JudikaturJustiz10ObS371/01h

10ObS371/01h – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger als weitere Richter (Senat nach § 11a ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter P*****, Krankenpfleger, ***** vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler und Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, wegen Wiederaufnahme, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. September 2001, GZ 25 Rs 44/01h-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurswerber hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Beschluss ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf deren Richtigkeit zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO iVm § 528a ZPO). Den Ausführungen des Rekurswerbers ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 534 Abs 1 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage binnen einer Frist von vier Wochen zu erheben, wobei diese Frist gemäß § 534 Abs 2 Z 4 ZPO im Fall des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO von dem Tag zu berechnen ist, an welchem die Partei imstande war, die ihr bekanntgewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Bei Tatsachenbehauptungen ist daher entscheidend, wann die Partei Kenntnis von diesen Tatsachen erhält. Die Partei muss nicht die absolute Gewissheit vom Vorhandensein der Tatsachen haben, es genügt vielmehr ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, der objektiv gesehen die Wiederaufnahme rechtfertigt (Fasching IV 531). Bei Beweismitteln beginnt die Frist dann, wenn der Wiederaufnahmskläger die neuen Beweismittel so weit kennt, dass er ihre Eignung für ein allfälliges Verfahren auch prüfen kann; der Wiederaufnahmskläger muss in der Lage sein, einen formgerechten und inhaltsgerechten Beweisantrag zu stellen (RIS-Justiz RS0044635; Fasching aaO ua). Die Kenntnis des mit Prozessvollmacht ausgestatteten Parteienvertreters von neuen Tatsachen und Beweismitteln im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist der Partei zuzurechnen; die Frist des § 534 Abs 1 ZPO wird dadurch in Lauf gesetzt (EvBl 1992/95 ua).

Der Wiederaufnahmskläger bzw sein mit Prozessvollmacht ausgestatteter Rechtsvertreter erhielt mit der Zustellung des letzten Ergänzungsgutachtens des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. O***** vom 1. 2. 2001 im Verfahren 35 Cgs 18/97g des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht Kenntnis von dem sich aus diesem Gutachten ergebenden Umstand, dass nach diesem Gutachten entgegen den Ergebnissen des Vorverfahrens 35 Cgs 129/90 des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht aufgrund der unfallsbedingten Beschwerden des Klägers bei diesem auch noch im Zeitraum nach der Entziehung der Versehrtenrente eine medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH vorgelegen sei. Der Klagevertreter war ab der Zustellung dieses Gutachtens am 9. 2. 2001 in der Lage, die Eignung der Ausführungen in diesem Gutachten für ein allfälliges Wiederaufnahmeverfahren zu prüfen. Er durfte daher, wenn er die Klagefrist nicht versäumen wollte, mit der Wiederaufnahmsklage nicht bis zur Zustellung des Urteils im Verfahren 35 Cgs 18/97g am 3. 4. 2001 zuwarten (vgl EvBl 1992/95, EvBl 1980/120, 6 Ob 144/01x, 9 ObA 7/00w ua). Die erst am 27. 4. 2001 zur Post gegebene Wiederaufnahmsklage war daher gemäß § 534 Abs 1 und 2 Z 4 ZPO verfristet.

Gegen die Versäumung der Fristen des § 534 ZPO steht grundsätzlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen (SZ 68/31 ua). Mit dem angefochtenen Beschluss wurde dieser Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Wiederaufnahmsklage abgewiesen. Die vom Rekurswerber dagegen vorgetragenen Argumente überzeugen nicht. Ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages hindert die Wiedereinsetzung dann nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt, der nach herrschender Ansicht (Fasching, ZPR2 Rz 580; Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 146 mwN) im Sinn von bloß leichter Fahrlässigkeit verstanden wird; grobe Fahrlässigkeit hindert die Wiedereinsetzung. Auch ein Rechtsirrtum bzw die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (RIS-Justiz RS0101980). Gemäß § 39 ZPO gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes auch für Bevollmächtigte. Der Wiedereinsetzungswerber hat sich daher ein Verschulden seines Rechtsvertreters wie eigenes Verschulden anrechnen zu lassen (Gitschthaler aaO Rz 16; Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 39 jeweils mwN ua; RIS-Justiz RS0111777, 0036729). Dabei ist an rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (Gitschthaler aaO Rz 7; RIS-Justiz RS0036784). Ein Rechtsirrtum eines berufsmäßigen Parteienvertreters ist einer Wiedereinsetzung grundsätzlich unzugänglich (Gitschthaler aaO Rz 14; Fink, Wiedereinsetzung 98; Frauenberger, Wiedereinsetzung nach der ZPO bei verschuldeter Säumnis, ÖJZ 1992, 113 ff [118] mwN ua). Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Beurteilung im angefochtenen Beschluss, dass das dem Wiedereinsetzungswerber anzurechnende Verhalten seines Vertreters nicht nur als minderer Grad des Versehens zu beurteilen ist, als zutreffend. An der Richtigkeit dieser Beurteilung vermögen auch die Ausführungen des Rekurswerbers zur Frage der Beweislast im Verfahren 35 Cgs 18/97g des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht sowie sein Hinweis auf das Vorliegen auch gegenteiliger Beweisergebnisse in diesem Verfahren nichts zu ändern. Entscheidend ist vielmehr, dass der Klagevertreter, wie bereits ausgeführt, ab der Zustellung des letzten Ergänzungsgutachtens des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. O***** am 9. 2. 2001 in der Lage war, die Eignung der Ausführungen in diesem Gutachten für ein allfälliges Wiederaufnahmeverfahren zu prüfen. Im Sinne der zitierten ständigen Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0044635) hat damit der Lauf der Frist des § 534 Abs 2 ZPO begonnen. Die Versäumung der Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages übersteigt unter Berücksichtigung des an einen beruflichen rechtskundigen Parteienvertreter im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen anzulegenden erhöhten Sorgfaltsmaßstabes den Grad jenes Verschuldens, das nach dem Gesetz der Bewilligung einer Wiedereinsetzung nicht entgegensteht (vgl Gitschthaler aaO Rz 14; RIS-Justiz RS0036893). Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Rechtssätze
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