JudikaturBVwG

I414 2319136-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
12. September 2025

Spruch

I414 2319136-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian EGGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ALGERIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 26.08.2025, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 01.04.2022 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.

Dem Asylverfahren entzog er sich durch Untertauchen bereits am 13.04.2022.

Mit Bescheid vom 20.06.2022, Zl. XXXX , sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) aus, dass die Anträge auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen werden, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde, die Abschiebung nach Algerien gem. § 52 Abs. 9 FPG für zulässig erklärt werde und die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aberkannt werde, eine Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt und ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen werden.

Mangels Bekämpfung erwuchs der Bescheid des Bundesamtes am 19.07.2022 in Rechtskraft.

Vom 13.04.2022 bis 23.10.2024 war der Beschwerdeführer für die österreichischen Fremdenbehörden nicht greifbar, wodurch es ihm gelang, sich damit der effektuierbaren Abschiebung zu entziehen.

Ungeachtet des gegen ihn bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots reiste er illegal in den Schengenraum aus, wo er zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt jeweils in Deutschland, in der Schweiz und in Dänemark zumindest je einen Asylantrag stellte.

Am 23.10.2024 versuchte er nach Deutschland einzureisen, wobei ihm die Einreise von der deutschen Polizei verweigert und er mit dem Zug nach Österreich überstellt wurde. Noch am selben Tag wurde der Beschwerdeführer von Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde niederschriftlich dokumentiert einvernommen. Dabei gab er an, dass er nach einer allfälligen Entlassung sofort nach Spanien weiterreisen wolle und im Bundesgebiet weder soziale noch wirtschaftliche Anknüpfungspunkte habe.

Mit Mandatsbescheid vom 23.10.2024 ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat an.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 23.10.2024 durchgehend in Schubhaft.

Am 27.02.2025 langte von Seiten der DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) ein nachrichtendienstlicher Erkenntnisbericht ein. Diesem Bericht zu Folge hatte der Beschwerdeführer am 31.08.2024 eine aktive Rolle in einem Vorfall im dänischen Immigrationszentrum „ XXXX “ eingenommen, als während eines islamischen Gebets die Terrororganisation Islamischer Staat glorifiziert wurde und es in weiterer Folge zu Unruhen kam. Bei dieser Gelegenheit konnte der Beschwerdeführer als einer der Anstifter der Glorifizierung zugeordnet werden.

Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft und die Angemessenheit der verhängten Schubhaftdauer wurden vom Bundesverwaltungsgericht mehrfach überprüft.

Am 19.08.2025 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Am darauffolgenden Tag wurde der Beschwerdeführer anlässlich seines verfahrensgegenständlichen Folgeantrags auf internationalen Schutz durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung gab er hierbei an, dass er bei seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz keine Chance gehabt habe etwas zu sagen, da er nicht befragt worden sei. Er habe eine Freundin mit welcher er auch ein sexuelles Verhältnis gepflegt habe, weshalb ihn ihre Brüder umbringen hätten wollen. Als er das erfahren habe, sei er geflüchtet. In weiterer Folge hätten sie seinen Bruder mit einem Messer attackiert und verletzt. Sie seien Drogendealer und in Algerien als Mafia bekannt. Weitere Gründe für die Antragstellung habe er nicht. Bei einer Rückkehr befürchte er, dass er von den Drogendealern umgebracht werde, da sie viele Menschen mit Messern verletzt und angegriffen hätten. Alleine ihr Anblick sei beängstigend. Sie hätten ihn sogar in Europa angerufen und gesagt, dass sie ihn umbringen werden. Bekannt sei ihm diese Verfolgung bzw. dieser Fluchtgrund seit Juli 2019.

Am 26.08.2025 wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich seines verfahrensgegenständlichen Folgeantrags auf internationalen Schutz niederschriftlich vor dem Bundesamt einvernommen. Hierbei gab er hinsichtlich der Gründe für seine neuerliche Antragstellung im Wesentlichen an, dass er vor ein oder zwei Jahren telefonisch bedroht worden sei. Sie hätten gesagt, falls er nach Frankreich kommen würde, würden sie Leute „nachschicken“. Beweise habe er dafür keine, jedoch könne er, wenn er wieder „draußen“ sei, einen neuen Facebook Account erstellen. Das letzte Mal sei er im Jahr 2020 in Algerien gewesen. Auf Nachfrage, weshalb er in seinem ersten Asylverfahren nichts von einer Bedrohung oder Gefährdung erwähnte habe, gab er an, dass er nicht gewusst habe, ob man solche „Sachen“ erzählen soll. Er sei davon ausgegangen, dass er wieder geladen werde und dann alles sagen könne. Auf die Frage, ob er sämtliche Gründe, die ihn veranlasst haben, neuerlich einen Asylantrag zu stellen, vollständig vorgebracht habe, antwortete der Beschwerdeführer wie folgt: „Ja. Ich möchte eine Ausbildung machen und auch arbeiten und keine Probleme verursachen.“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.08.2025 wies das Bundesamt den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Dem Beschwerdeführer wurde überdies eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Mit Schriftsatz vom 02.09.2025 wurde gegen den Bescheid fristgerecht und vollumfänglich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Verletzung von Verfahrensvorschriften und mangelhafter Beweiswürdigung erhoben. Insbesondere wurde moniert, dass für den Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Heimatland nicht zumutbar sei, da ihm dort Verfolgung durch Private drohe vor denen der algerische Staat schutzunfähig bzw. schutzunwillig sei. Bei einem ordentlichen Ermittlungsverfahren hätte das Bundesamt feststellen müssen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft sei und diesem in seiner Heimat asylrelevante Verfolgung drohe. Mit der Zurückweisung des Folgeantrages wegen entschiedener Sache verkenne das Bundesamt, dass der Beschwerdeführer einen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2025 vorgelegt und langten am 08.09.2025 in der Gerichtsabteilung des erkennenden Richters ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien, Angehöriger der Volksgruppe der Berber und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er ist gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer hatte vor seiner Ausreise in der Stadt Koléa im Norden Algeriens seinen Wohnsitz.

In seinem Heimatland leben seine Eltern und einer seiner zwei Brüder.

Im Jahr 2017 reiste er von Algerien mit dem Schiff illegal nach Spanien. Darauffolgend reiste er nach einem Monat nach Deutschland, wo er sich zwei Jahre aufhielt. Von Deutschland reiste er über Schweden nach Dänemark, wo er sich für fünf Monate aufhielt. Nach dem fünfmonatigen Aufenthalt in Dänemark reiste er nach Norwegen. Dort hielt er sich für zwei Monate auf und reiste anschließend für einen Monat nach Schweden. Nach seinem Aufenthalt in Schweden reiste er für acht Monate nach Deutschland. Von dort aus für zehn Tage in die Niederlande und sodann wieder für zehn Monate nach Deutschland, ehe er am 01.04.2022 nach Österreich reiste und seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet stellte.

Nach seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet verließ er Österreich und reiste nach Deutschland, wo er sich bis Oktober 2022 aufhielt. Von dort aus nach Dänemark, wo er am 18.07.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und am 22.10.2024 nach Österreich überstellt wurde. Am 23.10.2024 versuchte der Beschwerdeführer nach Deutschland zu reisen, wurde jedoch von den deutschen Behörden daran gehindert und von diesen wieder nach Österreich gebracht.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

In Europa stellte der Beschwerdeführer bisher zehn Anträge auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer trat unter verschiedenen Alias-Identitäten auf.

1.2. Zum Vorverfahren, dem Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.04.2022, den er mit rein wirtschaftlichen Erwägungen begründet hatte, wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.06.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein zweijähriges Einreiseverbot verhängt. Dieser Bescheid erwuchs mit 19.07.2022 unangefochten in Rechtskraft.

Das Ermittlungsverfahren aufgrund seines verfahrensgegenständlichen Folgeantrags auf internationalen Schutz vom 19.08.2025 ergab, dass keine substantiellen neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden. Sein nunmehr ergänzend erstattetes Vorbringen, wonach er aufgrund einer Beziehung mit einem Mädchen von deren Brüdern einer Verfolgung ausgesetzt sei, weist keinen glaubhaften Kern auf.

Auch hat sich die individuelle Situation für den Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Algerien nicht in einem Umfang verändert, dass von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes auszugehen wäre.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Gemäß § 1 Z 10 HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung) gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat.

Zur aktuellen Lage in Algerien werden folgende Feststellungen getroffen:

A. Politische Lage

Letzte Änderung 2024-09-27 14:46

Gemäß seiner Verfassung ist Algerien eine demokratische Volksrepublik mit einem semipräsidentiellen Regierungssystem. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist auf zwei Mandate begrenzt (AA 20.6.2023; vgl. AA 10.5.2023). Die 2020 erfolgte Verfassungsreform bringt eine weitere Verstärkung der Rolle des Staatspräsidenten und - noch problematischer - verankert stärker als bisher eine Rolle des Militärs als Staats- und Verfassungsgarant (ÖB Algier 21.5.2024).

Der Präsident ist Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber des Heeres und Verteidigungsminister. Er garantiert die Einheit des Staates und ist die höchste Instanz der Rechtsprechung. Er ernennt den Premierminister nach Konsultation des Parlaments und nach Befassung des Premierministers die Minister und sitzt dem Ministerrat vor. Er ernennt die Funktionäre der Verwaltung und des Militärs, den Gouverneur der Nationalbank, die 48 Wilaya(Provinz)präfekte und die Richter des Landes. Die Gesetzgebung basiert mehrheitlich auf präsidentiellen Dekreten (ÖB Algier 21.5.2024).

Präsident Abdelaziz Bouteflika wurde 2019 nach massiven Demonstrationen („Hirak“) gestürzt. Er war seit 1999, damals 62-jährig, im Amt. Während die Öffentlichkeit eine grundlegende Erneuerung des politischen Systems, mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fordert(e), konsolidierte sich dieses in Richtung eines „Clanwechsels“, dominiert vom neuen Staatspräsidenten Abdelmajid Tebboune und der Armee unter Generalstabschef Saïd Chengriha. Tebboune. Der damals neue [Anm.: und gegenwärtige] Präsident war Premierminister und Minister Bouteflikas, wurde im Dezember 2019 bei einer offiziellen Wahlbeteiligung von knapp unter 40% gleich im ersten Wahlgang gewählt, es standen nur „Systemkandidaten“ zu Auswahl (ÖB Algier 21.5.2024). Bei der Präsidentschaftswahl in Algerien am 7.9.2024 hat sich Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune nach vorläufigen Ergebnissen klar durchgesetzt und eine zweite Amtszeit von weiteren fünf Jahren gewonnen. Tebboune hat gemäß Vorsitzendem der Wahlbehörde 94,6% der Stimmen erhalten. Die beiden Gegenkandidaten blieben demnach völlig chancenlos und erhielt nur 3% beziehungsweise 2% der abgegebenen Stimmen. Die Wahlbeteiligung war mit nur 48% ähnlich gering wie vor fünf Jahren. Der Sieg hat für Tebboune damit einen bitteren Beigeschmack und ist auch Ausdruck der Frustration bei vielen Menschen in dem nordafrikanischen Land (Tagesschau 8.9.2024).

Das algerische Parlament besteht aus der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünf-Prozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) und einer zweiten Kammer (Conseil de la Nation oder Senat), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden (AA 20.6.2023; vgl. AA 10.5.2023). Die Mitglieder der Nationalen Volksversammlung, des Unterhauses des Parlaments, werden direkt für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt, die nach der Verfassungsreform von 2020 nur einmal verlängert werden kann. Vorgezogene Parlamentswahlen [Anm.: des Unterhauses] fanden 2021 statt; es kam zu Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten. Der Präsident ernennt ein Drittel der Mitglieder des Oberhauses, des Rates der Nation, der aus 144 Mitgliedern besteht, die eine sechsjährige Amtszeit haben. Die anderen zwei Drittel werden indirekt von den Kommunal- und Provinzparlamenten gewählt. Die Hälfte der Mandate der Kammer wird alle drei Jahre erneuert. Die Teilwahlen zum Oberhaus fanden im Februar 2022 statt. Die Kommunal- und Regionalwahlen im Jahr 2021 fanden bei geringer Wahlbeteiligung statt (FH 2024). Die Rolle der beiden Parlamentskammern im Staats- und Machtgefüge bleibt vor allem aufgrund der klaren Regierungsmehrheit schwach (AA 10.5.2023).

Die politischen Angelegenheiten in Algerien werden seit Langem von einer geschlossenen Elite beherrscht, die sich auf das Militär und die Regierungspartei, die Nationale Befreiungsfront (FLN), stützt. Es gibt zwar mehrere Oppositionsparteien im Parlament, aber die Wahlen werden durch Betrug verzerrt, und die Wahlverfahren sind nicht transparent. Weitere Probleme sind die Unterdrückung von Straßenprotesten, rechtliche Einschränkungen der Medienfreiheit und die grassierende Korruption. Die Hirak-Protestbewegung im Jahr 2019 setzte das Regime unter Druck, sich zu reformieren, aber ein hartes Vorgehen gegen Andersdenkende in den darauffolgenden Jahren hat verhindert, dass es weiterhin zu groß angelegten Demonstrationen kommt (FH 2024).

Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (REU 25.8.2021). Der algerische Präsident Tebboune hat im März 2023 festgestellt, dass er wenig Hoffnung auf eine positive Entwicklung des Konflikts hat. Die Beziehungen zwischen Algerien und Marokko sind weiterhin schlecht (MaPo 22.3.2023).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2023): Algerien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 28.8.2024

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091939/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_(Stand_März_2023),_10.05.2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108025.html, Zugriff 20.8.2024

MaPo - Maghreb Post (22.3.2023): Algerien – Präsident nennt Beziehungen zu Marokko unumkehrbar., https://maghreb-post.de/algerien-praesident-nennt-beziehungen-zu-marokko-unumkehrbar, Zugriff 18.9.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

REU - Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24, Zugriff 18.9.2024

Tagesschau - Tagesschau (8.9.2024): Tebboune gewinnt die Wahl in Algerien, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/algerien-wahl-tebboune-100.html, Zugriff 17.9.2024

B. Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-10-01 10:45

Demonstrationen

Spontane Demonstrationen können trotz Verboten auch außerhalb der Hauptstadt Algier stattfinden, insbesondere nach den Freitagsgebeten. Auch bei friedlichem Verlauf können vereinzelt gewaltsame Auseinandersetzungen und Verkehrsbehinderungen nicht ausgeschlossen werden (AA 31.5.2024).

Terrorismus

Algerien unternimmt weiterhin erhebliche Anstrengungen, um terroristische Aktivitäten innerhalb seiner Grenzen zu verhindern, und bleibt daher für terroristische Gruppen ein schwieriges Operationsumfeld. Der dschihadistische Terrorismus in Algerien ist stark zurückgedrängt worden und die Kapazitäten algerischer Terrorgruppen sind aufgrund erfolgreicher Antiterror-Operationen begrenzt. Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) ist auf kleine Reste reduziert, hat sich mehrmals gespalten und ist in Algerien praktisch handlungsunfähig. Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte halten Reste terroristischer Gruppen unter starkem Druck. Terroristen wurden großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben das Land verlassen. Terrorgruppen stellen allerdings weiterhin eine Bedrohung dar, wenn auch in geringerem Ausmaß. Zu erkennen ist die Verringerung terroristischer Aktivitäten auch an den statistischen Werten des Global Terrorism Index für die Jahre 2019 bis 2023 (STDOK 27.6.2024).

Terroristische Aktivitäten richten sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte (AA 31.5.2024). Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB Algier 21.5.2024). Das Fortbestehen bewaffneter islamistischer Gruppen, die in den Bergregionen im Norden und Osten sowie in den Grenzgebieten im Süden sporadische Angriffe auf das Militär verüben, wird allerdings anerkannt. Obwohl diese Gruppen die Unterstützung der lokalen Bevölkerung verloren haben, sind sie weiterhin aktiv und unterhalten Verbindungen zu kriminellen Netzwerken in der Sahelzone (BS 2024).

Spezifische regionale Risiken - Terrorismus

Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 31.5.2024). Die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien, Libyen und zu Mali (ÖB Algier 21.5.2024). In den Grenzgebieten mit den Nachbarländern Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Westsahara besteht weiterhin die Gefahr von terroristischen Anschlägen oder Entführungsversuchen (AA 31.5.2024; vgl. BMEIA 2.9.2024), ebenso wie in den algerischen Saharagebieten und außerhalb der Bezirke der größeren Städte im nördlichen Landesteil von Algerien, in ländlichen Gebieten und Bergregionen (AA 31.5.2024). Immer wieder versuchen kriminelle, terroristische bzw. bewaffnete Gruppen Algeriens Grenzgebiete für ihre Zwecke zu nutzen bzw. diese zu durchqueren (BMEIA 2.9.2024).

Subjektives Sicherheitsempfinden

In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 97% der Befragten an, sich in ihrer Wohngegend entweder "sehr sicher" oder "eher sicher" zu fühlen (STDOK 31.12.2023).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.5.2024): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/algerien-node/algeriensicherheit/219044, Zugriff 19.9.2024

BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (2.9.2024): Reisehinweise Algerien, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/algerien, Zugriff 19.9.2024

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Algeria Country Report, https://bti-project.org/de/reports/country-report/DZA, Zugriff 20.8.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (27.6.2024): Themenbericht der Staatendokumentation: Terrorismus Nordafrika

STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (31.12.2023): Algeria: Socio-Economic Survey 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2106869/2024-04-03_Dossier, Zugriff 13.9.2024

C. Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung 2024-10-01 10:50

Die Justiz agiert nicht immer unabhängig oder unparteiisch und es mangelt ihr an Unabhängigkeit (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023, BS 2024, ÖB Algier 21.5.2024). Obwohl die Gewaltenteilung verfassungsmäßig vorgesehen ist (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023, BS 2024), schränkt die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz ein (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 11.4.2023, BS 2024, ÖB Algier 21.5.2024) bzw. hat die Exekutive weitgehende Befugnisse über die Justiz (AA 10.5.2023). Der Präsident hat den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023, FH 2024, BS 2024). Der Oberste Justizrat ist auch für die richterliche Disziplin und die Entlassung von Richtern zuständig (USDOS 23.4.2024; vgl. BS 2024, AA 10.5.2023).

Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Diese Vorschriften wurden im April 2020 durch eine Novellierung des Strafgesetzbuches noch einmal verschärft. Betroffen sind insbesondere Meinungs- und Pressefreiheit, welche durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden (AA 10.5.2023). Mit der Verordnung 21-08 wurde im Juni 2021 per Präsidialdekret die Terrorismusdefinition in Artikel 87 des Strafgesetzbuches vage ausgeweitet. Seitdem werden unter Bezugnahme auf diesen Artikel zunehmend auch lediglich kritische Äußerungen gegen die Staatsführung in Medien oder sozialen Netzwerken als Förderung von Terrorismus oder Angriff auf die Nationale Einheit ausgelegt. Mehrere kritische Journalisten und Aktivisten wurden bereits unter Artikel 87 mit teils langen Haftstrafen belegt (AA 10.5.2023; vgl. ÖB Algier 21.5.2024).

Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess, aber in der Praxis respektieren die Behörden diese rechtlichen Bestimmungen nicht immer (USDOS 23.4.2024). Die fehlende Unabhängigkeit von Justiz und Staatsanwaltschaft untergräbt häufig die Rechte der Angeklagten auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, insbesondere in politisch heiklen Fällen gegen ehemalige Beamte oder Bürgeraktivisten. Es kommt häufig zu langen Verzögerungen bei der Anhörung von Angeklagten, und den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft wird in der Regel stattgegeben. Die Sicherheitskräfte führen häufig Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl durch und nehmen willkürliche Verhaftungen und kurzfristige Inhaftierungen vor (FH 2024). Die meisten Prozesse sind öffentlich, es sei denn, der Richter stellt fest, dass das Verfahren eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die "Moral" darstellt. Das Strafgesetzbuch sieht kostenfreie Übersetzer für Angeklagte vor. Die Angeklagten haben das Recht, während des Prozesses anwesend zu sein, können aber in Abwesenheit verurteilt werden, wenn sie einer Vorladung nicht Folge leisten (USDOS 23.4.2024).

Personen mit genügend Mitteln bzw. politischen Verbindungen können auf Gerichtsentscheidungen Einfluss nehmen. Mitunter scheinen politische Prozesse und die gerichtliche Verfolgung von unliebsamen Personen oder Kritikern auf der Basis gerichtlich belangbarer Vorwürfe konstruiert zu werden. Oppositionelle politische Aktivisten beklagen, aufgrund von Anti-Terrorismus-Gesetzen und solchen zur Begrenzung der Versammlungsfreiheit oder Vergehen gegen "die Würde des Staates und die Staatssicherheit" festgenommen zu werden. In der Amtszeit von Präsident Tebboune (seit Dezember 2019) wurde die Repression in Algerien erheblich verschärft. 2023 ist von über 300 politischen Gefangenen die Rede. Trotz dieser Zahlen ist die algerische Regierung bemüht, eine oberflächlich versöhnliche Haltung einzunehmen (ÖB Algier 21.5.2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091939/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_(Stand_März_2023),_10.05.2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Algeria Country Report, https://bti-project.org/de/reports/country-report/DZA, Zugriff 20.8.2024

FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108025.html, Zugriff 20.8.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107601.html, Zugriff 20.8.2024

D. Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung 2024-10-01 10:52

Die algerischen Sicherheitskräfte bestehen aus der Armee (Algerian People's National Army - ANP), der Nationalen Gendarmerie und der republikanischen Garde unter dem Verteidigungsministerium sowie der nationalen Polizei unter dem Innenministerium. Die Nationale Gendarmerie nimmt unter der Schirmherrschaft des Verteidigungsministeriums polizeiliche Aufgaben außerhalb der städtischen Gebiete wahr; sie besteht aus territorialen, Interventions-/Mobilitäts-, Grenzschutz-, Eisenbahn-, Aufruhrkontroll- und Luftunterstützungseinheiten; die Generaldirektion für Nationale Sicherheit ist mitverantwortlich für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung (CIA 7.8.2024).

Angesichts der jüngeren Geschichte und der Sicherheitslage im Land ist der Sicherheitsapparat sehr groß dimensioniert. Nationale Gendarmerie und Polizei zählen zusammen allein fast 400.000 Mann. Hinzu kommen die zahlenmäßig nicht bekannten Angehörigen der politisch einflussreichen "Direction des Services de Sécurité" (DSS) [Anm.: Direktion der Sicherheitskräfte] bzw. dessen Nachfolgeorganisationen, die im Bereich Terrorismus und nationale Sicherheit ebenfalls als Strafverfolgungsbehörde funktionieren (ÖB Algier 21.5.2024).

Die Regierung hat Schritte unternommen, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Korruption, begangen haben, zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen. Die Generaldirektion für nationale Sicherheit führte Ermittlungen zu Misshandlungsvorwürfen durch und ergriff Verwaltungsmaßnahmen gegen Beamte, die ihrer Meinung nach Misshandlungen begangen hatten. Das Justizministerium meldete mehrere strafrechtlichen Verfolgungen oder Verurteilungen von Zivil-, Sicherheits- oder Militärbeamten wegen Folter oder anderer missbräuchlicher Behandlung. Die Straffreiheit für Polizei- und Sicherheitsbeamte ist nach wie vor ein Problem (USDOS 23.4.2024). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB Algier 21.5.2024).

Quellen

CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): Algeria - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/algeria/#military-and-security, Zugriff 21.8.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107601.html, Zugriff 20.8.2024

E. Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung 2024-10-01 11:21

Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet (AA 20.6.2023). Systematische staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 10.5.2023). NGOs kritisieren zunehmende Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, und Pressefreiheit (AA 20.6.2023; vgl. USDOS 23.4.2024, HRW 11.1.2024) - in diesen Bereichen verschlechterte sich die Lage im Jahr 2023 (USDOS 23.4.2024). Die algerischen Behörden haben im Jahr 2023 die Unterdrückung der Meinungs-, Presse-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit im Rahmen ihrer fortgesetzten Bemühungen zur Unterdrückung des organisierten Widerstandes verschärft. Sie haben wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen aufgelöst, Oppositionsparteien und unabhängige Medien suspendiert und weiterhin restriktive Gesetze angewandt, um Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Journalisten und Anwälte zu verfolgen - unter anderem wegen des zweifelhaften Vorwurfs des Terrorismus und der Annahme von Geldern zur Schädigung der Staatssicherheit -, was einige von ihnen zur Flucht ins Exil veranlasste (HRW 11.1.2024). Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind unter anderem Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch Angehörige der Sicherheitskräfte; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Unparteilichkeit sowie rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre (USDOS 23.4.2024).

Obwohl die Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet (USDOS 23.4.2024), schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 11.1.2024). Die Behörden nutzen rechtliche Mechanismen, um die Medienarbeit einzuschränken (FH 2024). Öffentliche Debatten und Kritik an der Regierung sind weit verbreitet, jedoch ist es für Journalisten und Aktivisten problematisch, bestimmte rote Linien zu überschreiten (USDOS 23.4.2024). Die Behörden setzen Journalisten und Kritiker Schikanen und Einschüchterungen aus (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Journalisten berichten, dass selektive Strafverfolgung als Einschüchterungsmechanismus dient. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen schüchtert die Regierung Aktivisten und Journalisten ein. Zu den Maßnahmen der Regierung gehören die Schikanierung einiger Kritiker, die willkürliche Durchsetzung vage formulierter Gesetze und informeller Druck auf Verleger, Redakteure, Anzeigenkunden und Journalisten (USDOS 23.4.2024). Die algerische Presse zeichnet sich durch rapide schwindenden Pluralismus und Druck gegen unabhängige Zeitungen aus. Der Staat kontrolliert zwei Schlüsselressourcen für die Printmedien, die öffentlichen Druckereien und subventionierte Papierlieferungen. Daneben besteht ein weiteres Mittel staatlicher Einflussnahme in Gestalt der staatlichen Werbe- und Vertriebsgesellschaft ANEP, über die alle staatlichen Unternehmen ihre Werbung platzieren. Ein Rückgang dieser Werbeeinnahmen hat in den letzten Jahren zur Schließung mehrerer Zeitungen geführt. Die Abhängigkeit von diesen Ressourcen führt zu Selbstzensur seitens der Herausgeber und Redakteure (AA 10.5.2023). Obwohl sich manche Zeitungen in Privatbesitz befinden und einige Journalisten eine aggressive Berichterstattung in Bezug auf Regierungsangelegenheiten an den Tag legen, so sind die meisten Zeitungen auf Regierungsbehörden zur Drucklegung und für Werbung angewiesen, was Selbstzensur fördert (FH 2024). Die Behörden verhaften und inhaftieren Bürger, weil sie Ansichten äußern, die als schädlich für staatliche Beamte und Institutionen angesehen werden, einschließlich der Verwendung der Amazigh-Flagge bei Protesten, und die Bürger üben Selbstzensur bei der Äußerung öffentlicher Kritik (USDOS 23.4.2024).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, dennoch werden Demonstrationen regelmäßig nicht genehmigt bzw. in Algier komplett verboten (AA 10.5.2023; vgl. USDOS 23.4.2024) bzw. wird die Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 11.1.2024). Folglich sind die Möglichkeiten oppositioneller politischer Tätigkeit weiterhin eng begrenzt: Versammlungen müssen angemeldet sein, Demonstrationen in der Hauptstadt sind theoretisch weiterhin verboten (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. USDOS 23.4.2024) und auch anderswo ist es schwierig, eine Genehmigung zu erhalten (USDOS 23.4.2024). Politische Veranstaltungen sind engen Regeln unterworfen und im Grunde auf die dreiwöchigen Kampagnen vor Wahlen beschränkt (ÖB Algier 21.5.2024).

Gesetzliche Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bestehen weiterhin, werden aber uneinheitlich durchgesetzt. Obwohl die Hirak-Proteste, die 2019 begannen, manchmal toleriert wurden, griffen die Behörden häufig zu Gewalt und willkürlichen Verhaftungen, um Kundgebungen zu verhindern oder aufzulösen. Nach der Wiederaufnahme der Demonstrationen im Jahr 2021 sahen sich die Hirak-Demonstranten zunehmenden Repressionen ausgesetzt, wodurch die Bewegung an Schwung verlor. Im Jahr 2023 kam es zu keinen größeren Hirak-Protesten, aber die Polizei nahm im Laufe des Jahres 2023 weiterhin Personen fest, denen Verbindungen zu der Bewegung nachgesagt wurden (FH 2024).

Das Gesetz garantiert der Regierung weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung und Einflussnahme auf die täglichen Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Das Innenministerium muss der Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen zustimmen, bevor diese gesetzlich zugelassen werden. Nach der Registrierung müssen die Organisationen die Regierung über ihre Aktivitäten, Finanzierungsquellen und Mitarbeiter informieren und auch personelle Veränderungen mitteilen. Dennoch sind verschiedene nationale Menschenrechtsgruppen aktiv. Sie sind jedoch in unterschiedlichem Ausmaß Einschränkungen durch die Regierung ausgesetzt bzw. ist Kooperation nur selten mit dieser möglich (USDOS 23.4.2024).

Eine Parteigründung bleibt weiterhin schwierig (ÖB Algier 21.5.2024). Für die Gründung einer Partei ist - wie bei anderen Vereinigungen - eine Genehmigung des Innenministeriums nötig. Politische Parteien auf Basis von Religion, Ethnie, Geschlecht, Sprache oder Region sind verboten, aber verschiedene politische Parteien mit religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit werden toleriert (USDOS 23.4.2024). Die Zunahme neuer politischer Parteien nach dem Arabischen Frühling und dem Hirak hat neue Bevölkerungsgruppen mobilisiert. Sie hat jedoch auch zu einer möglichen Zersplitterung der Opposition geführt und kleinere Unterstützergruppen für die regierende Nationale Befreiungsfront (FLN) geschaffen (BS 2024). Oppositionsparteien können sich grundsätzlich ungehindert betätigen, soweit sie zugelassen sind. In den privaten Medien sind oppositionelle Parteien wenig, in den staatlichen Medien gar nicht präsent. Mehrere Parteien haben kritisiert, dass ihnen teils die Ausrichtung von Versammlungen erschwert wird und sie Bedrohungen und Einschüchterungen ausgesetzt sind. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 10.5.2023).

Der Nationale Menschenrechtsrat (CNDH) verfügt über Haushaltsautonomie und hat die verfassungsmäßige Aufgabe, mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, offiziell zu den von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzen Stellung zu nehmen und dem Präsidenten, dem Premierminister und den beiden Parlamentspräsidenten einen veröffentlichten Jahresbericht vorzulegen. Die CNDH ist in fast allen Gemeinden und in fünf regionalen Delegationen in Chlef, Biskra, Setif, Bechar und Bejaia vertreten. Die CNDH stellte fest, dass sie im Laufe des Jahres 2023 Gefängnisbesuche durchführte, Sitzungen mit der Arabischen Liga und Penal Reform International abhielt, Krankenhäuser und Pflegeheime besuchte, um einen gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung für gefährdete Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten, und Sondersitzungen abhielt, um den Klimawandel nach den Waldbränden im Nordosten des Landes zu thematisieren (USDOS 23.4.2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2023): Algerien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 28.8.2024

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091939/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_(Stand_März_2023),_10.05.2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Algeria Country Report, https://bti-project.org/de/reports/country-report/DZA, Zugriff 20.8.2024

FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108025.html, Zugriff 20.8.2024

HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103142.html, Zugriff 29.8.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107601.html, Zugriff 20.8.2024

F. Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung 2024-10-01 11:41

Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern (CIA 7.8.2024; vgl. AA 10.5.2023), wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit von etwa 15% identifiziert sich selbst jedoch als Berber. Weniger als 1% der Bevölkerung ist europäischer Abstammung (CIA 7.8.2024). Die staatlichen Institutionen werden von keiner spezifischen ethnischen Gruppe dominiert, dort sind sowohl Araber als auch ethnische Berber vertreten (FH 2024).

Systematische staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor (AA 10.5.2023).

Trotz flächendeckender Arabisierung der Bevölkerung haben sich in Gebirgsregionen und den Oasen des Südens Sprache und Traditionen der Berber erhalten; insbesondere die Bewohner der Kabylei setzten sich seit der Unabhängigkeit Algeriens für die Anerkennung ihrer Sprache (Tamazight) und ihrer Kultur ein. Durch die Verfassungsreform von 2016 wurde Tamazight neben dem Arabischen zur Amtssprache erklärt (AA 10.5.2023).

Ethnische (Berber)Minderheiten - vor allem im Süden des Landes - berichten von diskriminierendem Verhalten von Sicherheitskräften. Mozabiten [Anm.: eine muslimische Minderheit] in der Wilaya Ghardaia beklagen, dass sie von Sicherheitskräften nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt würden. Demnach agieren Polizei und Gendarmerie parteiisch. Außerdem mache sich bemerkbar, dass Mozabiten vom verpflichtenden Militärdienst praktisch befreit seien und keine Vertreter in Polizei und Gendarmerie entsendeten. Auch in der Kabylei mit einer starken regionalen Identität gibt es immer wieder Klagen über systematische Benachteiligungen und Repressionen. Diese Repressionen sind im Kontext der verstärkten Arabisierungspolitik und verschiedener arabisch-nationalistischer Tendenzen zu betrachten (ÖB Algier 21.5.2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091939/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_(Stand_März_2023),_10.05.2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): Algeria - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/algeria/#military-and-security, Zugriff 21.8.2024

FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108025.html, Zugriff 20.8.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

G. Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung 2024-10-01 12:52

Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt (USDOS 23.4.2024). Nach anderen Angaben können die meisten Bürger innerhalb des Landes und ins Ausland relativ frei reisen (FH 2024). Die Verfassung gewährt den Bürgern das Recht, in das Land ein- und auszureisen. Menschenrechtsgruppen äußern sich besorgt darüber, dass die Regierung Reiseverbote, einschließlich außergerichtlicher Verbote, gegen Journalisten, Aktivisten und Kritiker einsetzt (USDOS 23.4.2024).

Jungen wehrpflichtigen Männern, die ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben, wird die Ausreise ohne Sondergenehmigung verweigert (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Sondergenehmigungen erhalten Studenten und Personen in besonderen Familienkonstellationen. Personen, die jünger als 18 Jahre sind, ist es gemäß Familienrecht nicht gestattet, ohne die Erlaubnis einer Aufsichtsperson ins Ausland zu reisen (USDOS 23.4.2024). Verheiratete Frauen, die jünger als 18 Jahre sind, dürfen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht ins Ausland reisen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024).

Die Landgrenze zwischen Algerien und Marokko bleibt geschlossen (FH 2024).

Quellen

FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108025.html, Zugriff 20.8.2024

USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107601.html, Zugriff 20.8.2024

H. Grundversorgung

Letzte Änderung 2024-10-01 13:00

Algerien ist als flächenmäßig größtes Land des afrikanischen Kontinents ein bedeutender ökonomischer Akteur. Algerien stützt sich wirtschaftlich auf Förderung und Export von Öl und Gas. Eine Diversifizierung steht aber schon länger auf der politischen Agenda. Angesichts der Energiekrise in Europa hat die Bedeutung Algeriens als verlässlicher Lieferant nochmals zugenommen. Algerien möchte diese Position im Energiesektor langfristig sichern. Dazu gehört neben Modernisierung und Ausbau der bestehenden Öl- und Gasinfrastruktur der Aufbau einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Produktion von Wasserstoff (ABG 8.2024).

Im Jahr 2021 trug eine kräftige Erholung der Erdöl- und Gasproduktion dazu bei, dass sich die Wirtschaft von der durch COVID-19 ausgelösten Rezession erholt hat. Die Außenhandels- und Haushaltssalden erholten sich 2022 merklich und profitierten vom Anstieg der Weltmarktpreise für Erdöl- und Gas. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Erdöl- und Gasboom Algerien Fortschritte in der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung ermöglicht. Das Land hat 2008 seine multilateralen Schulden fast beglichen, in Infrastrukturprojekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums investiert und eine umverteilende Sozialpolitik eingeführt, die die Armut gelindert und die Indikatoren für die menschliche Entwicklung deutlich verbessert hat (WB 30.5.2023). Dennoch bleibt die Inflation mit 9,4% hoch. Um die Kaufkraft zu sichern, hat die Regierung Maßnahmen wie die Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst und die Einführung von Arbeitslosenunterstützung ergriffen. Dieses Ausgabenniveau könnte jedoch zu einer Herausforderung werden, wenn die Gaspreise in Zukunft sinken (BS 2024).

Die algerische Wirtschaft wird voraussichtlich bis Ende 2023 um 2,8% wachsen, angetrieben durch steigende Erdgasförderung, eine erhebliche Zunahme der Getreideproduktion und verstärkte Investitionen in Industrie und Bauwesen. Algeriens Wirtschaft ist stark von Erdöl und Erdgas abhängig. Etwa 60% der Steuereinnahmen und 90% der Exporteinnahmen des Landes kommen aus diesem Sektor. Das Land setzt verstärkt auf die Diversifizierung seiner Wirtschaft und den Ausbau der lokalen Produktion. Diese Strategie zielt darauf ab, die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zu verringern und langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu fördern (WKO 13.9.2024).

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB Algier 21.5.2024).

Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien- und im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren "Selbsthilfegruppen" in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 10.5.2023).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Staatliche oder karitative Einrichtungen, die eine Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse sicherstellen, sind nicht bekannt (AA 10.5.2023). In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 61% der Befragten an, dass es ihnen gelingt, ihren Haushalt trotz der aktuellen Lebensmittelpreise ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, 30% können sich gerade so mit Lebensmitteln versorgen und nur 9% können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit Lebensmitteln versorgen. Etwas schwieriger ist die Situation beim Kauf von grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhen: 43% der Befragten sind in der Lage, ihren Haushalt mit diesen Gütern zu versorgen, 42% schaffen es gerade so, und 14% können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit diesen Gütern versorgen (STDOK 31.12.2023). [Anm.: Zu beachten ist, dass es sich hier um eine Befragung in Städten handelt, ländliche Gebiete sind nicht erfasst - hier können Unterschiede im Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Konsumgütern bestehen.]

Die Prognosen für die Entwicklungen am algerischen Arbeitsmarkt sind ungünstig, die Arbeitslosigkeit steigt. Dies ist nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern auch auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und einer politischen Krise im Jahr 2019. Die Gehälter im öffentlichen Sektor sind höher als in der Privatwirtschaft. Allgemein steigen die Reallöhne in Algerien langsamer als das allgemeine Preisniveau (ABG 8.2024).

Die Arbeitslosigkeit (15-64-Jährige) lag 2022 bei 11,6% (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. BS 2024) bzw. 12,4% und 2023 bei 11,8% (WKO 8.2024), die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-Jährige) 2022 bei 29,0% (ÖB Algier 21.5.2024) bzw. 32,0% und 2023 bei 30,8% (WKO 8.2024). Die Perspektivenlosigkeit der Jugend ist ungebrochen, eine hohe Zahl findet keine geregelte Arbeit. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60% geschätzt wird (ÖB Algier 21.5.2024).

Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen. Seit Feber 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB Algier 21.5.2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091939/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_(Stand_März_2023),_10.05.2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

ABG - Africa Business Guide (8.2024): Länderprofil - Wirtschaft in Algerien, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/algerien, Zugriff 12.9.2024

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Algeria Country Report, https://bti-project.org/de/reports/country-report/DZA, Zugriff 20.8.2024

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (31.12.2023): Algeria: Socio-Economic Survey 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2106869/2024-04-03_Dossier, Zugriff 13.9.2024

WB - Weltbank (30.5.2023): Algeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/algeria/overview, Zugriff 12.9.2024

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (13.9.2024): Algerien: Wirtschaftslage, https://www.wko.at/aussenwirtschaft/algerien-wirtschaftslage, Zugriff 13.9.2024

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (8.2024): Länderprofil Algerien

I. Rückkehr

Letzte Änderung 2024-10-01 14:04

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der österreichischen Botschaft in Algier nicht bekannt (ÖB Algier 21.5.2024). Es gibt seitens der algerischen Regierung keine Reintegrationsprojekte. In der Regel werden Rückkehrer von der Familie aufgefangen. Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung werden von den Familienmitgliedern geleistet. Rückkehrer werden erst wieder in das staatliche Sozialversicherungssystem aufgenommen, wenn sie erwerbstätig sind (AA 10.5.2023).

Von 2018 bis 2022 gab es allerdings das Europäische Rückkehr- und Reintegrationsnetzwerk (ERRIN) – eine Arbeitsgemeinschaft aus 16 EU-Mitgliedstaaten und Schengen-assoziierten Staaten, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (EBCGA/FRONTEX) und der Europäischen Kommission – die in Fragen der Hilfestellung und Begleitung von Rückkehrern tätig war. Als Fortführung des ERRIN-Projekts wurde mit 1.4.2022 das JRS-Programm (Joint Reintegration Services) gestartet. Dieses bietet individuelle Reintegrationshilfen für Rückkehrer in ihre Herkunftsländer. Für die Koordinierung der Reintegrationshilfen bleibt das BMI auf nationaler Ebene weiterhin zuständig. Reintegrationshilfen können ab 1.7.2022 über das europäische JRS-Programm beantragt werden. Für die Umsetzung der 12-monatigen Reintegrationshilfen gelten die bisherigen Projektinhalte fort. Es kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen; häufig sind Fälle, in denen Familien Angehörige mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützt haben. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich und Deutschland, für Personen, die freiwillig ausgereist sind, ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EU-Staaten. In Österreich bietet Return From Austria in Kooperation mit Frontex (JRS) finanzielle Rückkehrhilfe an (ÖB Algier 21.5.2024). IOM führt ein Programm zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach und der Integration in Algerien durch. Das Programm wird aus EU-Mitteln und auch bilateral von deutscher Seite unterstützt (AA 10.5.2023).

Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststeht, dass es sich um algerische Staatsbürger handelt. Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB Algier 21.5.2024).

Die illegale Ausreise ist strafbar (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und/oder eine Geldstrafe (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023) zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 137 - 410 Euro] vor (ÖB Algier 21.5.2024).

Üblicherweise werden lediglich Geldstrafen in Höhe von 20.000 Dinar (nach offiziellem Kurs rd. 150 Euro, am Schwarzmarkt ca. 100 Euro) verhängt, die Höhe richte sich nach der Art der illegalen Ausreise. So wird eine Ausreise mit dem Boot etwa höher bestraft als ein simpler „Overstay“ (ÖB Algier 21.5.2024). Nach anderen Angaben werden Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 10.5.2023).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.5.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091939/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_(Stand_März_2023),_10.05.2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

ÖB Algier - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (21.5.2024): Asylländerbericht Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2109608/ALGE_ÖB_Bericht_2024_05_21.pdf, Zugriff 20.8.2024 [Login erforderlich]

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die zitierten Länderberichte zu Algerien.

Auszüge aus dem Strafregister, dem Dachverband der österreichischen Sozialversicherung sowie dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.

Überdies wurde beim Bundesamt der Bescheid vom Bundesamt zu seinem ersten, erstinstanzlich rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahren angefordert.

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes, der Schubhaftverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer wurde am 12.02.2025 einer Delegation der algerischen Botschaft vorgeführt und im Zuge dieser Vorführung seine algerische Staatsangehörigkeit festgestellt werden konnte, ergibt sich aus der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.03.2025, G309 2307652-2/8Z.

Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seinem Gesundheitszustand, seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Konfession, seiner Wohnsitzadresse, seiner Ausreise nach Europa und seinen Aufenthalten in Europa ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie in seinem vorangegangenen Asylverfahren. Seine nunmehrige Behauptung, dass er in Algerien von Brüdern eines Mädchens verfolgt werde, weil er eine sexuelle Beziehung mit diesem Mädchen gehabt habe, war jeglicher glaubhafte Kern zu versagen (vgl. Punkt II. 2.2.).

Die Feststellungen zu den Aufenthalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gründen auf dem unbestrittenen Akteninhalt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist durch eine Abfrage im Strafregister der Republik belegt.

Dass er in Europa bereits zehn Anträge auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister und seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister ergibt sich ebenso, dass er unter verschiedenen Alias Identitäten auftrat.

2.2. Zum Vorverfahren, dem Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Zur Beurteilung der Identität der Sach- und Rechtslage unter dem Gesichtspunkt des § 68 Abs. 1 AVG ist jener Bescheid (bzw. jenes Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem materiellrechtlich über einen Antrag entschieden wurde (vgl. VwGH 19.10.1995, Zl. 93/09/0502, mwN). Als Vergleichsmaßstab im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz dient fallgegenständlich sohin der Bescheid der Bescheid des Bundesamtes vom 20.06.2022, mit welchem sein erster Antrag vom 01.04.2022 nach inhaltlicher Prüfung seines betreffenden Vorbringens hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren anlässlich seines ersten Antrags auf internationalen Schutz rein wirtschaftliche Erwägungen geltend gemacht. In seinem Herkunftsstaat Algerien sei die wirtschaftliche Lage sehr schlecht und finde er dort keine Arbeit. Dem rechtskräftig abweisenden Bescheid des Bundesamtes vom 20.06.2022 wurde dieser Sachverhalt zugrunde gelegt und diesem Vorbringen hierbei jegliche Asylrelevanz versagt.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft dieses abweisenden Bescheides der belangten Behörde mit 20.06.2022 und der Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Folgeantrags wegen entschiedener Sache mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.08.2025 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Zunächst ist festzustellen, dass sich die Rechtslage in einzelnen Punkten geändert haben mag, allerdings nicht entscheidungswesentlich. Dies wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine wesentliche Änderung der Rechtslage ist folglich nicht erkennbar.

Eine wesentliche Änderung der Sachlage ist jedoch ebenso wenig zu erkennen, da seitens des Beschwerdeführers auch keine neuen, entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden. Sofern er im gegenständlichen Verfahren abermals darauf verwies, dass seine im Erstverfahren geltend gemachten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien, so waren diese bereits Gegenstand seines vorangegangenen Asylverfahrens in Österreich und wurden dem rechtskräftig abweisenden Bescheid des Bundesamtes vom 20.06.2022 zugrunde gelegt. Eine schon vor Erlassung einer Entscheidung bestehende Sachlage ist von deren Rechtskraft erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496, mwN). Somit handelt es sich bei dem neuerlichen Verweis auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aus seinem Erstverfahren um keine "nova producta" im Sinne einer nachträglichen Änderung der Sache (vgl. VwGH 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206), die einer neuerlichen inhaltlichen Prüfung im gegenständlichen Verfahren zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz zugänglich wären.

Hinsichtlich des nunmehr ergänzend erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund einer sexuellen Beziehung zu einem Mädchen von deren Brüdern, welche Drogenhändlern bzw. einer mafiosen Gruppierung angehören würden, verfolgt werde, ist zu betonen, dass eine behauptete Sachverhaltsänderung in Bezug auf wiederholte Asylanträge zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (diese Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes wurde auch nach der Entscheidung des EuGH vom 09.09.2021, Zl. Rs C-18/20 in Bezug auf ein Vorabentscheidungsersuchen zu Zl. Ro 2019/14/006 bezüglich der Auslegung des Art. 40 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) im Hinblick auf die dort verwendeten Wortfolgen „neue Elemente oder Erkenntnisse“, die „zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind“, aufrecht erhalten, vgl. VwGH 17.02.2022, Ra 2020/18/0127, mwN).

Ein glaubhafter Kern war dem nunmehr ergänzend geltend gemachten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers jedoch zu versagen. Dies aufgrund folgender Erwägungen:

Ungeachtet des Umstandes, dass im Rahmen seines ersten Asylverfahrens eine Verfolgung durch die Brüder eines Mädchens, mit welchem der Beschwerdeführer eine sexuelle Beziehung gehabt habe, nicht einmal rudimentär Erwähnung fand, ist zunächst zu betonen, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.02.2025, Zl. G307 2307652-1/11Z, auf die Frage des Richters, warum er nach all den Asylverfahren die er bereits durchlaufen hat, nicht nach Algerien zurückgekehrt sei, angab, dass es in Algerien keine Arbeit gebe. Nicht verständlich und nachvollziehbar ist für den erkennenden Richter, dass er nicht einmal stichwortartig sein aktuelles Fluchtvorbringen in dieser Beschwerdeverhandlung vorgetragen hat, sondern lediglich die gleichen Fluchtgründe vorgetragen hat, welche er bereits in seinem Erstverfahren angegeben hat. Von einem Beschwerdeführer wäre zu erwarten, dass er bei der sich erst bietenden Möglichkeit seine Fluchtgründe vollständig schildert.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt am 26.08.2025 wurde dem Beschwerdeführer die Frage gestellt, weshalb er nicht im Erstverfahren bereits den aktuellen Fluchtgrund angegeben habe. Der Beschwerdeführer gab daraufhin an, dass er am Anfang nicht gewusst habe, ob man solche Sachen erzählen soll. Er sei davon ausgegangen, dass er wieder geladen werde und dann alles sagen könne. Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass die polizeiliche Erstbefragung eines Asylwerbers im Sinne des § 19 AsylG 2005 insbesondere der Ermittlung seiner Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, so hat der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst wiederum ausdrücklich festgehalten, dass ein von den Angaben im weiteren Verlauf des Verfahrens abweichendes Vorbringen eines Asylwerbers in der Erstbefragung durchaus ein relevantes Argument gegen dessen Glaubwürdigkeit darstellen kann (vgl. VwGH 21.04.2022, Ra 2022/19/0004, mwN). Zudem entspricht es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der Lebenserfahrung, dass die ersten Angaben in einem laufenden Verfahren der Wahrheit am Nächsten kommen (vgl. VwGH 12.07.2019, Ra 2016/08/0086, mwN) und weist die seitens des Beschwerdeführers geltend gemachte Neuerung in Bezug auf die Verfolgung durch die Brüder eines Mädchens, mit welcher eine sexuelle Beziehung gehabt habe – sofern er sinngemäß ins Treffen führte, dass er diese im Rahmen seines ersten Asylverfahrens deshalb nicht erwähnt habe, da er nicht gewusst habe, ob er das sagen könne – auch nicht den sensiblen Charakter jener Fragen auf, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, wo gewisse Hemmungen in Bezug auf Schilderungen eines Asylwerbers gegenüber Behörden nach der Judikatur des EuGH (Urteil vom 02.12.2014, C-148/13 bis C-150/13) und den SOGI-Guidelines durchaus zu erwarten wären und nicht unüblich sind, zumal es lediglich um die Verfolgung durch die Brüder des Mädchens geht und nicht um seine eigene Sexualität.

Darüber hinaus erschöpften sich die nunmehrigen Schilderungen des Beschwerdeführers bezüglich einer angeblichen Bedrohung seiner Person sowohl in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt als auch in der Beschwerde lediglich in der Darlegung von Eckpfeilern einer allgemein gehaltenen, vagen Rahmengeschichte. Dies zeigt sich bereits daran, dass er bei einer zentralen Frage nach der Dauer seiner Beziehung zu einer Frau in der Einvernahme vor dem Bundesamt widersprüchliche und unpräzise Angaben machte. Zunächst erklärte er, die Beziehung habe bereits 2012 oder 2013 begonnen, anschließend korrigiert er sich selbst und legt den Beginn erst auf 2015 fest, wobei er sodann das Ende der Beziehung mit 2018 benannte. Diese vage gehaltenen und unterschiedlichen Angaben über seine persönlichen Lebensumstände lassen darauf schließen, dass seine Schilderungen nicht auf einer durchgehend nachvollziehbaren Erinnerung beruhen. Vielmehr deuten die wechselnden Angaben darauf hin, dass er lediglich in groben Eckpunkten eine Rahmengeschichte konstruiert, die weder inhaltlich konsistent noch hinreichend individualisiert ist, um als glaubhafte Darstellung einer Bedrohungslage gewertet werden zu können.

Auch sind die zeitlichen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ausreise aus Algerien nicht gleichbleibend und in einer Zusammenschau mit seinem Fluchtvorbringen nicht plausibel. So gab der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2025, Zl. G303 2307652-8/11Z, an, dass er im Jahr 2019 im August oder September aus Algerien ausgereist sei. In der Beschwerde gab er an, dass er aufgrund der Brüder seiner damaligen Freundin geflüchtet sei, da diese ihn umbringen hätten wollen. In der Einvernahme vor dem Bundesamt am 26.08.2025 gab er an, dass er im Jahr 2020 das letzte Mal in Algerien gewesen sei. Diese Angaben stehen offensichtlich im Widerspruch zu seinem eigenen Fluchtvorbringen: Wäre tatsächlich eine konkrete und ernsthafte Bedrohung seines Lebens durch die Familie seiner damaligen Freundin gegeben gewesen, wäre es nicht plausibel, dass er – nach seiner behauptenden Ausreise – erneut freiwillig in seine Heimat zurückgekehrt ist.

Eine weitere Ungereimtheit stellen seine Angaben in der Erstbefragung in Zusammenschau mit seinen Angaben in der Einvernahme dar. Während er in der Erstbefragung noch angab, dass er keine Chance gehabt habe seinen aktuellen Fluchtgrund anzugeben, da er nicht befragt worden sei, gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt zwar auch an, er habe nicht gewusst, ob er sein Fluchtvorbringen erzählen könne und er davon ausgegangen sei noch mal geladen zu werden und alles sagen zu können, jedoch steht gerade diese Angabe im Widerspruch zu seiner jetzigen Angabe, weshalb er nicht bereits früher den zuletzt gestellten Asylantrag gestellt habe. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab er nämlich auf den Vorhalt, dass er sich bereits seit circa 10 Monaten in Schubhaft befinde und weshalb er nicht eher diese Bedrohung bzw. Verfolgung angegeben habe, an, dass er keine Beweise gehabt habe, um den Asylantrag zu stellen. Seine Angaben erscheinen somit nicht plausibel, da er bereits – seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt zufolge – bereits im Erstverfahren bereit gewesen wäre sein jetziges Fluchtvorbringen vorzutragen, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte. Somit hätte er – seinen Angaben zufolge - bereits früher, nämlich seit seiner Überstellung von Dänemark nach Österreich sein Fluchtvorbringen erstatten können und nicht erst im August dieses Jahres.

Auch scheinen seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung vom 18.02.2025, Zl. G307 2307652-1/11Z, in Zusammenschau mit seinen inkonsistenten und widersprüchlichen Angaben eine Schutzbehauptung darzustellen. Seine Angabe, sich dem Asylverfahren in Österreich er damals zu entzogen zu haben, weil ihm „die vom Asyl“ gesagt hätten, dass er innerhalb von zehn Tagen das Land zu verlassen habe, ist als unglaubhaft zu werten. Der Beschwerdeführer konnte dies mit nichts belegen und ist in einer Gesamtschau seiner Angaben davon auszugehen, dass wirtschaftliche Gründe für die Ausreise seiner Heimat sprechen, zumal er auf die Frage in der Einvernahme vor dem Bundesamt, ob er sämtliche Gründe, welche ihn veranlasst habe einen neuerlichen Asylantrag zu stellen, vorgebracht habe, angab: „Ja. Ich möchte eine Ausbildung machen und auch arbeiten und keine Probleme verursachen.“

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde daher auch den höchstgerichtlichen Vorgaben, wonach das Vorbringen eines Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen muss (vgl. VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056, mwN), nicht einmal im Ansatz gerecht.

Zusammengefasst bleibt sohin festzuhalten, dass die seitens des Beschwerdeführers behauptete Sachverhaltsänderung keinen glaubhaften Kern aufweist. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren in Österreich keine entscheidungswesentlichen neuen Fluchtgründe vorgebracht hat.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 12.03.2021, Ra 2020/19/0315, mwN). Eine wesentliche Änderung der Situation in Algerien wurde jedoch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet und entspricht eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts. Es sind keine Umstände bekannt, dass in Algerien gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefahr iSd Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre und besteht auch nicht auf dem gesamten Staatsgebiet ein innerstaatlicher oder internationaler Konflikt, welcher für eine dort aufhältige Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bedeuten würde. Im gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Algerien zitiert. Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen im Erstverfahren und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Algerien im gegenständlichen Verfahren ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Algerien. Nicht zuletzt wurde Algerien mit BGBl. II Nr. 47/2016, kundgemacht am 16.02.20216, in die Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung – HStV), aufgenommen, galt somit bereits zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers mit 20.06.2022 als sicherer Herkunftsstaat und tut es dies zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt nach wie vor.

Es sind auch keine wesentlichen, in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe. Eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit wurde weder vorgebracht, noch ist eine solche ersichtlich und verfügt er darüber hinaus– konkret in Gestalt seiner Eltern und ein Bruder – über ein intaktes familiäres Netzwerk in seinem Herkunftsstaat. Selbst wenn der Beschwerdeführer in Algerien keine familiäre Unterstützung erfahren sollte, sind noch immer keinerlei Gründe ersichtlich, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er im Falle seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. So ist der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist grundsätzlich gewährleistet. Seit 1.4.2022 existiert das JRS-Programm (Joint Reintegration Services). Dieses bietet individuelle Reintegrationshilfen für Rückkehrer in ihre Herkunftsländer.

Daher waren die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

2.3. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Algerien gilt gemäß § 19 Abs. 5 BFA-VG iVm § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) im Hinblick auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Verletzungen von Menschenrechten als sicherer Herkunftsstaat.

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Da das BFA mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht jedoch der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/20/0192, mwN).

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 20.01.2021, Ra 2020/19/0381, mwN).

Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt.

Dies ist gegenständlich jedoch nicht der Fall. Der seitens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Folgeverfahren behaupteten Sachverhaltsänderung, wonach er aufgrund der sexuellen Beziehung zu einem Mädchen einer Verfolgung durch deren Brüder ausgesetzt gewesen sei, war – wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2. dargelegt – jeglicher glaubhafte Kern zu versagen, sodass er in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren keine entscheidungswesentlichen neuen Fluchtgründe vorgebracht hat.

Wesentliche Änderungen in der Person des Beschwerdeführers bzw. in der allgemeinen Lage in Algerien wurden ebenfalls nicht vorgebracht und entsprechen auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts, so dass auch unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes keine neue inhaltliche Prüfung notwendig war (vgl. Punkt II. 2.2.).

Das Bundesamt hat daher völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des Bundesamtes an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der verfahrenseinleitende Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt war zudem auf Grund der Aktenlage klar.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.