JudikaturJustiz13Os128/20b

13Os128/20b – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Verbandsverantwortlichkeitssache der M***** GmbH wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des belangten Verbandes gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 16. September 2020, GZ 64 Hv 102/19z 19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die M***** GmbH gemäß § 3 Abs 1 Z 2 und Abs 2 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG für die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG verantwortlich erkannt, die ihr Entscheidungsträger Anton K***** rechtswidrig und schuldhaft begangen und durch die er den Verband treffende Pflichten verletzt hat.

[2] Dabei ging das Erstgericht davon aus, der Genannte habe im Bereich des Finanzamts St. Veit Wolfsberg

(A) als Geschäftsführer der M***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt und zu bewirken versucht, und zwar

(I) an bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben, nämlich

1) an Umsatzsteuer

a) für das Jahr 2011 um 30.395,25 Euro,

b) für das Jahr 2012 um 77.485,66 Euro,

c) für das Jahr 2013 um 105.348,87 Euro,

d) für das Jahr 2014 um 147.391,17 Euro,

e) für das Jahr 2015 um 146.969,02 Euro,

f) für das Jahr 2016 um 146.552,07 Euro und

g) für das Jahr 2017 um 98.042,04 Euro sowie

2) an Körperschaftsteuer

a) für das Jahr 2014 um 21.831 Euro,

b) für das Jahr 2015 um 5.596 Euro und

c) für das Jahr 2016 um 3.517 Euro sowie

(II) für die Jahre 2011 bis 2017 an (selbst zu berechnender) Kapitalertragsteuer um insgesamt 32.605,75 Euro durch wiederholte Nichtabfuhr an den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten unter Verletzung der Anmeldungspflicht in Bezug auf verdeckte Gewinnausschüttungen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 (richtig) lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes.

[4] Die Feststellungswirkung des Schuldspruchs (vgl § 398 StPO [hier iVm § 195 Abs 1 FinStrG]; dazu Lässig , WK StPO § 398 Rz 3) einer natürlichen Person erstreckt sich dann auf einen Verband, wenn

der Verband im Verfahren gegen die natürliche Person Parteistellung gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG, somit die Möglichkeit hatte, zu den Vorwürfen, für die er verantwortlich erklärt werden könnte, Stellung zu nehmen und das Urteil über seinen Entscheidungsträger (oder Mitarbeiter) – im Umfang des betreffenden Schuldspruchs – auf gleiche Weise wie dieser zu bekämpfen (13 Os 64/17m, 13 Os 25/18b, RIS Justiz RS0112232 [T5]), und

der Schuldspruch sowohl gegenüber dem Verband als auch gegenüber allen weiteren Anfechtungsberechtigten in Rechtskraft erwachsen ist (vgl 13 Os 139/15p, RIS Justiz RS0131120; zum Ganzen eingehend Oberressl , Besonderheiten des Haupt- und des Rechtsmittelverfahrens nach dem VbVG, ÖJZ 2020, 815 [825 f]).

[5] Vorliegend war der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gemäß § 21 Abs 2 VbVG mit der Anklage des Anton K***** wegen jener Straftaten verbunden, für die der Verband – als dessen Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 VbVG) der Genannte gehandelt habe – verantwortlich (§ 3 VbVG) sein soll (ON 5). Daher kamen dem belangten Verband (§ 13 Abs 1 zweiter Satz VbVG) gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG auch im betreffenden Verfahren gegen diese natürliche Person die Rechte des Beschuldigten zu (RIS Justiz RS0133395).

[6] In der gesamten (hier gemäß § 22 Abs 1 VbVG gemeinsam mit jener gegen den Verband geführten) Hauptverhandlung im Verfahren gegen die natürliche Person war der belangte Verband im Sinn des § 23 VbVG vertreten (ON 15 und 17). Nur der Angeklagte bekämpfte das über ihn ergangene Urteil mit – jeweils fristgerecht (§ 284 Abs 1 StPO, § 294 Abs 1 StPO) angemeldeter – Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Der belangte Verband (und die Staatsanwaltschaft) hingegen ließen den Schuldspruch der natürlichen Person unbekämpft.

[7] Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 14. April 2021, AZ 13 Os 127/20f, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Anton K***** zurückgewiesen. Auf der Basis des zuvor Gesagten ist damit dessen Schuldspruch auch gegenüber dem (weiterhin) belangten Verband – wie auch gegenüber allen übrigen Anfechtungsberechtigten – in Rechtskraft erwachsen. Die Begehung der (konkreten) strafbaren Handlungen durch den Verurteilten ist dadurch auch für den Verband absolut, somit gegenüber jedermann (also auch dem Strafgericht), bindend konstatiert. Er kann sich aus diesem Grund – vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens (§§ 353 ff StPO; vgl dazu jüngst 8 Ob 5/20y EvBl 2021/25) – gegenüber niemandem (mehr) darauf berufen, dass der Verurteilte sie tatsächlich nicht begangen hätte (13 Os 64/17m; vgl RIS Justiz RS0112232).

[8] Bei – hier gegebener – Kompatibilität des (angefochtenen) Verbandsurteils mit dem (inzwischen rechtskräftig gewordenen) Schuldspruch der natürlichen Person bedeutet diese Bindung im Rechtsmittelverfahren eine Einschränkung der Anfechtungslegitimation (und der amtswegigen Überprüfbarkeit) in Bezug auf das Verbandsurteil: Die Begehung der (konkreten) mit Strafe bedrohten Handlung(en) durch die natürliche Person ist nicht mehr zulässiger Gegenstand der Anfechtung (und der amtswegigen Prüfung) des Ausspruchs über die Verbandsverantwortlichkeit (vgl 13 Os 25/18b, RIS Justiz RS0131120 [insbesondere T1]; dazu erneut Oberressl , ÖJZ 2020, 815 [826 f]).

[9] Ihrem Inhalt nach bekämpft die Nichtigkeitsbeschwerde das Verbandsurteil nur insoweit, als es die Verantwortlichkeitsvoraussetzung (§ 3 Abs 2 VbVG) der – wie dargelegt bereits durch den rechtskräftigen Schuldspruch des Anton K***** bindend konstatierten – tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Begehung der betreffenden (Anknüpfungs )Taten bejaht.

[10] Sie war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[11] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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