen (als Grunddelikte) sowie die (einschlägigen) Vorstrafen, als mildernd hingegen das Geständnis des Angeklagten.

Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Die Berufung ist teilweise begründet.

Die hier gegebenen Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen vollzählig und zutreffend erfaßt und festgestellt. Wie das Erstgericht im Ergebnis richtig erkannte, fällt zunächst als strafschärfend ins Gewicht, daß der Berufungswerber im Zustand voller Berauschung nicht bloß eine, sondern zwei mit Strafe bedrohte Handlungen verübte, also - nach Maßgabe der Strafnorm des § 287 Abs 1 StGB. - insgesamt zwei Grunddelikte verantworten muß. Es liegt aber auch der Erschwerungsumstand des § 33 Z. 2 StGB. vor, weil der Angeklagte bereits in früheren Jahren wegen Taten bestraft wurde, die auf der gleichen schädlichen Neigung wie die jetzt abgeurteilten beruhen.

Entgegen der vom Berufungswerber verfochtenen Rechtsauffassung setzt nämlich der Erschwerungsgrund des § 33 Z. 2 StGB. im gegebenen Fall keineswegs notwendig eine oder mehrere Vorverurteilungen wegen des Vergehens nach dem § 287 StGB. voraus:

Kraft der Begriffsbestimmung des § 71 StGB. beruhen mit Strafe bedrohte Handlungen auch dann auf der gleichen schädlichen Neigung, wenn sie - wie die nunmehr abgeurteilte und einige Gegenstand früherer Verurteilungen bildende Straftaten des Berufungswerbers - im gleichen Charaktermangel, hier in der Neigung zu haltlosem Sichbetrinken, wurzeln (vgl. SSt. 32/1).

Der Oberste Gerichtshof vertritt jedoch in sorgfältiger Prüfung und Wägung der zitierten Strafzumessungsgründe die Auffassung, daß eine Herabsetzung der Strafdauer auf das im Spruch ersichtliche, dem Unrechtsgehalt der Tat und dem Verschuldensgrad des Berufungswerbers entsprechende Ausmaß angebracht und geboten ist.

Dabei hatte der Oberste Gerichtshof ungeachtet dieses sich im Berufungsverfahren ergebenden, sechs Monate nicht überschreitenden Ausmaßes der verwirkten Freiheitsstrafe in eine amtswegige Prüfung der Frage nach den Voraussetzungen einer Strafumwandlung nach § 37 StGB. (sh. SSt. 46/71) schon deshalb nicht einzutreten, weil die Strafbestimmung des § 287 StGB. Geldstrafe bereits als Primärstrafe (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe), demnach unabhängig vom Vorliegen der - einschränkenden - Umwandlungsbedingungen des § 37 StGB. vorsieht, sodaß - insoweit - die Norm des § 37

StGB. an sich nicht Platz zu greifen vermag. Dem Berufungswerber wäre vielmehr auch auf der Grundlage des erstgerichtlichen Strafausspruchs, d.h. des in erster Instanz zuerkannten, sechs Monate übersteigenden Strafausmaßes die sofortige, bedingungsfreie Anfechtung des Ersturteils mit dem Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtverhängung einer (Primär )Geldstrafe offengestanden. Die erstrebte Gewährung eines bedingten Strafnachlasses kam angesichts des außerordentlich getrübten Vorlebens des Angeklagten - aus spezialpräventiven Erwägungen -

nicht in Betracht.

Der Berufung des Angeklagten war darum (nur) im dargelegten Umfang

Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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