JudikaturJustiz11Os82/96

11Os82/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. August 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Prof.Dr.Hager, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafvollzugssache des Andreas W***** über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.September 1995, GZ 18 e BE 36/92-18, und vom 25.März 1996, GZ 18 e BE 36/92-22, sowie einen Vorgang im Verfahren zum AZ 19 b U 497/95 des Bezirksgerichtes Floridsdorf, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Gesetz wurde verletzt

1./ im Verfahren AZ 19 b U 497/95 des Bezirksgerichtes Floridsdorf durch Unterlassen der gemäß § 494 a Abs 7 StPO vorgeschriebenen unverzüglichen Verständigung in der genannten Gesetzesbestimmung;

2./ im Verfahren AZ 18 e BE 36/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien

a) durch den Beschluß vom 12.September 1995 auf endgültige Entlassung aus einer Freiheitsstrafe (ON 18) in der Bestimmung des § 48 Abs 3 StGB sowie

b) durch den Beschluß vom 25.März 1996 auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur bedingten Entlassung und ersatzlose Aufhebung des Beschlusses auf endgültige Entlassung aus der Freiheitsstrafe (ON 22) in der Bestimmung der §§ 355 Z 2, 356 StPO.

Der zuletzt angeführte Beschluß wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25.März 1992, GZ 18 e BE 36/92-11, wurde Andreas W***** gemäß § 46 Abs 2 StGB mit Wirkung vom 3.Mai 1992 aus der Strafhaft bedingt entlassen und ihm hinsichtlich des unverbüßt aushaftenden Strafrestes von zwei Monaten und 20 Tagen eine Probezeit von drei Jahren bestimmt.

Aus Anlaß eines in der Folge gegen Andreas W***** gefällten Schuldspruches wegen § 136 Abs 1 StGB, dem eine am 19.Februar 1994, sohin innerhalb der Probezeit begangene Straftat zugrunde lag, faßte das Bezirksgericht Floridsdorf im Verfahren AZ 19 b U 497/95 am 28. August 1995 den Beschluß, vom Widerruf der zu AZ 18 e BE 36/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Entlassung gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen und die Probezeit gemäß § 494 a Abs 6 StPO auf fünf Jahre zu verlängern (ON 6, 7). Entgegen der im § 494 a Abs 7 StPO normierten Verpflichtung zur unverzüglichen Verständigung des von dieser Entscheidung betroffenen Gerichtes wurde die zuständige Geschäftsabteilung des Bezirksgerichtes Floridsdorf - ungeachtet der Datierung der Endverfügung mit 31.August 1995 - tatsächlich erst am 31.Oktober 1995 angewiesen, eine Ausfertigung des die Probezeit verlängernden Beschlusses dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu übermitteln (ON 8).

Diese Säumnis des Bezirksgerichtes Floridsdorf bewirkte - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - eine der Bestimmung des § 48 Abs 3 StGB zuwiderlaufende Beschlußfassung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, welches in Unkenntnis der aus der beigeschafften Strafregisterauskunft nicht ersichtlichen neuerlichen Verurteilung des Andreas W***** und der Verlängerung der in Rede stehenden Probezeit die bedingte Entlassung mit Beschluß vom 12. September 1995 (GZ 18 e BE 36/92-18) für endgültig erklärte.

Nach Einlangen der Verständigung von der Verlängerung der Probezeit verfügte das Landesgericht für Strafsachen Wien in Entsprechung eines Antrags der Anklagebehörde mit Beschluß vom 25.März 1996 (ON 22) die Wiederaufnahme des Verfahrens auf bedingte Entlassung des Andreas W*****; der vorangegangene Beschluß auf endgültige Entlassung aus der Freiheitsstrafe wurde ersatzlos aufgehoben.

Auch dieser Beschluß findet im Gesetz keine Deckung. Nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung (siehe Foregger/Kodek StPO6 Erl VI zu § 352) ist die Wiederaufnahme gegen Beschlüsse auch zum Nachteil des Verurteilten unter analoger Anwendung der Bestimmungen des XX.Hauptstückes der Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens (§§ 352 ff) zulässig; handelt es sich bei der zu beseitigenden Entscheidung um einen im Zusammenhang mit einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe gefaßten, sohin die Vollziehung der Strafe und demzufolge im weiteren Sinn den Strafausspruch betreffenden richterlichen Beschluß, ist eine dem Verurteilten zum Nachteil gereichende Abänderung gemäß der analog heranzuziehenden Bestimmung des § 356 StPO indes nur unter den im § 355 StPO normierten Voraussetzungen möglich.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hatte vor seiner Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wien auf Wiederaufnahme des Verfahrens sohin zu prüfen, ob sich im Sinn des § 355 Z 2 StPO neue, den Beschluß auf endgültige Strafnachsicht in Frage stellende Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, die das Gericht zum Zeitpunkt der vorangegangenen Entscheidung noch nicht kannte und auch nicht kennen konnte (vgl 12 Os 71/91 = EvBl 1991/176 = JBl 1992/466 = RZ 1992/165). Dies ist bei der vorliegenden Fallgestaltung zu verneinen, beruhte die für die Beschlußfassung auf endgültige Strafnachsicht bedeutsame Unkenntnis von der bereits verfügten Verlängerung der Probezeit doch auf einem Versäumnis des Bezirksgerichtes Floridsdorf; ein auf Mißachtung einer zwingenden gesetzlichen Vorschrift zurückzuführender Fehler eines Gerichtes kommt als Wiederaufnahmsgrund im Sinn des § 352 Z 2 StPO nicht in Betracht.

Der Beschluß über die Endgültigkeit der bedingten Entlassung ist rechtswirksam (13 Os 186-188/94); er hat die vom Bezirksgericht Floridsdorf verfügte Probezeitverlängerung zum Vorteil des Betroffenen gegenstandslos gemacht (13 Os 3, 4/91). Von dieser Rechtslage wird das Strafregisteramt durch das Landesgericht für Strafsachen Wien in Kenntnis zu setzen sein.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO war der Andreas W***** belastende Wiederaufnahmebeschluß zu kassieren, während sich der Oberste Gerichtshof hinsichtlich der übrigen Gesetzesverletzungen auf deren Feststellung beschränken konnte.

Rechtssätze
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