JudikaturJustiz10ObS77/15v

10ObS77/15v – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. S*****, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Witwenpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 9. April 2015, GZ 11 Rs 35/15v 15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom 10. Februar 2015, GZ 56 Cgs 62/13z 11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 17. 12. 2004 anerkannte die beklagte Partei ab 11. 11. 2003 den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach deren am 10. 11. 2003 verstorbenen Ehegatten. Der Hundertsatz wurde mit 40,86295 errechnet.

Mit Bescheid vom 18.7. 2013 stellte die beklagte Partei die monatliche Höhe der Witwenpension der Klägerin wie folgt fest:

mit 0,- EUR ab 1. 1. 2009,

mit 826,12 EUR ab 1. 1. 2011,

mit 848,43 EUR ab 1. 1. 2012,

mit 1.268,19 EUR ab 1. 1. 2013 und

mit 0, EUR ab 1. 7. 2013.

Weiters wurde festgehalten, dass die Pension ab 1. 1. 2013 als Vorschuss erbracht werde und über die ab 1. 1. 2013 gebührende Höhe der Witwenpension gesondert entschieden werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Klage mit dem Begehren auf Zahlung der Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß. Die Höhe der Pension sei falsch berechnet worden. Die Klägerin habe als Geschäftsführerin der S***** A***** H***** und B*****gesellschaft mbH (im Folgenden nur: „Gesellschaft“) während des Zeitraums 2009 bis 2012 keine Bezüge und in ihrer Funktion als alleinige Gesellschafterin nur im Jahr 2010 eine einmalige Gewinnausschüttung erhalten. In den übrigen Jahren seien keine Gewinnausschüttungen erfolgt. Da keine nachgewiesenen Gewinne erwirtschaftet worden seien, hätten die nicht ausgeschütteten („fiktiven“) Gewinne bei der Berechnung ihres Anspruchs auf Witwenpension nicht berücksichtigt werden dürfen. Eine Gewinnausschüttung an den Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer Kapitalgesellschaft sei nicht mit einem nicht entnommenen Gewinn gemäß § 11 EStG vergleichbar.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, die Höhe der Witwenpension sei aufgrund der nicht entnommenen, sozialversicherungsrechtlich aber dennoch zu berücksichtigenden Jahresgewinne richtig berechnet worden.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Witwenpension

in Höhe von monatlich 1.180,93 EUR brutto ab 1. 1. 2009,

in Höhe von monatlich 0, EUR ab 1. 1. 2010,

in Höhe von monatlich 1.213,02 EUR brutto ab 1. 1. 2011 und

in Höhe von monatlich 1.245,77 EUR brutto ab 1. 1. 2012 zu gewähren.

Die Vorinstanzen trafen soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich zusammengefasst folgende Feststellungen:

Bereits seit der Gründung der Gesellschaft mit Gesellschaftsvertrag vom 5. 4. 1989 ist die Klägerin allein vertretungsbefugte Geschäftsführerin. Als Gesellschafterin war die Klägerin an der Gesellschaft zunächst mit einem Anteil von 25 % des Stammkapitals beteiligt. Mit Abtretungsvertrag vom 1. 10. 2003 traten zwei weitere Gesellschafter die Eltern der Klägerin ihre Geschäftsanteile im Umfang von 50 % des Stammkapitals an die Klägerin ab. Im Jahr 2005 erwarb sie die restlichen 25 % des Stammkapitals und ist seither Alleingesellschafterin.

Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Bestimmung über die Verwendung des erwirtschafteten Gewinns; § 10 Abs 2 sieht nur vor, dass der Jahresabschluss […] von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen und mit einem Vorschlag über die Gewinnverwendung allen Gesellschaftern in Abschrift zu übersenden ist.

Für den Zeitraum 2009 bis 2012 beträgt die Witwenpension  ohne Berücksichtigung eines Erhöhungs- oder Minderungsbetrags

ab 1. 1. 2009 804,27 EUR,

ab 1. 1. 2010 816,33 EUR,

ab 1. 1. 2011 826,12 EUR und

ab 1. 1. 2012 848,43 EUR.

Im Zeitraum von 2009 bis 2012 erhielt die Klägerin als Geschäftsführerin keine Bezüge. Auf dem Verrechnungskonto fanden keine Bewegungen statt.

Die Gesellschaft hat in den Jahren 2009 bis 2012 jeweils Bilanzgewinne erzielt, und zwar

im Jahr 2009 179.996,75 EUR,

im Jahr 2010 155.995,14 EUR,

im Jahr 2011 78.859,48 EUR und

im Jahr 2012 77.558,44 EUR.

Die Klägerin erhielt in ihrer Funktion als Gesellschafterin im Zeitraum 2009 bis 2012 nur im Jahr 2010 eine Gewinnausschüttung und zwar in Höhe von 400.000 EUR. In den übrigen Jahren erfolgte keine Gewinnausschüttung. Davor fand seit Bestehen des Unternehmens also seit 1989 lediglich einmal eine Gewinnausschüttung statt, und zwar im Jahr 2008 in Höhe von etwa 300.000 EUR.

Die Klägerin bezieht daneben noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; im Jahr 2009 hat sie an Einkünften aus Gewerbebetrieb 1.675,71 EUR bezogen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Klägerin in den Jahren 2009, 2011 und 2012 kein eigenes Einkommen bezogen habe. Nur für das Jahr 2010 sei aufgrund der Gewinnausschüttung ein Einkommen anzurechnen. Der Hundertsatz für die Bemessung der Witwenpension sei daher für die Jahre 2009, 2011 und 2012 gemäß § 264 Abs 6 ASVG auf 60 zu erhöhen, während für das Jahr 2010 gemäß § 264 Abs 6a ASVG keine Witwenpension gebühre.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin die Witwenpension in Höhe von

monatlich 0, EUR für den Zeitraum vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2010,

monatlich 826,12 EUR für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 12. 2011 und

monatlich 848,43 EUR für den Zeitraum 1. bis 31. 12. 2012 zu gewähren.

Das darüber hinausgehende Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine höhere Witwenpension für den Zeitraum 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2012 zu gewähren, wurde abgewiesen.

Aufgrund des im Anstaltsakt erliegenden Einkommensteuerbescheids 2003 stellte das Berufungsgericht über die eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus fest, dass die Klägerin noch im Jahr 2003 aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit 21.070,80 EUR von der Gesellschaft bezogen habe.

Rechtlich ging das Berufungsgericht unter Darstellung der Rechtslage und der bisherigen Rechtsprechung zur Frage der Zurechnung von Einkommen (zur früheren Ruhensbestimmung des § 94 ASVG, zu § 253b ASVG, § 253c ASVG und § 131 GSVG) zusammengefasst davon aus, die Grenze der Ausübung der selbständig Erwerbstätigen offen stehenden Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Einkünfte liege in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht bei der missbräuchlichen Gestaltung der Einkünfte zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Grundsätzlich bestünde zur Verhinderung von missbräuchlichen Gestaltungen im vorliegenden Fall die Möglichkeit der einheitlichen Betrachtung des (fiktiven) Einkommens als Geschäftsführerin und als Gesellschafterin oder aber die Zugrundelegung eines angemessenen Entgelts für die Tätigkeit als Geschäftsführerin. Um eine Gleichsetzung der selbständigen und unselbständigen Tätigkeit zu vermeiden, erscheine es sachgerecht, die erzielten jedoch tatsächlich nicht ausgeschütteten Gewinne anzurechnen. Im Fall der Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit in einer „Ein-Frau GmbH“ bestehe eine inhaltlich dem Einzelunternehmertum entsprechende Situation. Im Einzelunternehmen wären nach der bisherigen Rechtsprechung nicht entnommene Gewinne im Sinne des § 11 EStG anzurechnen. Demnach seien die ausgeschütteten Gewinne von insgesamt etwa 700.000 EUR bei der Bemessung der Witwenpension in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht als Einkommen der Klägerin zu qualifizieren und dieser zuzurechnen. (Anzumerken sei freilich, dass sich aus den im Firmenbuch eingereichten Jahresabschlüssen für 2007 und 2008 Gewinnausschüttungen in Höhe von [weiteren] 350.000 EUR bzw 400.000 EUR ergeben, sodass tatsächlich insgesamt 1.150.000 EUR ausgeschüttet worden seien). Werden diese Beträge (gemeint von insgesamt 700.000 EUR) auf jenen Zeitraum aufgeteilt, in dem die zugrundeliegenden Gewinne erwirtschaftet worden seien und berücksichtige man weiters, dass die Klägerin kein Entgelt für ihre Geschäftsführertätigkeit bezogen habe, ergebe sich retrospektiv gesehen jedenfalls ein über der doppelten Höchstbeitragsgrundlage liegendes monatliches Einkommen. Die Leistungsobergrenze des § 264 Abs 6a ASVG sei jeweils überschritten. Dem gegen die Anrechnung nicht ausgeschütteter Gewinne erhobenen Einwand, die Erhaltung der Liquidität im Unternehmen sei betriebswirtschaftlich unbedingt erforderlich, komme im Hinblick auf die Möglichkeit der Bildung zusätzlicher (freiwilliger) Rücklagen keine Berechtigung zu. Daraus, dass die Klägerin im Jahr 2003 aus ihrer nicht selbständigen Tätigkeit für die Gesellschaft ein Einkommen in Höhe von 21.070,80 EUR erzielt habe, also ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt von 2.341,20 EUR erhalten habe, sei im Übrigen abzuleiten, dass vor dem Tod ihre Ehegatten die Unentgeltlichkeit ihrer Geschäftsführertätigkeit nicht geplant gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Frage bislang nicht zu beantworten gewesen sei, ob für die Bemessung der Witwenpension einer geschäftsführenden Alleinge-sellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nicht) bezogene Geschäftsführerentgelte bzw in mehrjährigen Abständen erfolgende Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen seien, oder ob der Bezieherin der Witwenpension darüber hinausgehende Beträge, etwa nicht ausgeschüttete Gewinne der Gesellschaft, als Einkommen zuzurechnen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt:

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird geltend gemacht, die fiktiven Ausschüttungen seien den nachgewiesenen Einkünften im Sinne des § 91 Abs 1 Z 2 ASVG nicht gleichzustellen. Gemäß § 19 Abs 1 EStG gelte ein Betrag als zugeflossen, wenn der Empfänger tatsächlich über ihn verfügen könne. Die vom Berufungsgericht zur Alterspension herangezogene Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Eine Gewinnausschüttung an den Gesellschafter/Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft sei mit einem nicht entnommenen Gewinn gemäß § 11 EStG nicht vergleichbar. Zudem sei das Berufungsverfahren mangelhaft. Die Mangelhaftigkeit werde durch die (von keinem Vorbringen umfasste) Feststellung des Berufungsgerichts begründet, die Klägerin habe aus ihrer nicht selbständigen Tätigkeit für die Gesellschaft im Jahr 2003 ein Einkommen von insgesamt 21.070,80 EUR erzielt sowie weiters durch die Feststellung, „es werde angemerkt, dass sich aus den im Firmenbuch eingereichten Jahresabschlüssen für 2007 und 2008 Gewinnausschüttungen in Höhe von 350.000 EUR und 400.000 EUR ergäben“. Letztere Feststellung sei darüber hinaus aktenwidrig, weil im Verfahren die Jahresabschlüsse für 2007 und 2008 nicht vorgelegt worden seien. Die Klägerin habe innerhalb der letzten Jahre wie vom Erstgericht festgestellt Gewinnausschüttungen in Höhe von 700.000 EUR erhalten.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Das Ausmaß der Witwen Witwerpension ergibt sich aus einem Hundertsatz der Pension des (der) Versicherten (§ 264 Abs 1 ASVG). Wird aber aus eigenem Einkommen alleine oder zusammen mit einer Witwenpension ein Einkommen in gewisser Höhe erzielt, besteht kein weiterer Unterhaltsbedarf mehr. Dementsprechend sieht das ASVG in § 264 Abs 6 und 6a ASVG sowohl einen „Schutzbetrag“ (für Hinterbliebene mit geringem Einkommen) als auch eine Leistungsobergrenze (für Hinterbliebene mit hohem Einkommen) vor ( Neumayr in Mosler/Müller/Pfeil , SV Komm § 264 Rz 11 und 13):

1.2 Erreicht die Summe aus eigenem Einkommen der Witwe und der Witwenpension mit Ausnahme des besonderen Steigerungsbetrags nicht den „Schutzbetrag“ (das waren im Jahr 2009 1.671,20 EUR, im Jahr 2010 1.696,27 EUR, im Jahr 2011 1.716,63 EUR und im Jahr 2012 1.762,89 EUR), so ist der Hundertsatz der Witwenpension gemäß § 264 Abs 6 ASVG soweit zu erhöhen, dass die Summe aus eigenem Einkommen und Witwenpension diesen Betrag erreicht, höchstens aber auf 60 von Hundert (§ 264 Abs 6 ASVG).

1.3 Überschreitet hingegen in einem Kalendermonat die Summe aus eigenem Einkommen der Witwe und der Witwenpension das 60 fache der Höchstbeitragsgrundlage für das Kalenderjahr 2009 8.040 EUR, für das Kalenderjahr 2010 8.220 EUR, für das Kalenderjahr 2011 8.400 EUR und für das Kalenderjahr 2012 8.460 EUR, so ist solange diese Voraussetzung zutrifft der Hundertsatz der Witwenpension so weit zu vermindern, dass die Summe aus eigenem Einkommen und Witwenpension das 60fache der Höchstbeitragsgrundlage für das betreffende Kalenderjahr nicht überschreitet. Der so ermittelte Hundertsatz ist nach unten hin mit Null zu begrenzen (§ 264 Abs 6a ASVG).

2.1 Gemäß § 264 Abs 5 Z 1 ASVG gilt als für die Höhe der Witwenpension zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des Abs 3 und 4 das Erwerbseinkommen im Sinne des § 91 Abs 1 und 1a ASVG. Danach gilt bei der unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt und bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Tätigkeit als Erwerbseinkommen (§ 91 Abs 1 Z 1 und 2 ASVG).

2.2 Zur Auslegung des Begriffs der (nachgewiesenen) Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit greift die Rechtsprechung auf § 25 Abs 1 GSVG zurück (10 ObS 26/09k, SSV NF 23/36; 10 ObS 90/08w, SSV NF 23/56). Nach dieser Norm des Beitragsrechts gelten als Einkünfte grundsätzlich die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes.

3. Wie der Oberste Gerichtshof jedoch bereits mehrfach ausgeführt hat, können schon aufgrund der unterschiedlichen Ziele des Sozialversicherungsrechts und der Steuergesetze zwischen dem Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes und dem Erwerbseinkommen im Sinne der Sozialversicherungsgesetze auch erhebliche Unterschiede bestehen und es können daher der Pensionsversicherungsträger und (aufgrund der sukzessiven Kompetenz) die Gerichte bei Ermittlung der Höhe des Erwerbseinkommens zu durchaus anderen Ergebnissen kommen als die Steuerbehörden im Abgabeverfahren (RIS Justiz RS0105193; RS0085302 [T5]; RS0085210; 10 ObS 16/07m, SSV NF 21/9 = ZAS 2008/11, 82 [ Resch ]). Die Gerichte sind in diesem Zusammenhang nicht an den Einkommensteuerbescheid der Abgabenbehörde gebunden (RIS-Justiz RS0085302 [T6]). Ferner wird im Pensionsrecht für die zeitliche Zuordnung von Erwerbseinkommen im Gegensatz zu dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip nicht als ausschlaggebend erachtet, wann jemandem das Geld zugeflossen ist, sondern darauf abgestellt, wann die entsprechende Leistung erbracht wurde (10 ObS 16/07m mwN, SSV NF 21/9 = ZAS 2008/11, 82 [ Resch ]). Es ist letztlich Aufgabe der Gerichte zu klären, welche Einkünfte bzw Abzüge bei der Ermittlung der Höhe des Erwerbseinkommens im Sinne der Sozialversicherungsgesetze zu berücksichtigen sind.

4.1 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Klägerin in den maßgeblichen Jahren 2009 bis 2013 als Alleingeschäftsführerin für die Gesellschaft tätig war, ohne dafür ein Geschäftsführerentgelt zu beziehen. Obwohl mangels Regelung im Gesellschaftsvertrag der Grundsatz der Vollausschüttung gilt und mangels Bestimmung im Gesellschaftsvertrag der gesamte Gewinn an die (einzige) Gesellschafterin auszuschütten gewesen wäre ( Kalss/Probst , Familienunternehmen [2013] Rz 14/50; 14/59), hat die Klägerin (ausgenommen im Jahr 2010) keine Gewinnentnahmen getätigt. Zu beurteilen ist daher, welche Auswirkungen diese Gestaltung ihrer Einkünfte auf den Anspruch auf Witwenpension hat und ob wie die Klägerin meint nur die Gewinnausschüttung im Jahr 2010 (und nur für dieses Jahr) als Einkommen im Sinne des § 264 Abs 6 bzw 6a ASVG zu berücksichtigen ist oder ihr auch die in der Bilanz jährlich ausgewiesenen aber nicht ausgeschütteten Gewinne zuzurechnen sind.

4.2.1  Nach den Entscheidungen 10 ObS 2471/96x, SSV NF 11/16 (zur vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer) und 10 ObS 177/99y (zur Gleitpension) ist eine auch steuerlich anerkannte Nichtausschüttung des Gewinns sozialversicherungsrechtlich nicht zu berücksichtigen. Ein erzielter Gewinn ist in diesem Fall dem Gesellschafter zuzurechnen, auch wenn er praktisch allein den Beschluss über die Nichtausschüttung gefasst hat. Nur so kann ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten verhindert und hintangehalten werden. Auf die für die Nichtausschüttung des Gewinns ins Treffen geführten Motive kommt es nicht an.

4.2.2 Ähnlich wie im vorliegenden Fall lag der zur vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ergangenen Entscheidung 10 ObS 330/98x, SSV NF 12/154 = RIS Justiz RS0111048, der Sachverhalt zugrunde, dass ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter einer Kapitalhandelsgesellschaft war, ohne Anspruch auf angemessenes Entgelt eine Tätigkeit für die Gesellschaft entwickelte. Es wurde davon ausgegangen, dass sich ein solcher nur dann mit keinem bzw einem geringen Entgelt begnügen werde, wenn seine Tätigkeit als Geschäftsführer durch den Betrag, den er als Gesellschafter zu erwarten hat, ausreichend abgegolten wird. Es wäre daher nicht sachgerecht, rein formal zwischen dem Einkommen als Geschäftsführer und jenem als Gesellschafter zu unterscheiden. Immer dann, wenn ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, dem im Hinblick auf seinen Anteil wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten auf die Beschlussfassung zukommen, weiterhin als Geschäftsführer tätig ist, ist ihm jedenfalls in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht all das, was ihm unter welchem Titel auch immer von der Gesellschaft zufließt (Einkommen, Gehalt, Firmenpension) bzw worauf er grundsätzlich Anspruch hat (nicht vorgenommene Gewinnausschüttungen) als Einkommen aus dieser Tätigkeit anzurechnen (RIS Justiz RS0111048; RS0083793).

5. Die in diesen Entscheidungen zu der im Dauerrecht mittlerweile aufgehobenen vorzeitigen Alterspension getroffenen Aussagen sind im Hinblick auf die ähnlich gelagerte Zweckbestimmung der vorzeitigen Alterspensionen und Hinterbliebenenpensionen übertragbar:

Bei der vorzeitigen Alterspension soll Ersatz für den Entfall des Arbeitseinkommens geschaffen werden, da diese Pension nur unter der Voraussetzung gebührte, dass kein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Erwerbs-einkommen bezogen wurde ( Rainer in SV Komm Vor § 253 Rz 4; RIS-Justiz RS0107493). Bei Hinterbliebenenpensionen liegt die Zweckbestimmung im Ersatz des typischerweise nach dem Tod des Versicherten eintretenden Unterhaltsausfalls ( Sonntag in Sonntag , ASVG 6 § 264 Rz 2); für Hinterbliebene mit geringem Einkommen ist in § 264 Abs 6 ASVG eine untere Schutzgrenze („Schutzbetrag“) vorgesehen; bei hohem Einkommen des Hinterbliebenen besteht eine Leistungsobergrenze (§ 264 Abs 6a ASVG). Weder bei der vorzeitigen Alterspension noch bei der Hinterbliebenenpension soll dem Anspruchswerber also ein darüberhinausgehendes (zusätzliches) Einkommen verschafft werden, wenn dessen eigenes Einkommen (bzw zusammen mit einer Pensionsleistung) ausreicht.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, es seien auch im vorliegenden Fall die erzielten, jedoch nicht ausgeschütteten Gewinne anzurechnen, steht mit diesen Erwägungen im Einklang. Es ist auch im vorliegenden Fall auf die objektive Gewinnerzielungsmöglichkeit abzustellen (RIS Justiz RS0105192). Hat die Klägerin als Alleingesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung keine Geschäftsführerentgelte bezogen und zugleich ihren Anspruch auf Ausschüttung der Gewinne gegenüber der Gesellschaft aus welchen Motiven auch immer nicht geltend gemacht, kann dies nicht zur Begründung eines Anspruchs auf Witwenpension bzw zu einem höheren Anspruch auf Witwenpension führen, als dies bei Inanspruchnahme der Gewinnausschüttung der Fall wäre. Die von der Klägerin gewählte Gestaltungsmöglichkeit ihrer Einkünfte kann demnach nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen.

6. Die geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung ohnedies nur die vom Erstgericht zu den Gewinnausschüttungen in den Jahren 2008 und 2010 getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt. Ob die Klägerin im Jahr 2003 ein Geschäftsführerentgelt bezogen hat, ist im Hinblick auf den im Verfahren maßgeblichen Zeitraum 2009 bis 2012 nicht entscheidungsrelevant. Die Eignung, eine unrichtige Entscheidung zu bewirken, wäre aber Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (RIS-Justiz RS0043027) und auch für die erfolgreiche Geltendmachung einer Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0043347 [T9]).

7. Die von der Revisionswerberin beantragte mündliche Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Oberste Gerichtshof im Revisionsverfahren nur über Rechtsfragen zu entscheiden hat und daher Beweisaufnahmen und ergänzungen nicht durchzuführen sind (RIS Justiz RS0043689 [T4, T5]). Schon wegen der Beschränkung der Revisionsgründe ist die von der Revisionswerberin gewünschte Beweisaufnahme durch das Revisionsgericht zu den in der Revisionsschrift als Replik auf die „Anmerkungen“ des Berufungsgerichts vorgebrachten Motiven für die Nichtausschüttung der Gewinne ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Rechtssätze
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