JudikaturJustiz11Os163/94

11Os163/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Braunwieser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Albert P***** ua wegen des Vergehens der bewaffneten Verbindung nach § 279 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Albert P*****, Hermann U*****, Peter St*****, Georg V***** und Herbert K***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18. August 1994, GZ 20 v Vr 321/92-122, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Presslauer, der (fünf) Angeklagten und der Verteidiger Dr.Herzka, Dr.Weber, Dr.Katary, Dr.Denck und Dr.Grissler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklageschrift (ON 42) Albert P*****, Hermann U*****, Peter St*****, Georg V***** und Herbert K***** als Vergehen der bewaffneten Verbindung nach § 279 Abs 1 StGB zur Last gelegt, gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Erwin G***** und dem abgesondert verfolgten Harald W***** unbefugt eine bewaffnete Verbindung aufgestellt, sich in dieser Verbindung führend betätigt, für sie Mitglieder geworben und sie zum Kampf ausgebildet zu haben, indem Hermann U***** im Rahmen der ***** die "W***** T*****" gründete, die Kampfausbildung junger Mitglieder leitete, Geländeübungen in Tarnbekleidung und Schießübungen veranstaltete, Albert P***** und Peter St***** jeweils kleine Gruppen von vier bis fünf zumeist jugendliche Personen zum Kampf ausbildeten, weitere Interessenten zu Mitgliedern anwarben und eine Maschinenpistole, mindestens vier Gewehre samt Munition sowie diverse Stich- und Schlagwaffen bereithielten, Georg V***** zusammen mit Harald W***** Kampfspiele mit Farbkugelpistolen veranstaltete und ein Überlebenstraining leitete und Herbert K***** Kampfspiele mit Farbkugelpistolen veranstaltete und neue Mitglieder anwarb.

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden sämtliche Angeklagten von diesem Anklagevorwurf gemäß § 336 StPO freigesprochen, nachdem die Geschworenen die für jeden Angeklagten gesondert gestellte Hauptfrage wegen des Vergehens nach § 279 Abs 1 StGB hinsichtlich der Angeklagten St***** und V***** stimmeneinhellig und hinsichtlich der Angeklagten P*****, U***** und K***** stimmenmehrheitlich verneint hatten.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Staatsanwaltschaft gegen diesen Freispruch (allein) aus dem Grund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der Instruktionsrüge ist vorweg entgegenzuhalten, daß die relevierte Nichtigkeit (Z 8) die Erteilung einer unrichtigen Rechtsbelehrung an die Geschworenen voraussetzt. Gemäß § 321 Abs 2 StPO muß die schriftliche Belehrung - für jede Frage gesondert - eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Gesetzesausdrücke enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen. Demnach hat sich die Rechtsbelehrung - wie die Anklagebehörde selbst einräumt - an den den Geschworenen tatsächlich gestellten Fragen zu orientieren. Von einer unrichtigen Rechtsbelehrung kann nur dann gesprochen werden, wenn ihr maßgeblicher Inhalt mit gesetzlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des Strafrechts oder Strafverfahrensrechts im Widerspruch steht (Mayerhofer-Rieder, StPO3 § 345 Z 8 E 11); eine unvollständige Rechtsbelehrung ist deren Unrichtigkeit nur dann gleichzusetzen, wenn sie zu Mißverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Frage gerichtet ist, zur irrigen Auslegung der in einer Frage an die Geschworenen enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes, zu Irrtümern über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der einzelnen Fragen Anlaß geben könnte (Mayerhofer-Rieder, aaO E 65 f; Foregger-Kodek, StPO6 § 321 Erl III mwN). Eine Rechtsbelehrung wird jedenfalls nicht (allein) schon dadurch unrichtig, daß sie Ausführungen enthält, die entbehrlich sind (Mayerhofer-Rieder, aaO E 17, 42); sie darf nur den durch die gestellten Fragen gezogenen Rahmen nicht in einer die Geschworenen irreführenden Weise überschreiten. Im übrigen ist die gesamte Rechtsbelehrung grundsätzlich als Einheit und nicht nach Teilstücken zu beurteilen (Mayerhofer-Rieder, aaO E 49 f).

Eine in diesem Sinn nichtigkeitsrelevante, weil falsche bzw in irreführender Weise unvollständige Belehrung der Laienrichter vermag die Staatsanwaltschaft mit ihren Einwänden nicht aufzuzeigen:

Der Beschwerde ist zwar einzuräumen, daß der Tatbestand der bewaffneten Verbindung die Vorsatzform der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB; siehe schriftliche Belehrung, Beilage B./ zu ON 121/IV, 1 f), nicht verlangt und daß vorliegend auch keine (Zusatz )Frage in Richtung eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB; S 3 der Belehrung) gestellt wurde, sodaß Erläuterungen zu diesen beiden Rechtsbegriffen tatsächlich nicht erforderlich waren. Unter der gebotenen Berücksichtigung des gesamten Inhaltes und Sinngehaltes der den Geschworenen zu erteilenden Rechtsbelehrung bestand aber im konkreten Fall für die Annahme eines Mißverständnisses der Geschworenen über die für den subjektiven Tatbestand des Vergehens nach § 279 Abs 1 StGB ausreichende Vorsatzform des dolus eventualis kein Grund; wurde doch in der Belehrung zu den einzelnen Hauptfragen unmißverständlich darauf hingewiesen, daß für die Erfüllung des hier aktuellen Tatbestandes bedingter Tatvorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) genügt (S 7 der Belehrung). Die zusätzliche Anführung der Vorsatzform der Absicht in der Instruktion konnte sohin unter den gegebenen Umständen - der Beschwerde zuwider - keineswegs zur irrigen Annahme der Geschworenen führen, daß die Deliktsverwirklichung nach § 279 Abs 1 StGB absichtliches Handeln des Täters iS des § 5 Abs 2 StGB erfordere.

Auch die Darstellung der Voraussetzungen eines Rechtsirrtums im Sinne des § 9 StGB in der Rechtsbelehrung war - entgegen dem Beschwerdeeinwand - nicht geeignet, die Laienrichter bei ihrem Wahrspruch in einer die Anklage beeinträchtigenden Weise zu beeinflussen, zumal die in diesem Zusammenhang bemängelte Erörterung der Kriterien des Begriffes "Unrechtsbewußtsein" - als vom Vorsatz zu trennendes selbständiges Schuldelement (vgl Kienapfel, AT5 Z 17 RN 3 und 14; Leukauf-Steininger, Komm3 Vorbem § 1 RN 55) - zum Verständnis der Voraussetzungen strafbaren Verhaltens durchaus geboten war. Dies trifft gleichermaßen auf die Belehrung über den sogenannten Subsumtionsirrtum zu (S 3 f der Rechtsbelehrung).

Inwieweit zu den einzelnen Hauptfragen ein zusätzlicher Erklärungsbedarf in bezug auf den Begriff "Kampfmittel" bestand, vermag die Anklagebehörde nicht substantiiert darzulegen. Abgesehen davon, daß dieser global erhobene Einwand der Sache nach gar nicht für alle fünf Angeklagten aktuell war, sondern sich nur auf die in einzelnen Hauptfragen allenfalls von der Begehungsform des "Ausrüstens mit Kampfmitteln" (durch Bereithalten einer Maschinenpistole, mindestens vier Gewehren samt Munition sowie diverser Stich- und Schlagwaffen) betroffenen Angeklagten Albert P***** und Peter St***** (Hauptfragen I und III) beziehen konnte, ist dieser Begriff im vorliegenden Zusammenhang, vor allem im Hinblick auf die im engen sachlichen Konnex stehende Erklärung des Tatbestandsmerkmales der "Bewaffnung" - mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß darunter "alle Waffen im technischen Sinn (§ 1 WaffG), und zwar ohne Unterschied, ob sie militärische oder zivile Waffen sind und ob sie dem derzeitigen Stand der Waffentechnik entsprechen oder veraltet, ja sogar historisch sind, soferne sie noch einsatzfähig und für eine gewaltsame Auseinandersetzung verwendbar sind"; vgl Leukauf-Steininger, aaO § 279 RN 2; S 6 der Belehrung - auch ohne nähere Erläuterung schon aus seinem sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebenden Sinngehalt auch für Laien leicht faßlich (Mayerhofer-Rieder, aaO § 345 Z 8 E 27).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider läßt sich der Niederschrift der Geschworenen nur entnehmen, daß sie die tatsächliche Benützung von Offensivwaffen durch die Angeklagten als nicht erwiesen angenommen haben, nicht aber, daß nur Offensivwaffen dem Begriff "Kampfmittel" entsprechen.

Ins Leere geht schließlich auch der in diesem Zusammenhang erhobene - im übrigen bloß auf die von den Laienrichtern in ihrer Niederschrift dargelegten Erwägungen zurückgreifende (vgl Mayerhofer-Rieder, aaO § 331 E 10) - Beschwerdeeinwand, mit dem das Unterbleiben einer (ersichtlich auf die Erläuterung in Leukauf-Steininger, aaO § 280 RN 3 zum Begriff "andere Kampfmittel" bezogene) Belehrung vermißt wird, wonach auch "alle sonstigen Gegenstände, die zur Ausrüstung für den Kampf bestimmt sind, selbst Gasmasken, Stahlhelme usw", unter den Begriff "Kampfmittel" fallen. Denn abgesehen davon, daß in der Rechtsbelehrung auf die Anführung kasuistischer Beispielsfälle tunlichst verzichtet werden sollte (Mayerhofer-Rieder, aaO § 321 E 8), zielt dieses Vorbringen erneut auf die Erklärung von hier weder im Gesetz noch (mangels diesbezüglicher Beweisergebnisse) in den Hauptfragen enthaltenen Ausdrücken ab, sodaß die Beschwerdeführerin auch in diesem Punkt eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung im eingangs dargelegten Sinn nicht aufzuzeigen vermag.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Rechtssätze
9