JudikaturJustiz12Os142/22g

12Os142/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * B* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * B* sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Jugendgeschworenengericht vom 17. Oktober 2022, GZ 29 Hv 16/22k 168, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten * B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen rechtlich verfehlten, aber prozessual bedeutungslosen Subsumtionsfreispruch enthält (RIS-Justiz RS0115553), wurden die Angeklagten * B* und * P* jeweils des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 22. Jänner 2022 in K* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) * D* zu töten versucht, indem P* mit einem Messer mit über 10 cm langer Klinge auf ihn einstach und B* mit einer über einen Meter langen Axt auf ihn einschlug, sie ihn aus seinem Fahrzeug zerrten, auf ihn eintraten und dabei fortwährend äußerten, ihn umbringen und aufschlitzen zu wollen, wodurch das Opfer multiple Prellungen, Schnittverletzungen, Schürfwunden und einen schweren Schock erlitt, und es nur deshalb beim Versuch blieb, weil es ihm gelang, in sein Fahrzeug zu flüchten und den Tatort zu verlassen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Beantwortung der Fragenrüge (Z 6) ist voranzustellen, dass für den Fall der Verneinung der (anklagekonform zu stellenden; vgl RIS Justiz RS0100505) Hauptfrage – bei entsprechender Indikation (vgl RIS Justiz RS0100634) – eine Eventualfrage (§ 314 Abs 1 StPO) zu stellen ist (§ 317 Abs 3 StPO). Diese stellt ebenso wie die Hauptfrage eine Schuldfrage dar und hat daher alle Tatbestandsmerkmale der abgefragten strafbaren Handlung zu umfassen (vgl Lässig , WK StPO § 314 Rz 1). Fragen hingegen, die für den Fall der Bejahung der Hauptfrage gestellt werden, sind – „eigentliche“ (§ 313 StPO; bei in der Hauptverhandlung vorgebrachten Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen) oder „uneigentliche“ (§ 316 StPO; bei in der Hauptverhandlung vorgebrachten strafsatzändernden Erschwerungs- oder Milderungs-umständen) – Zusatzfragen (§ 317 Abs 3 StPO). Eventual- und Zusatzfragen sind jeweils ausdrücklich als solche zu bezeichnen.

[5] § 76 StGB stellt ein selbstständiges Delikt dar und enthält daher nicht bloß einen namentlich angeführten Milderungsumstand, der für Mord nach § 75 StGB die Anwendung eines anderen Straf rahmens bedingen würde ( Fabrizy/Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 76 Rz 1); es ist somit bei Anklage wegen § 75 StGB in Richtung § 76 StGB eine Eventualfrage im Sinn des § 314 Abs 1 StPO und nicht eine „uneigentliche“ Zusatzfrage (§ 316 StPO) zu stellen (RIS Justiz RS0092164).

[6] Warum in concreto – abweichend von der vom Erstgericht ohnedies dahingehend vorgenommenen Eventualfragestellung (erste Eventualfrage; vgl Niederschrift der Fragen S 6) – eine Frage in der Form, dass diese „nur im Fall der Bejahung der ersten Hauptfrage zu beantworten“ sei und sich (inhaltlich) darauf zu beschränken habe, ob sich der Angeklagte B* am 22. Jänner 2022 in einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung zur Tat habe hinreißen lassen – und damit die Stellung einer uneigentlichen Zusatzfrage – geboten gewesen sein soll, legt die Beschwerde nicht methodengerecht dar.

[7] Die Beschwerdekritik (Z 11 lit a), das Geschworenengericht habe keine Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten B* getroffen, übersieht die im Wahrspruch implizit enthaltene Konstatierung zur subjektiven Tatseite. Wird nämlich in einem Tatbestand auf der subjektiven Tatseite keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichende Vorsatzform verlangt, so wird der bedingte Vorsatz subintelligiert (RIS Justiz RS0113270).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
5