Spruch
G314 2238244-2/37E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich einer Maßnahme nach § 66 FPG den Beschluss (A) und erkennt zu Recht (B):
A) Die Anträge, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Kosten des Verfahrens sowie die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers aufzuerlegen, werden als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
C) Die Revision ist jeweils gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) beantragte erstmals am XXXX .2020 bei der Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung.
Das - gemäß § 55 Abs 3 NAG von der Niederlassungsbehörde befasste - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) informierte ihn mit Schreiben vom XXXX .2020 von der Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und forderte ihn auf, sich zur deshalb beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich sowie zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Der BF reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der BF daraufhin gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass er nicht nachgewiesen habe, dass sein Lebensunterhalt gesichert sei und eine umfassende Krankenversicherung bestünde.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er die Behebung des angefochtenen Bescheids beantragt und ein Kostenersatzbegehren stellt. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich als Unionsbürger in Österreich niederlassen könne. Das BFA habe den Anwendungsvorrang des EU-Rechts nicht beachtet. Es gehe rechtsirrtümlich davon aus, dass er Details aus seinem persönlichen Lebensumfeld offenbaren müssen, um ein Aufenthaltsrecht als EWR-Bürger zu erhalten, und andernfalls des Landes verwiesen werden könne. § 51 NAG sei insoweit richtlinienkonform auszulegen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme sei eine gemäß Art 18 AEUV unzulässige Diskriminierung und eine gemäß Art 21 AEUV unzulässige Beschränkung seiner Grundrechte.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor und beantragte in der angeschlossenen Stellungnahme, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen und die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.
Mit der am XXXX .2021 beim BVwG eingelangten Eingabe beantragte der BF, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ihm eine Bestätigung darüber zukommen zu lassen, dass die Vollstreckbarkeit des Bescheids gehemmt sei.
Am XXXX .2021 wurden dem BVwG diverse Unterlagen übermittelt, die der BF beim BFA eingereicht hatte. Darin vertritt er mit näherer Begründung, dass er in Österreich als Arbeitnehmer anzusehen sei.
Mit seiner am XXXX .2021 beim BVwG eingelangten Eingabe beantragte der BF die Aufhebung der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids sowie die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung.
Mit Erkenntnis vom 25.02.2021, G314 2238244-2/7E, wies das BVwG die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom XXXX .2020 als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom XXXX , wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Die Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung wäre geboten gewesen, um ein dem BF als Arbeitssuchendem allenfalls zukommendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu prüfen, weil schon das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln kann, sofern es objektiv nicht aussichtslos ist.
Im zweiten Rechtsgang übermittelte der BF dem BVwG aufforderungsgemäß diverse Unterlagen.
Am 13.02.2025 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in der der BF als Partei einvernommen wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung per Videokonferenz teil.
Der BF brachte in der Folge beim BVwG diverse Eingaben ein, in denen er verschiedene Verfahrensmängel (u.a. fehlende Akteneinsicht, fehlende Öffentlichkeit der Verhandlung vom 13.02.2025) rügt.
Feststellungen:
Der am XXXX in der deutschen Stadt XXXX geborene BF ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland. Seine Erstsprache ist Deutsch.
Der BF hat – nach einem Voraufenthalt im Zeitraum 2006 bis 2009 – seit Anfang XXXX 2020 wieder einen dauernden Wohnsitz in Österreich. Er war am Beginn seines nunmehrigen Inlandsaufenthalts als Angestellter bei einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland beschäftigt. Aufgrund dieser Tätigkeit war er bei der DAK Gesundheit, einer deutschen Krankenkasse, gesetzlich krankenversichert; von XXXX .2020 bis XXXX .2020 war für ihn bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ein „auslandsbetreuter Wohnsitz in Österreich“ registriert.
Danach war der BF in Österreich mehrfach unselbständig erwerbstätig, so am XXXX . und XXXX .2020, von XXXX .2021 bis XXXX .2021, von XXXX .2021 bis XXXX .2021, von XXXX .2021 bis XXXX .2021, von XXXX .2022 bis XXXX .2022 (mit Bezug von Kombilohnbeihilfe des AMS), von XXXX .2022 bis XXXX .2022, von XXXX 2022 bis XXXX .2022, von XXXX .2022 bis XXXX .2023 und zuletzt von XXXX .2024 bis XXXX .2024. Im Zeitraum XXXX .2021 bis XXXX 2021 bestand eine Selbstversicherung gemäß § 16 Abs 1 ASVG. Während der Zeiträume, in denen kein Beschäftigungsverhältnis bestand, bezog er zum Teil Arbeitslosengeld, und zwar erstmals von XXXX .2022 bis XXXX .2022 und danach von XXXX .2022 bis XXXX .2022, von XXXX 2023 bis XXXX .2023 (mit Krankengeldbezug zwischen XXXX .2023 und XXXX .2023) und zuletzt von XXXX .2023 bis XXXX .2023. Von XXXX .2023 bis XXXX 2024 und wieder seit XXXX .2024 bezieht der BF Notstandshilfe. Während der Beschäftigungsverhältnisse sowie während des Bezugs von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Krankengeld war bzw. ist er gesetzlich krankenversichert.
Der BF ist aktuell beim AMS als „Arbeit suchend“ registriert und hat einem noch bis XXXX .2025 gültigen Betreuungsplan gemäß § 38c AMSG zugestimmt.
Am XXXX .2020 stellte der BF bei der Niederlassungsbehörde einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer, den er am XXXX .2020 wiederholte.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Es sind ihm keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung anzulasten. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich weder in einem Verein noch ehrenamtlich engagiert und hat auch sonst keine konkreten Integrationsbemühungen gesetzt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes des BVwG.
Die Feststellungen basieren auf dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, auf den Angaben des BF und den von ihm vorgelegten Urkunden und weiters auf Informationen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Strafregister sowie auf den für den BF gespeicherten Sozialversicherungsdaten.
Name und Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Geburtsort des BF gehen aus seinem Personalausweis hervor, der dem BVwG in Kopie vorliegt. Der Ausweis ist zwar seit XXXX .2020 abgelaufen, eignet sich aber trotzdem als Grundlage für die Feststellung seiner Identität. Seine Geburtsurkunde liegt ebenfalls in Kopie vor.
Deutschkenntnisse des BF auf muttersprachlichem Niveau sind angesichts seiner Herkunft plausibel, zumal der Verhandlung vor dem BVwG kein Dolmetscher beigezogen werden musste.
Die Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich ergeben sich aus dem ZMR. Sein nunmehriger Inlandsaufenthalt wird anhand seiner Aussage vor dem BVwG am 13.02.2025 festgestellt.
Der BF hat Unterlagen betreffend das Beschäftigungsverhältnis mit einem deutschen Unternehmen, das zu Beginn seines nunmehrigen Inlandsaufenthalts bestand, und seine daraus resultierende Krankenversicherung vorgelegt. Die Registrierung eines „auslandsbetreuten Wohnsitzes“ bei der ÖGK ist ebenso dem Versicherungsdatenauszug zu entnehmen wie die folgenden Beschäftigungsverhältnisse im Inland sowie der Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Krankengeld. Daraus ergibt sich auch, dass er aktuell in Österreich gesetzlich krankenversichert ist.
Der Betreuungsplan des AMS vom XXXX .2024 wurde dem BVwG vorgelegt. Schon aus der Bezeichnung als „Betreuungsvereinbarung“ kann abgeleitet werden, dass dieser im Einvernehmen mit dem BF erstellt wurde.
Die Anträge des BF auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung liegen ebenfalls vor. Eine Entscheidung darüber wird weder vom BF behauptet noch ist sie im IZR ersichtlich.
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF beruht auf dem Strafregister, in dem keine Verurteilungen aufscheinen, und auf dem von ihm vorgelegten Führungszeugnis. Es liegen weder Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten noch auf andere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte für gravierende gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF, für über die Feststellungen hinausgehende Anknüpfungen im Inland oder für weitere konkrete Integrationsbemühungen.
Rechtliche Beurteilung:
Das BVwG hat - wenn es in der Sache selbst entscheidet - seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (siehe VwGH 07.11.2024, Ro 2022/10/0021).
Zu Spruchteil A)
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 18 Abs 4 BFA-VG darf einer Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
Da der Beschwerde des BF die aufschiebende Wirkung im Spruch des angefochtenen Bescheids nicht aberkannt wurde und auch die Bescheidbegründung keine Hinweise auf eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung enthält, kann diese vom BVwG auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Daran ändert auch der (offensichtlich versehentlich) in die Rechtsmittelbelehrung aufgenommene Satz, wonach eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung habe und der Bescheid trotz Erhebung einer Beschwerde vollstreckt werden könne, nichts. Die Rechtsmittelbelehrung entfaltet insoweit keine normative Wirkung; eine falsche Rechtsmittelbelehrung kann lediglich im Fall der Versäumung der Rechtsmittelfrist einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.
Im Verwaltungsverfahren und im Bescheidbeschwerdeverfahren vor dem BVwG gilt gemäß § 74 AVG iVm § 17 VwGVG der Grundsatz der Selbsttragung der Kosten (siehe Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 492, 951). Da die hier anzuwendenden Verwaltungsvorschriften keine entsprechenden Bestimmungen enthalten, besteht kein Kostenersatzanspruch des BF, sodass der darauf gerichtete Beschwerdeantrag ebenfalls zurückzuweisen ist.
Zu Spruchteil B)
Als Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland ist der BF Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 66 Abs 1 FPG können (unter anderem) EWR-Bürger ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG – unter anderem wegen Nichtvorliegens der Voraussetzugnen nach § 51 NAG - das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.
Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate insbesondere dann berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1) oder wenn sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2). Gemäß § 51 Abs 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft einem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist (Z 1); sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt (Z 2); sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt (Z 3), oder eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren (Z 4).
Aus § 51 Abs 2 NAG ergibt sich, dass die Beendigung der Ausübung der Erwerbstätigkeit grundsätzlich zum Verlust der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger führt, sofern die Erwerbstätigeneigenschaft nicht aus besonderen Gründen erhalten bleibt (siehe VwGH 13.09.2023, Ra 2023/10/0063). Die Erwerbstätigeneigenschaft iSd § 51 Abs 1 Z 1 NAG bleibt gemäß § 51 Abs 2 Z 2 und 3 NAG unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen aufrecht, wenn sich der arbeitslos gewordene EWR-Bürger der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, unabhängig davon, ob er Arbeitslosengeld oder - nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld - nur mehr Notstandshilfe bezieht (vgl. VwGH 28.06.2021, Ra 2021/22/0054). Bei der Notstandshilfe handelt es sich nicht um eine Sozialhilfeleistung, deren Bezug für sich genommen schon dem Aufrechtbleiben der Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs 2 NAG entgegenstünde (siehe VwGH 08.06.2021, Ra 2020/21/0211). Bereits das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle, sofern dieses objektiv nicht aussichtslos ist, vermittelt ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (so der VwGH in dem der Revision des BF stattgebenden Erkenntnis vom XXXX ).
Gemäß § 9 BFA-VG ist u.a. eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben des Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele (nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl des Landes, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral oder der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten ist. Dabei sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob dieser rechtswidrig war (Z 1), das Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Der BF hält sich seit XXXX 2020 im Wesentlichen kontinuierlich in Österreich auf. Er ist ein gesunder, alleinstehender Erwachsener im erwerbsfähigen Alter, der zuletzt von XXXX bis XXXX 2024 als Arbeitnehmer erwerbstätig war. Aktuell bezieht er Notstandshilfe, ist gesetzlich krankenversichert und hat sich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS als Arbeit suchend zur Verfügung gestellt, wie auch der im Einvernehmen mit ihm erstellte Betreuungsplan gemäß § 38c AMSG zeigt. Aktuell ist daher eine Ausweisung gegen ihn nicht (mehr) rechtskonform. Einerseits ist er nach wie vor als Arbeitnehmer iSd § 51 Abs 1 Z 1 erster Fall NAG anzusehen, zumal seine Beschäftigungsverhältnisse im Inland in den letzten Jahren – auch wenn sie zum Großteil kurz waren – zeigen, dass seine Arbeitssuche nicht ganz aussichtslos ist. Andererseits sind die Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 2 NAG (ausreichende Existenzmittel ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen oder Ausgleichszulage sowie umfassender Krankenversicherungsschutz) erfüllt, sodass ihm im Ergebnis im Zeitpunkt dieser Entscheidung ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, zumal von ihm auch keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher Folge zu geben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben. Dies bedingt auch den ersatzlosen Entfall des darauf aufbauenden Spruchpunkts II. des angefochtenen Bescheids.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.