JudikaturJustiz13Os132/96

13Os132/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. November 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Korneuburg vom 13. Mai 1996, GZ 10 Vr 30/96-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Korneuburg zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian G***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz (2.Fall) StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 26. Jänner 1996 in Loosdorf Franz S***** (I) durch einen Schuß in den Kopf aus einer Pistole (vorsätzlich) getötet und (II) durch diese Tat mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe 251.710 S Bargeld mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes gerichtete Hauptfrage (fortlaufende Zahl: 1) und die Hauptfrage (fortlaufende Zahl: 4) wegen schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Satz (2.Fall) StGB, die nicht nur im Sinne der Anklage (Variante a) ausgehend von einem Vorgehen mit Tötungsvorsatz gestellt worden war, sondern auch die Varianten der Gewaltanwendung (b) durch einen in der Absicht, schwer zu verletzen, und (c) mit dem Vorsatz auf Körperverletzung abgegebenen Kopfschuß gegen das Opfer sowie (d) durch vom Ruf "Überfall" begleitetes unvorsichtiges Halten der geladenen und entsicherten Pistole mit entspanntem Hahn gegen Franz S*****, sodaß sich (ungewollt) ein Schuß löste, enthielt, sowie die zur Hauptfrage (fortlaufende Zahl: 4) gestellte und auf die tödlichen Folgen durch die Gewaltanwendung beim Raub abstellende Zusatzfrage (fortlaufende Zahl: 5) bejaht. Die auf absichtliche schwere Körperverletzung (§ 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB), für den Fall der Verneinung der Hauptfrage nach Mord und die auf vorsätzliche Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) für den Fall der Verneinung der vorgenannten Eventualfrage gestellten Fragen blieben unbeantwortet. Die in den zur Hauptfrage wegen Raubes vorgenommenen Streichungen (b bis d) wurden - wie aus dem Aktenvermerk des Vorsitzenden vom 12. August 1996 (somit nach Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde) hervorgeht - nicht von den Geschworenen, sondern nachträglich vom Vorsitzenden anläßlich der Urteilsausfertigung vorgenommen und waren dem Verteidiger somit unbekannt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 6 und 9 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der schon in Ansehung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes Berechtigung zukommt.

Mit Recht wendet die Fragestellungsrüge nämlich ein, daß die Formulierung der Hauptfrage (fortlaufende Zahl: 4) nach Raub unter Verwendung einer Waffe, in der ungleichartige alternative Begehungsvarianten des Raubes gemeinsam und in der Zusammenfassung mit der aus der Anklage abgeleiteten Hauptfrage gestellt werden, nicht nur gegen die Vorschrift des § 312 StPO verstößt, wonach die primär zu stellenden Hauptfragen mit der Anklage, und zwar auch hinsichtlich des konkreten Sachverhaltes und der darin enthaltenen Qualifikation, übereinzustimmen haben (vgl SSt 24/46; NRsp 1992/159; Foregger/Kodek, StPO6 § 312 Erl II). Sie verletzt solcherart auch § 317 Abs 2 iVm § 312 Abs 1 und § 314 Abs 1 StPO.

Obzwar § 317 Abs 2 StPO es dem richterlichen Ermessen anheimstellt, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind, wird die Befugnis, mehrere Fragen in eine einzige aufzunehmen, durch Natur und Zweck der Fragestellung eingeschränkt, durch die ein der wahren Willensmeinung der Geschworenen entsprechender und zugleich für den Richter brauchbarer Widerspruch herbeigeführt werden soll (Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 317 ENr 5). Durch die Bejahung der Schuldfrage müssen überdies die Geschworenen zugleich die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz vollziehen können, weswegen eine Tat in der Schuldfrage nicht alternierend verschiedenen Deliktsbegriffen unterstellt werden darf (vgl Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 317 ENr 15).

Beiden Anliegen wurde durch das dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Fragenschema nicht Rechnung getragen. Die Fragestellung läßt nämlich völlig unberücksichtigt, daß die in der relevierten Hauptfrage (fortlaufende Zahl: 4) aufgezählten Varianten, die ihrerseits undifferenziert Gegenstand der Zusatzfrage (fortlaufende Zahl: 5) sind, (nur) zum Teil eine Qualifikation des schweren Raubes (auch) nach § 143 Satz 3 zweiter Halbsatz StGB rechtlich zulassen. Scheidet doch diese Qualifikation bei Annahme eines Mordvorsatzes aus (Leukauf/Steininger Komm3 § 143 RN 17, § 142 RN 37). Die nach Beantwortung (Bejahung) der Frage vorgenommenen Streichungen, können abgesehen von der Unzulässigkeit dieses Vorganges, den Fehler nicht sanieren.

Außerdem vernachlässigt das Fragenschema, daß das Delikt der vorsätzlichen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 (Eventualfrage 3), das übrigens bei der gegebenen Sachkonstellation - ebenso wie das zum schweren Raub der §§ 142 Abs 1, 143 Satz 3 zweiter Fall StGB allerdings echt konkurrierende (Leukauf/Steininger Komm3 § 87 RN 15) Delikt nach § 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB (Eventualfrage 2) - in keiner Weise indiziert war, in der Raubqualifikation nach § 143 Satz 3 zweiter Fall StGB aufginge (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 36, § 86 RN 16), auch die Verneinung der Hauptfrage nach schwerem Raub (§ 142 Abs 1, 143 erster Satz StGB) zur Voraussetzung hätte.

Bei dem verfehlten Fragenschema kann der Nichtigkeitsbeschwerde nicht entgegengehalten werden, es wäre unzweifelhaft erkennbar, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO), besteht doch die Möglichkeit, daß die Geschworenen bei richtiger Fragestellung (und zutreffender Klarlegung des Verhältnisses der Fragen zueinander) zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Dies erhellt schon daraus, daß die (widersprüchliche) Bejahung der Fragen 1 (Mord) und 5 (bloße Todesfolge) beim Schuldspruch offenbar dadurch beseitigt werden sollte, daß - bei der denkbaren gegenteiligen und für den Angeklagten sogar günstigeren Auffassung - von der Bejahung der Mordfrage ausgegangen und die bejahte (uneigentliche) Zusatzfrage (SSt 55/43) nach der Raubqualifikation iS des § 143 Satz 3 zweiter Fall StGB unberücksichtigt blieb.

Eine Neudurchführung der Hauptverhandlung ist solcherart unumgänglich.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung nach §§ 285 e, 344 StPO Folge zu geben und gemäß § 349 Abs 1 StPO vorzugehen.

Bei unveränderter Sachlage wird im neuerlichen Rechtsgang neben den beiden anklagekonform wegen Mordes (§ 75 StGB) und schweren Raubes iS der §§ 142 Abs 1 und 143 erster Satz (2.Fall) StGB zu stellenden Hauptfragen nur eine für den Fall der Verneinung der Mordfrage zu stellende Eventualfrage (s Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 316 ENr 2b, vgl SSt 55/43; 46/75) nach fahrlässiger Todesfolge im Sinne des § 143 Satz 3 zweiter Fall StGB vorzusehen sein.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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