JudikaturVwGH

Ra 2023/19/0235 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des N A, vertreten durch Mag. Barbara Belyus, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 60/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2023, W155 2259018 1/6E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 28. August 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, wegen des Krieges und einer drohenden Einziehung als Reservist geflohen zu sein. Zudem sei sein Vater bei der Opposition gewesen, weshalb das Haus der Familie zerstört worden sei und Familienangehörige in der Folge verstorben seien.

2 Mit Bescheid vom 2. August 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG soweit für das vorliegende Verfahren relevant aus, dass aufgrund des Alters und der mangelnden Qualifikation eine Einziehung des Revisionswerbers als Reservist nicht maßgeblich wahrscheinlich sei. Zudem sei der Revisionswerber weder politisch noch oppositionell tätig gewesen. Aus der Person des Vaters bzw. des asylberechtigten Bruders des Revisionswerbers lasse sich ebenso wenig eine Verfolgung aus Konventionsgründen als glaubhaft annehmen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die das Vorverfahren eingeleitet wurde. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil im Falle des Revisionswerbers eine Verfolgung aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes maßgeblich wahrscheinlich sei. Damit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung.

Zudem rügt die Revision, das BVwG habe sich nicht mit der Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers auseinandergesetzt.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.12.2023, Ra 2023/19/0194, mwN).

11 Das BVwG gelangte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Ansicht, dass eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers in dessen Herkunftsstaat nicht vorliege. Dass die ausführliche und auf sämtliche Aspekte des Fluchtvorbringens sohin auch auf die Familienangehörigen des Revisionswerbers eingehende Beweiswürdigung mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre, zeigt die Revision mit ihren allgemeinen Ausführungen nicht auf.

12 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung ausführt, das BVwG sei seiner Ermittlungspflicht in Bezug auf den asylberechtigten Bruder nicht nachgekommen, vermag die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen zudem nicht die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzutun (zur Relevanzdarlegung vgl. VwGH 24.8.2023, Ra 2023/19/0123, mwN).

13 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 21.6.2023, Ra 2021/19/0406, mwN).

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. erneut VwGH Ro 2023/19/0002, mwN).

15 Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. erneut VwGH Ro 2023/19/0002, mwN).

16 Im vorliegenden Fall gelangte das BVwG nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen des Revisionswerbers keinen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn erkennen lässt.

17 Damit ist aber auch dem auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen (vgl. etwa VwGH 29.12.2023, Ra 2023/19/0258).

18 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, es liege eine Verletzung des aus Art. 7 B VG abgeleiteten Gleichheitssatzes vor, ist ihr entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, die gemäß Art. 144 Abs. 1 B VG als Prozessvoraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben sind, gemäß Art. 133 Abs. 5 B VG nicht berufen ist. Insbesondere ist eine solche Behauptung nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun (vgl. VwGH 24.1.2024, Ra 2023/20/0561, mwN).

19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 2024

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