JudikaturJustiz10Ob10/10h

10Ob10/10h – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. April 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lechner und Dr. Hermann Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, und ihrer Nebenintervenientin S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K***** R***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Bernhard Hämmerle GmbH in Innsbruck, und ihrer Nebenintervenientin A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 696.238,34 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 2. Oktober 2009, GZ 4 R 108/09b-167, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Februar 2009, GZ 41 Cg 228/01z-152, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Rechtsvorgänger der Beklagten (künftig: Beklagte) beabsichtigte, sein Hotel umzubauen und zu erweitern. Er schloss deshalb mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) am 20. 4. 2000 einen Architektur und Ingenieurvertrag, in dem sich die Klägerin zu Architektur und Ingenieurleistungen auch zur örtlichen Bauaufsicht im vertraglich festgelegten Umfang für das Bauvorhaben verpflichtete. Das Honorar der Klägerin bemaß sich in Prozentsätzen der Nettoherstellungskosten. Vereinbart waren ferner nach Termin und Betrag bestimmte Teilzahlungen auf das Honorar und, dass der „Rest nach Fertigstellung, endgültiger Mängelbehebung und Vorlage der durch (Klägerin) erarbeiteten Kostenfeststellung“ zu zahlen ist. Im Vertrag wurde auch ein Aufrechnungsverbot vereinbart.

Mit der am 25. 10. 2001 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des restlichen Honorars von zuletzt 696.238,34 EUR. Die Honorarforderung sei fällig, weil sie die geschuldeten Leistungen vollständig erbracht und das Bauwerk einschließlich aller dafür erforderlichen Abnahmen an die Beklagte übergeben habe. Die Beklagte nutze das Objekt seit Dezember 2000 betrieblich. Es sei sittenwidrig, wenn sich die Beklagte aufgrund allfälliger, gänzlich geringfügiger Mängel darauf berufe, die Forderung sei erst nach mängelfreier Übergabe wie im Werkvertrag festgehalten fällig. Die von der Beklagten behaupteten Mängel lägen nicht vor. Teilweise seien sie längst behoben. Die Klausel im Vertrag, dass die Legung der Schlussrechnung eine endgültige Mängelbehebung und die Vorlage der durch die Klägerin zu erarbeitenden Kostenfeststellung erfordere, sei von den Vertragsteilen einvernehmlich so verstanden worden, dass darunter nur solche Mängel zu subsumieren seien, die eine Fertigstellung und Benutzung des Objekts verhinderten, nicht jedoch sämtliche gewährleistungsrelevanten Mängel von Professionistenleistungen die Legung der Schlussrechnung hinauszögern könnten. Die der Beklagten am 31. 8. 2001 übermittelte Schlussrechnung sei konkretisiert und detailliert. Unabhängig von allfälligen Mängeln habe die Beklagte nach dem Vertrag jedenfalls zwei Teilzahlungen von je 1 Mio S leisten müssen, weil sie nur acht der vereinbarten Raten bezahlt habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe die vereinbarten Teilzahlungen geleistet, der Rest sei erst nach endgültiger Mängelbehebung fällig. Nach wie vor gebe es nicht behobene Mängel. Im Übrigen hätten die Fehlleistungen der Klägerin eine Minderung ihres Anspruchs um die Hälfte zur Folge. Diese Preisminderung mache die Beklagte geltend. Sie wendete auch Gegenforderungen aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht hat die Klagsforderung mit 261.622,20 EUR als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und die Beklagte daher zur Zahlung von 261.622,20 EUR sA verpflichtet und das Mehrbegehren abgewiesen. Den festgestellten Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass die Klägerin nicht nur die Planung des Bauvorhabens, sondern auch die örtliche Bauaufsicht durchgeführt habe. Das Werk sei insgesamt mangelhaft geblieben, wobei die Mängel zum Teil auch auf die Planung bei der Abdichtung und auf die Bauaufsicht zurückzuführen seien. Die Beklagte sei allerdings nicht berechtigt gewesen, die vereinbarten Teilzahlungen, die als Vorschüsse zu betrachten seien, wegen der Mängel zurückzubehalten. Die Schlussrechnungssumme sei jedoch im Hinblick auf § 1170 ABGB und auf die Vereinbarungen der Parteien nicht fällig. Unabhängig davon, ob der Werklohn anderer Professionisten aus den gleichen Gründen nicht fällig sei bzw welche Beträge daraus noch offen seien, dürfe die Beklagte den gesamten noch offenen Werklohn zurückbehalten, zumal sie berechtigt sei, eine Mängelbehebung durch alle Mängel mitverursachenden Unternehmer einzufordern. Von einer schikanösen Rechtsausübung könne im Anlassfall nicht gesprochen werden. Die Gegenforderung sei im Hinblick auf das vereinbarte Aufrechnungsverbot abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin, ihrer Nebenintervenientin und der Beklagten teilweise Folge. Es hat die Klagsforderung mit 88.079,47 EUR als zu Recht bestehend erkannt, die Aufrechnungseinrede abgewiesen und die Beklagte daher zur Zahlung von 88.079,47 EUR sA verurteilt. In Ansehung einer Klagsforderung von 608.158,87 EUR sA hat es das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei. Die Klägerin sei nicht Generalunternehmer gewesen. Die Verträge mit den Professionisten habe vielmehr die Beklagte abgeschlossen. Für mangelhafte Ausführungsleistungen seien daher die einzelnen Professionisten der Beklagten gegenüber gewährleistungs und schadenersatzpflichtig; die Klägerin als Bauaufsichtsführende habe wie der Bauherr selbst auf die fachgerechte Ausführung der Arbeiten vertrauen dürfen. Sie sei nur dort zu einem Einschreiten verpflichtet gewesen, wo Fehler für sie erkennbar gewesen seien. Da sich die von der Klägerin erbrachten Leistungen (Planung, Bauaufsicht) im Bauwerk längst niedergeschlagen hätten, sei eine Verbesserung derselben nicht mehr möglich. Im fortgesetzten Verfahren sei daher die bislang unberücksichtigt gebliebene Einrede der Preisminderung zu beurteilen. Hiefür sei die Sachverhaltsgrundlage noch nicht ausreichend erarbeitet worden. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Parteien habe die Beklagte von den mit einem Gesamtbetrag von 14 Mio S vereinbarten Teilzahlungen (Vorschüssen) nur 12.600.000 S geleistet. Berücksichtige man die vertraglich vorgesehene Anrechnung von 50 % des Honorars für die Masterplanung, so ergebe sich einschließlich der Umsatzsteuer ein offener Restbetrag an Vorschüssen von 88.079,47 EUR (1.212.000 S). In diesem Umfang bestehe die Klagsforderung jedenfalls zu Recht, weil ihnen nicht die Einrede der nichtgehörigen Erfüllung bzw der mangelnden Fälligkeit entgegengesetzt werden könne. Im Übrigen sei auch die Schlüssigkeit der Klage zu bejahen, sei doch insbesondere die Höhe des Honorars aus den Angaben der Klägerin rechnerisch nachvollziehbar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Teilurteil erhobene Revision der Beklagten ist wie ausgeführt werden wird zulässig; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Auf die Ausführungen der Revision, die sich gegen die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts wenden, ist vom Obersten Gerichtshof mangels Bekämpfbarkeit des Aufhebungsbeschlusses derzeit nicht einzugehen.

2. Im Übrigen macht die Revisionswerberin geltend, dass das Klagebegehren unschlüssig sei und das Berufungsgericht insofern einem Rechtsirrtum unterliege, als es das Ausmaß der Preisminderung dahin bindend vorgebe, dass diese höchstens nur in jenem Betrag bestehen könne, der Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses ist. Für diese rechtliche Beurteilung fehlten jedoch Feststellungen.

3. Hiezu wurde erwogen:

3.1. Das Klagebegehren zum Anspruch auf Leistung der vereinbarten Vorschüsse auf das Honorar, der Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, ist nicht unschlüssig. Dass dies der Fall wäre, behauptet die Beklagte auch in ihrer Revision nicht.

Die Vorinstanzen bejahten die Schlüssigkeit der Klage. Selbst wenn diese Beurteilung eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung wäre (vgl RIS-Justiz RS0037780), führte das nicht zu einer Abweisung des den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Teil des Klagebegehrens infolge Verjährung, wie es die Revisionswerberin anstrebt. Bei Unschlüssigkeit ist nämlich das Klagebegehren nicht sofort abzuweisen, sondern muss vom Gericht eine Verbesserung angeregt werden (§ 182 ZPO; 4 Ob 274/01z = RIS-Justiz RS0001252 [T9]). Die auftragsgemäße Verbesserung des Klagebegehrens würde die ursprüngliche Unterbrechungswirkung der Klage (§ 1497 ABGB) nicht beseitigen (RIS-Justiz RS0118623; 6 Ob 286/99y = RIS-Justiz RS0113956; vgl RIS-Justiz RS0034875).

3.2. Gemäß § 1170 ABGB ist der Werklohn in der Regel nach vollendetem Werk zu entrichten. Von einem Vorschuss wird insbesondere dann gesprochen, wenn ein Werklohn vor Vollendung des Werks zu leisten ist (6 Ob 97/09x; 8 Ob 157/99t = SZ 72/112; RIS-Justiz RS0021417). Teilzahlungen auf den Werklohn vor der Fertigstellung des Werks, die wie im Anlassfall nicht bestimmte Teilleistungen abgelten sollen, sind als Vorschüsse zu qualifizieren (8 Ob 157/99t = SZ 72/112). Die Beklagte war also Vorleistungspflichtige der Vorschüsse. Weil sie insoweit vorleistungspflichtig war, steht ihr schon deshalb das Recht auf Leistungsverweigerung wegen zu behebender Mängel, das sich auf die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags nach § 1052 ABGB gründet (4 Ob 11/08h mwN; RIS Justiz RS0020107; RS0020161; RS0021730), nicht zu (7 Ob 749, 750/78 mwN = SZ 51/182; RIS Justiz RS0019881). Dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des restlichen Vorschusses fällig ist, bestreitet die Revisionswerberin daher zu Recht nicht.

Im Übrigen setzt das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers, der die Verbesserung vorhandener Mängel verlangt, die Behebbarkeit des Mangels voraus (RIS Justiz RS0019929). Bei unbehebbaren Mängeln besteht nur das Recht zur Wandlung oder Preisminderung (5 Ob 630/89 = SZ 62/169 = JBl 1990, 248 [ Rebhahn ]; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB 2 § 1052 Rz 2; M. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB 2 § 1170 Rz 3).

Im Anlassfall machte die Beklagte ihr Recht auf Preisminderung mit Einrede geltend. Sie behauptet, der Werklohn (das Honorar) der Klägerin sei auf die Hälfte zu mindern. Da die Beklagte der Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen mehr als die Hälfte des ungeminderten Honorars gezahlt hat, wäre das Klagebegehren abzuweisen, wenn der geminderte Werklohn den schon bezahlten Betrag nicht übersteigt. Die zur Beurteilung einer Preisminderung notwendigen Feststellungen fehlen jedoch. Zu Recht rügt die Revisionswerberin daher die teilweise Klagestattgebung. Eine Vereinbarung, wonach die Beklagte Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen nicht zurückhalten dürfe (s RIS Justiz RS0016592), wurde nämlich weder behauptet noch festgestellt. Dass die Beklagte Vorleistungspflichtige der Vorschüsse ist, führt nicht dazu, dass sie insoweit das Preisminderungsrecht nicht mit Einrede, sondern mit Klage geltend machen müsste, macht doch das Gesetz die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten nicht von der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit abhängig.

3.3. Da das Berufungsgericht zu Unrecht die Entscheidungsreife eines Teils des Klagebegehrens bejahte, war in Stattgebung der Revision das Teilurteil aufzuheben und mit Zurückverweisung an das Erstgericht vorzugehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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