JudikaturVwGH

Ra 2024/19/0315 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des N B (alias S K D), vertreten durch Mag. a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2024, W192 22528861/34E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Simbabwe, stellte am 16. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass ihm im Herkunftsstaat und in Südafrika Verfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung drohe.

2Mit Bescheid vom 8. Februar 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 28. August 2022 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4Diese Entscheidung wurde durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 2023, Ra 2022/18/0266, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

5 Im fortgesetzten Verfahren vor dem BVwG gab der Revisionswerber durch seine Rechtsvertretung bekannt, dass wesentliche Teile seines Fluchtvorbringens unrichtig seien, und er nicht von einer näher genannten Gruppe verfolgt worden sei. Er sei jedoch in Südafrika von drei Personen bedroht worden und in Simbabwe Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Er habe in beiden Ländern seine sexuelle Orientierung nicht offen ausleben können.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers erneut als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

Die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BVwG im Wesentlichen damit, dass es nicht maßgeblich wahrscheinlich sei, dass der Revisionswerber wegen seiner sexuellen Ausrichtung mit Strafverfolgung durch Behörden oder Übergriffen von privater Seite rechnen müsse.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausgeführt, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es bei der Prüfung der Verfolgungsgefahr nicht auf eine in Simbabwe offen gelebte Homosexualität abgestellt habe. In diesem Zusammenhang wird auch die Beweiswürdigung gerügt. Überdies sei die Begründung im Hinblick auf die Gefahr einer staatlichen Verfolgung mangelhaft, weil sie die Möglichkeit einer nicht auf Verurteilung basierenden Inhaftierung übersehe. Dem Erkenntnis würden in Verkennung der Rechtslage auch eindeutige Feststellungen fehlen, ob im Herkunftsstaat tatsächlich Freiheitsstrafen zur Sanktionierung homosexueller Handlungen verhängt würden. Ferner habe sich das BVwG nicht näher mit den „SOGI Richtlinien“ des UNHCR auseinandergesetzt und dadurch deren Indizwirkung missachtet.

12Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Bezugnahme auf Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union - bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Verfolgung von Homosexuellen Asyl rechtfertigen kann und dass von einem Asylwerber nicht erwartet werden kann, seine Homosexualität im Herkunftsstaat geheim zu halten, um eine Verfolgung zu vermeiden (vgl. etwa VwGH 25.3.2024, Ra 2024/20/0090, mwN).

13Um den Status eines Asylberechtigten zu erhalten, muss nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Revisionswerber bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 28.2.2024, Ra 2023/19/0326, mwN).

14 Wenn in der Revision gerügt wird, das BVwG habe nicht auf ein offenes Leben der sexuellen Orientierung des Revisionswerbers abgestellt, wird verkannt, dass das BVwG gerade nicht damit argumentierte, dass der Revisionswerber seine Sexualität bloß im Verborgenen oder zurückhaltend ausüben könnte. Das diesbezügliche Vorbringen der Revision läuft somit ins Leere.

15Sofern in der Revision die Beweiswürdigung des BVwG zur Frage der offen gelebten Homosexualität des Revisionswerbers als unvertretbar gerügt wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 12.3.2024, Ra 2023/19/0235, mwN).

16Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag der Revisionswerber, der in erster Linie seine eigenen beweiswürdigenden Überlegungen an die Stelle derjenigen des BVwG gesetzt wissen möchte, nicht darzutun, zumal es hier nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 18.1.2024, Ra 2023/19/0270, mwN).

17 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 16.5.2024, Ra 2024/19/0059, mwN).

18 Soweit in der Revision als Verfahrensmangel geltend gemacht wird, dass das Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich der staatlichen Verfolgung, die nicht auf einer Verurteilung basiert, unberücksichtigt geblieben sei, gelingt es ihr nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen. Stattdessen erschöpft sich dieses Vorbringen in einer pauschalen Behauptung, dass dem Revisionswerber aufgrund seiner sexuellen Orientierung Verfolgung drohe. Welche Feststellungen das BVwG hätte treffen müssen, um zu diesem Schluss zu kommen, wird damit aber nicht aufgezeigt.

19 Des Weiteren richtet sich die Revision dagegen, dass dem Erkenntnis nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnommen werden könne, ob die Strafbestimmung gegen homosexuelle Handlungen nicht oder nur selten angewendet werde. Dabei verkennt die Revision jedoch, dass das BVwG als Maßstab die maßgebliche Wahrscheinlichkeit der drohenden Verfolgung heranzog und diese vor dem Hintergrund der Länderberichte schlüssig verneinte.

20Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung“). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (vgl. VwGH 11.12.2023, Ra 2022/19/0269, mwN).

21 Wenn sich die Revision gegen die Nichtbeachtung der Indizwirkung der SOGI Richtlinien des UNHCR im Zusammenhang mit einer fehlenden Schutzwilligkeit der staatlichen Behörden gegen Übergriffe durch Private wendet, verkennt sie jedoch, dass das BVwG bereits die Eingriffsintensität der Verfolgungshandlungen durch Private vertretbar verneinte.

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2024