JudikaturJustiz12Os149/00

12Os149/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1, 161 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4. Oktober 2000, GZ 8 Vr 527/00-527, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gefassten Widerrufsbeschluss nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten sowie des Verteidigers Dr. Moringer entschieden:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Spruch

1. Johann H***** wird für das ihm zufolge Entscheidung des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 16. Dezember 1993, GZ 7 Vr 826/86-430, zur Last fallende Verbrechen der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB, gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 14. März 1991, GZ 7 Vr 578/90-16, und den Strafbefehl des Amtsgerichtes Passau vom 14. Juni 1999, AZ 55 Js 10774/98, zu

10 (zehn) Monaten Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt. Der Ausspruch über die Vorhaft (§ 38 Abs 1 Z 1 StGB) wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

2. Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die bedingte Nachsicht des Teiles von acht Monaten der mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 14. März 1991, GZ 7 Vr 578/90-16, über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr widerrufen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 309a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

In der vorliegenden Strafsache (früher AZ 7 Vr 826/86, 7 Vr 174/98 dieses Gerichtshofes) gab der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 27. April 1995, GZ 12 Os 87-89/94-10, der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge und hob das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 16. Dezember 1993, GZ 7 Vr 826/86-430, in dessen Schuldsprüchen A I 2 b und c (Teilfakten zum Verbrechen der Untreue nach § 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB), A I 3 (Verbrechen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB) und A I 4 (Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG) sowie in den Strafaussprüchen nach dem StGB und dem FinStrG einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Hingegen wurde die gegen die Schuldspruchfakten A I 1 (Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1, 161 Abs 1 StGB) und A I 2 a (Verbrechen der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 StGB) gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Damit erwuchsen die angeführten Schuldsprüche in Rechtskraft. Nachdem der Vorsitzende des im ersten Rechtsgang erkennenden Schöffensenates mit Beschluss vom 19. November 1996 (3 nnn des Antrags- und Verfügungsbogens) die gesonderte Führung des von der Aufhebung betroffenen Verfahrens nach § 57 StPO verfügt hatte, wurde das Strafverfahren im verbleibenden Umfang fortgesetzt und die Strafe für die in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche mit Urteil vom 9. April 1998 (ON 495) neu bemessen.

In Stattgebung der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kassierte der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 2. Juli 1998, GZ 12 Os 74, 75/98-6 (ON 504), dieses Urteil ebenso wie den zugleich gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung neuerlich an das Erstgericht zurück.

Auch im nunmehr dritten Rechtsgang war lediglich die Straffestsetzung auf der Grundlage der in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche Gegenstand der schöffengerichtlichen Hauptverhandlung und Entscheidung.

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 und Z 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Beschwerdeauffassung bedeutete zunächst die Abweisung des in der Hauptverhandlung zum Schuldspruchfaktum 2. (Verbrechen der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB) gestellten Antrages des Beschwerdeführers auf Beischaffung des Johann R***** betreffenden Aktes des Landesgerichtes Nürnberg-Fürth, AZ KLS 156Js427/86, "zum Beweis dafür, dass" (richtig: der Angeklagte und nicht) Johann R***** gemäß Faktum A I 2 a" (ident mit Schuldspruchfaktum 2. des aktuell bekämpften Urteils) "den" (richtig: Johann R*****, nicht aber den) "Angeklagten Johann H***** zur Untreue angestiftet haben soll und Johann R***** wegen dieser Tat vom zuständigen Landgericht Nürnberg-Fürth lediglich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden wäre, wenn er nur wegen des vorher bezeichneten Faktums verurteilt worden wäre, und im Ergebnis wegen Untreuetaten mit einer Schadenssumme von rund DM 5,000.000 nur zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, unter bedingter Nachsicht des Vollzuges derselben, verurteilt wurde, sowie dass die vom Landgericht Nürnberg-Fürth angenommene Sachverhaltsentwicklung, wenn überhaupt, nur einen sehr geringen Raum für Anstiftungshandlungen des Johann H***** belässt" (5/XXXXI) keine Hintansetzung wichtiger Verteidigungsinteressen (Z 4). Denn das wiedergegebene Beweisthema stellt weder auf für die Entscheidung über die Schuld noch auf für den anzuwendenden Strafsatz relevante Umstände ab, sondern betrifft ausschließlich den Grad des Verschuldens des Angeklagten, sohin eine (im beanspruchten Anfechtungsrahmen unerhebliche) Strafzumessungstatsache (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 64f).

Mit begründetem Zwischenerkenntnis (§ 238 StPO) wies der Schöffensenat ferner den Antrag des Beschwerdeführers ab, die - wie dargelegt im zweiten Rechtsgang getrennten - Verfahrensteilkomplexe gemäß § 56 StPO (wieder) zur gemeinsamen Führung zu vereinigen. Auch dadurch wurden wesentliche Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt:

Zunächst kann es im Hinblick auf diese in der prozessualen Auswirkung einem Ausscheidungsbeschluss gleichzuhaltende Entscheidung des erkennenden Gerichtes auf sich beruhen, dass der am 19. November 1996 vom (ausgeschlossenen) Vorsitzenden gemäß § 57 StPO gefasste Beschluss nichtig ist (§ 71 Abs 1 StPO).

Im Übrigen begründet ein Verstoß gegen §§ 56, 57 StPO nur dann Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO, wenn dem Angeklagten durch die gesonderte Verfahrensführung materiell-rechtliche Nachteile erwuchsen (SSt 59/16); die in der Beschwerde angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, vom (richtig:) 28. Jänner 1998, AZ 12 Os 1/98, weist keinen Bezug zur hier relevierten Problematik auf. Derartige Nachteile werden aber von der Beschwerde, die lediglich darauf hinweist, dass die Verfahrenstrennung "massiv in die Rechte des Angeklagten eingreift, sei es, weil er wiederholt vor Gericht gezogen wird, sei es" (insoweit nicht nachvollziehbar), "dass ihm als Mittäter die Zeugenrolle in dem ausgeschiedenen Verfahren zugewiesen wird", nicht einmal andeutungsweise substantiiert.

Da der Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1, 161 Abs 1 (aF) StGB - wie eingangs bereits ausgeführt - durch bestätigende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes seit 27. April 1995 rechtskräftig ist, in den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. Juli 2000, BGBl I Nr 58/2000, mit dem Überschrift und Inhalt des § 159 StGB geändert wurden, aber keine gesetzliche Deckung (mehr) findet, hatte er bei der am 4. Oktober 2000 vom Erstgericht (auch) hiefür vorgenommenen Strafbemessung außer Betracht zu bleiben, weil - entgegen der in den erstgerichtlichen Entscheidungsgründen vertretenen Rechtsauffassung - einem auf diese Norm gegründeten (oder auf sie Bedacht nehmenden) Strafausspruch nach Maßgabe des Art III Abs 2 leg cit die Bestimmungen der §§ 1 und 61 StGB entgegenstehen. Mit dem Außerkrafttreten des dem (wenn auch rechtskräftigen) Schuldspruch zugrunde liegenden Deliktstatbestands entfällt auch die Grundlage für jedwede Effektuierung des darauf beruhenden Strafausspruchs (JBl 1991, 325), umso mehr eine materiellrechtlich tragfähige Basis für einen nachträglichen Sanktionsausspruch.

Bei der dadurch neuerlich aktuell gewordenen Strafbemessung war zunächst gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 14. März 1991, GZ 7 Vr 578/90-16, mit dem der Angeklagte wegen des Vergehens der Vorbereitung einer Geld-, Wertpapier- oder Wertzeichenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 239 StGB (Tatzeit Februar bis 21. März 1990) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, wovon ein Teil von acht Monaten bedingt nachgesehen wurde, sowie auf den (gemäß § 73 StGB einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht - hier - gleichstehenden) Strafbefehl des Amtsgerichtes Passau vom 14. Juni 1999, AZ 55 Js 10774/98, mit dem der Beschwerdeführer wegen verspäteter Konkursanmeldung (Tatzeit April bis Dezember 1997) schuldig erkannt und mit einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen einjährigen Freiheitsstrafe belegt wurde (ON 520), Bedacht zu nehmen. Somit war das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, ferner die Verführung eines anderen zum Verbrechen der Untreue und der durch Untreue herbeigeführte hohe Schaden als erschwerend zu werten, als mildernd hingegen der ordentliche Lebenswandel zur Tatzeit und die unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens (§ 34 Abs 2 StGB). Obwohl die Tat vor längerer Zeit begangen wurde, liegt der Milderungsumstand nach § 34 Abs 1 Z 18 StGB nicht vor, weil im Hinblick auf die den angeführten Verurteilungen zugrunde liegenden Nachstraftaten von einem Wohlverhalten im Anschluss an die hier maßgebenden Untreuehandlungen keine Rede sein kann. Jener Belastung, die dem Angeklagten durch die - nach Lage des Falles nicht allein durch unvermeidbare Verfahrenskomplikationen bewirkte - lange Verfahrensdauer zusätzlich erwachsen ist, wurde bereits durch das in erster Instanz gefundene - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft gebliebene - Strafausmaß in signifikanter Weise Rechnung getragen. Im Hinblick auf das die Sanktionsfindung im Rechtsmittelverfahren bindende Verschlimmerungsverbot stellt es demnach die vorliegend ausschlaggebende Obergrenze zulässiger Strafdauer dar, deren Unterschreiten schon aus der Sicht des exorbitanten Untreueschadens von mehr als 14 Millionen Schilling ausgeschlossen ist, soll nicht der - explizit auch auf das Aufzeigen des Unwerts des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens ausgerichtete (§ 20 Abs 1 StVG) - gesetzliche Strafzweck ad absurdum geführt werden. Daran vermag vorliegend auch die Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die beiden Vorverurteilungen nichts zu ändern, weil insbesondere die Tathandlungen nach §§ 12 zweiter Fall, 239 StGB massiver Kapitaldelinquenz zuzuordnen sind, die seinerzeit ihrerseits in einer Weise geahndet wurden, die - zum damaligen Urteilszeitpunkt zwangsläufig - nicht allen Facetten der Täterpersönlichkeit gerecht werden konnte.

Die nunmehr ausgesprochene Zusatzfreiheitsstrafe entspricht der tat- und täterbezogenen Schuld.

Im Hinblick auf die schwerpunktmäßig in den Verurteilungen wegen Verbrechens der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und wegen des Vergehens der Vorbereitung einer Geld-, Wertpapier- oder Wertzeichenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 239 StGB sinnfällig zum Ausdruck kommende manifeste kriminelle Energie des Angeklagten und die außergewöhnliche Dimension der angestrebten Beeinträchtigung der Sicherheit des Geldverkehrs (Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. September 1991, GZ 11 Os 51/91-12, im Verfahren AZ 7 Vr 578/90 des Landesgerichtes Ried im Innkreis) und des durch Untreue herbeigeführten Schadens von rund 14,000.000 S liegen im Sinn des § 55 Abs 1 StGB ferner die Voraussetzungen für den Widerruf der im Verfahren AZ 7 Vr 578/90 des Landesgerichtes Ried im Innkreis gewährten bedingten Nachsicht des Strafteils von acht Monaten vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Rechtssätze
6